LIVE TICKER +++ 05. Feb 2025

Israel schickt nur Arbeitsdelegation nach Doha

Der LiveTicker+++ berichtet laufend über Entwicklungen rund um die Kriege in Israel, die Situation in Libanon, Gaza, Westbank und die internationalen Reaktionen auf den Krieg. Das Dossier mit Berichterstattung, Analysen und Podcasts zum Krieg in Israel findet sich hier.

Tag 497: 6. Februar 2025

Zu den geplanten indirekten Gesprächen über die Weiterführung der Waffenruhe im Gazastreifen entsendet Israel vorerst nur eine Arbeitsdelegation. Diese werde sich am Samstag in die katarische Hauptstadt Doha begeben, berichtete das öffentlich-rechtliche Kan-Radio. Der Abordnung würden Beamte der Geheimdienste Mossad (Ausland) und Schin Bet (Inland) angehören, unter ihnen eine pensionierte Führungskraft des Schin Bet.

Unter Vermittlung der USA, Katars und Ägyptens hatten sich Israel und die islamistische Hamas nach mehr als einem Jahr des verheerenden Krieges auf eine zunächst sechswöchige Waffenruhe geeinigt. In dieser ersten Phase der Einstellung der Kämpfe werden israelische Geiseln gegen palästinensische Häftlinge ausgetauscht. Bereits am Montag hätten im Sinne der Vereinbarung indirekte Gespräche über die konkrete Gestaltung der zweiten Phase beginnen sollen.

In dieser zweiten Phase mit einer Länge von weiteren sechs Wochen sollen alle noch verbliebenen lebenden Geiseln gegen Häftlinge ausgetauscht werden und das israelische Militär komplett aus dem Gazastreifen abziehen. Angehörige von Geiseln, die erst in der zweiten Phase freikommen sollten, haben die Sorge, dass diese gar nicht erst zustande kommen könnte.

Die indirekten Verhandlungen mit der Hamas führen in der Regel Delegationen unter der Leitung des Mossad-Chefs David Barnea. Die Entsendung einer Delegation niedrigeren Ranges könnte darauf hindeuten, dass Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Umsetzung der zweiten Phase des Waffenruheabkommens hinauszögern will.

Das Armeeradio berichtete indes unter Berufung auf israelische Offizielle, dass die an diesem Wochenende zu entsendende Delegation nicht damit beauftragt sei, über die zweite Phase der Waffenruhe zu verhandeln. Vielmehr solle sie Einzelheiten im Zusammenhang mit der Umsetzung der laufenden ersten Phase klären.

 

 

Tag 496:5. Februar 2025

Saudi-Arabien macht die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates weiterhin zur Voraussetzung für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel. Das Königshaus strebe die Schaffung eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt und das Ende der israelischen Besatzung an, hiess es in einer Stellungnahme des Aussenministeriums in Riad.

Damit wies die saudi-arabische Regierung die jüngste Darstellung von US-Präsident Donald Trump zurück, der vor einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Washington eine Journalisten-Frage mit den Worten beantwortet hatte, Saudi-Arabien verlange keinen palästinensischen Staat.

Trump und Netanjahu arbeiten nach eigener Darstellung an einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien. Eine solche Annäherung hatte sich schon im Sommer 2023 angebahnt. Beendet wurden die Bemühungen kurz darauf durch den Terrorangriff der Hamas und anderer extremistischer Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023, der den Gaza-Krieg mit Zehntausenden Toten und Verletzten auslöste.

"Ich glaube, Frieden zwischen Israel und Saudi-Arabien ist nicht nur möglich, ich glaube, er wird kommen", sagte Netanjahu nach dem Treffen mit Trump im Weissen Haus. "Die saudi-arabische Führung ist daran interessiert, ihn zu erreichen und wir werden es versuchen. Ich glaube, wir werden es schaffen."

Trump hatte 2020 während seiner ersten Amtszeit die sogenannten Abraham-Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Israelund mehreren arabischen Staaten auf den Weg gebracht - damals ein historischer Durchbruch.

 

Tag 495: 4. Februar 2025

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wird seinen Besuch in den USA Berichten zufolge verlängern. Der israelische Regierungschef werde statt bis Donnerstag nun bis Samstagabend in Washington bleiben, meldeten israelische Medien unter Berufung auf Netanjahus Büro. Grund seien "zahlreiche Anfragen von US-Beamten nach Treffen" mit dem israelischen Ministerpräsidenten.

Am Dienstag (Ortszeit) trifft Netanjahu US-Präsident Donald Trump in Washington. Er ist der erste ausländische Staatsgast, den Trump in seiner zweiten Amtszeit im Weissen Haus empfängt. Das Treffen der beiden soll auch die nächste Runde der Verhandlungen zwischen Israelund der islamistischen Hamas über die Fortsetzung der Waffenruhe im Gaza-Krieg vorbereiten. Medienberichten zufolge streben Trump und Netanjahu auch an, Fortschritte in Blick auf ein Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien zu erzielen.

 

Tag 494: 3. Februar 2025

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu ist zu Gesprächen mit US-Präsident Donald Trump und dessen Nahost-Gesandten Steve Witkoff in Washington eingetroffen. "Dies ist ein wichtiges Treffen, das das tiefe Bündnis zwischen Israel und den Vereinigten Staaten stärkt und unsere Zusammenarbeit verbessern wird", schrieb der israelische UN-Botschafter Danny Danon, der Netanjahu am Flughafen empfing, am Sonntagabend (Ortszeit) auf der Plattform X. Heute sollen laut dem Büro des israelischen Ministerpräsidenten in Washington die Verhandlungen über die nächste Phase des Waffenruhe-Deals zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas beginnen.

Netanjahu wird sich nach Angaben seines Büros zunächst mit Witkoff treffen und über Israels Verhandlungsposition sprechen. "Die wirklich ernsthaften Verhandlungen über die zweite Phase" des Abkommens mit der Hamas würden aber erst nach der Unterredung mit Trump beginnen, sagte ein hochrangiger israelischer Beamter der US-Nachrichtenseite "Axios". "Davor wird nichts Bedeutendes passieren."

Das Gespräch mit Trump soll dem Vernehmen nach am Dienstag stattfinden, offiziell wurden bislang keine Details zum Programm bekanntgegeben. Netanjahu kündigte an, er werde mit Trump unter anderem "über einen Sieg über die Hamas" sprechen.

Angehörige bangen um Geiseln

In Israel fürchten vor allem die Angehörigen der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln, dass die zweite Phase des im Januar vereinbarten Waffenruhe-Abkommens zwischen Israel und der Hamas womöglich erst gar nicht umgesetzt wird - und damit viele der Entführten nicht freikommen. Netanjahus rechtsextreme Koalitionspartner drängen auf eine Wiederaufnahme des Kriegs.

Laut Medienberichten streben Trump und Netanjahu auch ein Normalisierungsabkommen mit Saudi-Arabien an, das mit Israel den Erzfeind Iran gemein hat. Trump hatte 2020 während seiner ersten Amtszeit die sogenannten Abraham-Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und mehreren arabischen Staaten auf den Weg gebracht - damals ein historischer Durchbruch. Im Oktober 2023 wurde die sich anbahnende Annäherung mit Saudi-Arabien durch das Massaker der Hamas und anderer islamistischer Terroristen im Süden Israels jäh beendet.

Berichte: Hamas-Delegation reist nach Moskau

Laut Berichten der russischen Nachrichtenagenturen Tass und Ria Nowosti wird eine Hamas-Delegation unter der Leitung des stellvertretenden Politbüro-Chefs Mussa Abu Marsuk heute in Moskau eintreffen. Die Kreml-Gäste wollten die russische Seite über Fortschritte bei der Umsetzung des Waffenruhe-Abkommens im Gaza-Krieg informieren, schrieb Tass unter Berufung auf eine Quelle in der Hamas-Führung. Ausserdem ist demnach geplant, Russland um Hilfe bei der Linderung der humanitären Krise im Gazastreifen zu bitten.

Israel weitet Einsatz im Westjordanland aus

Die israelische Armee weitet derweil eigenen Angaben zufolge ihren Einsatz im nördlichen Westjordanland aus und ist nun auch in Tamun aktiv. Israelische Bodentruppen und Bulldozer seien zu einer Razzia in Flüchtlingsvierteln in der Gegend vorgedrungen, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa. Die israelische Armee teilte mit, sie habe in dem Ort Waffen gefunden. Auch in Dschenin, das rund 25 Kilometer weiter nördlich liegt, gehe das Militär weiter gegen militante Palästinenser vor.

Bei ihrem im Januar begonnenen Einsatz im Norden des Westjordanlands hat Israels Militär eigenen Angaben zufolge bislang 50 militante Kräfte getötet, 15 davon mit Luftangriffen. Mehr als 100 gesuchte Verdächtige seien festgenommen, Dutzende Waffen beschlagnahmt und Hunderte Sprengsätze zerstört worden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Abbas fordert Sitzung des UN-Sicherheitsrats

Palästinensische Medien berichten, Israels Armee habe in Dschenin 20 Gebäude in die Luft gesprengt. Das israelische Militär bestätigte, in der Gegend der Stadt 23 Gebäude zerstört zu haben, die unter anderem zur Herstellung von Sprengstoff oder als Waffenlager genutzt worden seien. Aufnahmen zeigten, wie nach Sprengung der Gebäude dunkler Rauch über der Stadt lag. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte auch angesichts der "Zerstörung ganzer Wohnblöcke" in Dschenin und im Ort Tulkarem eine ausserordentliche Sitzung des UN-Sicherheitsrats.

EU besorgt über Arbeitsverbot für Palästinenserhilfswerk

Das unter anderem von Deutschland kritisierte Betätigungsverbot für das Palästinenserhilfswerk UNRWA in Israel bereitet der Europäischen Union derweil weiter Sorgen. Das Verbot habe auch weitreichende Folgen für die Arbeit der Organisation im Gazastreifen, im Westjordanland und in Ost-Jerusalem, erklärte die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas. Die EU sei entschlossen, das UN-Hilfswerk weiterhin zu unterstützen, damit es sein Mandat erfüllen könne.

Trotz des seit Donnerstag geltenden Arbeitsverbots setzt die Organisation ihre Tätigkeit laut UN-Angaben vorerst fort. UNRWA-Kliniken im gesamten Westjordanland sowie in Ost-Jerusalem sind demnach weiterhin geöffnet.

 

Tag 492: 1. Februar 2025

Die drei aus der Geiselhaft im Gazastreifen freigelassenen Männer sind israelischen Armeeangaben zurück in Israel. Auch Keith Siegel, der als letzter der drei freikam, sei wieder in der Heimat und auf dem Weg zu einem Militärlager im Süden des Landes, teilte die Armee mit. Dort sollte er auch Angehörige treffen.

Jarden Bibas wurde dort bereits zuvor mit seiner Familie wiedervereint. Ofer Kalderon ist Berichten zufolge bereits in einer Klinik angekommen. Er sollte dort seine Familie wiedersehen. Beide waren zuvor am Morgen in Chan Junis an das Rote Kreuz übergeben worden, Siegel etwa zwei Stunden später in der Stadt Gaza. Die drei Männer hatten 484 Tage in Geiselhaft im Gazastreifen verbringen müssen


 

Tag 491: 31. Januar 2025

Trotz des von Israel erteilten Arbeitsverbots für das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA setzt die Organisation der Vereinten Nationen ihre Tätigkeit fort. UNRWA biete weiterhin Hilfe und Dienstleistungen an, die Kliniken der Organisation im gesamten besetzten Westjordanland, darunter auch in Ost-Jerusalem, seien geöffnet, sagte der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric. Auch die Hilfe im Gazastreifen gehe weiter.

Nach dem Willen Israels hätte UNRWA die Arbeit am Donnerstag einstellen müssen. Israel wirft dem UN-Palästinenserhilfswerk vor, dass einige Mitarbeiter an Terroraktivitäten der Hamas beteiligt gewesen seien. Das israelische Parlament hatte in der Folge ein Arbeitsverbot für UNRWA auf israelischem Staatsgebiet verhängt und israelischen Beamten ab 30. Januar verboten, mit der Organisation zu kooperieren. Deshalb wird befürchtet, dass es für das Hilfswerk schwierig bis unmöglich werden könnte, die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen und im Westjordanland zu versorgen.

Mitarbeiter ausgereist - Arbeit soll weiter gehen

Die Vereinten Nationen schienen anzudeuten, dass Israel bislang nichts zur Durchsetzung des Arbeitsverbots tat. "Am Gebäude weht weiterhin die UN-Flagge", sagte Dujarric.

Etwa zwei Dutzend internationale Mitarbeitende des Hilfswerks seien wegen auslaufender Visa nach Jordanien ausgereist, sagte er. Örtliche Mitarbeiter arbeiteten in anderen Teilen des Westjordanlandes. "Soweit ich weiss, ist das Hauptgebäude leer", sagte der Sprecher. Es würde jedoch weiterhin von einer Sicherheitsfirma bewacht. Computer und Dokumente seien zuvor in Sicherheit gebracht worden.

 

Tag 490: 30. Januar 2025

Weitere aus Israel entführte Menschen kommen aus ihrer Geiselhaft im Gazastreifen frei. Israel und die Hamas haben sich kürzlich unter Vermittlung Katars auf die Freilassung von drei israelischen Geiseln ausser der Reihe sowie auf weitere Punkte geeinigt. Zuvor hatten sich beide Konfliktparteien gegenseitig vorgeworfen, gegen die Waffenruhe-Vereinbarung zu verstossen.

Da die Hamas am vergangenen Samstag nicht wie vereinbart eine israelisch-deutsche Zivilistin freigelassen hatte, blockierte Israels Armee vorübergehend die Rückkehr der in den Süden vertriebenen Gaza-Anwohner in den Norden des Gebiets. Nach der Einigung zwischen Israel und der Hamas dürfen sich die Menschen nun seit einigen Tagen in den Norden des Gazastreifens bewegen.

Israelischen Berichten zufolge sollen zusätzlich zu den drei israelischen Geiseln auch fünf aus Israel entführte thailändische Arbeiter freikommen. Ihre Namen sollen demnach erst nach ihrer Freilassung bekanntgegeben werden.

Im Gegenzug für die drei israelischen Geiseln entlässt Israel wieder mehr als 100 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen.

Dies sind die drei Verschleppten:

Arbel Yehud

Die 29 Jahre alte Deutsch-Israelin Arbel Yehud sollte als Zivilistin eigentlich Teil der zweiten Geisel-Gruppe sein, die am vergangenen Samstag freikam. Die junge Frau wird nicht von der Hamas, sondern dem Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) festgehalten, hiess es aus Kreisen der Terrororganisation. Israelische Medien mutmassten, dies sei der Grund, warum sie nicht gleich freigelassen worden sei. Die Organisation veröffentlichte vor einigen Tagen auch ein Video der jungen Frau.

Yehud wurde am 7. Oktober gemeinsam mit ihrem Freund aus ihrem Haus im Kibbuz Nir Oz verschleppt. Ihr Partner wird weiter als Geisel im Gazastreifen festgehalten. Der Bruder der Frau, der ebenfalls in dem Ort in der Nähe des Gazastreifens wohnte, wurde während des Terrorangriffs getötet. Die Terroristen erschossen auch den Hund des Paares.

Berichten zufolge interessiert sich die junge Frau für Astronomie. Sie arbeitete demnach als Ausbilderin zu dem Thema in einer Regionalverwaltung im Süden des Landes.

Ihr Vater äusserten Medien gegenüber mehrfach seine grosse Sorge, dass die Deutsch-Israelin gefoltert oder sexuell missbraucht worden sein könnte. Der Mann hatte sich in israelischen Medien auch enttäuscht über Deutschlands Rolle bei den Bemühungen um die Geisel-Freilassung geäussert. Er warf der Bundesrepublik Untätigkeit vor.

In einer vom Forum der Geisel-Familien verbreiteten Erklärung teilten ihre Eltern wenige Tage vor ihrer angekündigten Freilassung mit, dass die Familie schwierige und nervenaufreibende Tage erlebe. "Wir sehnen uns nach dem Moment, in dem wir unsere Arbel wieder in die Arme schliessen können."

Gadi Moses

Der 80 Jahre alte Gadi Moses besitzt Berichten zufolge ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit. Er lebte im Kibbuz Nir Oz. Er ist Agronom und hat mit seinem Fachwissen über Landwirtschaft beim Weinanbau und beim Gemüsegarten seines Heimatorts in Grenznähe zum Gazastreifen geholfen, wie das Forum der Geiselangehörigen mitteilte. Seine Familie beschreibt ihn demnach als hingebungsvollen Vater und liebenden Grossvater. Berichten zufolge hat er drei Kinder und zwölf Enkel.

Moses wurde während des Hamas-Massakers aus dem Kibbuz entführt, seine Partnerin wurde damals bei einem Schusswechsel zwischen Terroristen und der israelischen Armee getötet.

Laut israelischen Medien engagierte sich der 80-Jährige für ein friedliches Zusammenleben mit den Palästinensern. Terroristen verwüsteten seinen Kibbuz Nir Oz schwer. Sie töteten oder entführten ein Viertel aller Einwohner des Orts.

Der Palästinensische Islamische Dschihad (PIJ) veröffentlichte im Dezember 2023 ein Video von Moses. Angehörige sagten israelischen Medien damals, dass er darin nicht gut ausgesehen habe.

Agam Berger

Agam Berger ist eine Soldatin, die gemeinsam mit den vier am vergangenen Samstag freigelassenen Späherinnen der israelischen Armee von einem Militärstützpunkt in Nahal Oz entführt wurde. Die 20-Jährige blieb als einzige der Gruppe zunächst im Gazastreifen zurück. Die israelische Regierung hatte vor wenigen Tagen angekündigt, dass auch Berger neben Yehud am Donnerstag freikommen werde.

Auf Aufnahmen, die ihre Entführung festhalten, ist die Soldatin blutüberströmt und nur mit einem Schlafanzug bekleidet zu sehen. Ein Mitschnitt der verstörenden Bodycam-Aufnahmen der Terroristen wurde veröffentlicht, Szenen schwerster Gewalt wurden dabei nicht gezeigt.

In ihrem letzten Anruf vor der Entführung sagte Berger, die seit vielen Jahren Geige spielt, Berichten zufolge zu ihrer Mutter, dass Terroristen auf sie schiessen würden und alle weinten, sie aber keine Angst habe.

Ein erstes Lebenszeichen aus ihrer Gefangenschaft im Gazastreifen erhielten die Eltern erst knapp zwei Monate später. Eine im November 2023 freigelassene entführte Frau sollte kurz nach ihrer Rückkehr in Bergers Namen deren Vater zum Geburtstag anrufen und ihm gratulieren.

Die ehemalige Geisel erzählte Bergers Eltern demnach auch, dass ihre Tochter viel bete, aber auch Hunger leide. Die Frau berichtete den Eltern der Soldatin demnach auch von Momenten der Krise während Bergers Geiselhaft. Aus der Geiselhaft freigelassene Frauen sagten israelischen Medien aber auch, dass die 20-Jährige ihnen vor ihrer Rückkehr nach Israel die Haare geflochten habe und für andere Entführte eine Stütze gewesen sei.

15 Späherinnen wurden israelischen Angaben zufolge bei dem beispiellosen Angriff auf den Militärstützpunkt getötet, sieben entführt. Eine der Frauen wurde nach 23 Tagen von israelischen Einsatzkräften aus dem Gazastreifen gerettet, eine andere in Gefangenschaft getötet. Ihre Leiche wurde von der Armee aus dem Gazastreifen geborgen. Vier der Soldatinnen liess die Hamas vergangenen Samstag frei.

 

Tag 480: 29. Januar 2025

Eitan Gonen, Vater der ehemaligen Hamas-Geisel Romi Gonen (24), hat in einem Interview der israelischen Nachrichtenseite ynet über den Heilungsprozess und die Bewunderung für seine Tochter gesprochen. "Nach Gesprächen mit den Psychologen haben wir ihr die Kontrolle überlassen", sagte er. "Wir haben ihr gesagt, dass wir sie nicht überfordern oder ihr Unbehagen bereiten wollen. Wir werden keine Fragen stellen und sie die Sache auf ihre Weise verarbeiten lassen." Wenn Romi eine Umarmung wolle, bekomme sie diese, wenn sie Abstand brauche, erhalte sie ihn.

Am ersten Tag der Freilassung habe Romi fast nur Arabisch gesprochen, sagte der Vater. Die Hamas-Kämpfer, die sie im Gazastreifen gefangen hielten, hätten weder Englisch noch Hebräisch gesprochen. Arabisch zu lernen, sei das Werkzeug gewesen, um die Gefangenschaft zu bewältigen: "Aufstehen, Reden, Gehen - für alles brauchte es eine Erlaubnis. Und wie bekommt man die? Indem man ihre Sprache lernt."

In der Gefangenschaft habe Romi - die am Ende mit ihr freigelassene - Emily Damari getroffen und zwischen den Frauen sei eine enge Verbindung erwachsen. "Sie waren die ganze Welt füreinander in der Gefangenschaft." Auch jetzt unternähmen die beiden Frauen viel miteinander. "Wir haben ein neues Familienmitglied", so Gonen.

Den engen Zusammenhalt der Geiseln betonte auch die am Samstag freigelassene Soldatin Naama Levy in einer ersten Nachricht auf Instagram, die in israelischen Medien zitiert wurde. Während der ersten 50 Tage ihrer Gefangenschaft sei sie fast durchgehend allein gewesen. Danach sei sie mit den anderen Armeespäherinnen und Zivilisten zusammen gewesen. "Wir haben uns gegenseitig Stärke und Hoffnung gegeben. Wir haben einander bis zum Tag der Freilassung und danach gehalten."

 

Tag 479: 28. Januar 2025

Am ersten Tag der Rückkehrmöglichkeit für Bewohner des Gazastreifens in den Norden des verwüsteten Küstengebiets sind dort nach Angaben des Medienbüros der islamistischen Hamas bereits rund 300.000 Menschen eingetroffen. Sie waren im Laufe des mehr als 15-monatigen Kriegs in den Süden des abgeriegelten Gebiets vertrieben worden. Dort hatten sie meist in notdürftigen Zeltlagern gelebt.

Die Hamas-Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Auch die Vereinten Nationen sprachen jedoch auf der Plattform X von "Hunderttausenden", die in den Norden des Gazastreifens zurückkehrten.

Videos in sozialen Medien zeigten kilometerlange Schlangen von Menschen, die zu Fuss über eine ausgewiesene Route am Meer entlang Richtung Norden unterwegs waren. Wer ein Auto hatte, musste einen Kontrollpunkt weiter im Landesinneren passieren.

Es werde damit gerechnet, dass die Zahl der Rückkehrer in den stark zerstörten Norden in den kommenden Tagen auf etwa 600.000 steigen werde, verlautete es weiter aus dem Hamas-Medienbüro. Insgesamt leben im Gazastreifen mehr als zwei Millionen Menschen.

Im Rahmen eines Abkommens über eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas war ursprünglich geplant, dass die Menschen eine Woche nach dem Ende der Kampfhandlungen in den Norden zurückkehren dürfen. Da die Hamas jedoch am Samstag nicht wie vereinbart eine deutsch-israelische Zivilistin freiliess, blockierte Israel die Rückkehr. Dann gab es eine Übereinkunft über die Freilassung, Israel gab grünes Licht zur Rückkehr der Gaza-Bewohner.

Tag 478: 27. Januar 2025

Nach dem Ablauf einer wichtigen Frist zum Rückzug israelischer Truppen ist es im Südlibanon erneut zu tödlichen Zwischenfällen gekommen. Laut dem libanesischen Gesundheitsministerium wurden mindestens 22 Menschen durch israelischen Beschuss getötet, darunter ein Soldat. Weitere 124 seien verletzt worden, darunter auch neun Minderjährige und ein Sanitäter. Anwohner hatten versucht, trotz der dort weiterhin stationierten israelischen Truppen in ihre Wohnorte im Süden zurückzukehren.

Die UN-Friedensmission im Libanon (Unifil) warnte, weitere Gewalt werde die fragile Sicherheitslage untergraben. Das israelische Militär "muss es vermeiden, auf libanesischem Gebiet auf Zivilisten zu feuern", mahnte Unifil.

Israel und die libanesische Hisbollah-Miliz hatten sich Ende November nach mehr als einjährigem Beschuss auf eine Waffenruhe geeinigt. Die Vereinbarung sah ursprünglich auch den Abzug der israelischen Truppen aus dem Libanon binnen 60 Tagen vor. Nach jüngsten israelischen Angaben wird sich dieser aber verzögern. Der Libanon habe seinen Teil der Vereinbarung noch nicht vollständig umgesetzt, begründete das Büro von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Entscheidung. Die libanesische Armee, die die Einhaltung der Waffenruhe sicherstellen und eine Rückkehr der Hisbollah in das Gebiet verhindern soll, rücke nicht schnell genug nach.

Keine Angabe zu möglichen Opfern von Israels Armee

Israels Militär teilte auf Anfrage mit, Verdächtige hätten sich Truppen genähert und die israelischen Soldaten deshalb Warnschüsse abgegeben, um Bedrohungen abzuwenden. Mehrere Personen seien festgenommen worden und würden vor Ort verhört. Angaben zu möglichen Opfern machte die Armee zunächst nicht.

Seit dem frühen Sonntagmorgen hatten sich Anwohner in Orten im Süden nahe der israelischen Grenze versammelt, wie die Staatsagentur NNA berichtete. Fotos und Videos zeigten Anwohner mit gelben Fahnen der Hisbollah und Auto-Korsos mit Porträts des getöteten Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah.

"Wir sind entschlossen, unsere Dörfer zu betreten - zu welchem Preis auch immer", sagte eine Frau namens Fatima der Deutschen Presse-Agentur. Ein Mann namens Mohammed sagte, er wolle mit seiner Familie sein Haus betreten. "Wir haben das Recht", sagte er. Ein Mann namens Ali sagte, die Frist von 60 Tagen für den vereinbarten Abzug der israelischen Truppen aus dem Libanon sei abgelaufen. "Sie hätten abziehen sollen. Sie sind Besatzer, und dies ist unser Land."

Ein Video zeigte eine Gruppe von Anwohnern, die vor einem israelischen Panzer stehen, andere versammelten sich vor Blockaden der israelischen Armee auf Landstrassen. Teils gab es Aufnahmen von Frauen, die sich Panzern in den Weg stellen und dann auf israelische Soldaten einreden.

UN: Zustände erlaubten noch keine Rückkehr in den Süden

Die Zustände im Land erlaubten noch keine Rückkehr der Bewohner im Süden, erklärte UN-Sonderkoordinatorin Jeanine Hennis-Plasschaert. Die Gewalt im Land sei zwar deutlich zurückgegangen, es gebe aber immer wieder Verstösse gegen die UN-Resolution 1701. Deren Umsetzung sei der einzige Weg, um "das jüngste dunkle Kapitel des Konflikts zu beenden und ein neues zu öffnen", teilte Hennis-Plasschaert mit. UN-Resolution 1701 sieht unter anderem vor, dass sich die Hisbollah hinter den Litani-Fluss etwa 30 Kilometer nördlich der israelisch-libanesischen Grenze zurückzieht. Die libanesische Armee soll die Einhaltung der Vereinbarung überwachen.

Die israelische Armee bemühte sich laut Augenzeugen, Anwohner so gut wie möglich aus Orten fernzuhalten, in denen die Truppen weiterhin stationiert sind. Man werde über Orte für eine sichere Rückkehr im Süden informieren, teilte die Armee mit. "Bis dahin bitten wir Sie abzuwarten." Bisherige Anordnungen über nicht zugängliche Gebiete blieben wirksam.

Libanons Präsident Joseph Aoun erklärte: "Ich teile die Freude der Menschen im Süden über den Triumph der Gerechtigkeit und rufe sie zur Zurückhaltung auf und zum Vertrauen in die (libanesischen) Streitkräfte."

Die libanesische Armee wiederum erklärte, sie könne ihre Truppen im Süden bisher nicht wie vereinbart stationieren. Sie würde Anwohner bei der Rückkehr begleiten. Die Armee warf dem israelischen Militär einen Bruch der Souveränität des Libanons und auch einen Bruch der Waffenruhe vor.

Tag 477: 26. Januar 2025

Nach der Freilassung von vier Soldatinnen aus Hamas-Geiselhaft haben in Israel wieder Tausende demonstriert, damit ihre Regierung an dem Abkommen im Gaza-Krieg festhält. Nur wenn die brüchige Waffenruhe-Vereinbarung mit der Islamistenorganisation Hamas andauert und weiterverhandelt wird, können alle 90 verbliebenen Geiseln freikommen. Proteste fanden unter anderem auch in Haifa und Jerusalem statt. Auf Plakaten bei den Kundgebungen war unter anderem "Stoppt den Krieg" und "Lasst keine Geiseln zurück" zu lesen.

In der ersten Phase des Abkommens sollen innerhalb von sechs Wochen 33 aus Israel Entführte im Austausch für 1.904 palästinensische Häftlinge freigelassen werden, alle anderen Geiseln sollen später freikommen. Israel und die Hamas werden aber erst in Kürze beginnen, über eine zweite und dritte Phase des Abkommens zu sprechen. Ob sie dabei eine Einigung erzielen werden, ist derzeit völlig offen. Die Waffenruhe, auf die sich Israel und die Hamas vor zehn Tagen geeinigt haben, trat vergangenen Sonntag in Kraft.

 

Tag 475: 24. Januar 2025

Die libanesische Hisbollah hat vor einem verzögerten Abzug der israelischen Armee aus dem Südlibanon gewarnt. Sollten die israelischen Bodentruppen nicht bis Sonntag abgezogen sein, wäre das ein Bruch der Vereinbarung über eine Waffenruhe, schrieb die proiranische Miliz. Sie reagierte auf Medienberichte, Israel habe die USA um eine Verlängerung der eigentlich am Sonntag ablaufenden Frist um 30 Tage gebeten. Die USA gehören zu einer Gruppe von Ländern, die die Einhaltung der Ende November vereinbarten Waffenruhe überwachen soll.

Israel spreche mit der neuen US-Regierung unter Präsident Donald Trump über eine Verlängerung der Frist zum Abzug, weil die libanesische Armee nicht schnell genug nachrücke und sich die Hisbollah nicht an alle Abmachungen halte, berichteten israelische Medien wie die Zeitung "Times of Israel" und das Nachrichtenportal "ynet". Die US-Regierung sei bisher aber gegen eine Verlängerung. Eine offizielle Bestätigung gab es zunächst weder in Jerusalem noch in Washington.

Die Vereinbarung über die Waffenruhe sieht unter anderem auch vor, dass sich die Hisbollah hinter den Litani-Fluss etwa 30 Kilometer nördlich der israelisch-libanesischen Grenze zurückzieht. Die libanesische Armee soll die Einhaltung der Vereinbarung überwachen und eine Rückkehr der Hisbollah-Miliz verhindern.

 

Tag 474: 23. Januar 2025

UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat die Rolle von US-Präsident Donald Trump beim Erreichen der Waffenruhe für den Krieg im Gazastreifen gelobt. Die "robuste Diplomatie" des zu der Zeit noch designierten Präsidenten der Vereinigten Staaten habe einen grossen Teil dazu beigetragen, sagte Guterres am Mittwoch beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos.

Die Verhandlungen hätten sich immer wieder hingezogen, "und dann ist es plötzlich passiert", fügte Guterres an. Weiter lobte er auch die Arbeit der US-Regierung von Präsident Joe Biden, sowie den Beitrag der Türkei und Katars.

Die Waffenruhe war am Sonntag - nur einen Tag vor Trumps Amtsantritt - in Kraft getreten. Das Abkommen zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas sieht unter anderem dem den Austausch von israelischen Geiseln und palästinensischen Gefangenen vor. Es war von Katar, Ägypten und den USA ausgehandelt worden. In den letzten Tagen der Gespräche hatten Vertreter sowohl von Trumps neuer Regierung als auch von der scheidenden Regierung seines Vorgängers Biden mitgearbeitet.

Nach seiner Wahl im November hatte Trump den Druck auf beide Seiten erhöht. Im Dezember drohte er den militanten Palästinensern im Gazastreifen mit massiven Konsequenzen, sollten diese die israelischen Geiseln bis zu seinem Amtsantritt nicht freilassen. Dann werde im Nahen Osten und für die Geiselnehmer "die Hölle losbrechen", sagte er.

Auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte Trump für dessen Beitrag zum Waffenstillstandsabkommen gedankt. Er lobte auch Trumps Nahost-Politik während dessen erster Amtszeit von 2017 bis 2021. Die USA hatten damals unter anderem Jerusalem als Hauptstadt Israels und die Souveränität Israels über die Golanhöhen anerkannt. Netanjahu rühmte auch Trumps damalige Rolle beim Zustandekommen der sogenannten Abraham-Abkommen, durch welche Israel seine Beziehungen zu vier arabischen Ländern normalisiert hatte.

 

 

Tag 473: 22. Januar 2025

Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben einen "Anti-Terror-Einsatz" in Dschenin im Westjordanland gestartet. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Ramallah wurden acht Menschen getötet und mehr als 35 verletzt. Dschenin gilt als Hochburg radikaler Palästinenser.

Bodentruppen und Spezialeinheiten

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, man gehe überall dort vor, wohin die "iranische Achse" ihre Arme ausstrecke. Nach Medienberichten drangen Bodentruppen und Spezialeinheiten in die Stadt ein. Es habe auch mehrere Drohnenangriffe gegeben. Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde, die mehrere Wochen lang in Dschenin gegen militante Kräfte im Einsatz waren, hatten sich nach palästinensischen Angaben zuvor zurückgezogen.

Die Lage im Westjordanland gilt seit dem Massaker der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas in Israel im Oktober 2023 und dem daraus resultierenden Krieg im von der Hamas beherrschten Gazastreifen als sehr angespannt. Im Gaza-Krieg gilt seit dem vergangenen Wochenende eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas.

Die Hamas rief zu einer "Generalmobilisierung" und zu Konfrontationen mit der Armee im Westjordanland auf. Auch die Organisation Islamischer Dschihad rief die Bewohner des Westjordanlands auf, sich "diesem kriminellen Einsatz mit allen Mitteln zu widersetzen".

Radikale Siedler befeuern mit Angriffen Spannungen

Seit dem Hamas-Massaker nahmen auch Angriffe radikaler israelischer Siedler auf Palästinenser im Westjordanland zu und trugen zu einer Zuspitzung der Lage im Westjordanland bei. Israelischen Medienberichten zufolge setzten vermummte Siedler nun Gebäude und Fahrzeuge in zwei benachbarten palästinensischen Dörfern östlich der Palästinenserstadt Kalkilia in Brand. Bereits in den vergangenen Tagen war es zu Angriffen auf palästinensische Dörfer gekommen.

Zwei Siedler wurden den Berichten zufolge von Schüssen israelischer Sicherheitskräfte schwer verletzt, nachdem sie diese zuvor mit Pfefferspray attackiert hatten.

Armeechef tritt zurück - Versagen und Verantwortung

Unterdessen kündigte der israelische Generalstabschef Herzi Halevi seinen Rücktritt an, der nach Angaben eines Armeesprechers am 6. März in Kraft treten soll. In seiner Erklärung begründete er den Schritt mit der Verantwortung "für das Versagen der israelischen Armee" am 7. Oktober 2023. Der Schritt komme zu einem Zeitpunkt, "an dem die israelische Armee wichtige Errungenschaften erzielt hat und sich im Prozess der Umsetzung einer Vereinbarung zur Freilassung der Geiseln befindet". Kurz darauf erklärte auch der für Israels Süden und die Grenze zum Gazastreifen zuständige General Jaron Finkelman seinen Rücktritt.

Halevi hatte seine Rücktrittsabsichten bereits früher klar gemacht, wollte aber angesichts des Gaza-Krieges einen passenden Zeitpunkt abwarten. Das Versagen, den Hamas-Terrorangriff nicht verhindert zu haben, werde ihn für den Rest seines Lebens begleiten, sagte Halevi, der sich in der Vergangenheit mehrfach bei Angehörigen der Opfer entschuldigt hatte.

Herzog für Untersuchungskommission zum 7. Oktober

Der israelische Präsident Izchak Herzog betonte in einer Reaktion auf der Plattform X, Halevi verdiene Dankbarkeit und Respekt für seine Leistung im Gaza-Krieg. Gleichzeitig sprach sich Herzog für eine nationale Untersuchungskommission zu den Vorgängen am 7. Oktober 2023 aus, "die Lehren zieht, Verantwortung übernimmt, Schlussfolgerungen zieht und Vertrauen zwischen den Bürgern und ihrem Staat aufbaut".

 

ag 472: 21. Januar 2025

Der israelische Aussenminister Gideon Saar warnt vor einem vorzeitigen Scheitern der Waffenruhe im Gaza-Krieg. "Wir haben heute die Bilder aus Gaza gesehen. Die Hamas ist noch immer an der Macht in Gaza", sagte er in einem Interview des US-Senders CNN, nachdem die Waffenruhe am Sonntag in Kraft getreten war.

"Es ist kein Automatismus, von einer Phase in die nächste überzugehen", sagte Saar. Seine Regierung wolle, dass das ganze Abkommen zwischen Israel und der Hamas erfolgreich sei - "aber wir werden nicht diese Ziele aufgeben". Es sei wichtig zu verstehen: "Die Hamas kann nicht länger die herrschende Macht im Gazastreifen sein."

