zur lage in israel 28. Nov 2025

Todesstrafe und Israel

Als Juden lehnen wir Israels vorgeschlagenes Gesetz zur Todesstrafe für Hamas-Terroristen ab. Trotz der Behauptungen des rechtsextremen Ministers für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, wird die Einführung der Todesstrafe Terroristen mit ziemlicher Sicherheit nicht abschrecken. Stattdessen wird sie zu weiteren Anschlägen ermutigen und Israel über eine moralische rote Linie treiben

Der Schriftsteller Eliphas Levi schreib im 19. Jahrhundert: «Jeder Kopf, der auf dem Schafott fällt, kann als Kopf eines Märtyrers geehrt und gepriesen werden.» Die Todesstrafe hat sich in einer Zivilgesellschaft niemals als Abschreckung von Mord erwiesen. Tatsächlich gab es in den Vereinigten Staaten Fälle, in denen Personen sich für die Todesstrafe entschieden haben, anstatt mit Berufungen fortzufahren, die möglicherweise die Hinrichtung verhindern könnten. Eine Hinrichtung ist eine Art Befreiung, eine Fahrkarte nach Hause, eine Flucht aus dem Elend, allein und ohne Hab und Gut in der Todeszelle zu sterben. In Israel wird eine obligatorische Todesstrafe für Palästinenser, die Juden ermorden, mit ziemlicher Sicherheit zu einer Zunahme der Anschläge führen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil radikale islamistische Terroristen das Märtyrertum feiern, um die vermeintlichen Belohnungen zu erhalten, die sie im Paradies erwarten. Sie wollen für die Sache sterben. Bevorzugt wird das Märtyrertum im Akt des Tötens, aber wenn sie töten können und dann auf ein Podest gestellt werden, um als Helden gefeiert zu werden, die für ihre Sache die Todesstrafe riskieren, umso besser, vor allem, wenn sie in einer Welt, in der Israel wegen seiner Behandlung nicht jüdischer Bürger gehasst wird, zu Berühmtheiten werden. Wenn die Todesstrafe eingeführt wird, könnten diese Szenarien eintreten. Warum sollte Israel potenzielle Terroristen ermutigen wollen? Rein praktisch gesehen ist dieser Gesetzesvorschlag wahnsinnig.

Eine weitaus härtere Strafe ist die Inhaftierung. Die Täter sollen darüber nachdenken, was sie getan haben und warum sie jeden Tag die Einschränkungen eines Hochsicherheitsgefängnisses erdulden müssen. Die Vorstellung, dass die Hinrichtung von Terroristen künftige Geiselnahmen zum Zweck von Gefangenenaustausch verhindern wird, ist eine berechtigte Sorge. Um dies zu vermeiden, muss lediglich das Gesetz geändert werden, um die direkte Beteiligung von Mördern an künftigem Gefangenenaustausch ohne Ausnahme zu verbieten. So könnte das gelöst werden. Das letzte Mal, dass Israel die Todesstrafe vollstreckte, war 1962 gegen Adolf Eichmann, den Architekten der «Endlösung». Im Namen der Tausenden von Mitgliedern der von uns mitbegründeten Organisationen «L’chaim! Juden gegen die Todesstrafey» und «Death Penalty Action» bitten wir die guten Menschen Israels eindringlich, dafür zu sorgen, dass dies auch so bleibt. Wir bitten Sie, alle Mitglieder der Knesset aufzufordern, gegen den derzeit vorgeschlagenen Gesetzentwurf zur Todesstrafe für verurteilte Terroristen zu stimmen. Die Verhinderung der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs wird garantieren, dass die Illusion der «Abschreckung» die Herzen und Köpfe nicht wie eine falsche Fata Morgana der Gerechtigkeit täuscht. Das moralisch verwerfliche Bestreben des israelischen Ministers für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, Hinrichtungen im jüdischen Staat einzuführen, wird nur dazu führen, dass die Herzen der Hamas, deren Mitglieder regelmässig Hinrichtungen durchführen, zum Entsetzen der Welt, ebenso wie andere Feinde Israels, noch weiter verhärten. Die Huthi-Rebellen im Jemen haben kürzlich 17 Menschen zum Tode verurteilt, weil sie angeblich für Israel und andere spioniert haben sollen. Der Iran hat allein im Jahr 2025 über 1500 Menschen hingerichtet. Würde Israel die Todesstrafe einführen, würde es sich auf eine Stufe mit den Regimes stellen, die es verachtet. Viele Mitglieder von «L’chaim!», darunter auch die Autoren dieses Artikels, sind direkte Nachkommen von Holocaust-Opfern und -Überlebenden. Mehr als die meisten anderen Menschen wissen wir, dass man die Todesstrafe nicht mit der Schoah gleichsetzen kann.

Doch ist es für viele der Schatten des Holocaust, der unsere entschiedene Ablehnung der Todesstrafe in allen Fällen untermauert, auch für verurteilte Hamas-Terroristen sowie für den Schützen im Capital Jewish Museum in Washington, D.C., und den Schützen im Tree of Life in Pittsburgh. Es ist das Erbe des Holocaust, das unser Bekenntnis zum unveräusserlichen Recht auf Leben bekräftigt. Darüber hinaus kann man sich der Ironie nicht entziehen, dass die Hinrichtungsmethode, die Israel nun gegen verurteilte Terroristen anwenden will, die tödliche Injektion ist. Diese Form der Tötung ist ein direktes Erbe der Nazis, das erstmals in der Geschichte der Menschheit vom «Dritten Reich» als Teil seines berüchtigten Protokolls «Aktion T4» angewendet wurde, um Menschen zu töten, die als «lebensunwert» galten. Karl Brandt, Adolf Hitlers Leibarzt, leitete dieses Programm.

Elie Wiesel sagte entschlossen über die Todesstrafe: «Der Tod ist keine Antwort.» Am Ende seines Lebens erklärte Wiesel öffentlich, dass er keine Ausnahme von dieser Regel mache, und schloss mit den Worten: «Mit jeder Zelle meines Wesens und mit jeder Faser meiner Erinnerung lehne ich die Todesstrafe in jeder Form ab.» Nach dem Holocaust und den beispiellosen Schrecken des 20. Jahrhunderts haben mehr als 70 Prozent der Nationen der Welt die Unantastbarkeit des Menschenrechts auf Leben anerkannt und die Todesstrafe gesetzlich oder in der Praxis abgeschafft. Trotz der Schrecken, die Israel durch die Hamas erlitten hat, muss es als Staat, der als Vertreter des Judentums des 21. Jahrhunderts gilt, weiterhin den Wert des menschlichen Lebens widerspiegeln. Es ist unerlässlich, dass Israel ein Teil der zivilisierten Menschheit bleibt, indem es diese moralische rote Linie niemals überschreitet.

Abraham Bonowitz und Michael Zoosman sind Mitbegründer von «L’chaim! Juden gegen die Todesstrafe»

Abraham Bonowitz, Michael Zoosman