Martin Dreyfus 28. Nov 2025

«Nützliche Idioten?»

Zuweilen muss man dazu Stellung beziehen, ob man dazugehört oder nicht. «Mit teilnehmen und nicht dazugehören» hat es der unvergessene Aaron Ronald Bodenheimer in etwas anderem Zusammenhang vor Jahren beschrieben.

In seiner Publikation «Fokus Israel» greift Sacha Wigdorowits mit seinem Beitrag das Thema der Aufnahme verletzter Kinder aus dem Gazastreifen in der Schweiz auf, jedoch versucht er damit vor allem in den aktuellen «Wahlkampf» um das künftige Präsidium der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ) einzugreifen.

Was die Aufnahme von schwerst kriegsbetroffenen Kindern und deren Begleitpersonen beziehungsweise die damit verbundenen Sicherheitsbedenken betrifft, kann man unterschiedlicher Meinung sein. Um diese wesentlichen Fragen geht es aber im Beitrag von Sacha Wigdorowits bestenfalls vordergründig. Ihm geht es um die Diffamierung eines Teils der Juden und Jüdinnen in der Schweiz und insbesondere in Zürich.

Vorab: Das Statement, welches das jüdische Forum Gescher im vergangenen Jahr veröffentlicht hat, ist von einer in diesem Zusammenhang nicht oft zu beobachtenden Differenziertheit geprägt, von der angenommen werden muss, dass diese leider viel zu vielen (jüdischen) Menschen in der Schweiz entgangen ist.

Es geht im Statement von Gescher zwar auch um Israel und den Krieg im Nahen Osten, aber vor allem um den innerjüdischen Dialog, den Zusammenhalt und die Verbindung der kleinen jüdischen Gemeinschaft in der Schweiz in der damaligen und bis heute anhaltenden Situation. Ein von humanistischem Geist getragenes «offenes Statement» mit zu unterzeichnen beinhaltet in keiner Weise zugleich den Beitritt zu einer Organisation oder gar die Mitgliedschaft in einem Verein.

Nur die sieben Vorstandsmitglieder von Gescher haben ein Schreiben an die Mitglieder des Gemeinderates unterzeichnet, in welchem sie die Unterstützung der Aufnahme kriegsbetroffener Kinder durch den Kanton Zürich einfordern.

Namentlich genannt wird im Beitrag von Wigdorowits zunächst die als Professorin an der Universität Zürich tätige Dina Pomeranz, die Wigdorowits quasi als Mitarbeiterin des Regierungsrates diffamiert. Dabei sollte sogar Sacha Wigdorowits die wissenschaftliche Unabhängigkeit der Universität vom Regierungsrat bekannt sein.

Danach aber kommt Sacha Wigdorowits zum eigentlichen Kern seiner vermeintlichen Botschaft, der Wahl zum Präsidium der ICZ am 8. Dezember. Mit dem Hinweis, «obschon Rosenstein auf der Website von Gescher immer noch als Mitunterzeichner des Gründungsstatements erscheint», versucht er, die beiden Co-Kandidaten zu denunzieren. Dass das Statement auch von vielen anderen, beispielsweise auch Arthur Braunschweig, unterzeichnet wurde, wird nicht erwähnt.

Dass in der Schweiz ausgerechnet Menschen wie Sacha Wigdorowits darüber befinden wollen, wer welche Meinung äussern und welches Statement oder welche Organisation unterstützen darf, ohne dafür jenseits jedweder sachlichen Argumentation diffamiert zu werden, sollte uns zu denken geben. Die Angst vor einer Wahl der beiden «bösen Buben» Braunschweig und Rosenstein muss erheblich sein, wenn ihre Gegner zu Mitteln greifen, die jeder sachlichen Argumentation entbehren.

Der Vorstoss des Leitungsteams von Gescher gegenüber den Zürcher Gemeinderäten muss nun dafür herhalten, Unterzeichner des ursprünglichen Statements von Gescher aus dem Jahr 2024 in übelster Weise zu diskreditieren und damit zu versuchen, einen Keil in die jüdische Gesellschaft (vornehmlich, aber nicht nur) Zürichs zu treiben.

Sacha Wigdorowits erweist uns Schweizer und insbesondere Zürcher Jüdinnen und Juden damit, unabhängig von unserer Zugehörigkeit, einen Bärendienst. Nicht Gescher oder gar Rosenstein oder Pomeranz betreiben das Geschäft der Hamas, wie Sacha Wigdorowits insinuiert, das bleibt allein Sacha Wigdorowits mit seinem Beitrag vorbehalten, der sich damit zu dem macht, was er anderen vorwirft, zum «nützlichen Idioten».

Vielleicht erinnert sich Wigdorowits aus seinem Germanistikstudium noch an den Urheber des Satzes: «Der grösste Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.» Damit erweisen sich Sacha Wigdorowits und jene, die ihn unterstützen, in allererster Linie selbst als das, was sie mit absolut untauglichen Mitteln zu bekämpfen vorgeben.

Martin Dreyfus ist Publizist und Experte für Exil-Literatur.

Martin Dreyfus