Saar würdigte die Rolle des designierten US-Präsidenten Donald Trump bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas. "Das starke Engagement von Präsident Trump in den vergangenen Wochen war sehr, sehr hilfreich." Es sei aber nicht so gewesen, dass Trump und sein künftiges Regierungsteam Israel gezwungen hätten, etwas zu akzeptieren, was sie nicht gewollt hätten. "Wir arbeiteten zusammen, um ein Ziel zu erreichen, das sehr wichtig für uns war - und Präsident Trump war sehr hilfreich dabei, dieses Ziel zu erreichen."

 

Tag 471: 20.  Januar 2025

Im Gazastreifen feierten Menschen bereits am Morgen, obwohl der Beginn der Waffenruhe zunächst verschoben wurde. Zehntausende strömten ab 8.30 Uhr Ortszeit (7.30 Uhr MEZ), dem ursprünglich angekündigten Start der Feuerpause, auf die Strassen. Jubelnde Palästinenser gaben Freudenschüsse ab und zündeten Feuerwerk, berichtete der arabische Fernsehsender Al-Dschasira. Dabei gingen die Kämpfe noch einige Stunden weiter.

Inzwischen ist die Waffenruhe in Kraft getreten, nachdem die Hamas mit Verspätung eine Liste mit den Namen der drei im Laufe des Tages freizulassenden Geiseln übermittelt hatte. In Deir al-Balah im Zentrum des Küstengebiets gab es einem Bericht der "New York Times" zufolge daraufhin Hupkonzerte.

Nach 15 Monaten Krieg bricht eine Zeit des Hoffens und Bangens an - für die Bewohner des bislang heftig umkämpften und weithin zerstörten Palästinensergebiets ebenso wie für die Angehörigen der dort noch immer festgehaltenen Geiseln. Hält das von der islamistischen Hamas und Israel vereinbarte Abkommen, wird es Punkt für Punkt umgesetzt? Ist es von Dauer?

Details für die erste Stufe des Abkommens stehen

Israel und die Hamas hatten sich unter Vermittlung der USA, Katar und Ägypten auf einen Drei-Phasen-Deal geeinigt. Die Feuerpause soll zunächst 42 Tage dauern. In der Zeit soll die Hamas 33 der insgesamt 97 aus Israel entführten Menschen freilassen. Die meisten von ihnen dürften am Leben sein. Im Gegenzug werden rund 1.900 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen. Zudem wird der Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und Gaza wieder geöffnet und die Einfuhr humanitärer Hilfsgüter für die Palästinenser deutlich erhöht. Die israelische Armee soll aus dicht besiedelten Gegenden des Gazastreifens abziehen. Die mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen sollen sich wieder frei bewegen können.

Kommende Verhandlungen werden noch härter

Nachdem die erste Verhandlungsrunde Monate gedauert hatte, ist allen Beteiligten klar: Die nun bald anstehenden Gespräche über Details für die zweite Phase werden deutlich schwieriger. Uneinig sind sich die Konfliktparteien etwa darüber, wer im Gazastreifen künftig regieren soll. Auch Einzelheiten zum kompletten Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen müssen vereinbart werden. Auch diese Frage steht im Raum: Ist die Hamas in der Lage, alle Geiseln oder deren sterbliche Überreste zu finden? Die zweite Phase ist ab Woche sieben geplant. Sie soll ein dauerhaftes Ende des Kriegs einleiten.

Bedeutung des Deals für die Palästinenser

Nach 15 Monaten Krieg müssen die Menschen im Gazastreifen erst einmal keine Angst mehr davor haben, selbst getötet zu werden oder Angehörige zu verlieren. Vertriebene möchten in ihre Heimatorte zurückkehren und nachschauen, was von ihren Häusern und Wohnungen, von ihrem früheren Leben, übrig geblieben ist.

Weil nach Angaben von Hilfsorganisationen viel zu wenig humanitäre Hilfe die notleidende Zivilbevölkerung erreichte, hoffen Menschen auf eine Wende. Mehr als 90 Prozent der palästinensischen Bevölkerung leiden nach UN-Angaben starken Hunger. Im Zuge des Kriegs kamen nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde rund 46.900 Menschen ums Leben. Sie unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.

Netanjahu unter Druck

In Israel gehen einige Beobachter davon aus, dass der designierte US-Präsident Donald Trump Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zu dem Deal gedrängt habe. Das nun vereinbarte Abkommen ist Berichten zufolge kaum von dem zu unterscheiden, das US-Präsident Joe Biden im Mai verkündet hat. Erst Trumps Druck habe erreicht, dass Netanjahu eingewilligt habe. Trumps Agenda sei es, eine Normalisierung der Beziehungen zwischen dem jüdischen Staat Israel und dem arabischen Saudi-Arabien zu erreichen, schreibt die Londoner Denkfabrik Chatham House. Der Gaza-Krieg ist ein Hindernis auf dem Weg dorthin.

Netanjahu steht auch intern unter Druck. Polizeiminister Itamar Ben-Gvir ist wegen des Abkommens mit der Hamas aus der Regierung ausgetreten. Sollten neben seiner Partei noch weitere rechtsextreme Koalitionspartner ausscheiden, hätte Netanjahu keine Mehrheit im Parlament mehr. In jedem Fall dürfte seine Position geschwächt werden.

Sollte es tatsächlich zu einem Ende des Kriegs kommen, könnte es in der Armee wegen der schweren Fehler im Zusammenhang mit dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 zahlreiche Rücktritte geben, schreiben israelische Medien. Das würde noch einmal mehr die Frage aufwerfen, warum der Regierungschef selbst keine Konsequenzen aus dem politischen und militärischen Versagen zieht. Kritiker werfen Netanjahu vor, gegen den schon lange ein Korruptionsprozess läuft, an der Macht zu klammern.

International sorgte das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen für Empörung, das Ansehen Israels hat in vielen Teilen der Welt stark gelitten. Der Internationale Strafgerichtshof erliess gegen Netanjahu und seinen Ex-Verteidigungsminister Joav Galant Haftbefehle wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Israel weist die Anschuldigungen zurück.

Hamas feiert "siegreichen Widerstand" gegen Israel

Auslöser des Kriegs war das Hamas-Massaker, bei dem am 7. Oktober 2023 rund 1.200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 nach Gaza verschleppt wurden. Israel hat zahlreiche hochrangige Führer der Terrororganisation getötet. Zudem haben die Islamisten weitgehend die Kontrolle in dem von ihr beherrschten Gazastreifen verloren.

Israel hat sein Kriegsziel, die Hamas zu zerschlagen, nicht erreicht. Die Islamisten feiern die Vereinbarung und sprechen von einem "siegreichen Widerstand" gegen den Feind. Für die Terrororganisation ist ihr Überleben bereits ein Sieg. Die Hamas habe Israel gezwungen, die Aggression einzustellen, teilte die Gruppe mit. Sie wird sich auch für die Freilassung von palästinensischen Gefangenen aus Israels Gefängnissen feiern lassen. Angesichts der weitgehenden Zerstörung dürfte der Wiederaufbau noch Jahre dauern. Es wird sich zeigen, ob sich die Wut der Zivilbevölkerung angesichts von Tod und Zerstörung nicht nur gegen Israel, sondern auch gegen die Hamas richten wird.

Kein Plan für die Zukunft des Gazastreifens

Israels westliche Verbündete wollen, dass die gemässigte Palästinensische Autonomiebehörde (PA) von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Westjordanland wieder das Zepter im Gazastreifen übernimmt. Die Hamas hatte sie 2007 gewaltsam von dort vertrieben. Auch die PA selbst strebt Medienberichten zufolge eine baldige und alleinige Kontrolle über den Küstenstreifen an. Netanjahu lehnt das jedoch ab. Gleiches gilt für eine weitere Hamas-Herrschaft. Einen eigenen Plan für die Zukunft des Gazastreifens hat er bislang nicht vorgelegt.

Hilfslieferungen werden deutlich erhöht - aber Probleme bleiben

Im Rahmen des Abkommens sollen jetzt täglich 600 Lastwagen mit Hilfslieferungen in den Gazastreifen fahren. Doch wie zuvor bleibt die Gefahr, dass Banden oder bewaffnete Hamas-Kämpfer die Lkw plündern. Damit die humanitäre Hilfe die Bedürftigen erreichen kann, müssten zunächst einmal Ruhe und Ordnung einkehren.

 

Tag 470: 19. Januar 2025

Im Gazastreifen hat die Waffenruhe zwischen Israel und der islamistischen Hamas mit Stunden Verspätung begonnen. Sie trete um 10.15 Uhr MEZ in Kraft, wie das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mitteilte. Die Hamas habe die Liste mit den Namen von drei noch heute freizulassenden Geiseln übermittelt. Eigentlich hätte die Feuerpause schon um 7.30 Uhr MEZ beginnen sollen. Da die Hamas jedoch bis dahin die Namen der Geiseln nicht mitgeteilt hatte, setzte die Armee ihre Angriffe zunächst fort.

Israel und die Hamas hatten sich unter Vermittlung Katars, Ägyptens und den USA auf eine Waffenruhe von zunächst 42 Tagen geeinigt. In der Zeit sollen 33 der 97 im Gazastreifen verbliebenen israelischen Geiseln gegen 1.904 inhaftierte Palästinenser ausgetauscht werden. Die erste Phase des Abkommens sieht auch eine schnelle Verbesserung der Versorgung mit Lebensmitteln für die mehr als zwei Millionen Bewohner in Gaza vor, von denen nach UN-Angaben 90 Prozent unter Hunger leiden. Zudem muss sich die israelische Armee aus Bevölkerungszentren im Gazastreifen zurückziehen.

Drei Geiseln sollen heute freikommen

Die drei Frauen, die freigelassen werden sollen, haben laut dem Sprecher des katarischen Aussenministeriums, Madschid al-Ansari, alle die israelische Staatsbürgerschaft. Eine der Frauen sei zudem auch rumänische und eine andere britische Staatsbürgerin.

Unter den in Gaza verbliebenen Geiseln sind auch noch Israelis, die zusätzlich die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. In Israel wird davon ausgegangen, dass 34 der Entführten vermutlich tot sind. Laut Israels Regierung ist die Freilassung der ersten drei Geiseln heute um 15.00 Uhr MEZ geplant. Nach israelischen Angaben handelt es sich um drei Zivilistinnen.

Etwa zur gleichen Zeit sollen in Israel die ersten rund 90 palästinensischen Häftlinge freigelassen und von Sicherheitskräften entweder ins besetzte Westjordanland oder nach Gaza gebracht werden. Ob es wegen des verzögerten Beginns der Waffenruhe bei dem Zeitplan bleibt, blieb unklar.

Israels Polizeiminister tritt wegen Geisel-Deal zurück

Aus Protest gegen die Waffenruhe-Vereinbarung mit der Hamas erklärte Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir nach Medienberichten seinen Rücktritt. Damit verlasse auch seine Partei Otzma Jehudit, die über sechs von 120 Sitzen in der Knesset verfügt, die Regierungskoalition. Die rechtsreligiöse Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verliert damit aber nicht ihre Mehrheit im Parlament. Sie hat weiterhin 62 der 120 Sitze in der Knesset.

Nochmals Angriffe Israels in Gaza

Während Israel auf die Liste mit den Namen der drei Geiseln wartete, setze die Armee fort. Artillerie und Luftwaffe hätten eine Reihe von "Terrorzielen" im Norden und Zentrum des abgeriegelten Küstenstreifens attackiert, teilte die Armee mit. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Zivilschutzes kamen im gesamten Küstenstreifen 13 Menschen ums Leben. Die Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Armee äusserte sich zunächst nicht dazu.

Auslöser des Krieges war das Hamas-Massaker, bei dem am 7. Oktober 2023 rund 1.200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 nach Gaza verschleppt wurden. Israel reagierte mit Angriffen auf die Hamas, bei denen nach palästinensischen Angaben mehr als 46.700 Menschen getötet wurden. Die unabhängig nicht prüfbare Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern. Netanjahu hatte am Vorabend der Waffenruhe bekräftigt, Israel werde bei einem Scheitern des Abkommens die Kämpfe wiederaufnehmen und alle Kriegsziele durchsetzen, darunter die völlige Zerschlagung der Hamas.

Notiz

Tag 469: 18. Januar 2025

Die zwischen Israel und der islamistischen Hamas vereinbarte Waffenruhe soll nach Angaben des Vermittlerstaats Katar bereits am Sonntagmorgen um 7.30 Uhr MEZ im Gazastreifen in Kraft treten. Darauf hätten sich die beiden Konfliktparteien und die Vermittler geeinigt, schrieb der Sprecher des katarischen Aussenministeriums, Madschid al-Ansari, in einem Post auf der Plattform X.

Zuvor hatte es geheissen, die Feuerpause solle um 11.15 Uhr MEZ in Kraft treten. Laut der israelischen Nachrichtenseite "Ynet" ist die Freilassung der ersten Geiseln aber weiterhin um 15.00 Uhr MEZ geplant.

Nach Israels Sicherheitskabinett stimmte auch die gesamte Regierung des jüdischen Staates nach siebenstündiger Sitzung für die Vereinbarung mit der Hamas, wie das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in der Nacht mitteilte. Der rechtsextreme Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir hatte Medien zufolge gedroht, die Koalition im Fall einer Billigung zu verlassen. Laut israelischen Medien stimmten am Ende 24 Minister für den Deal, acht dagegen.

Wie es jetzt weitergeht

* Nach israelischem Recht dürfen Angehörige von Terroropfern gegen die Freilassung bestimmter palästinensischer Häftlinge Einspruch einlegen. Für eine solche Petition beim Obersten Gericht haben sie nach dem Regierungsbeschluss 24 Stunden Zeit. Es wird aber nicht erwartet, dass die Richter einen Grund dafür sehen, die Vereinbarung zu durchkreuzen.

* Die Waffenruhe soll gemäss dem Abkommen zunächst für 42 Tage gelten.

* In der Zeit sollen 33 der insgesamt 98 Geiseln freikommen, die sich seit vielen Monaten und teils sogar Jahren in der Gewalt der Hamas befinden. Am Sonntag sollen die ersten drei von ihnen übergeben werden. Berichten zufolge wird die Hamas heute bekanntgeben, um wen es sich dabei handelt. Ausgegangen wird von drei Zivilistinnen.

* Im Gegenzug werden laut israelischen Angaben Hunderte palästinensische Häftlinge aus Israels Gefängnissen entlassen. Israels Justizministerium veröffentlichte eine Liste mit den Namen von mehr als 90 Häftlingen, die am Sonntag gegen die ersten Geiseln ausgetauscht werden sollen.

* Der Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und Gaza soll wieder öffnen und die Einfuhr humanitärer Hilfe für die Palästinenser deutlich aufgestockt werden.

* Israels Militär soll aus dicht besiedelten Gebieten des Gazastreifens abziehen. Die in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens geflohenen Einwohner sollen sich wieder frei bewegen und unter internationaler Aufsicht in ihre Wohngebiete im Norden Gazas zurückkehren dürfen.

* Die Details der zweiten und dritten Phase des Abkommens über ein dauerhaftes Ende des Krieges und einen kompletten Abzug Israels aus dem Gazastreifen wollen die Konfliktparteien während der ersten Phase klären.

Hält das Abkommen?

Wie stabil das Abkommen langfristig sein wird, ist fraglich. Die intensiven Verhandlungen der vergangenen zwei Tage, als es in letzter Minute noch um strittige Detailfragen ging, zeigten einmal mehr, wie heikel das Gesamtpaket ist. Netanjahu teilte erst am frühen Freitag mit, dass eine Einigung erzielt worden sei - fast zwei Tage, nachdem der Vermittlerstaat Katar eine solche eigentlich bereits verkündet hatte.

Angesichts des tiefen Misstrauens ist offen, ob sich Israels Regierung und die Hamas über Wochen an die vereinbarten Schritte halten werden und ob zum Beispiel bestimmte Passagen jeweils anders ausgelegt werden. Der Ausgang der Verhandlungen in den nächsten Phasen des Deals über ein dauerhaftes Ende des Krieges und einen Abzug Israels aus Gaza ist denn auch ungewiss.

So müssen sich beide Kriegsparteien unter anderem noch über die Listen der restlichen freizulassenden Hamas-Geiseln sowie der von Israel freizulassenden Häftlinge einigen. Unter den Verschleppten sind auch Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft, darunter mehrere Deutsche. Wie die "Times of Israel" in der Nacht berichtete, befinden sich auf einer neuen Liste des israelischen Justizministeriums mehr als 700 palästinensische Häftlinge, darunter mehrere wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilte Mitglieder der Hamas, des Palästinensischen Islamischen Dschihad und der Fatah-Bewegung des im Westjordanland regierenden Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas.

Offen sind auch der Zeitplan und das Ausmass des Rückzugs des israelischen Militärs aus dem Gazastreifen sowie die Frage, wie das relativ kleine Gebiet am Mittelmeer nach dem Ende des Krieges regiert werden soll.

Setzt Israel den Krieg fort?

Sollte das Abkommen scheitern, könnten die Kämpfe in dem weitgehend zerstörten Palästinensergebiet erneut ausbrechen - zumal es auf beiden Seiten entschiedene Befürworter einer Fortsetzung des Krieges gibt. So könnte sich Israels Ministerpräsident Netanjahu dafür entscheiden, nach der ersten Phase aus dem Abkommen auszusteigen, um den Zusammenbruch seiner Regierungskoalition zu vermeiden, sagte Daniel Levy, ein früherer israelischer Regierungsbeamter und Verhandlungsführer, dem "Wall Street Journal".

Laut der US-Nachrichtenseite "Axios" soll Netanjahu beim Treffen des Sicherheitskabinetts gesagt haben, die USA hätten ihm für den Fall, dass die weiteren Verhandlungen scheitern und Israels Sicherheitsforderungen nicht erfüllt werden, Unterstützung für die Fortsetzung des Krieges zugesichert - und zwar sowohl die Regierung des scheidenden Präsidenten Joe Biden als auch das Lager seines designierten Nachfolgers Donald Trump. Die US-Nachrichtenseite berief sich dabei auf einen Vertrauten Netanjahus.

Sicherheitskreise: Öffnung von Grenzübergang wird vorbereitet

Derweil laufen die Vorbereitungen zur Öffnung des Grenzübergangs Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen laut ägyptischen Sicherheitsquellen auf Hochtouren. Dutzende Lastwagen stünden bereit. Insgesamt wurden nach Angaben des Ägyptischen Roten Halbmonds rund 600 Lkw vorbereitet. Die palästinensische Seite des Grenzübergangs wird seit Mai vergangenen Jahres von Israels Armee kontrolliert. Der Übergang ist seitdem geschlossen.

 

ag 468: 17. Januar 2025

06:30

Bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg sind nach israelischen Angaben letzte Hindernisse aus dem Weg geräumt worden. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sei von seinem Verhandlungsteam informiert worden, dass eine Einigung über die Freilassung der Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas erzielt worden sei, teilte das Büro des Regierungschefs am Freitagmorgen mit. Netanjahu habe angeordnet, dass das Sicherheitskabinett im Laufe des Tages einberufen werde, hiess es in einer Mitteilung am frühen Morgen. Die Regierung werde zu einem späteren Zeitpunkt zusammenkommen, um das Abkommen abzusegnen, hiess es. Nach Informationen der "Times of Israel" ist die Abstimmung der Regierung für Samstagabend geplant.

Waffenruhe tritt möglicherweise erst Montag in Kraft

Der Vermittlerstaat Katar hatte eigentlich bereits am Mittwoch eine Einigung zwischen Israel und der islamistischen Hamas auf eine Waffenruhe verkündet, in deren Zuge Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge freikommen sollen. Nach israelischen Angaben gab es jedoch zuletzt noch Ärger über Detailfragen. Netanjahu warf der Hamas vor, in letzter Minute Zugeständnisse erpressen zu wollen. Medienberichten zufolge ging es darum, welche palästinensischen Strafgefangenen - unter ihnen verurteilte Terroristen - im Gegenzug für die Geiseln auf freien Fuss kommen. Die Hamas hatte die Vorwürfe zurückgewiesen.

Laut der von Katar am Mittwochabend verkündeten Einigung soll die Feuerpause am Sonntag um 11.15 Uhr MEZ in Kraft treten. Ein Sprecher Netanjahus sagte allerdings laut der "Times of Israel", Gegner des mehrstufigen Abkommens innerhalb der israelischen Regierung müssten 24 Stunden Zeit haben, eine Petition beim Obersten Gerichtshof des Landes einzureichen. Das würde bedeuten, dass die Waffenruhe erst am Montag in Kraft treten würde - einen Tag später als geplant.

Rechtsextreme Koalitionäre lehnen Waffenruhe ab

Netanjahus rechtsextreme und ultra-religiöse Koalitionspartner lehnen Kompromisse mit der Hamas ab. Einer von ihnen, Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir, drohte mit dem Verlassen der Regierung, sollte diese dem Waffenruhe-Abkommen zustimmen. Ein Abkommen werde es den Terrorgruppen in Gaza ermöglichen, sich neu aufzustellen und erneut zu einer Bedrohung für die Bewohner im Süden Israels zu werden, kritisierte er.

 

Ben-Gvir führt die rechtsextreme Partei Ozma Jehudit (Jüdische Kraft) an. Auch Finanzminister Bezalel Smotrich, Chef der Partei Religiöser Zionismus, könnte sich gegen das Abkommen auf eine Waffenruhe aussprechen. Anhänger des ultra-rechten Lagers demonstrierten am Donnerstagabend in Jerusalem mit Sitzblockaden an mehreren Strassenkreuzungen gegen das Abkommen. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben drei Demonstranten fest. Es gilt dennoch als sicher, dass das Sicherheitskabinett und die gesamte Regierung das Abkommen am Ende absegnen werden.

 

Feuerpause soll zunächst 42 Tage gelten

 

Die Feuerpause in dem seit mehr als 15 Monate andauernden Krieg soll zunächst für 42 Tage gelten. In der Zeit sollen zunächst 33 der insgesamt 98 verbliebenen Geiseln in der Gewalt der Hamas freigelassen werden. Im Gegenzug dafür sollen israelischen Angaben zufolge Hunderte palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freikommen. Israels Militär soll sich aus den dicht bevölkerten Gebieten Gazas zurückziehen.

Während dieser Phase verhandeln die Seiten über die konkreten Schritte der darauffolgenden Phasen, die zum vollständigen Rückzug des israelischen Militärs aus Gaza, der Freilassung der letzten Geiseln und zu einer palästinensischen Selbstverwaltung im Gazastreifen führen sollen. Wird keine Einigung erzielt, könnte der Krieg weitergehen.

Vorerst gehen die Kämpfe in dem abgeriegelten Küstenstreifen unvermindert weiter. Seit der Verkündigung einer Waffenruhe durch Katar am Mittwochabend kamen laut eines Sprechers des von der Hamas kontrollierten Zivilschutzes 86 Palästinenser bei israelischen Angriffen im gesamten Küstengebiet ums Leben. Demnach gab es die allermeisten Opfer in der Stadt Gaza im Norden. Unter den Toten sollen den Angaben zufolge, die sich nicht unabhängig prüfen lassen, Minderjährige und Frauen sein.

"Der Staat Israel ist entschlossen, alle Ziele des Krieges zu erreichen, einschliesslich der Rückkehr aller unserer Geiseln - sowohl der lebenden als auch der toten“, teilte Netanjahus Büro in der Nacht zum Freitag weiter mit.

Unterdessen reist heute eine israelische Verhandlungsdelegation in die ägyptische Hauptstadt Kairo. Dort würden die Modalitäten der Öffnung des Grenzübergangs Rafah erörtert, berichtete das israelische Portal "walla.co.il". Der Kontrollpunkt an der Grenze zwischen Ägypten und dem abgeriegelten Küstengebiet ist seit Mai des Vorjahres geschlossen. Für die Versorgung der notleidenden Bevölkerung in Gaza ist er jedoch von zentraler Bedeutung. Ägypten fungiert zusammen mit Katar und den USA als Vermittler in dem seit mehr als 15 Monaten andauernden Krieges.

Der designierte US-Präsident Donald Trump forderte eine Freilassung der Geiseln im Gaza-Krieg vor seiner Amtseinführung am Montag. "Das sollte besser erledigt sein, bevor ich den Amtseid ablege", sagte Trump in einer Sendung des US-Podcasters Dan Bongino. Der Republikaner wird am Montag in Washington als 47. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt.

Trump behauptete erneut, ohne seinen Einfluss wäre überhaupt keine Vereinbarung in dem Konflikt zustande gekommen. "Wenn wir uns nicht eingeschaltet hätten, dann würden die Geiseln nie freikommen." Er schob nach: "Ich bin nicht auf der Suche nach Anerkennung. Ich will diese Leute herausholen."

Auslöser des Krieges war das beispiellose Massaker der Hamas und anderer extremistischer Gruppen, bei dem am 7. Oktober 2023 rund 1.200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 in den Gazastreifen verschleppt wurden. Israel reagierte mit Angriffen gegen die Hamas in Gaza, bei denen nach palästinensischen Angaben mehr als 46.700 Menschen getötet und mehr als 110.200 weitere verletzt wurden. Die unabhängig nicht überprüfbaren, von den Vereinten Nationen aber als glaubhaft eingestuften Zahlen unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.

 

02:00
Israels rechtsextremer Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir droht mit dem Verlassen der Koalitionsregierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, sollte diese dem Waffenruhe-Abkommen für den Gazastreifen zustimmen. Das sagte der Politiker auf einer Pressekonferenz nach Angaben der "Times of Israel". Die Vereinbarung mit der islamistischen Hamas, die die Vermittler am Mittwochabend verkündet hatten, werde es den Terrorgruppen in Gaza ermöglichen, sich neu aufzustellen und erneut zu einer Bedrohung für die Bewohner im Süden Israels zu werden, kritisierte er.

Die nach monatelangen indirekten Verhandlungen erzielte Einigung sieht einen mehrstufigen Prozess vor, der zur Einstellung der Kämpfe im Gazastreifen und zur Freilassung der von der Hamas entführten Geiseln führen soll. Das Abkommen soll am Sonntag um 11.15 Uhr MEZ in Kraft treten. Netanjahu hat die Einigung bislang nicht bestätigt. Da noch Einzelheiten offenblieben, gingen die Verhandlungen am Donnerstag in der katarischen Hauptstadt Doha weiter.

Ursprünglich für Donnerstag geplante Sitzungen des israelischen Sicherheitskabinetts und der gesamten Regierung wurden verschoben. Die Gremien müssen dem Gaza-Abkommen noch zustimmen. Israelischen Medienberichten zufolge sollen sie am Freitag zusammentreten. Vonseiten Netanjahus gab es dafür zunächst keine Bestätigung.

Ben-Gvir führt die rechtsextreme Partei Ozma Jehudit (Jüdische Kraft) an. Auch Finanzminister Bezalel Smotrich, Chef der Partei Religiöser Zionismus, könnte sich gegen das Waffenruhe-Abkommen aussprechen. Dessen Billigung durch das Sicherheitskabinett und die gesamte Regierung gilt dennoch als gesichert. Mit dem Ausstieg Ben-Gvirs und möglicherweise auch Smotrichs aus der Koalition würde jedoch Netanjahu die Regierungsmehrheit im Parlament verlieren. Oppositionsführer Jair Lapid hatte aber bereits angekündigt, er wäre in einem solchen Fall bereit, Netanjahu für einen Geisel-Deal ein "Sicherheitsnetz" im Parlament zu bieten.

 

Tag 467:  15. Januar 2025

Monatelang liefen die Bemühungen der USA, Ägyptens und Katars, durch indirekte Verhandlungen Israel und die Hamas zu einem Abkommen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zu bewegen. Nun kam der Durchbruch. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:

Was bedeutet das Abkommen für Israel - und was für die Hamas?

Sollte die nun für sechs Wochen vereinbarte Waffenruhe auch ein längerfristiges Ende des Krieges einleiten, dürfte es trotzdem kaum eine Art von Gewinner geben. Weder hat Israel sein Kriegsziel erreicht, die Hamas vollständig zu zerstören, noch werden im Zuge dieses Abkommens alle Geiseln befreit.

Die islamistische Hamas wiederum, die sich als Widerstandsbewegung gegen Israel bezeichnet, hat ihre wichtigsten Anführer und auch weitgehend die Kontrolle in Gaza verloren. Die grössten Verlierer und Leidtragenden des Kriegs sind fraglos die Hunderttausenden betroffenen Zivilisten in Gaza sowie die Geiseln in der Gewalt der Hamas und deren Angehörige. Für sie alle bedeutet das Abkommen Hoffnung auf ein Ende des Leidens.

Aber auch die israelische Gesellschaft insgesamt ist durch das Massaker der Hamas und anderer Extremisten aus dem Gazastreifen in Israel vom 7. Oktober 2023 und den längsten Krieg in der Geschichte des Staates gespalten und traumatisiert. Und die Hoffnung vieler Israelis, dass man die Palästinenser mit ihren Forderungen nach einem eigenen Staat einfach ignorieren kann, hat sich als trügerisch erwiesen.

Zudem hat das Ansehen Israels in vielen Teilen der Welt sehr gelitten. Da fraglich ist, ob man sich in der zweiten Phase des Abkommens auf die Freilassung der restlichen Geiseln einigen wird, gibt es zugleich Vorwürfe an Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, man habe mit dem jetzigen Abkommen die restlichen Geiseln im Stich gelassen.

Wie stabil ist das Abkommen?

Die Vereinbarung steht auf recht wackeligen Füssen - schon allein, weil sich Israels Regierung und die Hamas gegenseitig geschworen haben, einander zu zerstören. Angesichts des tiefen Misstrauens bleibt abzuwarten, ob sich beide Seiten über Wochen an die vereinbarten Schritte halten, und ob etwa bestimmte Passagen jeweils anders interpretiert werden. Andererseits gibt es in beiden Bevölkerungen eine grosse Sehnsucht danach, dass die Waffen nach 15 Monaten Krieg schweigen - die Kriegsmüdigkeit könnte daher stabilisierend wirken.

Wer soll in Zukunft regieren?

Weit auseinander liegen Israel und die Hamas bei der Frage, wer den grossflächig zerstörten Gazastreifen künftig regieren soll. Israel lehnt eine weitere Herrschaft der Islamisten kategorisch ab und droht, es könne den Kampf wiederaufnehmen, bis die Macht der schon stark dezimierten Hamas endgültig gebrochen sei. Die Hamas hingegen will eine Garantie, dass der Krieg endet - wohl auch, um sich neu aufzustellen und ihre alte Machtposition wieder einzunehmen. Zu klären wäre auch, wer den kostspieligen Wiederaufbau in einer auf zwei bis fünf Jahre angelegten dritten Phase des Abkommens übernehmen und finanzieren soll.

Israels Regierungschef Netanjahu hat in den 15 Monaten Krieg nie genau umrissen, wie er sich eine künftige Regierung im Gazastreifen vorstellt. Er hatte nur stets betont, dass die Hamas entmachtet und zerschlagen werden müsse.

Der scheidende US-Aussenminister Antony Blinken hatte diese Woche seinen Plan für die Zukunft des Gazastreifens skizziert. Folgende Prinzipien seien zentral: Zum einen eine von Palästinensern geführte Regierung, die den Gazastreifen mit dem Westjordanland vereine und der dortigen Autonomiebehörde unterstellt sei. Zum anderen dürfe es langfristig keine militärische Besetzung des Gazastreifens durch Israel geben, auch keine Verkleinerung des Gazastreifens sowie keine Versuche, ihn nach dem Konflikt zu belagern oder zu blockieren.

Haben Donald Trumps Drohungen gewirkt?

Der bevorstehende Machtwechsel in Washington dürfte ein Faktor für die Fortschritte in den Verhandlungen gewesen sein. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hat zwar stets zu Israel gehalten, aber auch zunehmend Kritik an der Kriegsführung in Gaza geübt. Der designierte US-Präsident Donald Trump dagegen ist als Verbündeter Netanjahus bekannt und es ist fraglich, wie stark seine Regierung die israelische in die Schranken weisen würde. Seine Drohungen an die Hamas waren vor diesem Hintergrund also durchaus ernstzunehmen.

Der Republikaner hatte gesagt, dass im "Nahen Osten die Hölle losbrechen" werde. Es werde "nicht gut für die Hamas sein, und es wird - offen gesagt - für niemanden gut sein", wenn die entführten Geiseln nicht bis zu seiner Amtseinführung am kommenden Montag zurück seien.

In den USA hat nun jedenfalls ein Kampf um die Deutungshoheit begonnen. Trump verbuchte den Durchbruch als sein Verdienst. Sein Wahlsieg habe der Welt zu verstehen gegeben, dass seine Regierung Frieden anstreben und Vereinbarungen aushandeln werde, um die Sicherheit aller Amerikaner und der Verbündeten zu gewährleisten. "Wir haben so viel erreicht, ohne dass wir überhaupt im Weissen Haus waren", schrieb er auf seiner Online-Plattform Truth Social.

Darauf angesprochen, dass Trump die Lorbeeren für den Deal ernten will, sagte Biden, der Rahmen für das Abkommen sei exakt derjenige, den er im Mai vorgeschlagen habe. Er habe sein Verhandlungsteam aber stets angewiesen, sich eng mit Trumps Mannschaft abzustimmen, um sicherzustellen, dass die USA mit einer Stimme sprächen. Zuvor hatten Vertreter des Weissen Hauses betont, das Trump-Team sei zwar kontinuierlich über die Gespräche in Doha informiert worden, doch verhandelt habe allein die Biden-Regierung.

 

Tag 466: 14. Januar 2025

US-Aussenminister Antony Blinken wird einem Medienbericht zufolge noch heute einen Plan für den Wiederaufbau und die Verwaltung des Gazastreifens nach Kriegsende vorlegen. Wie die US-Nachrichtenseite "Axios" unter Berufung auf drei US-Beamte berichtete, will Blinken den Plan in einer Rede bei der US-Denkfabrik Atlantic Council in Washington vorstellen. Am selben Tag sollen in Katars Hauptstadt Doha die Gespräche über eine stufenweise Beendigung des Kriegs fortgeführt werden.

Laut Berichten ist eine vorläufige Waffenruhe im Gaza-Krieg und die Freilassung von Geiseln zum Greifen nahe. Der designierte US-Präsident Donald Trump habe dem US-Fernsehsender "Newsmax" am Montagabend gesagt, dass Israel und die islamistische Hamas einem Abkommen "sehr nahe" seien. "Ich habe gehört, dass es einen Handschlag gegeben hat und dass sie es zu Ende bringen - vielleicht bis zum Ende der Woche", sagte Trump demnach. Auf der Newsmax-Webseite fanden sich die Aussagen Trumps nicht. Sein Gesandter Steve Witkoff nimmt an den Verhandlungen in Doha teil. In einer zweiten Phase des geplanten Abkommens soll über eine Beendigung des Gaza-Kriegs verhandelt werden.

Blinkens Plan sieht laut "Axios" einen Regierungsmechanismus unter Beteiligung der internationalen Gemeinschaft und arabischer Länder vor. Diese könnten auch Truppen nach Gaza entsenden, um die Sicherheitslage zu stabilisieren und humanitäre Hilfe zu leisten, hiess es. Ausserdem müsse die im Westjordanland regierende und von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas geführte Palästinensische Autonomiebehörde (PA) an einer künftigen Regierung beteiligt werden. Die PA solle nach dem Willen der USA zuvor reformiert werden.

Die israelische Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist demnach zwar bereit, den arabischen Länder eine Rolle im Gazastreifen nach dem Krieg zu gewähren. Bislang hat sich Netanjahu jedoch geweigert, einem Plan zuzustimmen, der die Beteiligung der Palästinensischen Autonomiebehörde vorsieht. Die Hamas, die den Gaza-Krieg mit ihrem Terror-Überfall auf Israel vor mehr als 15 Monaten faktisch auslöste, hatte die PA 2007 gewaltsam aus Gaza vertrieben.

 

 

Tag 465: 13. Januar 2025

Wenige Tage vor der Amtseinführung Donald Trumps in den USA hat der Stellvertreter des künftigen Präsidenten der palästinensischen Terrororganisation Hamas mit schwerwiegenden Konsequenzen gedroht. Sollten sich die Islamisten einem Deal mit Israelverweigern und nicht vor Trumps Vereidigung am 20. Januar alle Geiseln in ihrer Gewalt freilassen, werde die nächste US-Regierung drastische Schritte ergreifen, versprach Trumps designierter Vize J.D. Vance. Sowohl er als auch der Nationale Sicherheitsberater des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden gaben sich aber hoffnungsvoll, dass noch in dieser Woche ein Durchbruch gelingen könnte.

Trump hatte vergangene Woche nochmals bekräftigt, im Nahen Osten werde "die Hölle losbrechen", wenn die Geiseln bis zu seiner Amtsübernahme nicht wieder zuhause sein sollten, "und das wird nicht gut für die Hamas sein, und es wird - offen gesagt - für niemanden gut sein".

"Sehr aggressive Sanktionen und finanzielle Strafen"

Vance wurde nun vom konservativen US-Fernsehsender Fox News dazu befragt, was genau Trump damit gemeint habe. Seine Antwort: "Das bedeutet, die Israelis in die Lage zu versetzen, die letzten Bataillone der Hamas und ihre Führungsriege auszuschalten. Es bedeutet sehr aggressive Sanktionen und finanzielle Strafen für all jene, die Terrororganisationen im Nahen Osten unterstützen. Es bedeutet, die Aufgabe amerikanischer Führung auch wirklich zu erledigen" - eben so, wie Trump das in seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 getan habe.

Vance zufolge ist man im Trump-Lager "hoffnungsvoll, dass ganz am Ende der Regierungszeit Bidens ein Deal geschlossen wird, vielleicht am letzten oder vorletzten Tag". Wie auch immer diese Abmachung aussehen sollte: Sie werde darauf zurückzuführen sein, "dass die Leute schreckliche Angst davor haben, dass es (ansonsten) Folgen für die Hamas haben wird", meint der Republikaner.

Sicherheitsberater Sullivan: "Wir sind sehr, sehr nah dran"

Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan hatte sich am Wochenende vorsichtig optimistisch über einen möglichen Deal für eine Waffenruhe und Geisel-Freilassung geäussert. "Wir sind sehr, sehr nah dran", sagte Sullivan dem US-Fernsehsender CNN. "Wir sind nach wie vor entschlossen, jeden Tag, den wir im Amt sind, zu nutzen, um diese Sache zu Ende zu bringen." Es könne aber auch sein, dass sich insbesondere die Hamas am Ende nicht bewege, "wie es schon so viele Male passiert ist" - und vor dem Machtwechsel am 20. Januar keine Abmachung mehr zustande komme.

Trumps Sicherheitsberater Mike Waltz sagte im Gespräch mit ABC News, eine rasche Einigung sei im Interesse der Palästinenserorganisation. Jeder Deal nach Trumps Amtsübernahme werde für die inzwischen "komplett isolierte" Hamas "nur noch schlechter ausfallen" als das, was derzeit auf dem Tisch liege.

Biden spricht mit Netanjahu - Verhandlungen in Doha

Der scheidende US-Präsident Biden scheint entschlossen, noch vor dem Ende seiner Amtszeit eine Waffenruhe im verheerenden Gaza-Krieg und einen Deal zur Freilassung der Hamas-Geiseln zu erreichen. In einem Gespräch mit Benjamin Netanjahu habe er den israelischen Ministerpräsidenten auch zu verstärkter humanitärer Hilfe gedrängt, teilte das Weisse Haus mit. Netanjahu erwähnte nach Angaben seines Büros "Fortschritte" bei den Verhandlungen über eine Freilassung der Geiseln und informierte Biden über das Mandat, das er seinen Unterhändlern für deren Gespräche in Katar und einen möglichen Deal mit der Hamas erteilt habe.

Eine ranghohe israelische Delegation war zuvor zu neuen Gesprächen in der katarischen Hauptstadt Doha eingetroffen. Aus Verhandlungskreisen verlautete, mit dabei seien auch diesmal wieder der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, sowie der Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, Ronen Bar.

Bei den indirekten Verhandlungen zwischen Israelund der Hamas, bei denen neben Katar auch Ägypten und die USA vermitteln, geht es vor allem um eine Waffenruhe und einen Austausch palästinensischer Häftlinge gegen die Hamas-Geiseln, die weiterhin im Gazastreifen gefangen gehalten werden.

Geisel-Angehörige sehen "historische Gelegenheit"

Das Forum der Geiselfamilien sprach von einer "historischen Gelegenheit", die Freilassung der Entführten zu erreichen. Am Wochenende demonstrierten erneut Tausende Israelis für ein Ende des Krieges und die Freilassung der Geiseln. Allerdings werfen Kritiker Netanjahu vor, er habe gar kein Interesse an einem Deal mit der Hamas, weil seine ultrarechten Koalitionspartner auf einer vollständigen Vernichtung der islamistischen Terrororganisation bestehen - und sein politisches Überleben von ihnen abhängt.

Bei dem Überfall der Hamas und verbündeter Terroristen auf den Süden Israels am 7. Oktober 2023 waren etwa 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 weitere in den Gazastreifen verschleppt worden. Inzwischen befinden sich noch 98 Geiseln in dem Küstengebiet, wobei davon ausgegangen wird, dass mindestens ein Drittel von ihnen bereits tot sein dürfte.

Unter den Geiseln sind auch vier Israelis, die sich schon seit einem Jahrzehnt in der Gewalt der Hamas befinden - darunter zwei getötete Soldaten, bei denen es nur noch um die Überführung der sterblichen Überreste geht. Von den 94 am 7. Oktober 2023 entführten Menschen sind nach israelischen Angaben 81 Männer, 11 Frauen und 2 Kinder unter fünf Jahren. Mehrere Geiseln haben die deutsche Staatsbürgerschaft.

Wird die Hamas einlenken?

Der israelische Experte Avi Melamed geht davon aus, dass Trumps dramatische Rhetorik wenig bei der Hamas bewirken dürfte, da die Organisation im Gaza-Krieg bereits schwere Rückschläge erlitten habe. Trump könne jedoch diplomatischen Druck auf Länder wie die Türkei und arabische Staaten ausüben, die Hamas-Führern Unterschlupf gewähren. Ausserdem könne er sich dafür starkmachen, dass eine multinationale arabische Truppe gemeinsam mit einer reformierten palästinensischen Autonomiebehörde nach dem Krieg die Sicherheit im Gazastreifen gewährleiste. "Der Schlüssel zur Schwächung der Hamas liegt darin, deren Hoffnungen auf eine Rückkehr zur politischen Kontrolle in Gaza komplett zu zerstören", schrieb Melamed.

 

Tag 464: 12. Januar 2025

Tausende Israelis haben am Abend erneut landesweit für die Freilassung von Geiseln demonstriert. Bei einer Kundgebung in Tel Aviv forderte der Freund eines kürzlich tot im Gazastreifen gefundenen Entführungsopfers ein Abkommen mit der Hamas. Die Angehörigen der anderen Geiseln sollten nicht auch Särge umarmen müssen, sagte Masen Abu Siam, ein arabischer Israeli. Der Gaza-Krieg habe auf beiden Seiten zu viel unnötigem Blutvergiessen geführt.

Sein 53 Jahre alter Freund und dessen 22-jähriger Sohn waren vor wenigen Tagen tot in einem Tunnel im Gazastreifen entdeckt worden. Die beiden Männer, die zu einer Beduinengemeinschaft gehören, wurden laut Armee in der Gefangenschaft der Hamas getötet. Sie waren am 7. Oktober 2023 während des Hamas-Massakers in den Gazastreifen verschleppt worden.

Auch der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, wurde auf einer Kundgebung in Tel Aviv erwartet. "Juden, Beduinen, Christen, Drusen – der Schmerz und die Trauer über den Verlust einer Geisel vereint uns alle", schrieb er auf der Plattform X.

Israelische Medien berichteten, die Polizei habe eine Kundgebung in Tel Aviv, die sich auch gegen die israelische Führung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu richtete, am späteren Abend für illegal erklärt und deren Teilnehmer gewaltsam auseinandergetrieben. In israelischen und sozialen Medien verbreitete Aufnahmen sollen zeigen, wie Polizisten Demonstranten teils heftig schubsten. Mindestens zwei Menschen wurden laut der Zeitung "Haaretz" festgenommen.

Auch in Jerusalem demonstrierten Medien zufolge wieder Hunderte, um die Regierung zu einem Deal mit der Hamas zu bewegen.

Derzeit laufen im Golfstaat Katar wieder indirekte Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung der noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge

462: 10. Januar 2025

Der israelische Aussenminister Gideon Saar hat dem libanesischen Generalstabschef Joseph Aoun zu dessen Wahl als neuer Präsident des Landes gratuliert.

"Ich hoffe, dass diese Wahl zu Stabilität, einer besseren Zukunft für den Libanon und sein Volk sowie zu gutnachbarlichen Beziehungen beitragen wird", schrieb Saar auf der Plattform X. Es war der 13. Anlauf des Parlaments in Beirut zur Wahl eines Präsidenten. Das kleine Mittelmeerland war seit mehr als zwei Jahren ohne Staatschef.

Der Krieg zwischen der Hisbollah und Israel im vergangenen Jahr hatte den Libanon zuletzt weiter in die Krise gestürzt. Seit November gilt eine Waffenruhe. Als Armeechef ist Aoun auch dafür zuständig, diese Waffenruhe zu überwachen. Es geht vor allem darum, die Hisbollah-Kämpfer von der Grenze zu Israel fernzuhalten.

Die überraschende Einigung auf Aoun ist ein Zeichen, dass der politische Einfluss der Hisbollah im Land sinkt. Sie ist nach dem Krieg mit Israel, in dem unter anderem ihr Chef Hassan Nasrallah getötet wurde, und dem Umsturz in Syrien stark geschwächt.

Tag 461: 9. Januar 2025

Irans Regierung hat angesichts militärischer und politischer Spannungen scharfe Sicherheitsmassnahmen im Atomsektor angeordnet.

Rund um das einzige Atomkraftwerk Buschehr im Landessüden sei ein Sperrkreis von fünf Kilometern eingerichtet worden, in dem Ausländer und Migranten weder wohnen noch arbeiten dürfen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Irna unter Berufung auf den Gouverneur der Provinz.

Aufgrund der militärischen Spannungen der vergangenen Monate mit dem Erzfeind Israelwächst im Iran die Sorge vor einem Krieg. Israels Regierung drohte wiederholt mit der Bombardierung iranischer Nuklearanlagen. Hintergrund sind Befürchtungen, die Islamische Republik könnte nach Atomwaffen streben. Der iranische Atomsektor war in der Vergangenheit zudem oft Ziel von Spionage oder Sabotageaktionen.

Bericht: Israel und USA bereiten sich auf Angriff vor

Die israelische Nachrichtenseite Ynet berichtete, Israel und die USA bereiteten sich auf einen möglichen gemeinsamen Schlag gegen die iranischen Atomanlagen vor. Grund sei, dass Teheran "dramatisch nahe an nuklearen Fähigkeiten" sei. Vizeadmiral Brad Cooper, stellvertretender Befehlshaber des zuständigen Regionalkommandos des US-Militärs, und der israelische Vize-Generalstabschef Amir Baram hätten vergangene Woche bei einem Besuch Coopers in Israel über einen möglichen gemeinsamen Angriff gesprochen. Dafür gab es keine offizielle Bestätigung.

Unterdessen hofft die iranische Regierung unter dem moderat-konservativen Präsidenten Massud Peseschkian auf ein neues Atomabkommen mit dem Westen.

Gespräche dafür liegen seit Jahren auf Eis. Der damalige US-Präsident Donald Trump war 2018 einseitig aus dem Wiener Atompakt ausgestiegen, der Irans Nuklearprogramm einschränken und im Gegenzug Sanktionen aufheben sollte. Danach hielt sich auch Teheran nicht mehr an die Auflagen des Abkommens.

 

460: 8. Januar 2025

Der designierte US-Präsident Donald Trump hat den Druck für eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung der dort von der Hamas festgehaltenen Geiseln erhöht. "Im Nahen Osten wird die Hölle losbrechen, und das wird nicht gut für die Hamas sein, und es wird - offen gesagt - für niemanden gut sein", wenn die Geiseln nicht bis zu seiner Amtseinführung am 20. Januar zurück seien, sagte er vor Journalisten in seinem Anwesen Mar-a-Lago in Florida. Wer ausser der Hamas gemeint war, sagte Trump nicht und nannte auch wie auch schon bei einer ähnlichen Äusserung Anfang Dezember keine weiteren Details.

Trumps Kandidat für das Amt des US-Gesandten für den Nahen Osten, Steve Witkoff, äusserte sich in Mar-a-Lago optimistisch, dass bei der derzeitigen Verhandlungsrunde in der katarischen Hauptstadt Doha eine Einigung zwischen Israel und der Hamas vor dem 20. Januar erreicht werden könne. "Nun, ich denke, wir machen grosse Fortschritte, und ich möchte nicht zu viel verraten, denn ich denke, sie leisten in Doha wirklich gute Arbeit", sagte Witkoff. Er werde am Mittwoch nach Doha zurückreisen und sei zuversichtlich, dass es zur Amtseinführung "einige gute Dinge im Namen des Präsidenten" zu verkünden geben werde.

Mitglieder der Terrororganisation Hamas und weiterer extremistischer Gruppen hatten am 7. Oktober 2023 in Israel rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 weitere verschleppt. Nach mehr als einem Jahr Krieg dürften viele der rund 100 im Gazastreifen verbliebenen Geiseln nicht mehr leben. Unter ihnen sind mehrere Menschen, die neben der israelischen auch etwa die deutsche oder die US-amerikanische Staatsbürgerschaft haben.

 

 

Tag 459: 7. Januar 2025

Israels Armee hat sich libanesischen und US-Angaben zufolge aus Nakura im Süden des Libanons zurückgezogen. Daraufhin sei ein Konvoi aus Soldaten der libanesischen Armee sowie der UN-Friedenstruppe Unifil in den Hafenort eingefahren, erklärten libanesische Sicherheitskreise. Auch die Gemeinde bestätigte, dass die libanesische Armee gemäss dem Abkommen über eine Waffenruhe zwischen Israel und der proiranischen Hisbollah-Miliz dort nun Stellung beziehe. Israels Armee teilte auf Anfrage mit, den Berichten nachzugehen. "Diese Rückzüge werden fortgesetzt, bis alle israelischen Streitkräfte vollständig aus dem Libanon abgezogen sind", sagte der US-Vermittler Amos Hochstein, der derzeit zu Gesprächen im Libanon ist, in einer Ansprache.

Die Ende November geschlossene Vereinbarung über eine Waffenruhe sieht unter anderem vor, dass sich die Hisbollah hinter den Litani-Fluss, etwa 30 Kilometer nördlich der israelisch-libanesischen Grenze, zurückzieht. Israels Bodentruppen sollen binnen 60 Tagen schrittweise aus dem Libanon abgezogen werden. Die libanesische Armee soll die Einhaltung der Vereinbarung überwachen. In Israel gibt es aber Zweifel, ob der Zeitrahmen für die libanesische Armee ausreicht, um ihre Präsenz im Grenzgebiet zu verstärken. In Nakura an der Mittelmeerküste befindet sich auch das Hauptquartier der UN-Beobachtermission Unifil.

 

Tag 458: 6. Januar 2025

 

Medienberichten zufolge reisen ranghohe Vertreter Israels und der US-Regierung zu den laufenden Gesprächen über eine Gaza-Waffenruhe in Katar. Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, wird am Montag in Doha erwartet, berichtete die Nachrichtenseite Ynet. Zudem schrieb ein Korrespondent der US-Nachrichtenseite Axios, auch der Nahost-Koordinator des Weissen Hauses, Brett McGurk, sei in die katarische Hauptstadt gereist.

Beides könnte bedeuten, dass eine mögliche Einigung näher rückt. Allerdings gab es solche Zeichen der Hoffnung in den vergangenen Monaten schon öfter, ohne dass ein Durchbruch erzielt worden wäre.

Die am Freitag auf mittlerer Ebene begonnene neue Verhandlungsrunde unter Vermittlung Katars, Ägyptens und der USA laufe nach der jüngsten Veröffentlichung eines weiteren Geisel-Videos durch die Hamas auf "Hochtouren", schrieb Ynet. Barnea werde "voraussichtlich" am Montag zu den Gesprächen stossen. Ein ungenannter palästinensischer Funktionär habe von einem "entscheidenden Tag" gesprochen, schrieb Ynet.

Israel hat unbestätigten Berichten zufolge eine Liste mit Namen 34 lebender Geiseln vorgelegt, die in einer ersten Phase freigelassen werden müssten. Die Hamas wolle jedoch am Anfang weniger der insgesamt noch 100 Geiseln, von denen viele allerdings bereits tot sein dürften, gegen palästinensische Häftlinge austauschen.

Zudem besteht die Hamas darauf, dass sich Israel zu einem dauerhaften Ende des Gaza-Kriegs und dem Abzug aller Bodentruppen aus dem Küstenstreifen verpflichtet. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu lehnt beides ab.

 

Tag 457: 5. Januar 2025

Die israelische Luftwaffe hat am Wochenende nach eigenen Angaben mehr als 100 "Terrorziele" im Gazastreifen angegriffen. Dabei seien Dutzende Terroristen der islamistischen Hamas "eliminiert" worden, teilten die israelische Armee und Israels Inlandsgeheimdienst Schin Bet am Morgen mit. Damit habe das Militär auf Angriffe der Hamas reagiert. Die Armee griff den Angaben zufolge auch mehrere Abschussrampen an, von denen aus Geschosse aus dem Gazastreifen auf israelisches Gebiet abgefeuert worden sein sollen. Die Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen. Im Vorfeld der Angriffe seien zahlreiche Massnahmen ergriffen worden, um das Risiko zu mindern, dass Zivilisten zu Schaden kommen. Israels Militär und Geheimdienst würden weiterhin gegen "terroristische Organisationen im Gazastreifen" vorgehen, um die Bürger des jüdischen Staates zu schützen, hiess es in der Mitteilung weiter. Laut palästinensischen Angaben gibt es bei den Angriffen und Kämpfen immer wieder auch viele zivile Opfer.

Tag 455: 3. Januar 2025

Israels Militär hat eigenen Angaben zufolge trotz der aktuellen Waffenruhe Raketenwerfer der proiranischen Hisbollah-Miliz im Süden des Libanons bombardiert. Unter anderem seien Abschussrampen in der Gegend der Stadt Nabatijeh getroffen worden, hiess es. In Einklang mit den Vereinbarungen über die seit Ende November geltende Waffenruhe sei die libanesische Armee zunächst aufgefordert worden, gegen die Raketenanlagen der Hisbollah vorzugehen. Erst als dies nicht erfolgt sei, seien die Anlagen angegriffen worden, teilte die Armee weiter mit. Die Angaben des Militärs liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Über mögliche Opfer des Angriffs wurde zunächst nichts bekannt. Die Waffenruhe zwischen Israel und der proiranischen Hisbollah-Miliz gilt zunächst für 60 Tage. Zwar werfen sich beide Seiten Verstösse vor, aber die Waffen schweigen weitgehend. Israels Bodentruppen sollen während der Waffenruhe schrittweise aus dem Libanon abgezogen werden. Die Hisbollah-Miliz muss sich aus dem Grenzgebiet zu Israel zurückziehen. Dort soll die libanesische Armee ihre Präsenz verstärken.

 

 

Tag 454: 2. Januar 2025

Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben allein im Dezember 2024 mehr als 1.400 Luftangriffe gegen Ziele im Gazastreifen geflogen. Die Attacken erfolgten durch Kampfflugzeuge, Helikopter und Drohnen. Sie stützten sich auf Informationen, die von Bodentruppen übermittelt wurden, teilte das Militär auf seiner Webseite mit. Die Ziele umfassten Kämpfer und Trupps der islamistischen Hamas und ihrer Verbündeten, Tunnels, Tunneleingänge, Beobachtungs- und Scharfschützenpositionen sowie Waffenlager, hiess es weiter.

Diesen Angaben zufolge war der Gazastreifen im vergangenen Dezember täglich rund 45 israelischen Luftangriffen ausgesetzt. Israel steht wegen der hohen Zahl von Opfern unter der palästinensischen Zivilbevölkerung international in der Kritik. Vor allem nach Luftangriffen werden immer wieder auch viele zivile Opfer beklagt, unter ihnen Frauen und Kinder.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober 2023 sind nach Angaben der palästinensischen Gesundheitsbehörden vom Mittwoch 45.553 Palästinenser getötet worden. Die Angaben machen keinen Unterschied zwischen Kombattanten und Zivilisten. Israel beruft sich darauf, dass es vor Angriffen die Zivilbevölkerung warnt und zum Verlassen des Einsatzgebietes aufruft.

Zugleich ergreife es umfangreiche zusätzliche Massnahmen, um den Schaden für die Zivilbevölkerung möglichst gering zu halten. Die Angaben keiner der beiden Seiten lassen sich unabhängig überprüfen. Auslöser des Kriegs war das Massaker der Hamas und anderer Extremisten aus Gaza in Israel am 7. Oktober 2023, bei dem 1.200 Menschen getötet und 250 als Geiseln genommen wurden.

 

Tag 453: 1. Januar 2025

Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben im Gazastreifen einen Kommandeur der islamistischen Hamas getötet, der führend am Terrorangriff auf Israels Grenzorte am 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen sein soll. Der Kommandeur der Hamas-Eliteeinheit "Nuchba" in Chan Junis im Süden des Gazastreifens sei in der dortigen Humanitären Zone getötet worden. Er war demnach einer der Anführer des Überfalls auf den Kibbuz Nir Oz gewesen, wo die Terroristen an jenem 7. Oktober besonders schlimme Gräueltaten verübt hatten.

Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen hatten bei dem Massaker mehr als 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 weitere als Geiseln nach Gaza verschleppt. Der beispiellose Überfall auf den jüdischen Staat löste den Gaza-Krieg aus.

Seither habe der nun in Chan Junis getötete Kommandeur zahlreiche Attacken auf Israels Truppen geleitet, teilte die Armee weiter mit. Vor dem Drohnenangriff auf ihn in einer ausgewiesenen Humanitären Zone seien verschiedene Massnahmen ergriffen worden, um Schaden für Zivilisten zu begrenzen. Die Angaben der Armee liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

 

Tag 452: 31. Dezember 2024

Die israelische Luftabwehr hat nach Angaben der Armee wieder eine aus dem Jemen abgefeuerte Rakete abgefangen. Im Zentrum des Landes einschliesslich der am Mittelmeer gelegenen Metropole Tel Aviv heulten die Luftschutzsirenen und Hunderttausende hasteten kurz vor Mitternacht in die Bunker. Über Opfer durch Raketentrümmer oder durch Stürze auf dem Weg in die Schutzräume wurde zunächst nichts bekannt. Die proiranische Huthi-Miliz, die Israelfast täglich beschiesst, äusserte sich zunächst nicht.

Kurz zuvor hatte Israels UN-Botschafter Danny Danon die Miliz vor weiteren Angriffen gewarnt. Dann erwarte sie dasselbe "elende Schicksal" wie die Hamas im Gazastreifen, die Hisbollah im Libanon oder der vor kurzem gestürzte syrische Machthaber Baschar al-Assad, sagte er vor einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York. Dem Iran drohte er mit weiteren israelischen Luftangriffen.

Tag 451: 30. Dezember 2024

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat sich erfolgreich einer Prostata-Operation unterzogen. Das Hadassah-Krankenhaus in Jerusalem teilte mit, der 75-Jährige sei nach dem Eingriff in Vollnarkose wieder aufgewacht und in gutem Zustand. In den kommenden Tagen werde er unter Beobachtung bleiben. Am Samstag hatte Netanjahus Büro bekanntgegeben, dass Netanjahu operiert werden müsse.

Der Regierungschef war in der Vergangenheit öfter wegen gesundheitlicher Probleme im Krankenhaus. Zuletzt war er Ende März wegen eines Leistenbruchs operiert worden. Im Sommer vergangenen Jahres wurde ihm ein Herzschrittmacher eingesetzt. Gerichtstermine in Netanjahus Korruptionsprozess wurden wegen der Operation in der kommenden Woche gestrichen. Die geplanten Anhörungen wurden auf den 6. Januar und die darauffolgenden Tage verschoben.

Israelische Armee erhöht Druck auf Hamas

Derweil erhöhte die israelische Armee fast 15 Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs den Druck auf die islamistische Hamas in dem Küstenstreifen. Nach palästinensischen Berichten wurden bei neuen heftigen Angriffen im Norden und zentralen Abschnitt des Gazastreifens mehr als 20 Menschen getötet. Militante Palästinenser feuerten derweil den dritten Tag in Folge Raketen auf Israel ab. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Im Gazastreifen seien eine Waffenruhe und ein Geiselabkommen noch nicht zustande gekommen, weil die Hamas "nicht will, dass es ein Abkommen gibt", betonte Netanjahu am Sonntag vor seiner Operation bei einem Regierungstreffen. "Die Situation ist weniger optimistisch", zitierte die "Jerusalem Post" teilnehmende Minister. Die Botschaft laute, dass die Verhandlungen über das Geiselabkommen festgefahren seien, da die Hamas "ständig versucht, die Richtung der Gespräche zu ändern".

Raketensalve auf israelische Grenzstadt Sderot

Fünf Geschosse militanter Palästinenser seien vom nördlichen Gazastreifen auf israelisches Gebiet geflogen, berichtete die israelische Armee. Die Raketenabwehr habe zwei davon abgefangen, der Rest sei in offenen Gebieten eingeschlagen. Zuvor hatte es in der Grenzstadt Sderot Raketenalarm gegeben. Nach Polizeiangaben schlugen Raketenteile an zwei Orten in der Stadt ein.

Der israelische TV-Sender N12 berichtete, die Hamas könnte versuchen, in Beit Hanun verbliebene Raketen zu "verschiessen", bevor die Armee sie dort finde. In der Ortschaft hatte zuvor ein neuer Einsatz des Militärs begonnen. Ziel des militärischen Drucks sei es ausserdem, die Hamas zu einer Waffenruhe und der Freilassung von Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge zu bewegen, berichtete der Sender. Die Hamas wirft Israel jedoch vor, mit immer neuen Bedingungen bei indirekten Verhandlungen unter Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars eine solche Einigung zu torpedieren.

Israel beschiesst Krankenhaus in der Stadt Gaza

Die israelischen Streitkräfte beschossen das Al-Wafa-Krankenhaus im Osten der Stadt Gaza. Bei dem Angriff seien sieben Palästinenser getötet worden, teilte der von der Hamas kontrollierte Katastrophenschutz in Gaza mit. Ein israelisches Geschoss habe den fünften Stock der Klinik getroffen. Augenzeugen berichteten, das Gebäude sei panikartig geräumt worden, als der Angriff begann.

Nach Darstellung der israelischen Armee sei das Krankenhaus zum Zeitpunkt des Angriffs nicht in Betrieb gewesen. Vielmehr soll sich darin die Kommandozentrale einer Luftabwehreinheit der Hamas befunden haben. Dieser habe der Beschuss mit Präzisionsmunition gegolten. Auch diese Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen.

Wiederholte Angriffe auf Krankenhäuser

Israel greift immer wieder Krankenhäuser im Gazastreifen an und begründet dies damit, dass sich dort Stellungen, Waffenlager und Kämpfer der Hamas befinden würden. Erst am Samstag beendete das Militär einen dreitägigen Einsatz im Kamal-Adwan-Krankenhaus in der nördlichen Stadt Beit Lahia. Dabei nahm es eigenen Angaben zufolge 240 Kämpfer der Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad fest. "Während des Einsatzes wurden rund 20 Terroristen getötet", teilte das Militär mit. Das Gebiet nahe der Klinik sei "eine aktive Kampfzone", Terroristen hätten dort Sprengfallen und Bomben gelegt.

Die Patienten wurden evakuiert, die Klinik stellte den Betrieb ein, die Gebäude brannten teilweise aus. Seit Kriegsbeginn am 7. Oktober 2023 mussten nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums 33 Krankenhäuser im Gazastreifen kriegsbedingt schliessen.

Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete, beim Beschuss des Flüchtlingsviertels Nuseirat im zentralen Abschnitt des umkämpften Küstenstreifens seien neun Menschen getötet und 15 weitere verletzt worden. Darunter seien auch Frauen und Kinder. Eine israelische Armeesprecherin sagte dagegen, Angriffe in dem Gebiet seien ihr nicht bekannt.

Wafa berichtete zudem, in Beit Hanun im Norden des Gazastreifens seien sieben weitere Menschen ums Leben gekommen. Die Armeesprecherin sagte, man prüfe die Berichte.

Soldat bei Kämpfen im Gazastreifen getötet

Bei Kämpfen im Norden des Gazastreifens wurde nach Angaben der israelischen Armee ein 22-jähriger Soldat getötet. Bei dem Überfall der Hamas und anderer Extremisten aus dem Gazastreifen auf Israel mit 1.200 Toten und 250 Verschleppten am 7. Oktober 2023 und bei den darauffolgenden Kämpfen wurden damit nach Angaben der Armee bisher 824 Soldaten und Soldatinnen getötet.

Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sind seit Beginn des Krieges mehr als 45.500 Palästinenser im Gazastreifen getötet und mehr als 108.100 weitere verletzt worden. Die Angaben unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und Kombattanten.

 

Tag 450: 29. Dezember 2024

Israels Armee hat nach eigener Darstellung bei der Erstürmung eines Krankenhauses im Norden des Gazastreifens 240 mutmassliche Hamas-Kämpfer gefangen genommen. Unter den Festgenommenen ist auch der Direktor des Kamal-Adwan-Krankenhauses in Beit Lahia, Hussam Abu Safeia, teilte die Armee mit. Er werde verdächtigt, ein "Terror-Kader" der Hamas zu sein, hiess es weiter.

Die israelischen Streitkräfte hatten am Freitagmorgen das Krankenhaus angegriffen. Nach Darstellung der Armee vom Samstagabend ist der Einsatz inzwischen beendet.

In der Klinik war laut Armee eine Kommandozentrale der Hamas aktiv. In der Klinik sowie im umliegenden Gebiet seien 240 Kämpfer der islamistischen Hamas und des mit ihr verbündeten Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) gefangen genommen worden. Einige Milizionäre hätte sich als Patienten verkleidet, andere bewaffneten Widerstand geleistet. Die Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen.

Die Armee hatte betonte, sie habe bei ihrem Vorgehen Zivilisten, Patienten und Mitarbeiter der Klinik geschont und im Einklang mit dem Völkerrecht gehandelt. Aus medizinischen Kreisen im Gazastreifen hiess es, es habe mehrere Verletzte bei dem Einsatz gegeben. Eine inzwischen frei gelassene Krankenschwester berichtete im arabischen Fernsehsender Al-Dschasira, dass israelische Soldaten die Gefangenen mit Stöcken geschlagen hätten. Auch diese Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beklagte auf X, das Kamal-Adwan-Krankenhaus sei bei dem Einsatz ausser Betrieb gesetzt worden – als letzte grössere Gesundheitseinrichtung im Norden des Küstengebiets. Sie warf der israelischen Armee vor, das Gesundheitssystem im Gazastreifen systematisch zu zerlegen. Das sei ein Todesurteil für Zehntausende Palästinenser, schrieb die UN-Organisation auf X.

 

Tag 448: 27. Dezember 2024

Bei einem israelischen Luftangriff auf ein Gebäude im Norden des Gazastreifens sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mindestens 50 Menschen ums Leben gekommen.

Unter den Opfern seien auch fünf Mitarbeiter einer angrenzenden Klinik in der Stadt Beit Lahia, hiess es in einer Erklärung der Behörde und des Direktors des Kamal-Adwan-Krankenhauses, Hussam Abu Safeia. Bei den Opfern soll es sich demnach um einen Kinderarzt, eine Laborantin, zwei Sanitäter und einen Techniker handeln.

Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Die israelische Armee äusserte sich auf Anfrage zunächst nicht zu dem Bericht.

Das israelische Militär meldete derweil einen getöteten Soldaten bei Kämpfen im Norden des Gazastreifens.

 

Tag 447: 26. Dezember 2024

Die Lage in den Krankenhäusern Kamal Adwan und Al Awda sowie in dem Indonesischen Krankenhaus habe sich seit dem 21. Dezember drastisch verschlechtert, berichtete OCHA. Der Norden Gazas sei weiter praktisch belagert. Seit dem 1. Dezember hätten die israelischen Behörden 48 von 52 Versuchen der UN, den Zugang für humanitäre Hilfe zu koordinieren, verweigert. Der neue UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher berichtete zuvor von einem Zusammenbruch von Recht und Ordnung in dem abgeriegelten Küstengebiet. Vorräte würden durch lokale Banden systematisch geplündert.

Nach Israels Darstellung sind genug Hilfsgüter da, die UN schafften es nicht, sie zu verteilen. Nach internationaler Rechtsauffassung ist Gaza von Israel besetztes Gebiet. Israel sei für die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig.

Derweil teilte Israels Armee in der Nacht mit, einen weiteren Terroristen der Hamas im südlichen Chan Junis angegriffen zu haben. Er habe sich dort in einer humanitären Schutzzone verschanzt. Vor dem "präzisen Angriff" seien Massnahmen ergriffen worden, die Gefahr für Zivilisten zu mindern. Angaben zu möglichen Opfern machte die Armee nicht. Das israelische Militär wirft der Hamas immer wieder vor, sich in Kliniken und anderen zivilen Einrichtungen zu verschanzen und Zivilisten so als menschliche Schutzschilde zu benutzen.

 

Tag 446: 25. Dezember 2024

Nach einer Woche intensiver Verhandlungen in Katar über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg holt Israel seine Unterhändler zurück. Es solle interne Beratungen über die Fortsetzung der Verhandlungen zur Freilassung der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln geben, erklärte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Zuletzt hatte es Berichte über Fortschritte bei den indirekten Gesprächen zwischen Israel und der islamistischen Hamas gegeben, die Hoffnung auf einen bevorstehenden Durchbruch nährten. Für Israel waren für die jüngste Verhandlungsrunde unter anderem ranghohe Vertreter der Streitkräfte und des Geheimdienstes Mossad nach Katar gereist. Die USA, Ägypten und Katar vermitteln zwischen Israel und der Hamas. Ziel ist eine Waffenruhe und die Freilassung der noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge. Nach israelischen Angaben befinden sich noch rund 100 Geiseln im Gazastreifen. Viele von ihnen dürften allerdings nicht mehr am Leben sein.

 

Tag 445: 24. Dezember 2024

Israel hat erstmals die Tötung des Auslandschefs der Hamas, Ismail Hanija, im Juli in der iranischen Hauptstadt Teheran bestätigt. Die Äusserung fiel bei einer Rede des israelischen Verteidigungsministers Israel Katz zum weiteren Vorgehen gegen die Huthi-Miliz im Jemen, die Israel mit Raketen und Drohnen beschiesst. "Wir werden die strategische Infrastruktur (der Huthis) angreifen und ihre Anführer enthaupten. So wie wir es mit Hanija, Sinwar und Nasrallah in Teheran, im Gazastreifen und im Libanon gemacht haben", sagte Katz nach Angaben seines Ministeriums.

Den Hamas-Chef im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, hatte Israel am 16. Oktober getötet und den Chef der libanesischen Schiitenorganisation Hisbollah, Hassan Nasrallah, am 27. September in der libanesischen Hauptstadt Beirut.

Der 62-jährige Hanija war in der Nacht zum 31. Juli durch eine gezielt herbeigeführte Explosion in einem Gästehaus der iranischen Regierung in Teheran getötet worden. Hanija gehörte der Hamas seit Jahrzehnten an und führte seine Rolle als Auslandschef der Terrororganisation zuletzt vom Golfemirat Katar aus

Tag 444: 23. Dezember 2024

Nach einem erneuten Luftangriff der Huthi-Miliz auf Israel hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu harte Militärschläge gegen die Islamisten im Jemen angekündigt. "So wie wir machtvoll gegen die Terrorableger der iranischen "Achse des Bösen" vorgegangen sind, so werden wir gegen die Huthi vorgehen", sagte er nach einer Lagebesprechung mit Militärvertretern in der nördlichen Stadt Safed. Israels Militär werde "kraftvoll, entschlossen und ausgeklügelt" handeln.

In der Nacht zum Samstag hatte eine Rakete aus dem Jemen die Küstenmetropole Tel Aviv getroffen. 16 Menschen wurden Rettungsdiensten zufolge durch Glassplitter aus zerborstenen Fensterscheiben leicht verletzt. Anders als in früheren Fällen blieben Versuche der israelischen Luftabwehr, die Rakete abzufangen, erfolglos.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der Hamas im Oktober 2023 greifen die mit der Hamas verbündeten Huthi-Milizen regelmässig mit Raketen und Drohnen Ziele in Israel sowie Schiffe im Roten Meer an. Sowohl Israel als auch die USA und ihre Verbündeten bombardieren deswegen immer wieder Huthi-Stellungen im Jemen. Erst am Samstag hatte das US-Militär nach eigenen Angaben Luftangriffe auf ein Raketenlager und eine Kommandozentrale der vom Iran unterstützten Miliz nahe der Hauptstadt Sanaa geflogen.

 

 

Tag 442: 21. Dezember 2024

Israel ist erneut Ziel eines Raketenangriffs aus dem Jemen geworden. In der Hafenmetropole Tel Aviv ging ein Projektil nieder, es gebe mehrere Leichtverletzte, teilte die israelische Armee in der Nacht mit. Sie würden medizinisch versorgt. Der israelische Rettungsdienst Magen David Adom meldete, 16 Menschen seien durch Glassplitter aus zerborstenen Fensterscheiben leicht verletzt worden.

Abfangversuche seien zuvor erfolglos gewesen, so die israelische Armee weiter. Die "Times of Israel" veröffentlichte ein Video, das die Einschlagstelle der Rakete in einem Park von Tel Aviv zeigen soll. In mehreren Gebieten im Zentrum des Landes hatten in der Nacht die Warnsirenen geheult.

Die Huthi-Miliz im Jemen reklamierte den Angriff für sich. Dieser habe einem "militärischem Ziel" gegolten, hiess es.

Die israelische Luftwaffe hatte in dieser Woche nach eigenen Angaben als Reaktion auf Raketen- und Drohnenangriffe der Huthi-Rebellen im Jemen Häfen und die Hauptstadt Sanaa bombardiert. Ein Raketenangriff der Huthi war in der Nacht zum Donnerstag abgewehrt worden. Nach eigenen Angaben will die Miliz die Hamas im Gazastreifen gegen Israel unterstützen. Die Miliz ist wie die Hamas und die libanesische Hisbollah-Miliz mit Israels Erzfeind Iran verbündet.

 

Tag 440: 19. Dezember 2024

Die israelische Luftwaffe hat nach eigenen Angaben in Reaktion auf einen abgewehrten Raketenangriff der Huthi-Rebellen im Jemen Militäreinrichtungen der Miliz bombardiert. Es seien unter anderem Häfen und Energieinfrastruktur an der Westküste und im Landesinneren des Jemen attackiert worden, teilte die israelische Armee am frühen Morgen mit. Sie seien von den Rebellen für militärische Zwecke genutzt worden. Kurz zuvor hatte die israelische Luftwaffe in der Nacht nach eigenen Angaben eine aus dem Jemen abgefeuerte Rakete noch ausserhalb der eigenen Landesgrenzen abgefangen.

In mehreren Gebieten im Zentrum Israels, darunter auch in der Küstenmetropole Tel Aviv, hatten die Warnsirenen geheult. Die Sirenen seien wegen möglicher herabfallender Raketenteile durch den Abschuss ausgelöst worden, teilte die Armee mit. Die Huthi-Rebellen äusserten sich zunächst nicht zu dem Vorfall.

Wie die libanesische Hisbollah ist die Miliz mit Israels Erzfeind Iran verbündet. Sie setzte auch nach der Waffenruhe im Libanon ihre Angriffe auf das rund 1.800 Kilometer entfernte Israel fort. Die Miliz agiert nach eigenen Angaben zur Unterstützung der Palästinenser im Gazastreifen, wo Israel seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 Krieg gegen die islamistische Organisation führt.

Erst kürzlich war in Israel bei einem Drohnenangriff aus dem Jemen ein Haus getroffen worden. Im Juli kam in Tel Aviv ein Mann zu Tode, als er von einem Flugkörper aus dem Jemen getroffen wurde. Israel hatte zur Vergeltung für Huthi-Angriffe im Juli und im September Ziele im Jemen angegriffen, darunter Kraftwerke und einen Hafen. Dabei wurden mehrere Menschen getötet.

 

Tag 439: 18. Dezember 2024

Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben während der bestehenden Waffenruhe Hisbollah-Kämpfer im Südlibanon angegriffen. Die Männer hätten unter Verletzung der Vereinbarung zur Waffenruhe Waffen auf einen Lastwagen geladen, der dann mit Hilfe einer Kampfdrohne beschossen worden sei, schrieb die Armee auf Telegram. Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums in Beirut wurden bei dem Angriff in dem Ort Majdal Zoun drei Menschen verletzt.

Die proiranische Hisbollah-Miliz und Israel hatten ihre gegenseitigen Angriffe Ende November nach mehr als einem Jahr mit einer Waffenruhe weitgehend beendet. Die Vereinbarung sieht unter anderem vor, dass sich die Hisbollah hinter den Litani-Fluss etwa 30 Kilometer nördlich der faktischen israelisch-libanesischen Grenze zurückzieht. Die libanesische Armee soll die Einhaltung der Vereinbarung überwachen. Israels Bodentruppen sollen binnen 60 Tagen schrittweise aus dem Libanon abziehen.

 

 

Tag 438: 17. Dezember 2024

Eine israelische Delegation ist Medienberichten zufolge in Katar zu Gesprächen über einen Austausch von Geiseln im Gazastreifen gegen inhaftierte Palästinenser und einen Waffenstillstand eingetroffen. Das berichteten die Zeitung "Times of Israel", der israelische TV-Sender Channel 12 und Barak Ravid, gut vernetzter Korrespondent der US-Nachrichtenseite Axios.

Katar bemüht sich zusammen mit den anderen Vermittlern USA und Ägypten seit Monaten um eine Beendigung des Krieges. Er war durch das Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 mit 1.200 Toten und mehr als 250 Verschleppten ausgelöst worden.

Der israelischen Delegation gehörten Vertreter der israelischen Armee, des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet und des Auslandsgeheimdienstes Mossad an, berichtete die "Times of Israel" unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen. Eine offizielle Bestätigung gab es zunächst nicht.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu traf sich unterdessen mit dem künftigen US-Sondergesandten für Geiselfragen, Adam Boehler.

Israels Verteidigungsminister Israel Katz sagte im Parlament, eine Vereinbarung mit der Hamas zur Befreiung der noch 100 Geiseln sei "näher denn je". In arabischen Medien zirkulierten ebenfalls entsprechende Hoffnungen. Ein Hamas-Vertreter äusserte sich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur vorsichtig optimistisch.

Tag 437: 16. Dezember 2024

Eine Woche nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad setzen sich westliche und arabische Politiker für einen friedlichen Übergang zu einer neuen politischen Führung in dem Bürgerkriegsland ein. Zugleich lassen regionale Mächte wie Israel und die Türkei erkennen, dass sie das gegenwärtige Machtvakuum in Syrien für ihre eigenen Interessen zu nutzen gedenken. Die neue Führung in Damaskus will sich indes nach eigenem Bekunden dem Wiederaufbau widmen. Am Sonntag vor einer Woche hatte eine Rebellenallianz, angeführt von Islamisten, die Macht übernommen.

Skepsis gegenüber Rebellen in Damaskus

Beobachter in der arabischen Welt betrachten die syrische Rebellenallianz mit gemischten Gefühlen. "Wir hören von ihnen vernünftige und rationale Erklärungen über Einheit und darüber, nicht allen Syrern ein System überzustülpen", sagte Anwar Gargasch, der diplomatische Berater des Präsidenten der VAE, Scheich Mohammed bin Sajid Al Nahjan, auf einer Sicherheitskonferenz in Abu Dhabi.

"Aber andererseits sind die Natur dieser neuen Kräfte, ihre Verbindungen zur (islamistischen) Muslimbruderschaft und zu Al-Kaida sehr besorgniserregende Indikatoren", zitierte ihn die in London ansässige Internet-Zeitung "thelevantnews.com". Man müsse aber sowohl optimistisch als auch mit Vorsicht an das neue Syrien herangehen.

Gargasch kritisierte Israel für seine Kampagne der Zerstörung der syrischen Militärkapazitäten. "Aus israelischer Sicht mag das richtig sein, aber ich denke, es ist eine dumme Politik." Vielmehr sollte man "in der Vergangenheit gemachte Fehler" vermeiden. Der Berater spielte auf den Einmarsch der Amerikaner im Irak 2003 an. Das US-Militär hatte den Zerfall der irakischen Armee nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein gefördert, worauf das Land in ein jahrelanges Bürgerkriegschaos versank.

Israel bombardiert grosse Waffenlager

Israel setzte unterdessen seine Luftangriffe auf Militäranlagen im Umland von Damaskus fort. Allein am Samstag bombardierte die Luftwaffe 35 Ziele, teilte die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Darunter seien Bergstollen, in denen das Militär der Assad-Regierung Raketen und schwere Munition gelagert hatte. Das israelische Militär begründet seine Angriffe damit, dass es verhindern wolle, dass die Bestände an Kriegsmaterial Islamisten in die Hände fallen.

Der Anführer der islamistischen Aufständischen in Syrien, Ahmed al-Scharaa, äusserte sich nach dem Sieg seiner Rebellenallianz erstmals kritisch über die israelischen Militäreinsätze in Syrien. Israels Vorwände seien ungerechtfertigt, sagte der Chef der stärksten Rebellengruppe Haiat Tahrir al-Sham (HTS) im oppositionellen Sender Syria TV. Bis vor kurzem war er unter seinen Kampfnamen Mohammed al-Dschulani aufgetreten.

Israel führte seit dem Umsturz in Syrien nach Angaben der Beobachtungsstelle nicht nur 430 Luftangriffe aus, sondern verlegte auch Truppen in Gebiete jenseits der Waffenstillstandslinie auf den Golanhöhen. Israelische Soldaten rückten in eine sogenannte Pufferzone ein, die gemäss dem Waffenstillstandsabkommen von 1974 unter UN-Überwachung steht.

Al-Scharaa sagte: "Die Israelis haben eindeutig die Waffenstillstandslinie in Syrien überschritten, in eine Weise, dass dies zu einer unnötigen Eskalation in der Region führen kann." Zugleich betonte er, dass sich die neue Führung Syriens auf den Wiederaufbau konzentrieren und sich nicht in neue Konflikte ziehen lassen wolle.

Bericht: Israel und Jordanien führten geheime Gespräche zu Syrien

Vertreter aus Israel und Jordanien sind einem Medienbericht zufolge unterdessen zu geheimen Gesprächen über die Lage in Syrien zusammengekommen. Bei den Gesprächen sei es unter anderem um Sicherheitsbelange der beiden Länder gegangen berichtete das Nachrichtenportal "Axios" unter Berufung auf mehrere israelische Beamte. Beide Länder grenzen an Syrien, das in dieser Umbruchphase besonders fragil ist. An den Gesprächen nahmen demnach auf der israelischen Seite der Direktor des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet und ranghohe Offiziere der Armee sowie auf jordanischer Seite der Direktor des Geheimdienstes und hochrangige jordanische Militärkommandeure teil.

Gipfel in Jordanien

Bei einem Gipfeltreffen im jordanischen Rotmeer-Bad Akaba hatten arabische und internationale Diplomaten zuvor dem neuen Syrien ihre Unterstützung ausgesprochen. "Wir alle stehen Syrien in der Wiederaufbauphase nach Jahren des Tötens zur Seite", sagte der jordanische Aussenminister Aiman al-Safadi. Er sprach von einem historischen Moment.

US-Aussenminister Antony Blinken sagte vor Journalisten: "Wir waren uns einig, dass der Übergangsprozess unter syrischer Führung und in syrischer Verantwortung erfolgen muss und eine inklusive und repräsentative Regierung hervorbringen sollte." Der türkische Aussenminister Hakan Fidan sagte: "Die nächsten Tage werden nicht einfach sein, aber die Türkei wird weiterhin Seite an Seite des syrischen Volks stehen." Die Türkei, die die siegreichen Rebellen unterstützt, wird nach dem Machtwechsel als einflussreichster ausländischer Akteur gehandelt.

Anwesend bei dem Treffen waren auch die Aussenminister aus Saudi-Arabien, dem Irak, dem Libanon, Ägypten, den Vereinigen Arabischen Emiraten (VAE), Bahrain und Katar. Auch der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, nahm an dem Sondergipfel teil. Syrische Vertreter waren nicht anwesend.

Bürgermeister in Doppelrolle als Hamas-Kader?

Im Gazastreifen setzte Israel derweil seine Angriffe gegen Widerstandsnester der islamistischen Hamas fort. Unter anderem bombardierte die Luftwaffe das Gemeindehaus in der Stadt Deir al-Balah, meldete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa. Dort seien Dutzende Vertriebene untergekommen. Mindestens zehn Menschen seien ums Leben gekommen und viele weitere verletzt worden.

Unter den Getöteten soll demnach auch der Bürgermeister sein. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig verifizieren. Israels Armee teilte wenig später mit, dass der Bürgermeister auch als Kader des militärischen Flügels der Hamas tätig gewesen sei. Er habe die Kampfeinsätze der islamistischen Miliz - auf nicht näher beschriebene Weise - unterstützt. Der Angriff habe ihm gegolten, so das Militär. Auch diese Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Wütende Geisel-Angehörige

Rund 2.000 Menschen demonstrierten erneut vor dem israelischen Armeehauptquartier in Tel Aviv für einen Geisel-Deal und für die Beendigung des Gaza-Kriegs. Angehörige der von Islamisten in den Gazastreifen verschleppten Geiseln richteten wütende Appelle an Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, wie die "Times of Israel" berichtete.

Die Rednerinnen und Redner warfen dem Regierungschef vor, die Verhandlungen über die Freilassung der Geiseln aus der Gewalt der islamistischen Hamas absichtlich zu verschleppen, um den Krieg im Gazastreifen weiterführen zu können. Sie werfen ihm vor, aus Rücksicht auf seine rechtsextremen und ultra-religiösen Koalitionspartner so zu handeln. Diese streben eine dauerhafte Besetzung und jüdische Besiedlung des Gazastreifens an. Netanjahu sagt wiederum, die Geiseln könnten nur durch militärischen Druck befreit werden.

 

Tag 436: 15. Dezember 2024

Der libanesischen Hisbollah-Miliz ist nach Worten ihres Anführers Naim Kassim durch den Sturz von Syriens Regierung der Versorgungsweg für Waffen weggebrochen. "Die Hisbollah hat den militärischen Versorgungsweg verloren", sagte Kassim in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache. Das sei aber nur "ein kleines Detail" im weiteren Kampf gegen Israel. Die Miliz sei "flexibel", wichtig sei die "Kontinuität".

Der Iran war der zuvor wichtigste Unterstützer der Hisbollah und versorgte die stark bewaffnete Miliz unter anderem über den Landweg durch Syrien mit Waffen. Der Sturz von Machthaber Baschar al-Assad in Syrien, der ebenfalls mit Teheran verbündet war, ist deshalb auch ein schwerer Rückschlag für den Iran im Kampf gegen den erklärten Erzfeind Israel.

Offenbar mit Blick auf die von Islamisten angeführte Rebellenallianz in Syrien sagte Kassim: "Wir hoffen, dass die neue Herrschaft in Syrien Israel als Feind betrachten und die Beziehungen zu diesem nicht normalisieren wird." Man werde aber kein Urteil über die Gruppe bilden, bevor diese klare Positionen bezogen habe.

 

Die Hisbollah und Israel führten bis zu einer Waffenruhe im vergangenen Monat Krieg gegeneinander.

 

Tag 434: 13. Dezember 2024

Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden sieht nach einem Treffen mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu Hoffnung auf ein Abkommen im Gaza-Krieg noch im Dezember. Der israelische Ministerpräsident sei bereit für einen Deal, sagte Jake Sullivan israelischen Medien zufolge in Tel Aviv.

Sein Ziel sei es, ein Abkommen über eine Waffenruhe sowie die Freilassung der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln noch in diesem Monat abzuschliessen.

Er glaube nicht, dass Netanjahu die laufenden Verhandlungen über ein Abkommen bis zur Amtsübernahme von US-Präsident Donald Trump am 20. Januar hinauszögere, sagte er Berichten zufolge auf eine Journalistenfrage.

Laut Sullivan hat sich inzwischen die Haltung der Hamas verändert. Grund sei, dass die Islamistenorganisation auch angesichts des Abkommens über eine Waffenruhe im Libanon zwischen Israel und der Hisbollah isolierter sei als zuvor. Dies erhöhe die Chancen auf einen Deal weiter, zitierten Medien den US-Gesandten.

Sullivan, der auch nach Ägypten und Katar reisen wird, mahnte in Israel zugleich mehr Hilfen für den Gazastreifen an. "Stellen wir sicher, dass Israel nicht für die dritte Hungersnot des 21. Jahrhunderts verantwortlich ist", zitierte die "Times of Israel" Bidens Berater. Hungernde Kinder gefährdeten Israel nicht, so Sullivan.

Hilfsorganisationen warnen schon länger vor einer Hungersnot in dem umkämpften Palästinensergebiet.

 

Tag 433: 12. Dezember 2024

Israel ist nach Worten des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu dabei, die "Achse des Bösen" seines Erzfeinds Irans in der Region zu zerlegen. Seit dem Hamas-Überfall am 7. Oktober 2023 sei Israel von der sogenannten "Widerstandsachse" ein Krieg aufgezwungen worden, und es schlage hart zurück, sagte Netanjahu bei einer Sondersitzung des Parlaments zu Ehren von Santiago Peña, dem Präsident von Paraguay. Peña ist in Israel, um in Jerusalem eine Botschaft seines Landes neu zu eröffnen. Netanjahu dankte Peña überschwänglich für dessen Unterstützung. Verlegungen von Botschaften nach Jerusalem sind international umstritten, weil sie als implizite Anerkennung der Annektierung von Ost-Jerusalem durch Israel ausgelegt werden können. Israel beansprucht ganz Jerusalem als Hauptstadt, während die Palästinenser Ost-Jerusalem als Hauptstadt wollen. Die USA haben ihre Botschaft im Mai 2018 unter dem damaligen - und künftigen - US-Präsidenten Donald Trump von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt. Paraguay zog damals vorübergehend nach, machte den Schritt nach der Wahl eines neuen Präsidenten in dem südamerikanischen Land aber schnell wieder rückgängig.

 

Tag 432: 11. Dezember 2024

Während die Rebellen in Syrien nach dem Sturz des Langzeitherrschers Baschar al-Assad mit einer Übergangsregierung für Stabilität sorgen wollen, kommen aus Israel scharfe Warnungen an die neuen Machthaber. Jede Bedrohung für Israelwerde unerbittlich bekämpft, machte Regierungschef Benjamin Netanjahu deutlich. Er hatte zuvor die fast restlose Zerstörung der militärischen Fähigkeiten des Nachbarlandes befohlen. Der Anführer der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) sagte, Syrien sei auf dem Weg zu Stabilität und werde wieder aufgebaut.

Die Befürchtungen westlicher Staaten, dass das Blutvergiessen in Syrien nach dem Sturz Assads weitergehen könnte, seien "unnötig", sagte HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa dem Nachrichtensender Sky News. Zuvor war er unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Dschulani aufgetreten. Die Gefahr sei von Assads Regierung und proiranischen Milizen ausgegangen, sagte der Islamist. "Deren Beseitigung ist die Lösung."

Israels Armee: Fast 500 Ziele in Syrien bombardiert

Über öffentliche Äusserungen der Rebellengruppe Al-Scharaas zu Israels massiven Luftangriffen ist bislang nichts bekannt. Laut Israels Armee wurden mehr als 480 Ziele in Syrien bombardiert. Die Marine des Nachbarlandes wurde laut Israels Verteidigungsminister Israel Katz praktisch komplett versenkt. Da sich die syrischen Rebellen auch zur Verlegung israelischer Truppen in die Pufferzone auf den Golan-Höhen nicht geäussert hätten, sei unklar, ob sie Israels Kontrolle über das besetzte Gebiet akzeptieren werden, schrieb das "Wall Street Journal".

Netanjahu betonte, Israel wolle sich nicht in die inneren Angelegenheiten Syriens einmischen. Warnend fügte er jedoch hinzu: "Wenn das neue Regime in Syrien dem Iran erlaubt, sich wieder zu etablieren, oder den Transport iranischer Waffen an die (libanesische) Hisbollah zulässt, werden wir energisch reagieren und einen hohen Preis fordern." Was zuvor mit dem Assad-Regime geschehen sei, werde dann "auch mit diesem geschehen", sagte Netanjahu.

Al-Baschir übernimmt Führung der Übergangsregierung

Der bisherige Regierungschef in der Rebellenhochburg Idlib, Mohammed al-Baschir, übernimmt eigenen Angaben zufolge derweil die Führung einer Übergangsregierung in Syrien. Geplant sei, dass diese bis März 2025 im Amt bleibe, kündigte er an. Bei einem Treffen in Damaskus besprachen Rebellenanführer Al-Scharaa sowie Minister der bislang amtierenden Regierung den Übergang.

Beide Seiten streben Berichten zufolge eine reibungslose Übertragung der Verwaltungsgeschäfte an. Nicht nur der Terrorismusexperte Peter Neumann hat jedoch Zweifel, ob sich Syrien wirklich hin zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entwickelt. Zwar habe sich Al-Scharaa vor Jahren vom Terrornetzwerk Al-Kaida losgesagt, sagte Neumann im ZDF-"heute journal". Seine Gruppe sei aber weiter islamistisch geprägt und habe das Ziel, eine Art Gottesherrschaft in Syrien einzuführen.

Israel wolle sicherstellen, dass von Syrien keine Bedrohung ausgehe und habe daher vermutlich 70 bis 80 Prozent der syrischen Militäranlagen vernichtet, sagte Neumann weiter. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, sagte zum militärischen Vorgehen Israels in Syrien: "Wir erkennen selbstverständlich an, dass Israel in einer schwierigen Nachbarschaft lebt und – wie immer – das Recht hat, sich zu verteidigen". Man wolle aber nicht, "dass irgendein Akteur auf eine Weise handelt, die es dem syrischen Volk erschwert, eine legitime Regierung zu erlangen", betonte Kirby.

Scholz spricht mit Erdogan über Lage in Syrien

Bundeskanzler Olaf Scholz und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan berieten am Telefon über die Lage in Syrien. "Beide waren sich einig, dass der Fall des diktatorischen Assad-Regimes eine sehr gute Entwicklung" sei, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Abend mit. Jetzt müsse es darum gehen, dass Syrien eine sichere Heimat für alle Syrer werde. Dazu gelte es auch, die territoriale Integrität und Souveränität zu erhalten. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen telefonierte mit Erdogan und sagte danach, sie wolle nächste Woche zu Gesprächen in die Türkei reisen.

Jake Sullivan, der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, reist schon heute zu Gesprächen nach Israel. Neben der Lage in Syrien werde es dabei auch um die Bemühungen zur Freilassung der Geiseln im weiterhin umkämpften Gazastreifen gehen, sagte Kirby. Dort führt Israelweiter Krieg gegen die islamistische Hamas. Bemühungen um eine Waffenruhe und die Freilassung der in der Gewalt der Hamas verbliebenen Geiseln blieben bislang erfolglos.

UN-Nothilfebüro: Humanitäre Lage in Syrien weiter instabil

Unterdessen gibt es in Syrien erste Schritte in Richtung Normalität. Beamte in der Hauptstadt Damaskus konzentrierten sich darauf, Treibstoff für Busse zu beschaffen, um Angestellte zur Arbeit zu bringen und Stromausfälle zu beheben, berichtete das "Wall Street Journal". Augenzeugen zufolge kehrten auch Angestellte der Zentralbank an ihre Arbeitsplätze zurück.

Viele Geschäfte blieben jedoch mangels Vorräten geschlossen. Es gebe aus Damaskus und vielen anderen Städten Berichte über Nahrungsmittelknappheit, teilte das Nothilfebüro der Vereinten Nationen (OCHA) mit. Die humanitäre Lage in dem von Diktatur und jahrelangem Bürgerkrieg geschundenen Land sei instabil. Seit dem Beginn der Blitzoffensive der Rebellen vor zwei Wochen sei der Brotpreis in Städten wie Idlib und Aleppo um 900 Prozent angestiegen.

OCHA warnte vor Minenfeldern, die die Bewegungsfreiheit der Menschen und die Lieferung von Waren einschränkten. Krankenhäuser seien zudem mit der hohen Anzahl an Patienten mit körperlichen und seelischen Verletzungen überfordert. Viele Menschen litten unter enormer psychischer Belastung. Besonders Kinder zeigten Anzeichen von Traumata.

 

Tag 431: 10. Dezember 2024

Nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad, mit dem eine jahrzehntelange Schreckensherrschaft seiner Familie endet, beginnt in dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Land ein neues und ungewisses Kapitel.

Die Jubelstimmung der meisten Syrer, die die Flucht Assads nach Moskau als Befreiung feiern, mischt sich mit Sorge über Chaos und neue Gewalt, die nun drohen könnten. Die Allianz aus Rebellen, angeführt von Islamisten, steht nach ihrer erfolgreichen Blitzoffensive vor der schwierigen Frage, wie sie das gespaltene Land regieren wollen.

Einwohner der Hauptstadt Damaskus berichten am Tag nach dem Umsturz von turbulenten Zuständen. "Überall herrscht Chaos", sagt eine Frau namens Saina, die in Nähe der früheren Assad-Residenz lebt. Auf der Strasse bewegten sich Gruppen, die "wie Banden aussehen". Viele Menschen blieben wegen der unübersichtlichen Lage zu Hause, zudem gelte an nachmittags eine nächtliche Ausgangssperre.

Ladenbesitzer sorgen sich vor Plünderungen

Viele Geschäfte blieben laut Augenzeugen geschlossen. "Seit Samstag konnte ich die Türen nicht öffnen", sagt ein Mann namens Mustafa, der jetzt wieder den Mut hatte, seinen Supermarkt zu öffnen. "Heute fühlte ich mich sicherer", sagt er. "Auf den Hauptstrassen wurde viel geplündert", berichtet er - aber sein Laden sei klein und eher versteckt gelegen.

Aus der benachbarten Türkei und dem Libanon, wo sehr viele syrische Flüchtlinge leben, gab es am Montag Berichte über lange Schlangen an den Grenzübergängen. Sehr viele syrische Familien wollen nun nach dem Ende der Assad-Herrschaft in ihre Heimat zurück - trotz einer katastrophalen humanitären Lage, in der mehr als 16 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen sind.

UN-Hochkommissar: Assad zur Rechenschaft ziehen

Mehr als 50 Jahre lang hatte die Assad-Familie die Bevölkerung auf brutalste Weise unterdrückt. Baschar al-Assad, dem Russland samt seiner Familie aus humanitären Gründen Asyl gewährte, hinterlässt einen ganzen Katalog grauenvoller Verbrechen gegen das Volk, darunter den Einsatz von Chemiewaffen und Fassbomben sowie Mord und staatlich angeordnete Folter.

Es gibt deshalb neue Forderungen, Assad etwa in einem EU-Land oder vor dem Internationalen Strafgerichtshof den Prozess zu machen. UN-Hochkommissar Volker Türk forderte Gerechtigkeit für alle Opfer von Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkrieges. Assad müsse zur Rechenschaft gezogen werden, sagte der Chef des UN-Büros für Menschenrechte in Genf.

Angespannte Ruhe in Aleppo

In der zweitgrössten Stadt Aleppo herrschte am Tag nach dem historischen Umbruch im Land eine angespannte Ruhe. Menschen strömten auf den Strassen umher und Märkte waren Augenzeugen zufolge geöffnet. In Aleppo hielten sich demnach bis auf die Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), die die Regierungsgebiete in weniger als zwei Wochen einnahmen, auch keine weiteren bewaffneten Gruppen auf.

Die Aufständischen bemühen sich offenbar, in Damaskus schrittweise eine neue Ordnung einkehren zu lassen und auch eine neue Regierung zu bilden. "Unsere Kräfte sind fast fertig damit, die Kontrolle in der Hauptstadt zu übernehmen und öffentliches Eigentum zu schützen", teilte HTS mit. "Die neue Regierung wird die Arbeit unmittelbar nach ihrer Gründung aufnehmen." Offen blieb, wie genau diese entstehen soll und wer beteiligt wird. HTS veröffentlichte auch Fotos von Anführer Abu Mohammed al-Dschulani, der am Vorabend in der zentralen Umajad-Moschee gesprochen hatte.

Suche nach politischen Gefangenen

Mit dem Sturz Assads beginnt auch die Suche nach politischen Gefangenen, die noch nicht aus den staatlichen Gefängnissen befreit wurden. Mitglieder des syrischen Zivilschutzes, auch als Weisshelme bekannt, suchten im berüchtigten Militärgefängnis Saidnaja nahe Damaskus mit Hunden und Geräuschsensoren nach Geheimzellen im Keller, wie der Leiter auf der Plattform X schreibt. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte 2017 berichtet, dass seit Beginn des Bürgerkrieges Tausende Menschen bei Massenhinrichtungen in Saidnaja getötet wurden.

Seit Beginn der Grossoffensive der Rebellen vor knapp zwei Wochen starben nach Angaben von Aktivisten 910 Menschen. Darunter seien 138 Zivilisten, auch mehrere Kinder, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.

Syrien ist nach Jahren des Bürgerkriegs zersplittert. Neben der HTS und verbündeten Rebellengruppen sind im Land unter anderem kurdische sowie Türkei-nahe Milizen aktiv. In dem ethnisch und konfessionell gespaltenen Land leben unter anderem Kurden, Alawiten, Drusen und Christen. Die Minderheit der Aleviten war der wichtigste Unterstützer der nun gestürzten Assad-Regierung.

Russland und USA planen vorerst keinen Abzug aus Syrien

Militärisch hing die Assad-Regierung vor allem vom Iran und Russland ab, das unter anderem eine Luftwaffen- und eine Marinebasis an der syrischen Mittelmeerküste hält. Diese wolle Moskau auch vorerst behalten und mit der künftigen Führung deren Verbleib besprechen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Ein Abzug ist demnach derzeit nicht geplant.

Russland hat Assad und seiner Familie Asyl gewährt. Kremlchef Wladimir Putin, der sich immer wieder mit Assad traf, habe entschieden, die Familie aufzunehmen, sagte Peskow. Ein offizielles Treffen mit dem entmachteten Politiker sei bisher nicht geplant. Er machte auch keine Angaben dazu, wo genau sich die Assads aufhalten. Neben Russland hat die Türkei in Syrien grossen Einfluss, die Gebiete im Norden besetzt hat und dort Milizen unterstützt.

Der scheidende US-Präsident Joe Biden kündigte an, dass auch amerikanische Soldaten bis auf Weiteres in Syrien bleiben werden. Im Land sind etwa 900 US-Soldaten stationiert. Israel verlegte derweil seine Streitkräfte in die Pufferzone auf den besetzten Golanhöhen und anderen Orten, darunter auch auf der syrischen Seite des Berges Hermon. Die israelische Luftwaffe flog laut Aktivisten nach dem Sturz Assads auch Angriffe im Raum der syrischen Hauptstadt Damaskus.

Tag 430: 9. Dezember 2024

Israel und die islamistische Hamas verhandeln Medienberichten zufolge über einen möglichen Austausch weiterer Geiseln aus dem Gazastreifen gegen palästinensische Gefangene.

Israel werde dabei nicht weniger als 100 Gefangene freilassen im Gegenzug für eine bisher unbekannte Zahl an Geiseln aus der Gewalt der Hamas, berichtete der arabische Nachrichtenkanal "Asharq News" unter Berufung auf mit dem Deal vertraute Personen. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es nicht.

Die Deutsche Presse-Agentur erfuhr aus Verhandlungskreisen, dass es in den Gesprächen zuletzt einige Fortschritte gegeben habe. Die Hamas zeige sich in den Verhandlungen dabei flexibler als zuvor. In vergangenen Monaten gab es in den Gesprächen so gut wie überhaupt keine Fortschritte.

Terroristen der Hamas und anderer Gruppen hatten am 7. Oktober vergangenen Jahres insgesamt mehr als 250 Menschen aus Israel in das abgeriegelte Küstengebiet verschleppt. Rund 1.200 Menschen wurden bei dem beispiellosen Terrorüberfall getötet. Es war der Auslöser des Gaza-Krieges, in dem nach palästinensischer Angaben mehr als 44.500 Menschen in Gaza getötet wurden.

Im Zuge einer Waffenruhe Ende November 2023 liess die Hamas 105 Geiseln frei. Im Gegenzug entliess Israel 240 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen. Einzelne Geiseln wurden seither vom Militär befreit, mehrere tot geborgen. Wie viele der Geiseln noch am Leben sind, bleibt abzuwarten. "Asharq News" berichtete unter Berufung auf Eingeweihte, dass die Hamas dem Vermittler Ägypten eine erste Liste mit Namen der noch lebenden Geiseln gegeben habe.

 

 

Tag 429: 8. Dezember 2024

Angesichts der Übernahme der Kontrolle in Syrien durch Rebellen hat die israelische Armee Streitkräfte in die Pufferzone auf den besetzten Golanhöhen verlegt. Der Schritt sei "in Übereinstimmung mit der Lageeinschätzung nach den jüngsten Ereignissen in Syrien" erfolgt, hiess es in einer Mitteilung der Armee.

Es seien Truppen "in der Pufferzone und mehreren anderen für die Verteidigung notwendigen Orten" positioniert worden. Ziel sei es, "die Sicherheit der Ortschaften auf den Golanhöhen und der Bürger Israels zu gewährleisten", hiess es weiter.

"Wir betonten, dass die israelische Armee sich nicht in die internen Ereignisse in Syrien einmischt." Das Militär werde so lange in der Pufferzone verbleiben, wie dies für die Sicherheit Israels und seiner Bürger notwendig sei.

Israelische Medien hatten berichtet, es seien Panzer in die Pufferzone zu Syrien vorgedrungen. Die Deutsche Presse-Agentur erfuhr von Anwohnern im Ort Kunaitra, israelische Truppen seien wenige Meter in syrisches Gebiet vorgedrungen und hätten einige Schüsse abgegeben. Bis in den Ort Kunaitra seien sie aber nicht vorgedrungen. Die Provinz Kunaitra grenzt an die von Israel annektierten Golanhöhen.

Die israelische Armee hatte 1967 im Sechstagekrieg die Golanhöhen von Syrien erobert und 1981 annektiert. Nach internationalem Recht gilt das strategisch wichtige Felsplateau als von Israel besetztes Territorium Syriens. Während der ersten Amtszeit Donald Trumps als Präsident hatten die USA den israelischen Anspruch auf die Golanhöhen anerkannt. Die Blauhelme der Undof-Mission kontrollieren eine etwa 235 Quadratkilometer grosse Pufferzone zwischen Israel und Syrien.

 

Tag 428: 7. Dezember 2024
 

Die islamistische Hamas hat erneut ein Video einer aus Israel entführten Geisel veröffentlicht. Er und die anderen Geiseln fürchteten um ihr Leben, sagt der 25 Jahre alte Mann. Jeden Tag sterbe ein Teil von ihm in Geiselhaft. Die Isolation bringe die Betroffenen um.

Sie hätten kaum Essen, Trinkwasser und Medikamente zur Verfügung, berichtet der Israeli weiter. Die Entführten lebten mit Ratten und anderen Tieren und hätten Hautkrankheiten.

Er bittet in der Aufnahme auch die Menschen in Israel darum, die Geiseln nicht im Stich zu lassen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sowie der gesamten israelischen Regierung warf er vor, versagt zu haben. Die Geiseln zahlten den Preis für die Fehler der israelischen Führung.

Unter welchen Umständen das Video entstand und ob der Mann aus freien Stücken oder unter Drohungen sprach, ist unklar.

An seine Mutter gewandt sagte er, dass er von ihren Aktivitäten wisse. Die Frau ist eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der Bewegung, die mitunter auch bei Massendemonstrationen für die Freilassung der Geiseln kämpft.

Die Aufnahme ist nicht datiert, der Israeli sagt aber darin, er sei "seit mehr als 420 Tagen" Gefangener der Hamas.

Terroristen hatten den jungen Mann am 7. Oktober 2023 aus seinem Haus verschleppt. Seine damals ebenfalls entführte Partnerin kam vor gut einem Jahr im Rahmen eines Deals zwischen Israel und der Hamas frei.

Erst vor einer Woche hatte die Hamas ein Video eines anderen aus Israel entführten Mannes veröffentlicht.

 

Tag 427: 6. Dezember 2024

Israelische Journalisten haben vor einer Gefahr für die Meinungsfreiheit im Land gewarnt. Die freien Medien seien einer "heftigen Attacke" durch die rechtsreligiöse Regierung von Benjamin Netanjahu ausgesetzt, sagte der in Israel sehr bekannte Moderator Oded Ben-Ami nach Angaben der "Times of Israel" bei einer Dringlichkeitssitzung im Parlament in Jerusalem. Die Sitzung sei von dem israelischen Oppositionsführer Jair Lapid initiiert worden, selbst ein ehemaliger Journalist.

Auslöser der Warnungen ist unter anderem ein Vorstoss der Regierung, den angesehenen öffentlich-rechtlichen Kan-Sender zu schliessen. Ausserdem boykottiert die Regierung wegen kontroverser Äusserungen des Herausgebers die linksliberale Zeitung "Haaretz".

Die europäische Rundfunkunion (EBU) warnte vor einer Schliessung des Kan-Senders, der auch zu den am Eurovision Song Contest (ESC) teilnehmenden Rundfunkanstalten gehört. EBU-Generaldirektor Noel Curran sagte: "Der öffentliche Rundfunk in Israel ist einer fortwährenden politischen Attacke ausgesetzt und sieht sich mit Bedrohungen konfrontiert, die nicht nur seine Unabhängigkeit, sondern seine künftige Existenz gefährden."

 

 

Tag 426: 5. Dezember 2024

Israelische Einsatzkräfte haben die Leiche einer deutsch-israelischen Geisel im umkämpften Gazastreifen geborgen. Die sterblichen Überreste Itay Svirskys seien zurück nach Israel gebracht worden, teilte die Armee mit. Bereits Anfang des Jahres hatte Israels Militär bekanntgegeben, dass der 38-Jährige in Gefangenschaft von seinen islamistischen Entführern ermordet worden sei. Er war demnach am 7. Oktober vergangenen Jahres beim Überfall der Hamas und anderer Terroristen aus dem Kibbuz Beeri in der Nähe des Gazastreifens entführt worden. Svirskys Eltern seien damals ermordet worden.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach am Abend von einem "schweren Verlust der Familie". Svirsky hatte laut der deutschen Botschaft in Israel neben der israelischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Rückführung seiner Leiche zur Bestattung in Israel sei ein "wichtiger Abschluss für seine Familie", erklärte das Forum der Geisel-Angehörigen. Rund 100 Entführte seien aber noch immer nicht aus dem Gazastreifen herausgeholt worden, und viele von ihnen noch am Leben. Alle Verschleppten müssten "unverzüglich freigelassen" werden, forderte das Forum.

Israel hält Geisel-Deal jetzt für möglich

Israels Verteidigungsminister Israel Katz sieht die Möglichkeit für ein Abkommen mit der Hamas. "Es besteht eine Chance, dass wir dieses Mal tatsächlich einen Geisel-Deal voranbringen können", sagte Katz nach Angaben seines Büros beim Besuch eines Luftwaffenstützpunktes im Zentrum des Landes. Grund sei, dass der Druck auf die Hamas unter anderem wegen der Schwächung der mit ihr verbündeten Hisbollah im Libanon zugenommen habe.

Der designierte US-Präsident Donald Trump hatte der Hamas kürzlich gedroht: Sollten die Geiseln nicht vor seinem Amtsantritt am 20. Januar freikommen, werde für jene, die für die Gräueltaten in Nahost verantwortlich seien, die "Hölle los sein". Was genau er in dem Fall unternehmen würde, liess Trump offen.

Neue Bemühungen um Waffenruhe

Nach US-Angaben laufen derzeit erneut Bemühungen um eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln. Eine Hamas-Delegation weilte Medienberichten zufolge kürzlich in Kairo, um neue ägyptische Ideen für einen Deal zu diskutieren. Ägypten war neben Katar und den USA in den vergangenen Monaten als Vermittler in die Verhandlungen involviert gewesen, da Israel und die Hamas aus Prinzip keine direkten Verhandlungen miteinander führen.

Terroristen der Hamas und anderer Gruppen hatten am 7. Oktober vergangenen Jahres insgesamt mehr als 250 Menschen aus Israel in das abgeriegelte Küstengebiet verschleppt. Rund 1.200 Menschen wurden bei dem beispiellosen Terrorüberfall getötet. Es war der Auslöser des Gaza-Krieges.

Im Zuge einer Waffenruhe Ende November 2023 liess die Hamas 105 Geiseln frei. Im Gegenzug entliess Israel 240 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen. Einzelne Geiseln wurden seither vom Militär befreit, mehrere tot geborgen.

Die Verhandlungen über eine neue Waffenruhe und die Freilassung weiterer Geiseln blieben seither erfolglos. Israel geht weiterhin massiv mit Bodentruppen und Luftangriffen gegen die Hamas in Gaza vor. Laut der von der Terrororganisation kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden seit Beginn des Krieges vor fast 14 Monaten mehr als 44.500 Menschen in Gaza getötet. Die nicht unabhängig überprüfbaren Angaben unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.

Amnesty International wirft Israel Völkermord vor

Amnesty International wirft Israel Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen vor. Die israelische Armee habe im Zuge ihrer Militäroffensive Kriegsverbrechen begangen und absichtlich Leid und Zerstörung über die Menschen in dem dicht besiedelten Küstengebiet gebracht, teilte die Menschenrechtsorganisation mit. Sie legte einen fast 300 Seiten langen Bericht dazu vor. Israel "hatte und hat die klare Absicht, Palästinenser im Gazastreifen auszulöschen", sagte Amnestys internationale Generalsekretärin Agnès Callamard in Den Haag. Israels Regierung weist solche Vorwürfe stets zurück und betont das Recht des jüdischen Staates auf Selbstverteidigung.

Bei einem israelischen Luftangriff im Norden des Gazastreifens gab es am Abend palästinensischen Angaben zufolge erneut mehrere Todesopfer. Mindestens zehn Menschen seien bei der Attacke auf Häuser in der Stadt Gaza getötet und 15 verletzt worden, hiess es aus medizinischen Kreisen. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa meldete unter Berufung auf Augenzeugen 25 Tote. Auch diese Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Israels Militär teilte auf Anfrage mit, es gehe den Berichten nach.

Palästinenser berichten von Dutzenden Toten

Auch im südlichen Abschnitt des abgeriegelten Küstenstreifens wurden am Abend laut Mitarbeitern eines Krankenhauses mindestens 20 Menschen getötet und weitere verletzt. Israels Armee habe in Al-Mawasi bei Chan Junis Zelte Vertriebener getroffen, teilten Beschäftigte der nahegelegenen Nasser-Klinik mit. Darunter seien fünf Minderjährige.

Israels Armee teilte auf Anfrage mit, ranghohe Hamas-Mitglieder in dem Gebiet angegriffen zu haben. Die Hamas verstecke sich in der humanitären Zone und missbrauche Zivilisten als Schutzschild. Laut dem Wafa-Bericht sollen im Laufe des Tages insgesamt 76 Palästinenser bei Angriffen und Kämpfen ums Leben gekommen sein. Auch diese Angaben beider Seiten liess sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Zehntausende fliehen vor Kämpfen in Syrien

Derweil dauern auch die Kämpfe zwischen islamistischen Rebellen und Regierungstruppen im nahegelegenen Bürgerkriegsland Syrien an. Rund 150.000 Menschen sind nach UN-Angaben bereits auf der Flucht.

Mitte vergangener Woche hatte eine Allianz Aufständischer unter Führung der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) eine Offensive im Nordwesten Syriens begonnen und am Wochenende die Kontrolle über Aleppo übernommen, die zweitgrösste Stadt des Landes. Da die Regierung von Präsident Baschar al-Assad durch den Vormarsch der Rebellen überraschend in die Defensive geraten ist, befürchtet Israel ein verstärktes Engagement des Erzfeindes Iran in der Region. Die Führung der Islamischen Republik unterstützt auch die Hamas und die Hisbollah-Miliz im Libanon.

 

Tag 425: 4. Dezember 2024

Frankreich und Saudi-Arabien wollen Berichten zufolge im kommenden Jahr einen Gipfel zur Zwei-Staaten-Lösung im Nahost-Konflikt abhalten. Dies kündigte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einer Reise in Saudi-Arabien an, wie französische Medien übereinstimmend berichteten. «Wir haben beschlossen, im kommenden Juni (...) eine Konferenz für die zwei Staaten - einen israelischen und der andere palästinensisch - zu leiten», sagte Macron demnach vor Journalisten. In den kommenden Monaten wolle man alle auf diesen Weg bringen, zitierten die Berichte Macron.

 

Tag 424: 3. Dezember 2024

Die israelische Luftwaffe hat bei den bislang schwersten Angriffen im Libanon seit Inkrafttreten der Waffenruhe mit der Hisbollah nach eigenen Angaben Terroristen, Dutzende Abschussrampen und Anlagen der proiranischen Miliz bombardiert. Auch die Abschussrampe, von der aus Stunden zuvor Israelerstmals wieder von der Hisbollah beschossen worden war, sei zerstört worden. Die Angaben des Militärs liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Über Opfer im Libanon wurde zunächst nichts bekannt.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte den Beschuss am Montag als schwerwiegende Verletzung der seit rund zehn Tagen geltenden Waffenruhe bezeichnet und eine entschiedene Antwort angekündigt. Die Akteure im Libanon müssten die feindlichen Aktivitäten der Hisbollah unterbinden, betonte die Armee. Israel stehe weiter zu seiner Verpflichtung, die Bestimmungen der Vereinbarung über die Waffenruhe zu erfüllen.

Israel und die Hisbollah haben sich schon wiederholt gegenseitig Verstösse gegen die Waffenruhe vorgeworfen. Die israelische Armee griff wiederholt Ziele aus der Luft und am Boden im Libanon an. Israel sprach von Reaktionen auf Verletzungen der Bestimmungen über die Waffenruhe durch die Miliz

 423: 2. Dezember 2024

Die israelische Armee ist eigenen Angaben zufolge trotz der herrschenden Waffenruhe von einer Kirche im Südlibanon aus unter Feuer der Schiitenmiliz Hisbollah geraten. Die Hisbollah-Kämpfer seien getötet worden. Unter der Kirche hätten die israelischen Soldaten anschliessend einen Tunnel mit Waffen und Wohnräumen der Hisbollah entdeckt, teilte die Armee mit. Der Vorfall habe sich schon am Samstag ereignet. Wo genau sich die Kirche befand, blieb offen.

Israel hat der Schiitenmiliz wiederholt vorgeworfen, sich in Wohngebieten und zivilen Gebäuden wie etwa Moscheen zu verschanzen. Aber von Kirchen war bisher nicht berichtet worden.

Die libanesische Nachrichtenagentur NNA berichtete von vereinzeltem israelischen Artilleriebeschuss im Südlibanon. Über Opfer wurde zunächst nichts bekannt. Trotz gegenseitiger Vorwürfe über Verstösse hielt die nach mehr als einem Jahr heftiger gegenseitiger Angriffe vereinbarte Waffenruhe weiter.

 

Tag 422: 1. Dezember 2024

Eine Delegation der islamistischen Hamas ist in Kairo mit Vertretern des ägyptischen Geheimdienstes zu Gesprächen über eine Waffenruhe mit Israel im Gazastreifen zusammengetroffen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen der Hamas-Delegation. Die Gespräche der Hamas-Delegation unter Leitung des stellvertretenden Chefs des Hamas-Politbüros, Chalil al-Haja, seien auf mehrere Tage angelegt.

Dabei dürfte es auch um die Frage der Freilassung von noch rund 100 Geiseln aus Israel im Gazastreifen gehen, von denen vermutlich jedoch viele nicht mehr am Leben sind. Teilnehmen sollten auch Vertreter der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas aus dem Westjordanland und des Palästinensischen Islamischen Dschihad, die bereits in der ägyptischen Hauptstadt eingetroffen seien.

Die Hamas hatte kurz zuvor ein weiteres Video einer Geisel veröffentlicht. Darin bittet ein am 7. Oktober 2023 während des Massakers der Hamas und anderer Extremisten aus dem Gazastreifen in Israel entführter Soldat den künftigen US-Präsidenten Donald Trump, sich für die Freilassung aller Verschleppten einzusetzen.

Die Mutter des Soldaten, der auch die US-Staatsbürgerschaft hat, sagte bei einer Demonstration in Tel Aviv für die Freilassung der Geiseln, Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu habe ihr telefonisch versichert, dass nach der Einigung auf eine Waffenruhe mit der libanesischen Hisbollah-Miliz die Voraussetzungen gegeben seien, auch die Geiseln aus dem Gazastreifen nach Hause zu bringen. Demonstranten warnten, die Geiseln würden einen zweiten Winter in den "Terror-Tunneln" der Hamas nicht überleben.

 

Tag 420: 29. November 2024

Das israelische Militär hat der Hisbollah-Miliz erneut vorgeworfen, seit Inkrafttreten der Feierpause mehrfach gegen die Vereinbarung verstossen zu haben. Israelische Soldaten seien in den vergangenen Stunden im Einsatz gewesen, um zu verhindern, dass weitere Mitglieder der Miliz in den Süden des Libanons vordringen, teilte das Militär mit. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Die nach mehr als einem Jahr Krieg mühsam ausgehandelte Einigung sieht unter anderem vor, dass sich die Hisbollah gemäss einer UN-Resolution hinter den Litani-Fluss etwa 30 Kilometer nördlich der israelisch-libanesischen Grenze zurückzieht.

Zuvor hatte die israelische Luftwaffe laut Armeeangaben zwei Hisbollah-Mitglieder angegriffen. Israelischen Medien zufolge war es der zweite Drohnenangriff seit Beginn der Waffenruhe im Libanon. Die libanesische Armee, die eine wichtige Rolle bei der Umsetzung des Abkommens spielt, aber nicht aktiv Partei im Krieg zwischen der Hisbollah und Israel ist, warf Israelmehrere Verstösse gegen die Vereinbarung vor.

Israels Bodentruppen sollen innerhalb von 60 Tagen schrittweise aus dem Libanon abziehen. Derzeit ist die Armee aber nach eigenen Angaben weiterhin im Süden des Nachbarlandes im Einsatz, um gegen Verstösse gegen die Waffenruhe-Vereinbarung vorzugehen.

Seit Inkrafttreten der Waffenruhe am frühen Mittwochmorgen haben die intensiven gegenseitigen Angriffe zwischen der Hisbollah und Israel aufgehört. Ein israelischer Militärvertreter hatte am Mittwoch zur Bedeutung der Zwischenfälle für die Waffenruhe gesagt, es handele sich um "isolierte Vorfälle", die in den ersten Stunden oder Tagen nach einer entsprechenden Vereinbarung passierten.

 

Tag 419: 28. November 2024

Während Israels Armee die Hisbollah-Miliz im Libanon energisch vor Verstössen gegen die Waffenruhe warnt, setzt sie den Krieg im Gazastreifen gegen die islamistische Hamas fort. Israelische Soldaten hätten im Süden des Libanons am ersten Tag nach Inkrafttreten der Feuerpause Verdächtige festgenommen, die sich Sperrgebieten mit weiterhin dort stationierten israelischen Truppen genähert hätten, sagte Militärsprecher Daniel Hagari am Abend. Zudem seien mehrere "Terroristen" getötet worden.

Die Anwesenheit Bewaffneter dort stelle einen Verstoss gegen das Abkommen dar. "Jede Verletzung der Waffenruhe wird mit Feuer beantwortet", warnte der Armeesprecher. Jeder Bewaffnete werde "neutralisiert" oder festgenommen. Libanesische Zivilisten forderte der Armeesprecher zudem erneut auf, mit ihrer Rückkehr in die Gegend noch zu warten.

Skepsis nach Beginn der Waffenruhe

Die Einigung über eine Waffenruhe sieht vor, dass sich die Hisbollah gemäss einer UN-Resolution hinter den Litani-Fluss etwa 30 Kilometer nördlich der israelisch-libanesischen Grenze zurückzieht. Unklar bleibt aber, wer darüber entscheidet, ob es sich bei Rückkehrern in südlichere Gebiete um Kämpfer der Hisbollah, Sympathisanten oder Zivilisten handelt. Israels Bodentruppen sollen innerhalb von 60 Tagen schrittweise aus dem Libanon abziehen.

Eine Absicherung im Süden soll künftig die vergleichsweise schwache libanesische Armee sein, deren Kontingent von 5.000 auf 10.000 Soldaten im Grenzgebiet aufgestockt werden soll. Sie scheiterte aber schon nach dem vergangenen Krieg 2006 daran, Vereinbarungen zum Ende der Feindseligkeiten durchzusetzen. Daher gibt es auch diesmal Zweifel an ihrer Durchsetzungskraft.

Vor Inkrafttreten des Abkommens in der Nacht auf Mittwoch habe Israels Armee rund 180 Stellungen der Hisbollah angegriffen, sagte Armeesprecher Hagari. Darunter sei eine rund anderthalb Kilometer lange, unterirdische Anlage zur Raketenherstellung. Nach Angaben der israelischen Armee soll es sich dabei um die grösste Anlage zur Herstellung von Präzisionsraketen der proiranischen Schiiten-Miliz gehandelt haben.

Israels Armee geht weiter in Gaza vor

Auch wenn es bis zu einem sicheren und langfristigen Kriegsende noch ein weiter Weg ist, atmen im Libanon wie auch in Israel viele Menschen auf, dass der schwere Beschuss und die Bombardierungen vorerst ein Ende haben. Für die palästinensischen Zivilisten im umkämpften Gazastreifen zeichnet sich dagegen weiterhin kein Ende des Leidens ab. Dort geht Israels Armee weiter gegen die islamistische Hamas vor.

Medizinische Kreise sowie palästinensische Medien meldeten weitere Todesopfer bei israelischen Angriffen in der Stadt Gaza sowie in der Stadt Beit Lahia. Die israelische Armee gab bekannt, sie werde ihre Einsätze in Beit Lahia sowie in Dschabalia im Norden des Küstengebiets fortsetzen.

Geisel-Angehörige fordern Gaza-Deal

Die Hamas hat noch immer rund 100 Geiseln in ihrer Gewalt, die nach dem Terrorüberfall auf Israelam 7. Oktober 2023 aus Israel in den Gazastreifen entführt wurden. "Wir sind entschlossen, sie nach Hause zu bringen", sagte Hagari. Schätzungen zufolge dürfte nur etwa die Hälfte der Entführten noch am Leben sein.

Angehörige der Geiseln blockierten am Mittwoch israelischen Medienberichten zufolge vorübergehend den Eingang zum Parlamentsbüro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Sie fordern, dass er so wie mit der Hisbollah im Libanon nun auch einen Deal mit der Hamas eingeht. "Wenn Sie wollen, können Sie. Bitte, wir flehen Sie von ganzem Herzen an", wurde ein Angehöriger zitiert. Kritiker werfen Netanjahu vor, die Geiseln faktisch aufgegeben zu haben.

Aus ägyptischen Sicherheitskreisen hiess es, die USA seien in Kontakt mit Ägypten, der Türkei und Katar, um eine Einigung auf ein Ende des Gaza-Kriegs herbeizuführen. Die Hamas bekräftigte zwar ihre grundsätzliche Bereitschaft für ein Ende der Kämpfe. Ein Vertreter der Islamisten sagte der Deutschen Presse-Agentur aber auch, sie bestünden auf ihren Bedingungen für eine Waffenruhe.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das Oktober-Massaker der Hamas und anderer terroristischer Gruppen, bei dem sie rund 1.200 Menschen getötet und rund 250 als Geiseln nach Gaza verschleppt hatten. Kurz darauf begann Israel eine Bodenoffensive zur Vernichtung der Hamas. Seither sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Behörden im Gazastreifen mehr als 44.200 Menschen getötet worden. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten und lässt sich kaum überprüfen.

Hamas besteht auf ihren Bedingungen

Man respektiere die Entscheidung der Hisbollah, aber das palästinensische Volk sei trotz des Leidens im Gazastreifen nicht bereit, seinen Widerstand gegen Israel aufzugeben, sagte der Hamas-Vertreter der dpa. Seit Beginn des Gaza-Kriegs sind die Bedingungen der Terrororganisation unverändert: Sie fordert unter anderem im Gegenzug für eine Freilassung der israelischen Geiseln eine umfangreiche Entlassung palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen und einen vollständigen Rückzug der israelischen Armee aus Gaza. Israelwill seine Truppen jedoch in strategischen Positionen in dem abgeriegelten Gebiet belassen

 

Tag 417: 26. November 2024

Die israelische Armee hat erstmals genaueren Einblick in ihren jahrelangen Kampf gegen den Schmuggel von Waffen aus dem Iran über den Irak und Syrien zur Hisbollah-Miliz im Libanon gewährt. Der Iran finanziere und beliefere seine Verbündeten im gesamten Nahen Osten mit Waffen, allen voran die Hisbollah-Miliz im Libanon, teilte die Armee kurz vor einer möglichen Vereinbarung für einen Waffenstillstand mit der Hisbollah mit.

Der Iran habe zusammen mit der Hisbollah verdeckte Routen durch den Irak und Syrien in den Libanon eingerichtet. Dabei seien im Laufe der Jahre Tausende von Lastwagen und Hunderte von Flugzeugen eingesetzt worden, um Tausende von Raketen und weitere Waffen in den Libanon zu schmuggeln, mit denen Israel angegriffen werde.

Die syrischen Behörden würden dabei stillschweigend mitwirken. Israel habe diese Schmuggelrouten nicht erst in den vergangenen Monaten ins Visier genommen, sondern schon seit Jahren, betonte die Armee in einer bisher seltenen Offenheit

416: 25. November 2024

Trotz Berichten über Fortschritte bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe gehen die Gefechte zwischen den israelischen Streitkräften und der libanesischen Hisbollah-Miliz weiter. Nach schweren israelischen Luftangriffen mit vielen Opfern im Libanon schoss die mit dem Iran verbündete Hisbollah ungewöhnlich viele Raketen auf Israelab. Rund 250 Geschosse wurden nach Angaben des israelischen Militärs am Sonntag gezählt.

Laut bislang unbestätigten Berichten mehrerer israelischer Medien wie der Zeitung "Haaretz" und dem Fernsehsender Kan hat die israelische Regierung einem Waffenstillstand mit der Hisbollah grundsätzlich vorläufig zugestimmt. Demnach müssen noch Details geklärt und die Art der Bekanntgabe geplant werden.

Norden und Zentrum von Israel unter Beschuss

Raketenalarm gab es im Norden Israels sowie im Zentrum des Landes mit der Küstenmetropole Tel Aviv. Nach Angaben des Rettungsdienstes wurden bei Einschlägen mindestens sechs Menschen verletzt. Mehrere Gebäude wurden beschädigt. Im israelisch besetzten Westjordanland wurden nach Angaben des palästinensischen Roten Halbmonds 13 Menschen verletzt, als eine israelische Abfangrakete in der Stadt Tulkarem einschlug. Auch hier seien mehrere Häuser beschädigt worden.

Am Samstag waren bei israelischen Luftangriffen im Libanon nach Angaben des Gesundheitsministeriums mindestens 84 Menschen getötet und 213 verletzt worden. Die Hisbollah-Miliz beschiesst Israel seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als einem Jahr mit Raketen. Israel hat mit Luftangriffen und einer Bodenoffensive im Südlibanon geantwortet.

Die vom Iran finanzierte Hisbollah versteht ihre Attacken auf Israel als Unterstützung der islamistischen Hamas im Gazastreifen. Die Terrorgruppe hatte am 7. Oktober 2023 ein Massaker in Israel verübt, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und 250 weitere als Geiseln verschleppt wurden. Der Angriff löste den seit über einem Jahr andauernden Gazakrieg aus. Wegen der katastrophalen humanitären Situation in dem abgeriegelten Küstenstreifen steht Israelmittlerweile international in der Kritik.

Neue israelische Luftangriffe auf Vororte von Beirut

Nach Einbruch der Dunkelheit bombardierte Israels Militär erneut Ziele in den Vororten der libanesischen Hauptstadt Beirut. Eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur berichtete von mehreren lauten Explosionen. Nach Angaben der israelischen Streitkräfte wurden zwölf "Kommandozentralen" der proiranischen Hisbollah angegriffen. Die Einrichtungen seien unter anderem für den Nachrichtendienst, eine Raketeneinheit und für den Waffenschmuggel der Miliz genutzt worden. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Kurz zuvor hatte es Evakuierungsaufrufe des israelischen Militärs an die Bewohner der als Dahija bekannten Vororte gegeben. Über mögliche Opfer wurde zunächst nichts bekannt. Wohnhäuser wurden jedoch schwer beschädigt, wie in Videos libanesischer Medien zu sehen war.

Krieg im Nahost auch Thema beim G7-Aussenministertreffen in Italien

Beim Treffen der Aussenminister der Gruppe der sieben demokratischen Industrienationen (G7) heute in Italien steht auch der Krieg im Nahen Osten auf der Agenda. Für Aufsehen sorgte ein kürzlich erlassener Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg.

Tag 413: 22. November 2024

Im Streit über das iranische Atomprogramm hat die internationale Aufsichtsbehörde IAEA den Druck erhöht und damit den Zorn der Führung in Teheran auf sich gezogen. Das iranische Aussenministerium verurteilte eine kritische Resolution der Atomenergiebehörde, in der dem Iran mangelnde Kooperation vorgeworfen wird - und kündigte im Gegenzug die Einführung neuer Zentrifugen für eine schnellere Urananreicherung an. Da für den Bau von Atomsprengköpfen hoch angereichertes Uran benötigt wird, gibt es Befürchtungen, dass die Islamische Republik entgegen aller Beteuerungen nach Atomwaffen streben könnte.

"Diese politisch motivierte und destruktive Resolution sabotiert den Beginn der konstruktiven Zusammenarbeit Irans mit der IAEA", teilte das Teheraner Aussenministerium in einer gemeinsamen Presseerklärung mit der iranischen Atomorganisation mit. Die Resolution sei lediglich ein Vorwand der westlichen Initiatoren, "ihre politisch illegitimen Ziele" gegen den Iran voranzutreiben. Als erste Gegenmassnahme werde die iranische Atomorganisation "eine grosse Sammlung" neuer und moderner Zentrifugen einführen, um den Prozess der Urananreicherung zu beschleunigen.

Iran soll Fragen beantworten - und wenn nicht?

Der Gouverneursrat der IAEA hatte Behördenchef Rafael Grossi in seiner Resolution beauftragt, bis zum Frühling einen Bericht über ungeklärten Fragen zum iranischen Atomprogramm zu liefern. IAEA-Inspektoren fordern von Teheran seit Jahren schlüssige Erklärungen für Spuren, die auf geheime Atomanlagen und frühere Aktivitäten hinwiesen. Falls Teheran weiter keine Antworten liefere, könne Grossis Bericht als Grundlage dienen, um den UN-Sicherheitsrat einzuschalten, sagten westliche Diplomaten.

Während der Gouverneursrat keine Zwangsmassnahmen durchsetzen kann, hätte der Sicherheitsrat die Möglichkeit, neue Sanktionen zu verhängen. Allerdings ist das mächtigste UN-Gremium seit geraumer Zeit politisch blockiert, weil vor allem die Veto-Staaten USA, Russland und China gemeinsame Resolutionen verhindern. Russland bekommt in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine Rückendeckung von China und vom Iran, der die russische Armee mit Waffenlieferungen unterstützt.

Die IAEA-Resolution wurde von Deutschland, Grossbritannien, Frankreich und den Vereinigten Staaten eingebracht. Insgesamt stimmten 19 Staaten im Gouverneursrat für den Text, 12 enthielten sich der Stimme. Russland, China und Burkina Faso lehnten ihn ab.

Vom Wiener Atomabkommen ist kaum etwas übrig

Grossi sagte, dass im Iran in der Vergangenheit nukleare Aktivitäten stattgefunden haben könnten. Es gebe jedoch Zweifel, ob das zuletzt wieder der Fall war. "Uns liegen keine Informationen vor, die das Vorhandensein von Kernmaterial bestätigen würden", sagte er.

Der Iran strebt laut seiner offiziellen Doktrin nicht nach Nuklearwaffen. Dennoch stellt das Land Uran her, das annähernd waffentauglich ist - was insbesondere in Israel mit Argwohn verfolgt wird, da beide Staaten einander feindlich gesonnen und nur knapp 1.000 Kilometer voneinander entfernt sind. Grossi führte dazu in der vergangenen Woche Gespräche mit Präsident Massud Peseschkian und anderen Spitzenpolitikern in Teheran. Laut Grossi sagte der Iran zu, seinen Vorrat an hochangereichertem Uran nicht zu erhöhen.

Das 2015 geschlossene Wiener Atomabkommen sollte den Iran vom Bau einer Atombombe abhalten. Nach dem Ausstieg der USA aus dem mühsam erarbeiteten Deal ignorierte auch der Iran ab Mai 2019 schrittweise alle technischen Vorgaben in dem Abkommen. Das Land begann etwa mit einer höheren Urananreicherung sowie der Produktion von Uranmetall, nahm die Arbeit mit schnelleren Zentrifugen auf und lagerte weitaus mehr Uran als es der Atomdeal erlaubt.

Grossi warnt Israel vor Angriffen auf Atomanlagen

Nach dem iranischen Raketenangriff auf Israel am 1. Oktober reagierte das israelische Militär wenige Wochen später mit einem Gegenschlag. Am Montag berichtete der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Parlament, dass dabei eine Komponente des iranischen Atomprogramms beschädigt worden sei. Details nannte er nicht. Laut der US-Nachrichtenseite "Axios" wurde eine Anlage in Parchin zerstört. Die Anlage sei vor mehr als 20 Jahren Teil des geheimen iranischen Atomwaffenprogramms gewesen und zuletzt wieder aktiviert worden, hiess es in dem Bericht unter Berufung auf israelische und US-Beamte.

Grossi mahnte die Einhaltung von internationalem Recht an. Atomanlagen sollten nicht ins Visier genommen werden, sagte er am Rande einer IAEA-Tagung in Wien. Er hoffe, "dass die Vernunft siegt". Grossi kündigte zudem Gespräche mit der israelischen Regierung an

 

Tag 412: 21. November 2024

Der US-Senat hat sich mit grosser Mehrheit gegen eine Blockade von Lieferungen bestimmter Waffensysteme an Israelausgesprochen. Dabei ging es konkret um einige Munition für Panzer-Geschütze und Granatwerfer sowie Lenk-Vorrichtungen für Bomben. Die drei Resolutionen wurden von einer Gruppe von Demokraten und dem mit ihnen Verbündeten unabhängigen Senator Bernie Sanders eingebracht, die mit der Position des ebenfalls demokratischen Präsidenten Joe Biden unzufrieden sind.

Den Vorschlägen wurden schon vor der Abstimmung keine Erfolgschancen eingeräumt. Selbst wenn sie den Senat passiert hätten, wäre eine Ablehnung im Repräsentantenhaus mit der republikanischen Mehrheit so gut wie sicher. Sanders hatte argumentiert, angesichts der Opfer in der Bevölkerung in Gaza verstiessen die Lieferungen der Waffen an Israel gegen US-Recht. Im Senat mit insgesamt 100 Sitzen stimmten für die Resolutionen jeweils knapp 20 Abgeordnete der Demokraten.

Tag 411: 20. November 2024

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat bei einem Besuch im umkämpften Gazastreifen eine Belohnung von fünf Millionen Dollar (4,7 Millionen Euro) für die Freiheit jeder der noch etwa 100 verbliebenen Geiseln ausgelobt. Zudem versprach er den an einer Freilassung oder Befreiung Beteiligten und deren Familien freies Geleit ins Ausland an. Hingegen werde jeder, der den Geiseln Schaden zufüge, einen "hohen Preis" zahlen, warnte er. Auf keinen Fall werde die Hamas den Gazastreifen in Zukunft noch beherrschen, sagte Netanjahu einer Mitteilung seines Büros zufolge.

Ein früheres Angebot dieser Art hatte die islamistische Hamas als Farce zurückgewiesen. Eine Freilassung der Geiseln werde es nur geben, wenn es ein Abkommen gebe, das ein Ende des Kriegs und der Blockade vorsehe und den Wiederaufbau des Küstenstreifens ermögliche.

Von den während des Hamas-Massakers am 7. Oktober 2023 aus Israel verschleppten rund 250 Menschen werden noch etwa 100 im Gazastreifen festgehalten, von denen jedoch viele nicht mehr am Leben sein dürften. Angehörige bezichtigen Netanjahu, eine Einigung über die Freilassung verhindert zu haben, um den Krieg am Laufen und sich selbst an der Macht zu halten.

 

Tag 410: 19. November 2024

Bei einem Raketenangriff der proiranischen Hisbollah-Miliz aus dem Libanon auf den Grossraum der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv sind fünf Menschen verletzt worden, davon eine schwer. Sie seien in Krankenhäuser gebracht worden, teilte der Rettungsdienst mit. Er veröffentlichte ein Foto von einem grösseren Brand in Ramat Gan, einem Vorort im Osten von Tel Aviv. Vermutlich wurde er von einem Trümmerteil einer israelischen Abfangrakete ausgelöst. Die Armee berichtete von einer Rakete aus dem Libanon, die abgeschossen worden sei.

Nur kurz vor dem Angriff auf Tel Aviv hatte die israelische Luftwaffe erneut die libanesische Hauptstadt Beirut bombardiert. Zwei Raketen seien in eine Wohnung im Viertel Zakak al-Balat im Zentrum der Stadt eingeschlagen, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur vor Ort unter Berufung auf Augenzeugenberichte und Sicherheitskreise berichtete. Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums wurden vier Menschen getötet und 18 weitere verletzt.

 

Tag 409: 18. November 2024

Mehrere hundert Menschen haben in der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv erneut für die Freilassung der noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln protestiert. Ihr Sohn trage immer noch die Narben seiner Tortur, sagte die Mutter eines von der Hamas entführten Jungen, der im Rahmen eines Abkommens Ende November 2023 freikam, auf einer Kundgebung im Zentrum der Stadt. Der damals Zwölfjährige habe noch heute Angst davor zu schlafen und leide an Haarausfall.

"Eine mörderische Regierung lässt die Geiseln im Stich" skandierten Menschen auf einer weiteren Kundgebung in Tel Aviv. Sie warfen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor, die Geiseln zu opfern. Angehörige der Geiseln beschuldigen den Regierungschef seit langem, einen Deal mit der Hamas zu sabotieren und sich den Forderungen seiner ultrareligiösen und rechtsextremen Koalitionspartner zu beugen. Diese sind gegen Zugeständnisse an die Islamistenorganisation. Netanjahu ist auf die Partner für sein politisches Überleben angewiesen.

Demonstrationen für ein Abkommen über ein Ende des Kriegs, das auch die Freilassung der Geiseln vorsieht, gab es unter anderem auch in Jerusalemund Beerscheba. Während einer kleineren Kundgebung in der Küstenstadt Haifa gab es nach Beschuss aus dem Libanon Raketenalarm. Ein in israelischen Medien verbreitetes Video zeigt, wie sich Demonstranten in nahegelegenen Gebäuden in Sicherheit bringen. In der Stadt gibt es aufgrund der Sicherheitslage derzeit Versammlungsbeschränkungen.

Angehörige der Geiseln wandten sich in ihren Ansprachen auch an den designierten US-Präsidenten Donald Trump, damit dieser Druck auf Netanjahu ausübt. Die Familien sorgen sich auch darum, dass die Entführten den Winter nicht überleben könnten. Anfang des Monats berichteten israelische Medien unter Berufung auf neue Geheimdienstzahlen, dass noch etwa die Hälfte der rund 100 Geiseln am Leben sei.

 

Tag 406: 15. November 2024

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat Israel eine absichtliche Massenvertreibung von Zivilisten im Gazastreifen vorgeworfen und dies als Kriegsverbrechen kritisiert. Es gebe "keine nachvollziehbaren militärischen Gründe", die die Vertreibung eines Grossteils der Bevölkerung rechtfertigen könnten, heisst es in einem Bericht der Organisation. Die Fluchtaufrufe der israelischen Armee hätten für grossen Schaden gesorgt und kämen einer ethnischen Säuberung gleich, teilte HRW mit.

Israels Armee argumentiert, dass sich die islamistische Hamas in zivilen Gegenden im Gazastreifen eingebettet habe und das Militär deshalb dort im Einsatz sei und Zivilisten vor Ort zur Flucht aufrufe. Seit Beginn des Kriegs sind UN-Angaben zufolge rund 90 Prozent der 2,2 Millionen Bewohner des Gazastreifens vertrieben worden, viele mehrfach.

In dem HRW-Bericht heisst es weiter, nach Erkenntnissen, die auf Interviews mit vertriebenen Palästinensern, Satellitenbildern, Aufnahmen angegriffener Gebiete sowie einer Analyse der Evakuierungen basierten, seien die "Behauptungen einer rechtmässigen Evakuierung grösstenteils falsch".

Die israelische Armee teilte auf Anfrage mit, den neuen Bericht zu prüfen. Ein Sprecher des israelischen Aussenministeriums kritisierte, die Rhetorik von HRW in Bezug auf Israels Verhalten im Gazastreifen sei falsch. "Im Gegensatz zu den Behauptungen im Bericht von HRW zielen Israels Massnahmen ausschliesslich auf die Zerschlagung der Terrorkapazitäten der Hamas ab und nicht auf die Bevölkerung von Gaza."

Die Hamas habe ihre Infrastruktur in Wohngebiete eingerichtet, so der Sprecher. "Israel betrachtet jeden Schaden an der Zivilbevölkerung als Tragödie, während die Hamas jeden Schaden an der Zivilbevölkerung als Strategie betrachtet."

Die Menschenrechtler warfen Israels Armee zudem vor, "zielgerichtet zivile Infrastruktur und private Häuser" im Gazastreifen zerstört zu haben, auch um dort Pufferzonen zu errichten. Israel sei für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich. Das israelische Militär rechtfertigt den Abriss von Gebäuden im Gazastreifen unter anderem damit, dadurch Tunnel und andere terroristische Infrastruktur zu zerstören.

"Die Lieferung weiterer Waffen und militärischer Unterstützung durch die Vereinigten Staaten, Deutschland und anderen stellt einen Blanko-Scheck für weitere Gräueltaten dar und kommt zunehmend einer Komplizenschaft bei diesen Verbrechen gleich", sagte Nadia Hardman von HRW.

 

Tag 405: 14. November 2024

Kurz vor der monatlichen Full Moon Party auf der thailändischen Insel Koh Phangan hat die Deutsche Botschaft in Bangkok eine Reisewarnung für potenzielle Besucher ausgesprochen. Hintergrund seien Berichte über mögliche terroristische Anschläge speziell auf israelische Staatsbürger bei der populären Feier am Freitag, teilte die Botschaft mit. Die Full Moon Party lockt seit Jahrzehnten unzählige Touristen aus aller Welt an den Haad Rin Beach.

In den vergangenen Tagen habe es "Hinweise zu möglichen terroristischen Anschlägen" auf die Partys auf der nördlich von Koh Samui gelegenen Insel gegeben, schreibt die Botschaft auf ihrer Webseite. Auch andere Musikfestivals oder Veranstaltungen mit vielen ausländischen Gästen in anderen Landesteilen könnten den Informationen zufolge zu Anschlagszielen werden. Thailand-Touristen sollten die Full Moon Partys und andere ähnliche Events derzeit meiden, hiess es.

Sicherheitsmassnahmen verstärkt

Die Sicherheitsbehörden in der Provinz Surat Thani hätten versichert, dass Koh Phangan sicher sei und Berichte über mögliche Terrorattacken auf Israelis als unwahr zurückgewiesen, berichtete die Zeitung "Bangkok Post". Dennoch seien die Sicherheitsmassnahmen vorsichtshalber verstärkt worden, sagte Polizeichef Sermphong Sirikhong.

Israelische Medien hatten zuvor unter Berufung auf interne Dokumente der thailändischen Polizei von einer möglichen Bedrohung berichtet. Die israelischen Behörden sprachen daraufhin eine Reisewarnung für ihre Staatsbürger aus. Erst vor einer Woche lösten gewaltsame Angriffe auf israelische Fussballfans in Amsterdam Entsetzen aus. Die Attacken wurden weltweit als bestürzender Ausbruch antisemitisch motivierter Gewalt verurteilt.

Die Full Moon Partys locken seit Ende der 1980er Jahre immer mehr Nachtschwärmer nach Koh Phangan. Bis zu 30.000 Menschen nehmen regelmässig an dem Event teil, bei dem jeden Monat unter dem Vollmond zu elektronischer Musik von Techno bis Trance getanzt wird

 

Tag 404: 13. November 2024

Trotz der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen will die US-Regierung weiterhin militärische Unterstützung an Israel leisten. Auch nach Ablauf der von ihr gesetzten Frist zur Verbesserung der Situation in dem abgeriegelten Küstenstreifen an diesem Mittwoch werde die Militärhilfe vorerst nicht eingeschränkt, sagte der Sprecher des US-Aussenministeriums, Vedant Patel, auf Nachfrage von Journalisten in Washington.

Die US-Regierung hatte Israel Mitte Oktober aufgefordert, die humanitäre Lage im Gazastreifen innerhalb von 30 Tagen erheblich zu verbessern. Andernfalls drohe ein Verstoss gegen US-Gesetze zur militärischen Unterstützung – was auch die amerikanische Militärhilfe für Israel gefährden könnte. "Wir haben nicht festgestellt, dass sie gegen das US-Recht verstossen. Wir werden das jedoch weiterhin beobachten und genau aufpassen", erklärte Patel.

Israel habe wichtige Schritte zur Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen unternommen, teilte das US-Aussenministerium mit. So sei der Grenzübergang Erez für Hilfslieferungen geöffnet worden, zudem solle auch der Grenzübergang in Kissufim wieder öffnen. Internationale Hilfsorganisationen widersprachen der Darstellung. "Die Menschen in Gaza werden ausgehungert", hiess es in einem gemeinsamen Bericht von acht Organisationen, darunter Oxfam und Care.

Hilfsorganisationen warnen vor Hungersnot im Gazastreifen

Die Lage der Menschen in dem Küstenstreifen habe sich seit Beginn des Krieges der israelischen Streitkräfte gegen die islamistische Hamas vor über einem Jahr immer weiter verschlechtert, schrieben die Hilfsorganisationen. Die Infrastruktur sei weitgehend zerstört, es fehle an Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten, fast zwei Millionen Menschen seien vertrieben worden. Israel komme seiner Verpflichtung, die Situation zu verbessern, nicht nach. Rund 800.000 Menschen im Gazastreifen leben den Hilfsorganisationen zufolge unter Bedingungen, die einer Hungersnot nahekommen.

Besonders im Norden des Küstenstreifens sei die Lage verheerend. Das gesamte Gebiet sei zur Kampfzone erklärt worden. "Die gesamte palästinensische Bevölkerung im nördlichen Gazastreifen befindet sich unmittelbarer Gefahr, an Krankheiten, Hunger und Gewalt zu sterben", hiess es in der Bewertung der Hilfsorganisationen. Unter anderem sei Israel weit davon entfernt, die von den USA geforderten 350 Lkw mit Hilfslieferungen pro Tag in den Gazastreifen zu lassen. Zuletzt seien durchschnittlich 42 Lastwagen in den Küstenstreifen gefahren. Vor Beginn des Gazakriegs im Oktober 2023 waren täglich etwa 500 Lkw im Gazastreifen angekommen.

Trump macht Immobilieninvestor zum Sondergesandten für den Nahen Osten

Der künftige US-Präsident Donald Trump schlägt erste Pflöcke für seine Nahost-Politik ein. Er nominierte den früheren Gouverneur von Arkansas, Mike Huckabee, als US-Botschafter in Israel. Der ehemalige Pastor gilt als lautstarker Unterstützer Israels. Er stellte sich in der Vergangenheit hinter den Siedlungsbau der israelischen Regierung im Westjordanland. Trump hat im Wahlkampf angedeutet, die US-Aussenpolitik stärker auf die Interessen Israels ausrichten zu wollen. Zudem ernannte er den Immobilieninvestor und Wahlkampfspender Steven Witkoff zum Sondergesandten für den Nahen Osten. Der regelmässige Golf-Partner von Trump verfügt Medienberichten zufolge über keine diplomatische Erfahrung oder besondere Kenntnisse über den Nahen Osten.

US-Militär greift Milizen im Jemen und in Syrien an

Das US-Militär griff Stellungen proiranischer Milizen im Jemen und in Syrien an. Am Wochenende seien Luftangriffe auf mehrere Waffenlager der Huthi-Rebellen im Jemen geflogen worden, teilte das US-Verteidigungsministerium mit. "Dort lagerten zahlreiche fortschrittliche konventionelle Waffen, die von den vom Iran unterstützten Huthis gegen US-amerikanische und internationale militärische und zivile Schiffe eingesetzt wurden, die in internationalen Gewässern im Roten Meer und im Golf von Aden unterwegs waren", sagte Pentagon-Sprecher Pat Ryder.

In Syrien griff das US-Militär ein Waffenlager und ein Logistikzentrum einer proiranischen Miliz an, wie das US-Zentralkommando (Centcom) mitteilte, das unter anderem für den Nahen Osten zuständig ist. Der Angriff sei eine Reaktion auf Attacken auf US-Truppen in Syrien. "Wir haben deutlich gemacht, dass Angriffe auf US-Personal sowie Einheiten und Einrichtungen unserer Partner nicht toleriert werden", sagte Centcom-Kommandeur Michael Erik Kurilla.

Tote nach Angriffen in Israel und im Libanon

In Israel und dem Libanon gab es nach gegenseitigen Angriffen erneut Tote. In Nordisrael seien zwei Männer nach einem Raketeneinschlag in der Gegend der Küstenstadt Naharija ums Leben gekommen, meldeten der israelische Rettungsdienst Magen David Adom und die israelische Polizei. Im Libanon wurden bei israelischen Angriffen in verschiedenen Gebieten nach Behördenangaben mindestens 33 Menschen getötet. Allein bei einem Angriff in Dschun im Süden des Landes kamen demnach 15 Menschen ums Leben. Unter den Opfern seien acht Frauen und vier Minderjährige gewesen. Die staatliche Nachrichtenagentur NNA berichtete, dass dort ein Wohngebäude getroffen worden sei, in dem Vertriebene Zuflucht gesucht hätten.

 

Tag 403: 12. November 2024

Rund 50 Vertreter arabischer und weiterer islamischer Staaten haben bei einem Gipfeltreffen in Saudi-Arabien ein Ende der Gewalt im Gazastreifen und im Libanon gefordert. Sie forderten die internationale Gemeinschaft auf, sich dafür einzusetzen, Israels Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen auszusetzen. Ausserdem wurde in der Abschlusserklärung des Gipfels in der saudischen Hauptstadt Riad ein internationales Waffenembargo gegen Israelgefordert.

Die Teilnehmer erneuerten auch ihre Forderung nach einem palästinensischen Staat. Der einzige Weg zu einem nachhaltigen Frieden in der Region sei die Zweistaatenlösung, sagte der saudische Aussenminister Faisal bin Farhan. Die Unfähigkeit, die Aggression gegen die Menschen im Gazastreifen zu stoppen, sei ein Versagen der internationalen Gemeinschaft

Tag 402: 11. November 2024

Angesichts der weiter dramatischen humanitären Lage im Gazastreifen hat Aussenministerin Annalena Baerbock Israelmit deutlichen Worten kritisiert und zum Handeln aufgefordert. "Noch nie in den letzten 12 Monaten kam so wenig Hilfe in den Gazastreifen wie jetzt", sagte die Grünen-Politikerin. Alle Grenzübergänge in das Küstengebiet müssten für Hilfslieferungen geöffnet werden. Israel müsse mehr für die Zivilbevölkerung tun - "ohne Ausreden".

Bei neuen Angriffen der israelischen Armee im Gazastreifen und im Libanon kamen unterdessen erneut Dutzende Menschen ums Leben. Nach israelischen Angaben wurde ein ranghoher Terrorist des Islamischen Dschihads im Gazastreifen getötet. In Riad wollen heute auf Einladung Saudi-Arabiens unterdessen Dutzende arabische und islamische Länder über den Krieg in Nahost beraten.

Baerbock: Israel hielt Zusagen nicht ein

Mit Blick auf die humanitäre Lage kritisierte Baerbock, Israel habe diesbezüglich immer wieder Zusagen gemacht, die dann aber "nicht eingehalten wurden". "Ein Grossteil der über zwei Millionen Menschen leiden an akuter Mangelernährung, lebt in unvorstellbaren Zuständen", erklärte Baerbock weiter. An keinem Ort der Welt gebe es auf so kleinem Raum so viele Kinder mit Amputationen. "Weite Teile Gazas sind ein absolutes Trümmerfeld", sagte die Ministerin.

Angesichts des herannahenden Winters sei nichts dringlicher als die Freilassung der Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas im Gazastreifen sowie die Lieferung dringend benötigter Hilfsgüter für die Zivilbevölkerung. Israels Recht auf Selbstverteidigung finde seine Grenze im humanitären Völkerrecht und dazu gehöre, dass humanitärer Zugang zu allen Zeiten gewährt werden müsse, mahnte Baerbock. Sie forderte erneut einen Waffenstillstand.

Israel: Terror-Kommandeur im Gazastreifen getötet

Die israelische Armee tötete nach eigenen Angaben den Militärchef der Terrororganisation Palästinensischer Islamischer Dschihad (PIJ) im Gazastreifen, Mohammed Abu Sachil. Er hatte das Amt erst im Mai übernommen, nachdem auch sein Vorgänger von der israelischen Armee getötet worden war.

Der Islamische Dschihad bestätigte der Deutschen Presse-Agentur den Tod Abu Sachils. Nach Angaben der Armee kam er bei einem Angriff auf eine ehemalige Schule im Norden des Gazastreifens ums Leben. Dabei seien auch sein Sohn und seine Tochter sowie drei weitere Personen getötet worden. Der PIJ gilt als eine der radikalsten militanten Gruppierungen im Nahen Osten, gilt jedoch als weniger schlagkräftig als die Hamas.

Bei einem israelischen Angriff im nördlichen Gazastreifen starben nach palästinensischen Angaben Dutzende Menschen, laut palästinensischer Nachrichtenagentur Wafa darunter auch viele Minderjährige.

Erneut viele Tote bei Angriffen im Libanon

Israel griff erneut auch Ziele im Libanon an. Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums wurden bei israelischen Luftangriffen mindestens 38 Menschen getötet, weitere seien verletzt worden. Allein bei einem Angriff auf den Ort Almat, etwa 15 Kilometer östlich der Hafenstadt Byblos, starben mindestens 23 Menschen - unter ihnen sieben Kinder.

Israels Armee teilte auf Anfrage mit, es seien Waffenlager der Hisbollah angegriffen worden. Zuvor seien Massnahmen wie Luftaufklärung zur Vermeidung ziviler Opfer ergriffen worden. Die Details des Angriffs würden zurzeit noch untersucht.

Unterdessen schoss Israels Militär eigenen Angaben nach eine Drohne aus dem Libanon ab. Das Flugobjekt sei zunächst beobachtet und dann in der Region Galiläa im Norden Israels abgeschossen worden, hiess es.

Verteidigungsminister Katz: Hisbollah besiegt

Israels neuer Verteidigungsminister Israel Katz erklärte die libanesische Hisbollah-Miliz einem Medienbericht zufolge indes für besiegt. Israels Schläge hätten die Miliz besiegt, die Eliminierung von Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah sei das krönende Juwel, sagte Katz einem Bericht der "Times of Israel" zufolge bei einer Veranstaltung des Aussenministeriums.

Israel will Hisbollah-Tunnel unter Friedhof entdeckt haben

Die israelische Armee entdeckte eigenen Angaben nach im Südlibanon ein mit Waffen gefülltes Tunnelsystem der Hisbollah-Miliz, das teilweise unter einem Friedhof angelegt gewesen sei. In dem Komplex unter den Gräbern seien Kommando- und Wohnräume sowie Lager mit Waffen und Kampfausrüstung gefunden worden, teilte die Armee mit. Weitere Angaben zum Ort gab es zunächst nicht. Normalerweise sprengen israelische Soldaten solche Tunnel. In diesem Fall sei die etwa einen Kilometer lange Anlage jedoch mit etwa 4.500 Kubikmetern Beton versiegelt worden.

Israels Bürger zu Vorsicht bei Events im Ausland aufgerufen

Nach den Angriffen meist propalästinensischer Jugendlicher auf israelische Fussballfans in Amsterdam rief Israels Nationaler Sicherheitsrat die Bürger generell zur Vorsicht bei Veranstaltungen im Ausland auf. Sie sollen Sport- und Kulturveranstaltungen ausserhalb Israels meiden, an denen israelische Teams oder Künstler teilnehmen, wie die Zeitung "Haaretz" unter Berufung auf den Sicherheitsrat berichtete. Diese Warnung betreffe auch das Nations League-Spiel zwischen Frankreich und Israel am Donnerstag in Paris.

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag hatte es nach einem Fussballspiel von Ajax Amsterdam gegen Maccabi Tel Aviv gezielte Angriffe auf israelische Fans gegeben. Die Attacken waren als antisemitische Gewalt verurteilt worden. Amsterdam hatte ein Demonstrationsverbot verhängt. Am Sonntag nahm die Polizei dort Dutzende Teilnehmer einer verbotenen propalästinensischen Demonstration fest.

Gespräche in Riad

Auf Einladung Saudi-Arabiens wollen heute Vertreter aus mehr als 50 arabischen und weiteren islamischen Staaten in Riad über die Lage in Nahost beraten. Bei dem Treffen soll es nach saudischen Angaben um die "sündhafte israelische Aggression gegen die besetzten Palästinensergebiete und deren Erweiterung auf den Libanon" gehen. Vor einem Jahr hatte Saudi-Arabien zu einem ähnlichen Treffen eingeladen. Dabei wurde unter anderem ein Komitee verschiedener Minister ins Leben gerufen, um auf ein Ende des Gazakriegs hinzuwirken. Wirkung zeigte die Initiative bisher nicht.

 

Tag 400: 9. November 2024

Katar hat Vertreter der radikalislamischen Hamas Berichten zufolge aufgefordert, das Land zu verlassen. Der Aufruf erging demnach bereits vor rund zehn Tagen auf dringendes Ersuchen der USA, wie unter anderem die "Times of Israel" und die "Financial Times" unter Berufung auf informierte Personen berichteten. Die Hamas unterhält den Angaben zufolge seit 2012 ein politisches Büro in der katarischen Hauptstadt Doha, da die USA darum gebeten hatten, einen Kommunikationskanal zu der Terrororganisation aufrechtzuerhalten.

"Die Hamas ist eine Terrorgruppe, die Amerikaner getötet hat und Amerikaner weiterhin als Geiseln hält. Nachdem sie wiederholt Vorschläge zur Freilassung von Geiseln abgelehnt hat, sollten ihre Anführer nicht länger in den Hauptstädten amerikanische Partner willkommen sein", erklärte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Zu der jüngsten US-Entscheidung beigetragen habe unter anderem die Hinrichtung des amerikanisch-israelischen Staatsbürgers Hersh Goldberg-Polin und fünf weiterer Geiseln durch die Hamas Ende August, erklärte ein US-Beamter der "Times of Israel".

Katar gehört wie die USA und Ägypten zu den Vermittlern in den Gesprächen über eine Beendigung des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der Hamas, die jedoch seit Monaten auf der Stelle treten.

Tag 399: 8. November 2024

Als Reaktion auf Israels andauernde Angriffe im nördlichen Gazastreifen hat die Terrororganisation Hamas zu weltweiten Protesten aufgerufen. Menschen sollten aus Solidarität mit den Palästinensern am Freitag, Samstag und Sonntag auf die Strasse gehen und dabei auch die Unterstützung des Westens für die israelischen Angriffe verurteilen, fordern die Islamisten. Auslöser des Gaza-Kriegs war das Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel.

Die Islamistenorganisation warf Israel in dem über soziale Medien verbreiteten Aufruf unter anderem Völkermord und Massaker im Norden des umkämpften Palästinensergebiets vor. Die israelische Armee hat ihre Einsätze dort zuletzt ausgeweitet, um gegen die Hamas vorzugehen. Das Militär forderte Zivilisten dazu auf, die Kampfzone zu verlassen. Tausende sollen sich aber noch in dem Gebiet aufhalten.

Von palästinensischer Seite gibt es immer wieder Berichte über zivile Opfer bei israelischen Angriffen. Die Zustände in dem weitgehend zerstörten Gebiet sind katastrophal.

 

Tag 398: 7. November 2024

Die Massenimpfung gegen Kinderlähmung im Gazastreifen ist nach Angaben Israels und des UN-Kinderhilfswerks Unicef nach gut zwei Monaten abgeschlossen worden. Insgesamt seien rund 1,1 Millionen Impfdosen in dem umkämpften Küstenstreifen verabreicht worden, teilte die israelische Militärbehörde für Palästinenserangelegenheiten Cogat mit. Damit hätten 556.774 Kinder je zwei Impfdosen erhalten, betonte Unicef. Die erste Runde der Impfungen hatte am 1. September begonnen, die notwendige zweite Dosis war ab Mitte Oktober verabreicht worden. Damit sei die für einen effektiven Schutz gegen eine Ausbreitung des Virus notwendige Impfrate von mehr als 90 Prozent der Kinder erreicht worden, teilte Cogat mit.

Unicef verwies jedoch darauf, dass dies ein Durchschnittswert sei. Im nördlichen Gazastreifen, wo die Impfkampagne wegen der schweren Kämpfe zwischen der israelischen Armee und der islamistischen Hamas beeinträchtigt worden sei, betrage die Impfquote nur etwa 88 Prozent. Schätzungsweise 7.000 bis 10.000 Kinder seien in unzugänglichen Gebieten wie Dschabalija, Beit Lahia und Beit Hanun nach wie vor nicht geimpft und damit anfällig für das Poliovirus. Dies erhöhe auch das Risiko einer weiteren Verbreitung des Poliovirus im Gazastreifen und in Nachbarländern.

Die Impfungen waren von lokalen Gesundheitsbehörden, Unicef und dem UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA durchgeführt worden. Cogat betonte, sie habe zusammen mit der israelischen Armee logistische Unterstützung geleistet. Israel und die UN-Organisatoren vereinbarten für Impfungen in den verschiedenen Teilen des Gazastreifens jeweils kurze örtlich begrenzte humanitäre Feuerpausen.

Mit der Impfaktion soll eine Ausbreitung des Virus verhindert werden. Polio, auch Kinderlähmung genannt, kann lebenslange Lähmungen verursachen. Im August war der erste Polio-Fall seit 25 Jahren in dem Palästinensergebiet entdeckt worden. Das Virus breitet sich aus, wenn unhygienische Zustände herrschen. Dort sind seit Beginn der israelischen Militäraktionen im vergangenen Herbst Hunderttausende Menschen ständig auf der Flucht. Israel reagierte damit auf die verheerenden Terroranschläge vom 7. Oktober 2023.

 

Tag 397: 5. November 2024

Angesichts der katastrophalen Lage nach mehr als einem Jahr Krieg im Gazastreifen dringt US-Aussenminister Antony Blinken auf mehr humanitäre Hilfe in der Region. Die Zivilisten in dem von Israel abgeriegelten Küstenstreifen bräuchten zusätzliche Nahrungsmittel, Medikamente und Dinge des täglichen Bedarfs, sagte Blinken nach Angaben des US-Aussenministeriums bei einem Gespräch mit dem israelischen Verteidigungsminister Joav Galant. Er habe zudem betont, wie wichtig es sei, den Krieg im Gazastreifen zu beenden und alle aus Israel entführten Geiseln nach Hause zu bringen sowie der palästinensischen Bevölkerung zu ermöglichen, ihr Leben wieder aufzubauen.

Auslöser des Kriegs war das von Hamas-Terroristen und anderen Extremisten am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübte Massaker, bei dem 1.200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Bei der israelischen Offensive wurden laut - unabhängig kaum zu überprüfenden - Angaben der palästinensischen Gesundheitsbehörde bisher mehr als 43.300 Menschen getötet und mehr als 102.000 weitere verletzt, wobei die von der Hamas kontrollierte Behörde nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheidet. Die humanitäre Lage im weitgehend zerstörten Gazastreifen ist katastrophal.

Blinken: Hamas verweigert Geisel-Freilassung

Blinken sprach auch mit dem ägyptischen Aussenminister Badr Abdelatty über die Lage im Nahen Osten. Die Hamas weigere sich nach wie vor, auch nur eine begrenzte Anzahl von Geiseln freizulassen, um im Gegenzug eine Waffenruhe und Hilfe für die Menschen im Gazastreifen zu erreichen, sagte Blinken nach Angaben seines Sprechers.

Laut der israelischen Zeitung "The Times of Israel" hatte Ägypten zuletzt einen Vorschlag unterbreitet, nach dem die Hamas vier israelische Geiseln im Austausch gegen rund 100 palästinensische Häftlinge freilassen sollte. Während einer zunächst 48-stündigen Waffenruhe sollte demnach über eine längerfristige Waffenruhe verhandelt werden.

Tag 396: 4. November 2024

Die Lage im Nahen Osten könnte nach dem israelischen Vergeltungsschlag gegen den Iran weiter eskalieren. Einem Medienbericht zufolge plant die Regierung in Teheran einen erneuten Angriff auf Israel. Der Gegenschlag werde "heftig und komplex" ausfallen, zitierte die US-Zeitung "The Wall Street Journal" (WSJ) einen ägyptischen Beamten, der über die Planungen informiert wurde. Bei einer neuen Attacke würden Raketen mit grösseren Sprengköpfen eingesetzt als bei dem vorherigen Angriff am 1. Oktober, berichtete das "WSJ" unter Berufung auf iranische und arabische Informanten.

Zudem würden neben den Revolutionsgarden auch die regulären Streitkräfte zum Einsatz kommen. Bei dem jüngsten israelischen Angriff auf den Iran waren vier iranische Soldaten und ein Zivilist ums Leben gekommen. "Unser Militär hat Soldaten verloren, also muss es antworten", zitierte das "WSJ" einen iranischen Beamten. Iran könnte den neuen Angriff aus dem Irak starten und er werde "sehr viel aggressiver als beim letzten Mal" sein.

Mehr als doppelt so viele Angriffe pro-iranischer Milizen im Irak auf Israel

Laut einer Analyse des Institute for the Study of War (ISW) haben pro-iranische Milizen im Irak ihre Angriffe auf Israel von September auf Oktober mehr als verdoppelt. Sollten die Angriffe nicht eingestellt werden, könnte das israelische Militär über 30 bereits identifizierte Ziele im Irak angreifen, berichtete die arabischsprachige Nachrichtenseite "Elaph" aus Grossbritannien.

Mit seinem Gegenschlag will der Iran laut "WSJ" allerdings nicht die US-Wahl beeinflussen. Der Angriff werde deshalb nach der Abstimmung am Dienstag, aber vor der Amtseinführung des künftigen Staatsoberhaupts der Vereinigten Staaten im kommenden Januar kommen, sagte der iranische Beamte der US-Zeitung. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, drohte dem Iran im Falle eines neuen Angriffs auf Israel mit schweren Konsequenzen. "Wir glauben, dass dies das Ende des direkten Schusswechsels zwischen Israel und dem Iran sein sollte", sagte sie.

Washington warnt: Können Israel nicht weiter zur Zurückhaltung bewegen

Zuletzt hatte die Regierung in Washington den Iran Medienberichten zufolge vor einem weiteren Angriff auf Israel gewarnt. Sollte Teheran wie angekündigt erneut Israel angreifen, könne Washington die Regierung in Jerusalem kaum noch zur Zurückhaltung bewegen, berichtete die US-Nachrichtenseite "Axios". Die Warnung stellte demnach einen seltenen Kontakt zwischen den beiden verfeindeten Ländern USA und Iran dar.

Israel hatte am 26. Oktober mehrere Militäranlagen und das Flugabwehrsystem im Iran angegriffen. Damit reagierte es auf eine Attacke des Irans mit rund 200 Raketen Anfang Oktober. Zuletzt hatten mehrere ranghohe Beamte und Militärs im Iran gesagt, der israelische Angriff werde nicht unbeantwortet bleiben.

Sharmahds Tochter fordert Abbruch aller Beziehungen zum Iran

Die bisherige Reaktion der Bundesregierung auf die Hinrichtung des Deutsch-Iraners Djamshid Sharmahd reicht nach Ansicht seiner Tochter "natürlich nicht" aus. Es müssten alle Beziehungen zur Regierung in Teheran abgebrochen werden, sagte Gazelle Sharmahd im Interview des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Sie frage sich, warum die von der Bundesregierung angekündigte Schliessung der drei iranischen Konsulate nicht schon vor vier Jahren geschehen sei. "Warum haben wir abgewartet, bis mein Vater tot ist?" Die iranische Justiz hatte die Hinrichtung Sharmahds am vergangenen Montag bekanntgegeben. Er wurde im Frühjahr 2023 in einem umstrittenen Prozess nach Terrorvorwürfen zum Tode verurteilt. Die Bundesregierung, Angehörige und Menschenrechtler wiesen die Anschuldigungen gegen ihn zurück.

Behörden: Krankenhäuser im Libanon nach Beschuss beschädigt

Im Libanon sind infolge von israelischen Luftangriffen erneut Krankenhäuser beschädigt worden. Beim Beschuss des Regierungskrankenhauses in Tebnine im Südlibanon seien mindestens zehn Menschen verletzt worden, teilte das libanesische Gesundheitsministerium mit. Durch Luftangriffe in der Nähe des Regierungskrankenhauses in Baalbek im Osten des Landes sei es zu Sachschäden an der Klinik gekommen. Das Krankenhaus sei überfüllt mit Patienten und Verwundeten, hiess es. Vom Gesundheitsministerium hiess es, dass zwei Rettungshelfer bei einem Angriff im Südlibanon getötet worden seien. Sie gehörten demnach zum Rettungsdienst der Hisbollah.

 

Tag 395: 3. November 2024

Die US-Regierung hat den Iran Medienberichten zufolge vor einem weiteren Angriff auf Israel gewarnt. Sollte Teheran wie angekündigt erneut Israel angreifen, könne Washington die Regierung in Jerusalem kaum noch zur Zurückhaltung bewegen, berichtete die US-Nachrichtenseite "Axios" unter Berufung auf einen US-Beamten und einen ehemaligen israelischen Funktionär.

Der zu der israelischen Zeitung "The Jerusalem Post" gehörende Onlinedienst "Walla" berichtete seinerseits, die US-Regierung habe den Iran über Schweizer Diplomaten gewarnt, sie könne im Falle eines iranischen Angriffs die israelischen Streitkräfte nicht erneut dazu bewegen, sich auf einen relativ begrenzten und präzisen Gegenschlag zu beschränken. Die Warnung stellte demnach einen seltenen Kontakt zwischen den beiden verfeindeten Ländern USA und Iran dar.

Iran droht mit vernichtender Antwort

Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei hat nach den jüngsten militärischen Konfrontationen seinen Erzfeinden Israel und den USA mit einer entschiedenen Antwort gedroht. "Die Feinde, ob das zionistische Regime oder Amerika, werden sicher eine vernichtende Antwort auf das erhalten, was sie dem Iran und der Widerstandsfront entgegenbringen", sagte Chamenei. Ob damit auch eine militärische Antwort auf den israelischen Vergeltungsangriff vor einer Woche gemeint war, blieb zunächst offen.

Israel hatte in der vergangenen Woche mehrere Militäranlagen und das Flugabwehrsystem im Iran angegriffen. Damit reagierte es auf eine Attacke des Irans mit rund 200 Raketen Anfang Oktober. Zuletzt hatten mehrere ranghohe Beamte und Militärs im Iran gesagt, der israelische Angriff werde nicht unbeantwortet bleiben.

USA verlegen B-52-Langstreckenbomber

Angesichts der wachsenden Spannungen im Nahen Osten haben die USA Langstreckenbomber vom Typ B-52 vom Luftwaffenstützpunkt Minot im US-Bundesstaat North Dakota in die Region verlegt. Die strategischen Bomber seien im Zuständigkeitsgebiet des US-Zentralkommandos eingetroffen, teilte das US-Militär mit. Das United States Central Command (CENTCOM) ist vor allem für den Nahen Osten verantwortlich. Zuletzt hatte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin die Entsendung zusätzlicher Kriegsschiffe zur Raketenabwehr, eines Jagdgeschwaders sowie von Tankflugzeugen und mehreren B-52-Langstreckenbombern in die Region genehmigt.

Israel: 900 Gegner im Norden des Gazastreifens getötet

Die israelischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben bei der Anfang Oktober begonnenen Bodenoffensive in Dschabalija im Norden des Gazastreifens rund 900 "Terroristen" der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Gruppen getötet. Zudem seien 700 Palästinenser gefangengenommen worden, von denen 300 als Mitglieder von Terrorgruppen hätten identifiziert werden können, teilte das Militär weiter mit. Bei den schweren Kämpfen, für die Verstärkungen aus anderen Teilen des Gazastreifens herangeführt worden seien, wurden nach Armee-Angaben auch zwei weitere israelische Soldaten getötet. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Israel verschleppt Person aus nordlibanesischer Stadt Batrun

Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben in der nordlibanesischen Küstenstadt Batrun ein hochrangiges Hisbollah-Mitglied gefangengenommen. Der Mann sei auf israelisches Territorium gebracht worden und werde zurzeit verhört. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur NNA meldeten Anwohner, dass unbekannte Militäreinheiten im Morgengrauen eine Person in Batrun entführt hätten. Eine "nicht identifizierte Militäreinheit" hätte eine "Seelandung" in Batrun durchgeführt. Sie hätten den Entführten zum Strand gebracht und seien von dort mit einem Schnellboot aufs offene Meer gefahren. Aus libanesischen Sicherheitskreisen hiess es, die betroffene Person sei in Waffenschmuggel der Hisbollah zwischen dem Libanon und Syrien involviert gewesen.

 

Tag 393;: 1. November 2024

US-Aussenminister Antony Blinken sieht "gute Fortschritte" in den Verhandlungen über eine Waffenruhe zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz. "Es bleibt noch mehr zu tun", sagte Blinken in Washington. Die Fortschritte würden sich aus seiner jüngsten Reise in die Region und den derzeit anhaltenden Gesprächen ergeben. Man arbeite "sehr hart" daran, "Fortschritte bei der Verständigung darüber erzielen, was für die wirksame Umsetzung der Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrates erforderlich wäre", fügte Blinken hinzu. Die UN-Resolution 1701 sieht vor, dass sich die Hisbollah hinter den Litani-Fluss zurückzieht - etwa 30 Kilometer von der Grenze zu Israel entfernt. Der US-Gesandte Amos Hochstein hat unterdessen im Bemühen um eine Waffenruhe Gespräche in Israel geführt. Er traf zunächst Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. An dem Gespräch war auch der Nahost-Koordinator des Weissen Hauses, Brett McGurk, beteiligt. Die beiden Unterhändler trafen anschliessend auch den israelischen Verteidigungsminister Joav Galant. Libanons geschäftsführender Gesundheitsminister Firas Abiad sagte dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira, dass es bisher keine Anzeichen dafür gebe, dass die Regierung Ergebnisse von den Gesprächen in Israel erhalten habe.

 

Tag 392: 31. Oktober 2024

8:00

Krieg geht vorerst weiter

Derweil führt Israel weiter Krieg gegen die Hisbollah und die mit ihr verbündete islamistische Hamas im Gazastreifen. In der Nacht warnten im Norden Israels wieder Sirenen vor Angriffen aus der Luft, wie die israelische Armee mitteilte. Eine aus dem Libanon angeflogene Drohne sei erfolgreich abgefangen worden, eine Reihe anderer Geschosse in offenem Gelände eingeschlagen. Im Verlaufe des Mittwochs habe die Hisbollah etwa 60 Geschosse abgefeuert. Israels Armee wiederum griff Ziele im Osten des Libanons an, darunter auch in der antiken Stadt Baalbek.

Dort seien mindestens 19 Menschen getötet worden, teilte das libanesische Gesundheitsministerium später mit. Augenzeugen hatten berichtet, Israels Luftwaffe habe die Stadt und Dörfer in der Umgebung bombardiert. Die israelische Armee teilte mit, sie könne Angriffe auf Baalbek nicht bestätigen. Die Luftwaffe habe in der Gegend der Stadt aber unter anderem Kommandozentralen der Hisbollah bombardiert. Die Angaben liessen sich allesamt zunächst nicht unabhängig überprüfen. Die rund 80.000 Bewohner Baalbeks waren am Mittwoch zur Evakuierung aufgefordert worden. Viele von ihnen seien daraufhin geflohen, berichteten Augenzeugen.

US-Regierung bemüht sich um Waffenruhe

Die Kriegslage in Nahost ist ein wichtiges Thema im US-Wahlkampf. Insbesondere am militärischen Vorgehen Israels im Gazastreifen mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung gibt es harsche Kritik - und damit verbunden an der Unterstützung Washingtons für die Regierung von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Dem scheidenden US-Präsidenten Joe Biden ist daran gelegen, vor dem Wahltag am 5. November einen Erfolg im Ringen um Vereinbarungen über eine Waffenruhe im Nahen Osten vermelden zu können. Seiner Parteikollegin und Vizepräsidentin Kamala Harris könnte dies wertvolle Stimmen einbringen und womöglich gar zum Sieg verhelfen. Israels Feinde wiederum müssen befürchten, dass mit Donald Trump ein Präsident ins Weisse Haus einzieht, der der Regierung Netanjahu in der Vergangenheit sehr wohlgesonnen war.

Befragt nach der Möglichkeit einer Waffenruhe im Libanon in den nächsten ein bis zwei Wochen sagte eine Sprecherin des Weissen Hauses, man werde sich weiterhin für eine diplomatische Lösung einsetzen, damit die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten der Landesgrenze in ihre Häuser zurückkehren könne. Es werde aber niemand Verhandlungen in der Öffentlichkeit führen oder darüber informieren, wo man sich gerade in den Gesprächen befinde.

Libanons Regierung: Wir sind bereit

Bedingungen für eine Waffenruhe seien die Umsetzung der UN-Resolution 1701, die Stationierung der libanesischen Armee im Süden des Libanons und die Konsolidierung ihrer Präsenz in dem Grenzgebiet, sagte Libanons geschäftsführender Ministerpräsident Mikati dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira zufolge. Details aus einem angeblichen US-Vorschlag für eine Vereinbarung über eine Waffenruhe, über den mehrere israelische Medien am Abend übereinstimmend berichteten, lasen sich ähnlich. Die UN-Resolution 1701 sieht vor, dass sich die Hisbollah hinter den Litani-Fluss zurückzieht - etwa 30 Kilometer von der Grenze zu Israel entfernt.

Der kolportierte US-Vorschlag soll vorsehen, dass Israels Soldaten den Libanon nach Ende der Feindseligkeiten innerhalb von sieben Tagen verlassen, wie etwa der Fernsehsender Kan 11 berichtete. Stattdessen sollen insgesamt 10.000 Soldaten der regulären libanesischen Armee innerhalb der ersten 60 Tage nach Unterzeichnung des Abkommens an der Grenze zu Israel stationiert werden. Der Entwurf sehe ausserdem vor, dass Libanons Regierung sämtliche Waffenverkäufe an das Land sowie die Waffenproduktion überwacht. Israel und der Libanon sollen nach 60 Tagen zudem Verhandlungen über die vollständige Umsetzung der UN-Resolution 1701 führen.

Die USA und weitere Länder wie etwa Deutschland sollen die Umsetzung des Abkommens überwachen. Berichten zufolge wurde der Entwurf, der vom US-Gesandten Amos Hochstein stammen soll, der Führung in Israel vorgelegt. Hochstein bemüht sich schon seit Monaten um eine Waffenruhe.

Hisbollah-Generalsekretär: Konflikte hängen zusammen

Der neue Hisbollah-Generalsekretär Naim Kassim sprach in einer Rede erneut davon, dass die Konflikte der Hamas und Hisbollah mit Israel zusammenhingen. Zuvor hatte die Hisbollah auch erklärt, einer Waffenruhe erst bei einer entsprechenden Einigung in Gaza zuzustimmen. Die Schiiten-Miliz agierte im Libanon seit Jahrzehnten wie ein Staat im Staate und wird wie die Hamas vom Iran unterstützt.

Hochstein hatte bei seinem Besuch im Libanon vergangene Woche gesagt, er wolle den Krieg zwischen Israel und der Hisbollah von anderen Konflikten entkoppeln. "Es lag und liegt nicht im Interesse der Libanesen, die Zukunft des Libanon mit anderen Konflikten in der Region zu verknüpfen", sagte er nach einem Treffen mit dem Parlamentsvorsitzenden Nabih Berri, der als Verbündeter der Hisbollah gilt. Berri sagte, Hochsteins Besuch sei vor der US-Präsidentenwahl kommende Woche "die letzte Chance (...), zu einer Lösung zu kommen".

Saudi-Arabien hat unterdessen Vertreter von mehr als 50 arabischen und weiteren islamischen Staaten zu einem weiteren Gipfel zum Krieg im Nahen Osten eingeladen. Bei dem Spitzentreffen am 11. November in Riad solle es um die "sündhafte israelische Aggression gegen die besetzten Palästinensergebiete und deren Erweiterung auf den Libanon" gehen, berichtete die Staatsagentur SPA. Der Gipfel schliesst an ein ähnliches Treffen ein Jahr zuvor in Riad an. Dabei wurde ein mit verschiedenen Ministern besetztes Komitee ins Leben gerufen, um auf ein Ende des Gazakriegs hinzuwirken - viel wurde aus dieser Initiative bisher allerdings nicht.

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Saudi-Arabien hat Vertreter von mehr als 50 arabischen und weiteren islamischen Staaten erneut zu einem Gipfeltreffen zum Krieg im Nahen Osten eingeladen. Bei dem Gipfel am 11. November in Riad solle es um die "sündhafte israelische Aggression gegen die besetzten Palästinensergebiete und deren Erweiterung auf den Libanon" gehen, berichtete die Staatsagentur SPA.

Der Gipfel schliesst an ein ähnliches Treffen ein Jahr zuvor in Riad an. Dabei wurde ein Komitee verschiedener Minister ins Leben gerufen, um auf ein Ende des Gazakriegs hinzuwirken - viel wurde aus dieser Initiative bisher allerdings nicht.

Saudi-Arabien hatte Gespräche mit den USA über eine mögliche Normalisierung mit Israel nach Beginn des Gaza-Kriegs vor einem Jahr auf Eis gelegt. Die saudische Führung zeigte sich daran auch in den folgenden Monaten aber weiterhin interessiert, obwohl nahezu alle jungen Menschen im Königreich solch einen Schritt ablehnen.

 

 

Tag 391: 30. Oktober 2024

Während die internationale Kritik an dem von Israels Parlament beschlossenen Arbeitsverbot für das Palästinenserhilfswerk UNRWA nicht abreisst, tobt der Krieg im Gazastreifen weiter. Israels Luftwaffe griff nach eigenen Angaben erneut Mitglieder der islamistischen Hamas und des Islamischen Dschihad während "terroristischer Aktivitäten" in einer humanitären Schutzzone im Süden des abgeriegelten Küstengebiets an. Vor dem "präzisen Angriff" im Gebiet von Chan Junis seien zahlreiche Massnahmen ergriffen worden, um die Gefahr für Zivilisten zu mindern, hiess es in der Nacht. Angaben zu möglichen Opfern machte die Armee nicht. Ihre Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen.

Zuvor übten die Vetomächte der Vereinten Nationen in seltener Einigkeit Kritik an dem von Israels Parlament beschlossenen Arbeitsverbot für das UNRWA in Israel. Die USA seien "über diese Gesetzgebung zutiefst beunruhigt", sagte der Aussenministeriumssprecher Matthew Miller in Washington. Chinas UN-Botschafter Fu Cong verurteilte sie im UN-Sicherheitsrat "auf Schärfste". Die Schliessung des Hilfswerks wäre eine "Kollektivbestrafung von Millionen palästinensischer Flüchtlinge", sagte er. Russlands Botschafter Wassili Nebensja warnte vor einem endgültigen Aus des Hilfswerks: "Wir unterstützen die Aussage des UN-Generalsekretärs, wonach UNRWA unersetzlich ist und es heute keine Alternative dazu gibt." UN-Generalsekretär António Guterres hatte zuvor erklärt, die Arbeit des Palästinenserhilfswerks sei alternativlos.

Israel: Sind dem Völkerrecht verpflichtet

Israel will humanitäre Hilfe für Gaza künftig mittels anderer Organisationen gewährleisten. "Israel ist dem Völkerrecht und der Bereitstellung humanitärer Hilfe für Gaza verpflichtet", sagte der Sprecher des Aussenministeriums, Oren Mamorstein, der Deutschen Presse-Agentur. Man werde dazu weiter mit UN-Agenturen und internationalen Organisationen zusammenarbeiten. Als Beispiele nannte er unter anderem das Welternährungsprogramm, das UN-Kinderhilfswerk Unicef sowie die Weltgesundheitsorganisation. Israel werde "seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen", sagte der Ministeriumssprecher weiter.

Der Beschluss des israelischen Parlaments vom Montagabend bedeutet, dass das UNRWA auch in den Palästinensergebieten seine Einsätze kaum fortsetzen kann, weil Israel die Grenzübergänge kontrolliert. Israel wirft dem Palästinenserhilfswerk vor, dass einige seiner Mitarbeiter an Terroraktivitäten beteiligt gewesen seien. Israel habe den Vereinten Nationen Details über rund hundert Personen übergeben, die beim UNRWA beschäftigt und zugleich Mitglieder der Terrororganisation Hamas sein sollen, sagte Mamorstein.

Sterben in Gaza und im Libanon geht weiter

Derweil gehen die Kämpfe auch im Norden des Gazastreifens weiter. Nach Angaben der israelischen Armee wurden dabei vier Soldaten getötet. Die Soldaten im Alter von 20 und 22 Jahren kamen nach Medienberichten bei der Explosion eines Sprengsatzes in einem Gebäude in dem Flüchtlingsviertel Dschabalija ums Leben. Nach Militärangaben wurde dabei auch ein Offizier schwer verletzt. Die Lage in dem Gebiet ist Augenzeugen zufolge katastrophal. Zehntausende Zivilisten sind bereits geflohen. Palästinensische Quellen berichten wiederholt von vielen zivilen Toten bei Angriffen. Israels Militär wirft der Hamas immer wieder vor, Zivilisten im Gazastreifen als menschliche Schutzschilde zu benutzen.

Die Gespräche zur Beendigung des Krieges werden nach Angaben aus Katar in "Doha, Kairo und in europäischen Hauptstädten" fortgesetzt. Der Sprecher des Aussenministeriums in Katar, Madschid Al-Ansari, sagte, es sei viel erreicht worden. Es gebe "parallele Linien" bei den Bemühungen zur Eindämmung der Gewalt im Libanon und in Gaza, zitierte ihn die katarische Nachrichtenseite "Al Sharq". Der Hamas-Vertreter Abu Suhri betonte, seine Gruppe sei offen für Gespräche. "Wir haben auf die Bitte der Vermittler reagiert, neue Vorschläge für einen Waffenstillstand zu diskutieren", zitierte ihn der arabische TV-Sender Al-Dschasira.

Katar, die USA und Ägypten vermitteln zwischen Israel und der Hamas, da die beiden Kriegsparteien nicht direkt miteinander verhandeln. Die Vermittlungsgespräche treten jedoch seit Monaten auf der Stelle. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte sich Medien zufolge zuletzt pessimistisch über eine mögliche Einigung mit der Hamas geäussert.

Israel: Raketenarsenal der Hisbollah deutlich minimiert

Derweil geht Israel auch im Libanon weiter gegen seine Feinde vor. Bei erneuten israelischen Angriffen wurden laut örtlichen Behördenangaben am Montag 82 Menschen getötet. Das libanesische Gesundheitsministerium teilte mit, dass bei den Angriffen in verschiedenen Gebieten des Landes zudem 180 Menschen verletzt worden seien. Die meisten Opfer habe es bei Angriffen im Osten und im Süden geben. Derweil setzt die libanesische Hisbollah-Miliz den Beschuss Israels fort. Im Tagesverlauf habe sie etwa 75 Geschosse abgefeuert, teilte Israels Armee mit. Auch in der Nacht heulten im Norden Israels erneut die Warnsirenen.

Die Hisbollah hat jedoch nach Angaben des israelischen Verteidigungsministers seit Kriegsbeginn einen Grossteil ihrer Schlagkraft eingebüsst. Er schätze, dass die proiranische Miliz nur noch über rund 20 Prozent ihres früheren Arsenals an Raketen und anderen Geschossen verfüge, sagte Joav Galant nach Angaben seines Büros bei einem Besuch eines Armeestützpunktes im Norden Israels. Unklar blieb, auf welcher Grundlage er zu dieser Einschätzung gelangt ist. Von der Hisbollah gab es dazu bislang keine Angaben.

Insgesamt wurden nach libanesischen Angaben seit Ausbruch der Kämpfe zwischen dem israelischen Militär und der proiranischen Hisbollah im Libanon vor mehr als einem Jahr 2.792 Menschen getötet und 12.772 verletzt. Unter den Todesopfern seien mehr als 500 Frauen und 160 Minderjährige. Unterdessen erlitten auch acht österreichische Soldaten der UN-Beobachtermission Unifil im Libanon durch Raketenbeschuss auf den Stützpunkt Nakura leichte Verletzungen. Unifil bestätigte, dass eine Rakete aus nördlicher Richtung das Hauptquartier der Friedensmission in Nakura getroffen habe. Sie sei "wahrscheinlich von der Hisbollah oder einer ihr nahestehenden Gruppe" abgefeuert worden, hiess es.

Unifil erinnerte die proiranische Hisbollah und alle anderen Akteure erneut daran, dass jeder vorsätzliche Angriff auf UN-Personal und -Eigentum einen Angriff auf das humanitäre Völkerrecht darstelle. Das Unifil-Camp Nakura liegt etwa 110 Kilometer südlich der Hauptstadt Beirut an der Grenze zu Israel. Die Friedenstruppe ist seit 1978 im Libanon stationiert und umfasst etwa 10.000 Soldaten. Österreich ist mit 160 Soldaten daran beteiligt.

Tag 390: 29. Oktober 2024

Bei Waffenruhe-Gesprächen in Katar ist nach israelischen Angaben über eine neue Initiative verhandelt worden, die frühere Vorschläge kombiniert. Sie berücksichtige "die zentralen Fragen und die jüngsten Entwicklungen in der Region", teilte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit, ohne weitere Details zu nennen.

Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, sei nach Gesprächen mit CIA-Chef William Burns sowie Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani wieder aus Doha abgereist. In den kommenden Tagen sollten im Bemühen um eine Einigung die Gespräche mit den Vermittlern fortgesetzt werden.

Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte am Sonntag eine zweitägige Feuerpause vorgeschlagen, im Zuge derer vier israelische Geiseln gegen mehrere palästinensische Häftlinge ausgetauscht werden sollen. Ägypten gehört neben den USA und Katar zu den Vermittlern in den indirekten Gesprächen.

Israels Führung prüft nach Medienberichten die Möglichkeit eines begrenzten Deals, um die Gespräche über ein umfassendes Abkommen wieder in Gang zu bringen

Tag 389: 28. Oktober 2024

Während der Gaza-Krieg unvermindert andauert, bemühen sich die internationalen Vermittler erneut um eine Waffenruhe. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi sagte bei einer Pressekonferenz in Kairo, sein Land habe eine zweitägige Feuerpause vorgeschlagen, im Zuge derer vier israelische Geiseln gegen mehrere palästinensische Strafgefangene ausgetauscht werden sollen. Das israelische Parlament stimmt heute über zwei umstrittene Gesetzentwürfe ab, die die Arbeit des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) massiv einschränken sollen. Das Ziel des Vorhabens ist es, das UNRWA als Terrororganisation einzustufen und Behörden in Israel Kontakt mit der Organisation künftig zu untersagen.

Kritik an geplantem UNRWA-Verbot

Sieben westliche Länder reagierten mit "tiefer Besorgnis" auf die Gesetzespläne des israelischen Parlaments. In einer Erklärung forderten die Aussenministerinnen und Aussenminister von Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Kanada, Australien, Japan und Südkorea die israelische Regierung "nachdrücklich" dazu auf, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen, die Vorrechte des UNRWA unangetastet zu lassen und humanitäre Hilfe und die Grundversorgung der Zivilbevölkerung zu ermöglichen.

Israel hatte in der Vergangenheit immer wieder Vorwürfe gegen das UNRWA erhoben. Demnach sollen mehrere Mitarbeiter der Organisation in das Massaker vom 7. Oktober 2023 verwickelt gewesen und die Organisation als Ganzes von der Hamas unterwandert sein. Die Ministerinnen und Minister betonten in ihrer Erklärung, das UNRWA habe Schritte unternommen, um den Vorwurf der Unterstützung terroristischer Organisationen durch einzelne Mitarbeiter auszuräumen. Abgeordnete der israelischen Regierung und der Opposition wollen indes die Arbeit des Hilfswerks auf israelischem Territorium verbieten.

Ägypten legt neuen Vorschlag für Gaza-Deal vor

Unterdessen gehen die Bemühungen um eine Waffenruhe in Gaza weiter. Der ägyptische Vorschlag sei als eine Vorstufe für eine dauerhafte Waffenruhe gedacht und beinhalte auch die Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen, sagte Ägyptens Präsident laut der staatlichen Nachrichtenseite "Al-Ahram". Israels Unterhändler hatten den Vorschlag israelischen Medien zufolge vergangene Woche dem eigenen Sicherheitskabinett vorgelegt.

Die meisten Minister und alle anwesenden Sicherheitschefs hätten die Idee unterstützt, hiess es. Der ultrarechte Finanzminister Bezalel Smotrich sowie der ebenfalls rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben Gvir hätten sich jedoch dagegen ausgesprochen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe über den Vorschlag nicht abstimmen lassen, hiess es weiter. Beide Minister haben Zugeständnisse an die islamistische Hamas immer wieder abgelehnt.

Israels Führung prüfe die Möglichkeit eines begrenzten Deals, um die Gespräche über ein umfassendes Abkommen wieder in Gang zu bringen, schrieb die "Times of Israel". Man wolle den Entscheidungsprozess der Hamas nach der Tötung ihres Chefs Jihia al-Sinwar vor knapp zwei Wochen verstehen. Seit dem Tod Sinwars gibt es vermehrt Hoffnung, dass nun möglicherweise eine Einigung gelingen könnte. Die Verhandlungen treten seit Monaten auf der Stelle.

Berichte: Hamas fordert sofortiges Kriegsende

In Israel wurden arabische Medienberichte zitiert, wonach die Hamas den Unterhändlern ein umfassendes Abkommen über die sofortige Beendigung des Krieges vorlegen will. Dieses sehe den Abzug der israelischen Truppen aus Gaza sowie die sofortige Freilassung aller israelischen Geiseln im Austausch gegen palästinensische Gefangene vor, hiess es.

Der ägyptische Vorschlag einer zunächst zweitägigen Feuerpause beinhaltet laut der "Times of Israel" nach der Freilassung der vier Geiseln zehntägige weitere Verhandlungen. Die Initiative fällt zeitlich zusammen mit den neu angelaufenen indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe und einen Austausch von Geiseln und Gefangenen im Golfemirat Katar. Ägypten gehört neben den USA und Katar zu den Vermittlern in den Gesprächen.

Krieg im Libanon geht weiter

Derweil dauert auch der Krieg Israels gegen die mit der Hamas verbündete Hisbollah-Miliz im Libanon an. Bei israelischen Luftangriffen im Süden des Nachbarlandes wurden nach örtlichen Behördenangaben im Laufe des Tages mindestens 21 Menschen getötet. Seit Ausbruch der Kämpfe zwischen der vom Iran unterstützten Miliz und dem israelischen Militär vor mehr als einem Jahr seien bisher insgesamt mindestens 2.672 Menschen getötet und 12.468 weitere verwundet worden, teilte das Gesundheitsministerium in Beirut mit.

Die Zahl der bei israelischen Angriffen getöteten Rettungskräfte und Angestellte des Gesundheitssektors sei auf 168 gestiegen, hiess es. 275 weitere Retter und Angestellte seien verletzt worden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Derweil setzte die Hisbollah ihrerseits den Beschuss Israels fort. Im Verlaufe des Tages seien etwa 90 Geschosse von der Miliz auf den jüdischen Staat abgefeuert worden, teilte die israelische Armee am späten Abend mit. Auch diese Angaben waren zunächst nicht zu verifizieren.

Israels Armee: Im Iran nur Teil unseres Potenzials genutzt

Israels Militär will nach eigener Darstellung beim jüngsten Angriff auf Ziele im Iran nur einen kleinen Teil seiner Kapazitäten genutzt haben. "Wir können viel mehr tun", sagte Generalstabschef Herzi Halevi bei einer Lagebesprechung im Militärhauptquartier in Tel Aviv. "Wir richteten Schläge auf strategische Systeme im Iran und wir sind auf alle Szenarien an allen Schauplätzen vorbereitet", wurde er in einer Mitteilung der israelischen Streitkräfte zitiert.

Israel hatte am Samstag in mehreren Wellen Luftabwehrsysteme, Militärstützpunkte und Raketenfabriken in mehreren Gebieten des Irans angegriffen. Der Vergeltungsschlag war die Antwort auf eine iranische Attacke am 1. Oktober, bei der Israel mit rund 200 ballistischen Raketen beschossen worden war. "Unsere Botschaft ist sehr, sehr klar", führte Halevi aus. Israel werde jeder Bedrohung entgegentreten, wo und wann auch immer sie auftaucht.

 

Tag 387: 27. Oktober 2024

Nach Israels Vergeltungsschlag gegen den Iran sollen heute in Katar die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg wieder aufgenommen werden. Der Iran dürfe nicht "den Fehler machen", auf die israelischen Angriffe zu reagieren, sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin nach Angaben des Pentagons in einem Telefonat mit seinem israelischen Kollegen Joav Galant. Jetzt böten sich Möglichkeiten, "die Spannungen in der Region auf diplomatischem Wege" abzubauen. Dazu gehöre ein Deal im Gaza-Krieg und eine Übereinkunft mit der Hisbollah im Libanon, die es Zivilisten auf beiden Seiten der Grenze zu Israelermögliche, sicher in ihre Häuser zurückzukehren.

Vertreter Israels wollen heute in der katarischen Hauptstadt Doha mit denen der Vermittlerstaaten Katar, Ägypten und USA zusammenkommen, um den seit Monaten stagnierenden Gesprächen über eine Waffenruhe im Gazastreifen einen neuen Impuls zu geben. Am Vorabend demonstrierten in Israel erneut Hunderte Menschen für ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln, die sich im Gazastreifen immer noch in der Gewalt der Hamas befinden. Israel Armee geht dort weiter gegen die islamistische Terrororganisation vor.

Bei einem Angriff im Norden Gazas sollen örtlichen Berichten zufolge mindestens 30 Palästinenser getötet worden sein. Demnach wurden fünf Häuser in einem Wohnviertel der grenznahen Stadt Beit Lahia angegriffen. Eine unbekannte Zahl von Menschen werde unter den Trümmern vermutet. Rettungsdienste könnten sie wegen der andauernden Kämpfe nicht erreichen. Bewohner der umliegenden Häuser würden die Verwundeten in Eselskarren wegbringen oder zu Fuss wegtragen. Israels Militär äusserte sich zunächst nicht dazu, unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben beider Seiten in der Regel nicht.

Kämpfe in Gaza und im Libanon gehen weiter

Die israelische Luftwaffe griff nach eigenen Angaben zudem in der nördlichen Stadt Gaza erneut eine Kommandozentrale der Hamas an. Sie habe sich in einem früher als Schule genutzten Gebäude befunden, hiess es in der Nacht. Vor dem "präzisen Angriff" seien zahlreiche Massnahmen ergriffen worden, um die Gefahr für Zivilisten zu mindern, hiess es. Auch diese Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen.

Israels Streitkräfte führen seit drei Wochen offensive Einsätze im nördlichen Abschnitt des Gazastreifens durch. Palästinensischen Angaben zufolge wurden dabei auch Hunderte Zivilisten getötet.

In der Nacht setzte Israels Luftwaffe ausserdem die Angriffe gegen die mit der Hamas verbündete Hisbollah-Miliz im Libanon fort. Libanons staatliche Nachrichtenagentur NNA meldete, Israelhabe erneut südliche Vororte der Hauptstadt Beirut ins Visier genommen. Ein israelischer Armeesprecher hatte zuvor die Bewohner von zwei Vierteln über die Plattform X aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Sie befänden sich nahe Einrichtungen der Hisbollah, gegen die man zeitnah vorgehen werde. Die Hisbollah-Miliz gehört wie die islamistische Hamas zu der vom Iran angeführten "Achse des Widerstands" gegen Israel.

Hisbollah setzt Beschuss Israels fort

Trotz Israels harter Militärschläge gegen die Hisbollah beschiesst die Miliz den jüdischen Staat weiter. Im Verlauf des Samstags seien etwa 190 Geschosse auf Israel abgefeuert worden, teilte die israelische Armee am späten Abend mit. Kurz danach heulten im Norden Israels erneut die Warnsirenen. Zwei vom Libanon aus nach Israeleingedrungene Drohnen seien über offenem Gelände abgefangen worden, teilte die Armee in der Nacht mit.

Israel hatte in der Nacht zum Samstag den seit Wochen erwarteten Vergeltungsschlag auf den Iran ausgeführt. Es war die Antwort auf eine iranische Attacke am 1. Oktober, bei der Israel mit rund 200 ballistischen Raketen beschossen worden war. Bei dem israelischen Gegenschlag wurden nach Angaben des iranischen Militärs vier Soldaten getötet. Sie seien bei der "Verteidigung des iranischen Luftraums" gefallen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Irna unter Berufung auf eine Mitteilung der Armee.

Iran: Israels Kampfjets nicht in den Luftraum eingedrungen

US-Präsident Joe Biden pochte danach auf eine Deeskalation der Gewaltspirale aus ständigen Angriffen und Gegenangriffen. "Ich hoffe, das ist das Ende", sagte er im Bundesstaat Pennsylvania vor Reportern. Er habe mit Vertretern der Geheimdienste gesprochen und erfahren, dass Israels Attacken offenbar auf militärische Ziele beschränkt geblieben seien. Biden bestätigte zudem Medienberichte, wonach er vorab über die Angriffe Israels informiert gewesen sei. Die USA sind trotz erheblicher Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Regierungen weiterhin der wichtigste Verbündete Israels.

Nach Darstellung des iranischen Militärs drangen die israelischen Kampfjets bei dem Angriff nicht in den Luftraum der Islamischen Republik ein. Israels Luftwaffe habe vielmehr vom irakischen Grenzgebiet aus luftgestützte Langstreckenraketen auf Ziele im Iran abgefeuert. Dabei seien etwa Radarstationen getroffen worden, hiess es in einer Mitteilung des Generalstabs, die von Staatsmedien verbreitet wurde. Die Schäden seien "begrenzt und geringfügig" gewesen. Auch diese Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Die Islamische Republik Iran behalte sich das Recht auf eine angemessene Reaktion zu einem geeigneten Zeitpunkt vor, erklärte der Generalstab der Streitkräfte weiter. In der Mitteilung betonte Irans Militär zudem die Notwendigkeit eines dauerhaften Waffenstillstands in Gaza und im Libanon, "um das Töten schutzloser und unterdrückter Menschen zu verhindern".

Kommen die Gaza-Gespräche wieder in Gang?

Seit der Tötung von Hamas-Chef Jihia al-Sinwar Mitte Oktober im Gazastreifen haben die Unterhändler in der Region wieder etwas mehr Hoffnung, die Verhandlungen über eine Waffenruhe neu in Gang zu bringen. Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, reist dazu heute nach Doha. Israelfordert die Freilassung der noch etwa 100 in Gaza festgehaltenen Geiseln, von denen viele nicht mehr am Leben sein dürften.

Ein Beamter von Barneas Verhandlungsteam soll israelischen Medienberichten zufolge den Angehörigen der Entführten gesagt haben, ein Geiselabkommen setze ein - derzeit nicht absehbares - Ende des Kriegs gegen die Hamas im Gazastreifen voraus. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe der eigenen Verhandlungsdelegation bislang kein ausreichendes Mandat erteilt, um die heutigen Gespräche in Doha zu einem substanziellen Ergebnis zu führen.

Bei einer Kundgebung in Tel Aviv griffen Redner Netanjahu scharf an und warfen ihm vor, die indirekten Verhandlungen zu verschleppen. "Wem willst du jetzt die Schuld geben, nachdem Sinwar tot ist? Den Geiseln?", zitierte die "Times of Israel" die Kritik des Bruders einer Hamas-Geisel.

Der Tod Sinwars "erzeugt vielleicht eine Gelegenheit, um tatsächlich voranzukommen und eine Einigung zu beschliessen", hatte US-Aussenminister Antony Blinken bei seinem jüngsten Besuch im Nahen Osten gesagt. Bei den Gesprächen hat es seit Monaten keine Fortschritte gegeben. In Israel gab es Hoffnung, nach der Tötung von Sinwar könnte sich dies ändern. Die Hamas beharrt aber auf ihren bisherigen Positionen, darunter die Forderung nach einem vollständigen Abzug israelischer Truppen aus dem Gazastreifen und einer Beendigung des Kriegs.

Auslöser des Kriegs war das von Hamas-Terroristen und anderen Extremisten aus Gaza am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübte Massaker, bei dem 1.200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seit Beginn des Kriegs wird Israel auch von anderen Verbündeten des Irans wie der Hisbollah, Milizen im Irak und den Huthi-Rebellen im Jemen angegriffen.

 

 

Tag 386: 26. Oktober 2024

Die kontrollierte Sprengung eines unterirdischen Munitionslagers der Hisbollah-Miliz durch israelische Truppen im Süden des Libanons hat nach Medienberichten eine Erdbebenwarnung in weiten Teilen des israelischen Nordens ausgelöst.

Das geologische Institut in Israel bestätigte nach einem Bericht der Nachrichtenseite ynet, die mächtige Explosion habe fehlerhafte Warnmitteilungen des israelischen Zivilschutzes verursacht. "Das Warnsystem hat die Explosion als Erdbeben identifiziert", teilte das Institut demnach mit.

Israelische Medien berichteten, die akute Erdbebenwarnung habe zahlreiche Einwohner des israelischen Nordens erschreckt, wo es seit Monaten immer wieder Raketenalarm wegen Hisbollah-Angriffen gibt.

 

Tag 385: 25. Oktober 2024

Der Präsident des Europäischen Rates erwartet angesichts der Kritik an Israels Art der Kriegsführung im Nahen Osten eine schwierige Debatte über mögliche Einschränkungen der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Land. Mehrere Staats- und Regierungschefs hätten beim EU-Gipfel in der vorigen Woche das bestehende Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und Israel angesprochen, sagte Charles Michel in einem Interview des Nachrichtenagenturnetzwerks European Newsroom (enr). Früher oder später werde dies ein ernsteres Thema werden. Schon jetzt gebe es auf Ebene der Aussenminister Gespräche zum sogenannten Assoziierungsabkommen, sagte der frühere belgische Regierungschef.

Ein Aussetzen des Abkommens könnte weitreichende Auswirkungen haben, da es Rechtsgrundlage für die Handelsbeziehungen zwischen der EU und Israel ist. In dem Vertrag geht es unter anderem um die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Bereichen wie Industrie, Energie, Verkehr und Tourismus. Zudem sieht er regelmässige politische Konsultationen vor.

Spanien und Irland hatten bereits vor Monaten gefordert, das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel auf den Prüfstand zu stellen. Hintergrund ist insbesondere die Vermutung, dass die israelischen Streitkräfte bei ihrem Vorgehen gegen Terroristen der Hamas und der Hisbollah humanitäres Völkerrecht missachten und unangemessen grosses Leid in der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und im Libanon verursachen.

Vorwurf der Doppelmoral gegen die EU

Nach Angaben des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell könnte die EU-Kommission ein Aussetzen des Abkommens vorschlagen, wenn Israel sich nicht an Grundprinzipien halten sollte. Zu diesen gehört, dass die Beziehungen zwischen den Vertragsparteien nicht nur auf den Grundsätzen der Demokratie, sondern auch auf der Achtung der Menschenrechte beruhen.

Zu dem Partnerschaftsabkommen äusserte sich der scheidende EU-Ratspräsident Michel in seiner Antwort auf eine Frage nach dem Umgang mit Vorwürfen gegen die Staatengemeinschaft. Der EU wird vorgehalten, sie lasse Israel in Menschen- und Völkerrechtsfragen Regelverstösse durchgehen, die sie bei anderen Ländern nicht dulden würde.

Michel erklärte dazu, wenn die EU eine Doppelmoral an den Tag lege, werde sie ihre Autorität und Glaubwürdigkeit verlieren. Dabei räumte er ein, dass es unter den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat derzeit manchmal schwierige Debatten gebe, weil nicht alle Mitgliedstaaten genau die gleiche Einschätzung darüber hätten, was im Einklang mit dem Völkerrecht steht und was nicht. Man sei aber sehr klar in der Botschaft, dass internationales Recht immer und überall respektiert werden müsse, betonte Michel.

Tag 383: 23. Oktober 2024

Israels Militär hat die Tötung des mutmasslichen Nachfolgers von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bestätigt und seine Angriffe auf die proiranische Miliz im Libanon fortgesetzt. Haschim Safi al-Din sei vor rund drei Wochen bei einem Angriff auf das Hauptquartier des Hisbollah-Geheimdienstes in einem Vorort der Hauptstadt Beirut getötet worden, teilte das Militär am Abend mit. Die Schiiten-Miliz bestätigte seinen Tod bisher nicht.

Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant betonte derweil bei einem Treffen mit US-Aussenminister Antony Blinken am Abend, die Hisbollah werde auch nach Abschluss der "gezielten Operationen" im Libanon so lange weiter bekämpft, bis die Miliz aus dem Grenzgebiet vertrieben sei und die geflohenen Bewohner im Norden Israels sicher zurückkehren könnten.

Safi al-Din sei Mitglied im sogenannten Schura-Rat der Hisbollah gewesen, dem ranghöchsten militärisch-politischen Gremium der Hisbollah, erklärte Israels Armee. Dieses sei für die Entscheidungsfindung und politische Gestaltung der Terrororganisation zuständig. Bei dem Luftangriff in Libanons Hauptstadt vor rund drei Wochen sei neben Safi al-Din auch Ali Hussein Hasima getötet worden, der Befehlshaber des Geheimdienstes der Hisbollah. Er sei für die Leitung zahlreicher Angriffe auf Israels Soldaten verantwortlich gewesen.

Blinken setzt Nahost-Gespräche fort

Unterdessen setzt US-Aussenminister Blinken seine Nahost-Reise fort. Bei einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Jerusalem rief er dazu auf, die Chancen zu ergreifen, die sich nach der Tötung des Hamas-Anführers Jihia al-Sinwar im umkämpften Gazastreifen böten. Dies könne zur Freilassung der israelischen Geiseln aus der Gewalt der mit der Hisbollah verbündeten Hamas sowie zu einem Ende des Kriegs in Gaza führen, zitierte ihn sein Sprecher Matthew Miller. Blinken habe betont, wie wichtig es sei, neue Wege für die Nachkriegszeit zu suchen, damit Palästinenser und Israelis dauerhaft in Sicherheit leben können.

Blinken forderte Israels Regierung nach Angaben seines Sprechers dazu auf, mehr humanitäre Hilfe für die notleidende Zivilbevölkerung im abgeriegelten Gazastreifen durchzulassen. Netanjahus Büro ging in seiner Darstellung des Gesprächsverlaufs nicht darauf ein. Die für Palästinenserangelegenheiten zuständige israelische Militärbehörde Cogat gab bekannt, dass in den vergangenen acht Tagen 237 Lastwagen mit Hilfsgütern allein in den besonders von Mangel betroffenen Norden Gazas eingefahren seien. Nach Ansicht von Hilfsorganisationen ist das allerdings nicht ausreichend, um die hungernde Bevölkerung zu versorgen.

Wieder Tote im Libanon

Unterdessen kamen im Libanon bei erneuten israelischen Angriffen wieder mehrere Menschen ums Leben. Das libanesische Gesundheitsministerium teilte mit, dass bei einem Angriff im Nordosten des Landes fünf Menschen getötet und zehn weitere verletzt worden seien. Bei einem anderen Angriff bei Nabatija im Südlibanon wurden nach Behördenangaben fünf Menschen getötet und 21 weitere verletzt. Das israelische Militär rief am späten Abend erneut zu Evakuierungen in den als Dahija bekannten südlichen Vororten Beiruts auf.

Bereits am Nachmittag hatte Israels Luftwaffe dort Gebäude angegriffen. Die Hisbollah setzte wiederum den Beschuss Israels fort. Etwa 140 Geschosse seien vom Libanon aus abgefeuert worden, teilte Israels Armee am späten Abend mit. Details wurden zunächst nicht genannt.

Die mit dem Iran verbündete Miliz will ihre Angriffe erklärtermassen erst einstellen, wenn eine Waffenruhe für Gaza vereinbart wurde. Bei Verhandlungen unter Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars gibt es jedoch seit Monaten keine Fortschritte. Daran änderte auch die Tötung von Hamas-Chef Sinwar in der vergangenen Woche bisher nichts.

Israel: Erreichen alle unsere Feinde

Man habe der Kommandostruktur der Hisbollah "schweren Schaden" zugefügt, sagte der für den Nordabschnitt Israels zuständige Kommandeur, Ori Gordin. "Überall, wo wir in Kämpfe verwickelt waren, haben wir uns durchgesetzt. Wir sind entschlossen, jeden Tunnelschacht, jeden unterirdischen Bereich und jedes Waffenlager zu erreichen - um sie zu zerstören oder zu beschlagnahmen", wurde Gordin in einer Mitteilung der Armee zitiert.

Nach der Bestätigung des Tods von Safi al-Din sagte Generalstabschef Herzi Halevi, Israel werde alle seine Feinde erreichen. "Wir haben Nasrallah, seinen Nachfolger und den grössten Teil der Hisbollah-Führung erreicht. Wir werden wissen, wie wir jeden erreichen können, der die Sicherheit der israelischen Bürger bedroht", zitierte ihn die "Times of Israel". Nach Angaben der Armee hatten sich zum Zeitpunkt des Angriffs auf das Hauptquartier der Miliz vor rund drei Wochen mehr als 25 Mitglieder des Hisbollah-Geheimdienstes dort befunden.

Safi al-Din - in umgeschriebener Fassung auch als Safieddine bekannt - gehörte als Chef des Exekutivrats schon lange zu einer der wichtigsten Figuren innerhalb der Führung der Miliz. Er war etwa 60 Jahre alt - sein genaues Alter ist unbekannt. In den 1980er Jahren soll er im Iran ausgebildet worden sein. Er war mütterlicherseits Nasrallahs Cousin und laut der Zeitung "Asharq al-Awsat" der Vater des Schwiegersohns des mächtigen iranischen Generals Ghassem Soleimani, der 2020 im Irak durch einen US-Drohnenangriff getötet wurde.

In den Zeiten, in denen Nasrallah nicht im Libanon gewesen sei, habe Safi al-Din die Funktion des Generalsekretärs übernommen, teilte Israels Militär mit. Er habe Terroranschläge gegen Israelangeleitet. Die USA erklärten ihn 2017 zusammen mit Saudi-Arabien zum Terroristen. Sie machen ihn unter anderem für ein Selbstmordattentat auf das Hauptquartier der US-Marineinfanterie in Beirut verantwortlich, bei dem 1983 insgesamt 241 US-Soldaten getötet wurden.

Safi al-Din rief zur Vernichtung Israels auf

Israels Militär tötete abgesehen von Nasrallah bisher vor allem Militärkommandeure, nicht aber Angehörige der oberen politischen Ränge der Miliz. Die Organisation mag die schwersten Schläge seit Jahrzehnten erlitten haben, den Konflikt mit Israel dürfte sie aber - wenn auch deutlich geschwächt - fortsetzen. Im vergangenen Jahr hatte Safi al-Din gesagt: "Es mag einen Krieg, zwei Kriege, drei Kriege" dauern und "mehrfache Konfrontationen" erfordern, aber letztlich müsse Israel vernichtet werden.

Israel ist jedoch fest entschlossen, sich gegen seine Feinde zu verteidigen. Nachdem Anfang Oktober die Revolutionsgarden, Irans Elitestreitmacht, rund 200 ballistische Raketen auf den jüdischen Staat abgefeuert hatten, kündigte Israel Vergeltung an. Offen ist jedoch, wann und wie Israel gegen den Iran zurückschlagen wird. Nach der Veröffentlichung von US-Geheimdienstinformationen über Israels Vergeltungspläne ermittelt die US-Bundespolizei FBI. Die USA sind der wichtigste Verbündete Israels.

 

 

 

Tag 382: 22. Oktober 2024

Die südlichen Vororte der libanesischen Hauptstadt Beirut sind erneut von israelischen Luftangriffen erschüttert worden. Dem libanesischen Gesundheitsministerium zufolge sollen dabei mehrere Menschen ums Leben gekommen sein. Israels Militär hatte die Bewohner bestimmter Gebäude zur Evakuierung aufgefordert und greift weiter die Finanzstrukturen der proiranischen Hisbollah in dem Land an. In einem Bunker unter einem Krankenhaus im Süden Beiruts habe die vom Iran unterstützte Schiiten-Miliz Bargeld und Gold im Wert von Hunderten Millionen Dollar versteckt, sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Abend. Die Angaben konnten unabhängig nicht geprüft werden.

Derweil wird US-Aussenminister Antony Blinken zum Auftakt einer erneuten Reise in den Nahen Osten heute zunächst in Israel mit Regierungschef Benjamin Netanjahu und Staatspräsident Izchak Herzog zusammentreffen. Dort und in weiteren Ländern der Region wolle er "intensive Gespräche" über eine Beendigung des Krieges im Gazastreifen, die Freilassung der israelischen Geiseln und die Linderung des Leidens palästinensischer Zivilisten führen, schrieb Blinken auf der Plattform X. Unterdessen setzt die israelische Armee ihre Kämpfe gegen die Feinde des Landes in Gaza und im Libanon fort.

Armeesprecher: Sind nicht im Krieg mit Libanons Volk

Armeesprecher Hagari forderte die libanesische Regierung und internationale Organisationen auf, nicht zuzulassen, dass die Hisbollah das unter der al-Sahel-Klinik im Süden Beiruts gebunkerte Vermögen für Terrorzwecke und Angriffe auf Israelnutzt. Die Luftwaffe beobachte das Gelände, warnte er. Man werde das Krankenhaus selbst aber nicht angreifen. "Ich möchte betonen: Wir sind nicht im Krieg mit dem libanesischen Volk", sagte Hagari.

Der Direktor des Krankenhauses, Fadi Alameh, bestritt die Vorwürfe und kündigte in einem Interview im libanesischen Fernsehen an, das Krankenhaus vorsorglich evakuieren zu lassen. Die Klinik habe keinerlei Verbindungen zu politischen Parteien, beteuerte er. Alameh rief die libanesische Armee und die Behörden auf, das Gebäude zu durchsuchen.

Derweil gehen die Angriffe im Süden Beiruts weiter. Wie die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA meldete, wurde unter anderem das Viertel Haret Hreik getroffen. Einer der israelischen Luftangriffe soll nach libanesischen Angaben die Umgebung der Universitätsklinik getroffen haben.

Israel greift weiter Finanzstruktur der Hisbollah an

Im Visier der israelischen Armee sind seit der Nacht zu Montag auch Zweigstellen der Vereinigung Al-Kard Al-Hassan, einer Art Bank der Hisbollah. Fast 30 Ziele im gesamten Libanon seien bombardiert worden, erklärte Generalstabschef Herzi Halevi am frühen Abend. In Beirut sei ein unterirdisches Depot mit Bargeld und Gold in Millionenwert getroffen worden, sagte Armeesprecher Hagari. Die Vermögenswerte in dem nicht angegriffenen Bunker unter der al-Sahel-Klinik im Süden der Hauptstadt werden vom Militär auf rund eine halbe Milliarde Dollar beziffert.

Bei einem gezielten Luftangriff in Syriens Hauptstadt Damaskus sei zudem der Nachfolger des kürzlich getöteten Finanzchefs der Hisbollah-Miliz ausgeschaltet worden, sagte Hagari. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana meldete, bei dem Angriff seien zwei Zivilisten ums Leben gekommen und drei weitere verletzt worden. Auf Bildern war ein zerstörtes Auto zu sehen. Auch diese Angaben lassen sich nicht unabhängig prüfen.

Der Hisbollah solle keine Gelegenheit gegeben werden, sich neu zu formieren, betonte Israels Armee. Die beiden wichtigsten Einnahmequellen für ihre terroristischen Aktivitäten seien direkte Zuwendungen des Irans in Form von Bargeld und Gold - sowie die Bürger des Libanons, sagte Hagari. Den Menschen würden durch die Vereinigung Al-Kard Al-Hassan Finanzdienstleistungen angeboten. Indem der Iran weiterhin US-Dollar in den Libanon schmuggele, werde die Landeswährung abgewertet und die ohnehin schon schwere Wirtschaftskrise im Libanon weiter verschärft.

Israel: Hisbollah finanziert sich auch über Firmen in der Türkei

Hagari warf der Hisbollah ausserdem vor, sich zusätzlich über Unternehmen in der Türkei sowie in Syrien, im Jemen und im Libanon zu finanzieren. Um welche Unternehmen es sich im Nato-Land Türkei handele, sagte er in seiner Videobotschaft nicht.

Die auch mit der Hamas im Gazastreifen verbündete Hisbollah greift Israel seit Beginn des Gazakriegs im Oktober vergangenen Jahres fast täglich mit Raketen und Drohnen an. Am Montag seien etwa 170 Geschosse auf Israel gefeuert worden, teilte die Armee am Abend mit. Daraufhin heulten auch in der Nacht im Norden Israels wieder die Sirenen.

Die Hisbollah-Miliz will ihre Angriffe auf Israelerklärtermassen erst einstellen, wenn eine Waffenruhe für Gaza vereinbart wurde. Die unter Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars geführten Gespräche über ein Ende der Kämpfe kommen jedoch seit Monaten nicht vom Fleck. Daran änderte auch die jüngste Tötung von Hamas-Chef Jihia Sinwar nichts. Ob die erneute Nahost-Reise von US-Aussenminister Blinken etwas bewirkt, bleibt abzuwarten.

Auslöser des Kriegs war das Massaker der Hamas und anderer Extremisten aus Gaza in Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres, bei dem 1.200 Menschen getötet und 250 als Geiseln genommen wurden. Israel will die Hamas, die den abgeriegelten Gazastreifen seit Jahren beherrschte, deshalb vernichten. Seit Kriegsbeginn kamen nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 42.000 Menschen ums Leben. Wie viele von ihnen Zivilisten sind, geht daraus nicht hervor, zudem lassen sich die Angaben nicht unabhängig überprüfen. Nach Einschätzung der UN sind die Zahlen aber weithin glaubwürdig und die meisten der Getöteten Frauen und Kinder.

Israel bezichtigt UN-Helfer im Gazastreifen der Lüge

Israel wehrt sich unterdessen in scharfer Form gegen den von UN-Helfern erhobenen Vorwurf, der jüdische Staat blockiere humanitäre Hilfen für die Zivilisten in dem Küstengebiet. Der Vize-Direktor des Palästinenserhilfswerks der Vereinten Nationen (UNRWA) im Gazastreifen, Sam Rose, hatte dem Sender CNN gesagt, derzeit komme dort "fast nichts" an Hilfe an. "Das ist eine Lüge, Sam Rose, und Sie wissen das", erwiderte die israelische Behörde für Palästinenserangelegenheiten Cogat auf der Plattform X.

Seit Mai seien 500.000 Tonnen Hilfsgüter in den Gazastreifen gelangt. UNRWA sei bloss unfähig, die Güter zu verteilen, und versuche dies durch die Verbreitung von Unwahrheiten zu vertuschen, erklärte die israelische Behörde. Die Angaben beider Seiten liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Die USA als wichtigster Verbündeter hatten Israelvergangene Woche eine Frist von 30 Tagen gesetzt, um die Versorgung der Menschen im Gazastreifen zu verbessern. Sonst könnten US-Waffenlieferungen an Israel gefährdet sein.

 

Tag 381: 21. Oktober 2024

Nach erneuten israelischen Angriffen sind die Schäden im Libanon massiv. Im Süden des Landes zerstörte die israelische Armee laut libanesischen Sicherheitskreisen mehrere Orte fast komplett. Wohngebiete in Vororten der Hauptstadt Beirut liegen Augenzeugen zufolge in Schutt und Asche. Die Angriffe gelten der Schiitenmiliz Hisbollah, die seit gut einem Jahr täglich Raketen auf Israel feuert. Doch unter dem Krieg leidet vor allem die Zivilbevölkerung. Auch die libanesische Armee, die sich in dem Konflikt eigentlich neutral verhält, vermeldet Verluste. Die israelische Armee meldete ihrerseits, dass fünf Militärs im Südlibanon bei einem Gefecht getötet worden seien. Die Hisbollah feuerte im Laufe des Tages nach israelischen Angaben mindestens 160 Raketen auf das Nachbarland ab.

Nur noch Teile von Gebäuden übrig

In den Vierteln am südlichen Stadtrand von Beirut, die als Hochburgen der Hisbollah gelten, seien nur noch Reste von Gebäuden übrig, berichtete eine dpa-Reporterin. Am Samstag hatte das israelische Militär dort nach mehrtägiger Pause erneut aus der Luft angegriffen. Die Gebäude, die noch nicht komplett zerstört wurden, hätten gewaltige Schäden erlitten und müssten nach Kriegsende entweder abgerissen oder renoviert werden. Nachts lägen die einst lebendigen Viertel in völliger Dunkelheit, ohne Strom und Licht.

Sowohl die als Dahija bekannten südlichen Vororte Beiruts als auch angrenzende Viertel waren vor Kriegsbeginn dicht besiedelte Wohngebiete mit vielen Restaurants und Geschäften.

"Die meisten Gebiete haben massive Schäden erlitten", sagte Samer, ein Anwohner aus Schujefat am südlichen Rand Beiruts, der dpa. "Wenn man Glück hat, dann hat das eigene Zuhause nur gewaltige Schäden erlitten und ist noch nicht komplett zerstört worden", sagte er. Nach den erneuten Angriffen kam er am Sonntag, um die Schäden an seinem Haus zu begutachten. "Es fühlt sich so an, als würden die Israelis uns bestrafen wollen dafür, dass wir in von der Hisbollah kontrollierten Gebieten oder in deren Nähe wohnen", sagte er. Die meisten Bewohner sind bereits geflohen.

Erneute Angriffe auf Vororte Beiruts

Am Abend nahm die israelische Armee in den Vororten ein neues Ziel ins Visier und kündigte Angriffe auf Orte an, die der Hisbollah zur Finanzierung dienen. Kurz darauf gab es nach libanesischen Angaben neue Angriffe auf Vororte Beiruts. Der oberste Militär Israels, Generalstabschef Herzi Halevi, hatte eine Warnung an die Bewohner von Beirut und anderen Gebieten vor bevorstehenden Gegenschlägen ausgesprochen.

Das libanesische Gesundheitsministerium meldete unterdessen, dass seit Beginn der Gefechte zwischen der Hisbollah und dem israelischen Militär im Libanon insgesamt 2.646 Menschen getötet wurden. Allein am Samstag seien 16 Menschen bei israelischen Angriffen ums Leben gekommen.

Sicherheitskreise: Ganze Orte im Süden gesprengt

Im Süden des Libanons hat die israelische Armee laut dortigen Sicherheitskreisen mehrere Orte fast komplett zerstört. Das Militär habe im Grenzgebiet unter anderem den Ort Ramja nahe Bint Dschubail gesprengt, erfuhr die dpa aus libanesischen Sicherheitskreisen. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst nicht.

Soldaten der internationalen UN-Mission hatten dort vor rund einer Woche mehrere israelische Einheiten beobachtet, die aus Israel über die Demarkationslinie in den Libanon vorrückten. Vor einigen Tagen zirkulierte auch ein Foto in sozialen Medien, dass israelische Soldaten zeigt, die offenbar vor dem Gemeindegebäude des Dorfs posieren.

Israels Armee gibt seit Beginn ihrer Bodenoffensive im Südlibanon im September in der Regel keine Details zu Truppenbewegungen oder deren Stärke heraus. Sie forderte die Bewohner des Grenzgebiets zu Beginn der Bodenoffensive zur Flucht auf. Ziel des Einsatzes ist es nach israelischer Darstellung, dass sich die Hisbollah wie von einer UN-Resolution vorgesehen hinter den Litani-Fluss zurückzieht und Stellungen der proiranischen Miliz in Grenznähe zu zerstören. Das soll rund 60.000 israelischen Bürgern die Rückkehr in ihre Dörfer im Norden des Landes ermöglichen. Sie mussten wegen der täglichen Angriffe der Hisbollah seit Beginn des Gaza-Kriegs aus dem Grenzgebiet flüchten.

Im Laufe des Tages feuerte die Schiitenmiliz nach Angaben der israelischen Armee allein bis zum Nachmittag wieder 160 Raketen auf Israel ab. Bis zum Abend gab es Luftalarm in vielen Orten im Norden des Landes. Auch in Haifa, der grössten Hafenstadt des Landes, heulten wiederholt die Sirenen. Über grössere Schäden oder Opfer wurde zunächst nichts bekannt.

Satellitenfotos zeigen Ausmass der Zerstörung

Vor einer Woche hatte die israelische Armee ein weiteres Dorf zerstört, wie die "New York Times" nach der Auswertung von Videos und Satellitenfotos berichtete. Soldaten sprengten demnach grosse Teile des Dorfs Mhaibib, das ebenfalls im Grenzgebiet liegt. In dem Ort befand sich ein Schrein Benjamins, Sohn Jakobs, der im Islam als Prophet verehrt wird und der auch in der Bibel erwähnt wird.

Israels Militär teilte mit, man habe ein von der Hisbollah-Miliz genutztes Tunnel-Netzwerk "zerlegt", das durch den "Kern eines Dorfs" im Libanon geführt habe. Das Militär veröffentlichte auch ein Video, das die Sprengung des auf einem Hügel gelegenen Dorfs zeigt.

Libanesischen Sicherheitskreisen zufolge wurden im Grenzgebiet auch Jarun, Marun al-Ras sowie weitere Dörfer weitgehend zerstört. Der Ort Nabatija im Südosten, ein kommerzielles Zentrum der Region, soll demnach ebenfalls teilweise zerstört sein.

Erneut libanesische Soldaten getötet

Im Südlibanon geraten auch immer wieder libanesische Soldaten ins Kreuzfeuer. Drei Soldaten wurden nach Angaben der Streitkräfte bei einem Angriff getötet. Das israelische Militär habe auf ein Armeefahrzeug in der Nähe von Ain Ebel unweit der Grenze zu Israel gefeuert, teilte das Militär mit. Die israelischen Streitkräfte teilten mit, sie prüften den Vorfall.

Die libanesische Armee verhält sich in dem Konflikt zwischen Israel und der proiranischen Hisbollah-Miliz neutral. Sie ist nicht der erklärte Kriegsgegner Israels. Dennoch wurden bereits mehrere Soldaten getötet.

Der Krieg zwischen Israel und der Hisbollah begann am 8. Oktober vergangenen Jahres mit Raketenangriffen der libanesischen Miliz zur Unterstützung der Hamas, die mit dem Terrorangriff auf Israel am Tag zuvor den Gaza-Krieg auslöste. Seitdem liefern sich die Hisbollah und Israels Militär schweren Beschuss, Hunderte Menschen wurden getötet, Tausende verletzt und Hunderttausende vertrieben, die meisten davon im Libanon.

 

Tag 380: 20.. Oktober 2024

Das israelische Militär hat weiteres Videomaterial veröffentlicht, das den getöteten Anführer der islamistischen Hamas, Jihia al-Sinwar, zeigt. Die Aufnahmen zeigen keine aktuellen Bilder rund um die Tötung Sinwars, sondern Szenen vom Vorabend des in Israel verübten Massakers am 7. Oktober 2023. Die "Jerusalem Post" berichtete, dass die Aufnahmen vor wenigen Monaten von den Streitkräften und dem Geheimdienst Schin Bet sichergestellt worden seien.

Drei Minuten lang ist der veröffentlichte Zusammenschnitt von Szenen, die sich innerhalb von drei Stunden abgespielt haben sollen: Man sieht darin den grauhaarigen Mann immer wieder einen schmalen Tunnel auf- und ablaufen, barfuss, auf dem Hinweg bepackt mit Tüten oder Wasserflaschen, auf dem Rückweg mit leeren Händen.

Zu Beginn des Zusammenschnitts ist Sinwar nicht sofort selbst zu sehen, voran gehen zwei Jungen, die durch den stellenweise komplett dunklen Tunnel auf die Kamera zulaufen. Hinter Sinwar gehen ein Mädchen und eine Frau - nach Armeeangaben handelt es sich um Sinwars Familie.

Zum Ende des Videos trägt Sinwar mit einem der Jungen etwas rechteckiges, das unter einer Decke verborgen ist. Armeesprecher Nadav Schoschani schrieb dazu auf der Plattform X: "Er nimmt seinen Fernseher mit in seinen Tunnel, versteckt sich unter seinen Zivilisten und bereitet sich darauf vor, seinen Terroristen beim Morden, Entführen und Vergewaltigen zuzusehen."

Sinwar gilt als Drahtzieher des Massakers in Israel, bei dem islamistische Terroristen mehr als 1'200 Menschen töteten, weitere 250 in den Gazastreifen verschleppten und ihre Taten filmten. Danach eröffneten Israels Streitkräfte und Geheimdienste die Jagd auf den Hamas-Chef - und führen seitdem Krieg gegen die Hamas. Sinwar wurde lange im dicht verzweigten Tunnelsystem unter dem abgeriegelten Küstengebiet vermutet. Getötet wurde er vor wenigen Tagen, nachdem er und zwei weitere Bewaffnete eher zufällig von Soldaten entdeckt worden sein sollen.

 

 

Tag 378: 18. Oktober 2024

Die Regierungen Israels und der USA sehen nach der Tötung des Hamas-Anführers Jihia al-Sinwar im Gazastreifen grössere Chancen auf ein Ende des seit über einem Jahr andauernden Kriegs in Nahost. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete die Tötung des meistgesuchten islamistischen Terroristen der Region als Meilenstein. Ob sich die Hoffnungen auf eine Deeskalation nach Monaten des Kriegs mit der Hamas im Gazastreifen und der mit ihr verbündeten Hisbollah im Libanon wirklich erfüllen, erscheint aber fraglich.

"Dies ist der Beginn des Tags nach Hamas", sagte Netanjahu in einer Videobotschaft an die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen. Die Menschen in dem abgeriegelten und vom Krieg schwer gezeichneten Küstengebiet sollten sich endlich befreien von der seit Jahren währenden "Unterdrückungsherrschaft" der Hamas. Auch US-Präsident Joe Biden sagte, nun könne die Chance auf einen "Tag danach" im Gazastreifen ohne die Islamisten an der Macht ergriffen werden. Für eine politische Lösung, die sowohl Israelis als auch Palästinensern eine bessere Zukunft biete, sei Sinwar ein Hindernis gewesen.

Wie das Militär den Terrorchef zur Strecke brachte

Sinwar galt als Drahtzieher des blutigen Überfalls auf Israel vom 7. Oktober 2023, bei dem islamistische Terroristen mehr als 1.200 Menschen töteten und weitere 250 in den Gazastreifen verschleppten. Direkt nach dem Massaker eröffneten Israels Armee und Geheimdienste die Jagd auf den Chefplaner. Lange Zeit soll sich Sinwar in dem weit verzweigten Tunnelsystem unter dem Gazastreifen versteckt haben - angeblich stets mit Geiseln als menschlicher Schutzschild umgeben.

Nach Angaben der israelischen Armee wurde Sinwar am Mittwoch in Rafah im südlichen Gazastreifen getötet. Nachdem er und zwei weitere Bewaffnete eher zufällig entdeckt worden sein sollen, habe sich Sinwar in einem Haus versteckt und ein israelischer Panzer eine Granate in das Gebäude gefeuert, berichtete die Zeitung "The Times of Israel".

Das Militär veröffentliche Aufnahmen einer Drohne, die einen vermummten und von Staub bedeckten Mann - angeblich Sinwar - zeigen, der noch lebend in einem ausgebombten Gebäude auf einem Sessel sitzt. Als sich die Drohne nähert, wirft er mit einem Stock nach dem ferngesteuerten Fluggerät. An dieser Stelle bricht das Video ab. Israelische Medien veröffentlichten später Fotos von der zwischen Trümmern liegenden mutmasslichen Leiche Sinwars mit schwersten Kopfverletzungen.

 

Wie Sinwar identifiziert wurde

Forensiker der israelischen Polizei stellten die Identität Sinwars laut Medienberichten anhand von Zahnstellung und Fingerabdrücken fest, ausserdem wurde ein DNA-Test vorgenommen. Israel verfügt über die biometrischen Daten des Hamas-Chefs, weil er früher mehr als 20 Jahre in israelischen Gefängnissen gesessen hatte.

Der wegen seiner Brutalität im Umgang mit politischen Gegnern als "Schlächter von Chan Junis" bekannte Islamist war einst wegen des Mordes an vier mutmasslichen Kollaborateuren und zwei israelischen Soldaten zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden. 2011 kam er als einer von mehr als 1.000 palästinensischen Häftlingen im Austausch für den in Gaza festgehaltenen israelischen Soldaten Gilad Schalit frei.

Wer Sinwar an der Spitze der Hamas ersetzen könnte

Nach Sinwars Tod könnte Medienberichten zufolge nun sein jüngerer Bruder Mohammed an die Spitze der Terrororganisation rücken. Er war einer seiner engsten Vertrauten und ebenfalls an der Planung des Oktober-Massakers beteiligt. Ausserdem organisierte er auch die Entführung des Soldaten Schalit, mit dem er seinen Bruder schliesslich aus der israelischen Haft freipresste. Laut einem Bericht des israelischen Nachrichtenportals "Ynet" hat Mohammed al-Sinwar bereits drei israelische Mordanschläge überlebt.

Was bedeutet Sinwars Tod für den Krieg in Nahost?

Nach dem Tod des Top-Terroristen wächst die Hoffnung, die veränderte Gemengelage für eine Entschärfung des überaus komplizierten Konflikts in Nahost nutzen zu können. US-Präsident Biden sagte, er habe nun mehr Hoffnung als zuvor, "aber es liegt noch viel Arbeit vor uns". US-Sicherheitsberater Jake Sullivan sagte, Sinwars Tötung biete die Gelegenheit, die Rückkehr der Geiseln und ein Ende des Krieges zu erreichen. Der britische Premierminister Keir Starmer sagte, die Freilassung aller Geiseln, eine sofortige Waffenruhe und eine Erhöhung der humanitären Hilfe seien überfällig und notwendig, um Schritte in Richtung eines langfristigen, nachhaltigen Friedens im Nahen Osten zu machen.

Die mit der Hamas verbündete Hisbollah-Miliz im Libanon, die sich ebenfalls kriegerische Auseinandersetzungen mit Israel liefert und das Nachbarland seit Monaten mit Raketen beschiesst, entschärfte ihre Rhetorik jedoch nicht - im Gegenteil. Nach der Kunde von Sinwars Tod kündigte sie "eine neue Phase der Eskalation" an, die in den nächsten Tagen erkennbar werde. Israels Militär wiederum hat bislang keine Bereitschaft erkennen lassen, seine schweren Angriffe auf Ziele im Libanon zurückzufahren.

Neue Hoffnung für Geiseln?

Angehörige der Geisel forderten, die Situation nach dem Tode Sinwars zu nutzen und sich deutlich stärker um die Freilassung der Verschleppten zu bemühen. "Wir haben die Rechnung mit dem Massenmörder Sinwar beglichen, aber es wird keinen totalen Sieg geben, wenn wir ihre Leben nicht retten und sie nicht nach Hause holen", zitierte die Zeitung "Jerusalem Post" eine Sprecherin der Angehörigen. Netanjahu sagte in seiner Botschaft an die Geiselnehmer in Gaza: "Wer seine Waffen niederlegt und die Geiseln zurückgibt - dem werden wir es ermöglichen, herauszukommen und zu überleben." Gleichzeitig drohte er, man werde mit jedem, der den Geiseln Schaden zufüge, "die Rechnung begleichen".

 

 

Tag 377: 17. Oktober 2024

Nach wiederholtem Beschuss von Blauhelmsoldaten im Süden des Libanons hat US-Verteidigungsminister Lloyd Austin die israelische Militärführung zu einem besseren Schutz der UN-Beobachtermission Unifil aufgerufen. In einem Telefonat mit seinem israelischen Kollegen Joav Galant habe Austin betont, wie wichtig es sei, alle notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit der UN-Truppen und der libanesischen Streitkräfte zu gewährleisten, teilte das Pentagon mit. Austin habe auch auf die Notwendigkeit hingewiesen, einen diplomatischen Weg zu beschreiten, um den Schutz der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten der israelisch-libanesischen Grenze zu verbessern.

Soldaten der UN-Beobachtermission Unifil waren in den vergangenen Tagen mehrmals beschossen worden. Sie haben teils israelische Truppen als Urheber benannt, teils von einer unklaren Lage in den Kämpfen zwischen israelischen Soldaten und der Schiiten-Miliz Hisbollah gesprochen. Im Unifil-Hauptquartier im Libanon sind auch etwa 40 deutsche Soldaten stationiert.

Ausserdem forderte Austin Israel erneut auf, Massnahmen zur Linderung des Leids der Menschen im Gazastreifen zu ergreifen. Er habe die israelische Regierung ermutigt, weitere Schritte zur Verbesserung der entsetzlichen humanitären Lage zu ergreifen, teilte das Pentagon mit. Bereits am Dienstag hatte die US-Regierung Israel aufgefordert, die humanitäre Lage im Gazastreifen innerhalb von 30 Tagen spürbar zu verbessern. Andernfalls drohe ein Verstoss gegen US-Gesetze zur militärischen Unterstützung – was möglicherweise auch die amerikanische Militärhilfe für Israel gefährden könnte.

Israelische Panzer schiessen laut Vereinten Nationen auf Beobachterturm

Ein israelischer Panzer schoss nach Angaben der Vereinten Nationen auf einen Beobachterturm der UN-Friedensmission Unifil im Südlibanon. "Heute Morgen beobachteten Friedenstruppen an einer Position in der Nähe von Kfar Kila, wie ein Merkava-Panzer der israelischen Streitkräfte auf ihren Wachturm feuerte", teilte Unifil mit. Zwei Kameras seien zerstört und der Turm beschädigt worden. "Wieder einmal sehen wir direktes und offenbar absichtliches Feuer auf eine Unifil-Stellung", hiess es in der Erklärung. Die UN-Beobachter forderten das israelische Militär "und weitere Akteure" auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen und die Sicherheit von UN-Personal und -Eigentum zu gewährleisten. Die Unverletzlichkeit der Vereinten Nationen und deren Eigentum müsse respektiert werden.

US-Militär fliegt Angriffe auf Huthi-Waffenlager im Jemen

Die US-Streitkräfte griffen nach eigenen Angaben unterirdische Waffenlager der Huthi-Miliz im Jemen an. In den fünf unterirdischen Depots seien verschiedene Waffenkomponenten gelagert worden, die für Angriffe auf zivile und militärische Schiffe in der Region verwendet wurden, teilte das Pentagon mit. Bei den Luftangriffen kamen auch B-2-Tarnkappenbomber zum Einsatz. Seit Ausbruch des Gaza-Kriegs vor rund einem Jahr schiessen die Huthi regelmässig Raketen oder Drohnen auf Ziele in Israel und Schiffe im Roten Meer. Die Miliz im Jemen wird ebenso wie die Hamas im Gazastreifen und die Hisbollah im Libanon von Israels Erzfeind Iran unterstützt.

UN: "Verheerender Angriff" Israels tötet weitere Zivilisten

Die israelischen Angriffe im Libanon haben den Vereinten Nationen zufolge immer "schwerwiegendere Auswirkungen auf zivile Infrastrukturen und die Zivilbevölkerung". Gesundheitseinrichtungen, Moscheen, historische Märkte, Wohnkomplexe und nun auch Regierungsgebäude würden in Schutt und Asche gelegt, hiess es in einer Erklärung des UN-Nothilfebüros Ocha. Ein "verheerender Angriff" in Nabatija im Südlibanon habe "das Leben weiterer Zivilisten gefordert". Der Angriff sei verübt worden, als dort gerade eine Krisensitzung der Gemeinde abgehalten wurde. Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums wurden bei dem Angriff auf ein Gebäude der Stadtverwaltung 16 Menschen getötet und 52 weitere verletzt worden.

Tag 376: 16. Oktober 2024

Angesichts der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen erhöht die US-Regierung den Druck auf ihren Verbündeten Israel: Sollte sich die Situation für die Menschen in dem abgeriegelten Küstenstreifen nicht innerhalb von 30 Tagen spürbar verbessern, drohe ein Verstoss gegen US-Gesetze zur militärischen Unterstützung, hiess es aus Washington. Das könnte auch die amerikanische Militärhilfe für Israel gefährden. Die jüngsten Bilder von einem Angriff der israelischen Streitkräfte auf ein Krankenhausgelände im Gazastreifen seien "entsetzlich", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weissen Haus, John Kirby.

Das US-Aussenministerium bestätigte Medienberichte über einen Brief, in dem US-Aussenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin ihre "tiefe Besorgnis" über die humanitäre Lage in Gaza äusserten und "dringende und nachhaltige Massnahmen" seitens der israelischen Regierung forderten. Welche konkreten Konsequenzen die US-Regierung ziehen könnte, sollte Israel der Aufforderung nicht nachkommen, war zunächst unklar. Es gehe nicht "um irgendwelche Drohungen", sagte der Sprecher des Aussenministeriums, Matthew Miller, sondern um "Ergebnisse" für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen.

Rund ein Jahr nach Beginn des Gaza-Kriegs ist die humanitäre Lage in der Region desaströs. Nach palästinensischen Angaben kamen bislang über 42.000 Menschen ums Leben, der Grossteil der Bevölkerung ist auf der Flucht. Die Infrastruktur ist weitgehend zerstört, es fehlt an Lebensmitteln und Medikamenten. Ausgelöst hatte den Gaza-Krieg der beispiellose Angriff der islamistischen Hamas und ihrer Verbündeten am 7. Oktober des Vorjahres auf den Süden Israels. Angehörige der Terrormilizen und andere Bewaffnete töteten mehr als 1.200 Menschen und verschleppten weitere rund 250 als Geiseln in den Gazastreifen.

Washingtons Doppelstrategie vor der Wahl: Unterstützung und Mahnung

Angesichts der weltweiten Empörung über die erbärmlichen Zustände im Gazastreifen versucht die US-Regierung nun einen schwierigen Balanceakt: Einerseits betont Washington immer wieder sein sicherheitspolitisches Engagement und Israels Recht auf Selbstverteidigung. Israel erhält umfassende militärische und nachrichtendienstliche Unterstützung. Andererseits steht die US-Regierung unter innenpolitischem Druck. Kriegsgegner kritisieren das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen scharf und fordern einen Stopp von US-Waffenlieferungen an das Land. Die Debatte über den Kurs der USA gegenüber Israel gewinnt auch vor der Präsidentschaftswahl am 5. November an Bedeutung. Die Frist, die Blinken und Austin in ihrem Schreiben gesetzt haben, endet nach dem Wahltag.

US-Regierung kritisiert israelische Angriffe in Beirut

Auch die jüngsten Angriffe des israelischen Militärs auf die libanesische Hauptstadt Beirut kritisierte die US-Regierung ungewöhnlich deutlich. "Wir haben Israel unmissverständlich mitgeteilt, dass wir ihre fast täglichen Angriffe in dicht besiedelten Gebieten in Beirut ablehnen", sagte Sicherheitsratssprecher Kirby. Israel habe zwar das Recht, "gezielte Einsätze" gegen die Infrastruktur der proiranischen Hisbollah-Miliz durchzuführen, müsse dabei aber auch sicherstellen, dass das Leben von Zivilisten, UN-Blauhelmsoldaten und libanesischen Streitkräften nicht gefährdet werde - wie es bereits geschehen sei.

US-Raketenabwehrsystem in Israel bald einsatzbereit

Trotz der harschen Kritik an der israelischen Kriegsführung im Gazastreifen und im Libanon unterstützen die Vereinigten Staaten ihren Verbündeten Israel weiterhin militärisch. So begannen die USA mit der Stationierung einer Batterie des Raketenabwehrsystems THAAD in Israel. Das "Terminal High-Altitude Area Defense" gehört zu den modernsten Raketenabwehrsystemen der Welt. Mit der Stationierung reagiert Washington auf die jüngsten Raketenangriffe aus dem Iran.

Israelischer Oppositionschef befürwortet Angriff auf Irans Ölfelder

In der Debatte über einen möglichen Vergeltungsschlag gegen den Iran spricht sich der israelische Oppositionsführer Jair Lapid dafür aus, bei dem geplanten Angriff die Ölfelder des Landes ins Visier zu nehmen. "Wir sollten mit den Ölfeldern beginnen", sagte er der "Jerusalem Post". Das würde der Wirtschaft der Islamischen Republik schaden, begründete er seine Forderung. Zuletzt war bekanntgeworden, dass sich Israel bei einem Schlag gegen den Iran auf militärische Einrichtungen konzentrieren und die Atom- und Ölanlagen verschonen will. Vor zwei Wochen hatten Irans Revolutionsgarden rund 200 ballistische Raketen auf den jüdischen Staat gefeuert. Israel kündigte daraufhin Vergeltung an. Laut Analysten könnte ein Angriff auf die Ölanlagen die Energiepreise in die Höhe treiben.

 

 

Tag 375: 15. Oktober 2024

Israelische Bodentruppen haben im Südlibanon nach Angaben der Armee ein unterirdisches Gelände der Hisbollah entdeckt. Dieses soll als Kommandozentrale der Elitetruppe Radwan der libanesischen Miliz gedient haben, in der Waffen, Munition und Motorräder bereitstanden, wie das Militär mitteilte. Die Armee veröffentlichte ein Video, wonach in dem Komplex Schlafzimmer, eine Küche sowie Sanitäranlagen zu sehen sind. Der unterirdische Komplex war nach Armee-Angaben so konzipiert, dass eine Radwan-Truppe dort ankommt, sich ausrüstet und dann zu Fuss oder auf Motorrädern in israelisches Territorium eindringt. Das Gelände befindet sich laut Militär unter einem zivilen Gebiet im Süden des Libanons. Die israelischen Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen. Bei der Entdeckung des unterirdischen Geländes seien die Truppen auf einen Radwan-Kämpfer gestossen, der sich laut Armee-Mitteilung dort verschanzt hatte. Sie töteten ihn.

 

Tag 374: 14. Oktober 2024

Nach dem Beschuss von UN-Blauhelmtruppen im Libanon bei Gefechten zwischen israelischen Soldaten und der islamistischen Hisbollah-Miliz mahnt UN-Generalsekretär António Guterres zur Zurückhaltung. Das Personal und die Posten der im Libanon stationierten Unifil-Truppen dürften niemals gezielt angegriffen werden, liess er über einen Sprecher in New York erklären. "Angriffe auf Friedenstruppen verstossen gegen das Völkerrecht, einschliesslich des humanitären Völkerrechts. Sie könnten ein Kriegsverbrechen darstellen."

Zur Aufforderung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, die Unifil-Truppen aus den Kampfgebieten abzuziehen, sagte Guterres, die Unifil-Friedenstruppe bleibe auf ihren Stützpunkten im Süden Libanons, "und die UN-Flagge weht weiterhin".

Aufgabe von Unifil ist es, die Einhaltung der Waffenruhe nach dem Libanon-Krieg 2006 zu überwachen. Die Truppe mit mehr als 10.000 beteiligten UN-Soldaten ist bewaffnet, verfügt aber über kein robustes Mandat. Das heisst, sie kann ihre Waffen im Wesentlichen nur zur Selbstverteidigung einsetzen.

In den vergangenen Tagen waren die Blauhelmsoldaten mehrmals unter Feuer geraten, am Donnerstag und Freitag wurden mindestens vier Soldaten verletzt. Am Sonntag durchbrachen israelische Panzer gewaltsam das Haupttor eines UN-Postens in Ramja - was Guterres als "sehr besorgniserregend" nannte.

Das israelische Militär teilte dazu mit, dass ein Panzer, der Verwundete transportierte und unter Beschuss war, beim Wenden einige Meter in den Unifil-Stützpunkt eingedrungen sei. Zudem seien Rauchgranaten gezündet worden, um den Abtransport der Verwundeten zu sichern. Anschliessend habe der Panzer den Stützpunkt verlassen. Für die UN-Soldaten sei von den israelischen Streitkräften zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr ausgegangen.

 

373: 13. Oktober 2024

Die libanesische Hisbollah-Miliz soll nach Angaben der israelischen Armee am Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, rund 320 Geschosse auf Israel abgefeuert haben. Die meisten Raketen und Drohnen habe die israelische Luftabwehr abgefangen, andere gingen über offenem Gelände nieder, hiess es. In der Nähe der nördlichen Stadt Akko erlitten zwei Israelis leichte Verletzungen durch Geschossspliter, wie israelische Medien berichteten. Im Seebad Herzlia nahe Tel Aviv richtete eine Drohne, die die Luftabwehr überwand, Schäden an Gebäuden an.

Israels Armee hat ihren Kampf gegen die proiranische Hisbollah-Miliz seit September deutlich verstärkt. Das schliesst massive Luftangriffe und eine Bodenoffensive im Libanon ein. Die Hisbollah weitete ihrerseits ihre Angriffe aus. Während sie zuvor nur die grenznahen Gebiete im Norden Israels beschossen hatte, zielen ihre Raketen und Drohnen inzwischen auch auf die Hafenstadt Haifa und den Grossraum Tel Aviv.

 

Tag 371: 11. Oktober 2024

Nach dem Beschuss des Hauptquartiers der UN-Mission Unifil im Libanon hat sich der Chef der UN-Friedensmissionen Jean-Pierre Lacroix besorgt um die Sicherheit der Blauhelmsoldaten gezeigt. "Die Sicherheit und der Schutz der Friedenstruppen ist jetzt zunehmend in Gefahr", sagte Lacroix vor dem UN-Sicherheitsrat in New York.

Ein Grossteil des südlichen Libanon, das Einsatzgebiet von Unifil, sei "jetzt unbewohnt und zunehmend auch unbewohnbar", sagte Lacroix. Die operativen Tätigkeiten der Einsatzkräfte stünden seit rund zwei Wochen weitestgehend still, sie hätten sich auf ihre Stützpunkte zurückgezogen und verbrächten viel Zeit in Schutzbunkern.

Israelische Truppen hatten im Libanon nach Darstellung der Vereinten Nationen das Unifil-Hauptquartier beschossen und dabei mindestens zwei UN-Soldaten verletzt. Es handelt sich um zwei Männer aus Indonesien, die leicht verletzt wurden. Es sind die ersten Opfer in den Reihen der Blauhelm-Mission seit Beginn von Israels Bodenoffensive im Libanon gegen die Hisbollah vor einer Woche. Israels Armee hat die Hisbollah beschuldigt, Gegenden in der Nähe von Stützpunkten der Blauhelm-Mission für ihre Zwecke zu missbrauchen

Israel forderte die Unifil-Einsatztruppen auf, sich zu ihrem eigenen Schutz fünf Kilometer nach Norden zu verlagern. Darauf ging Unifil aber mit Verweis auf das Mandat der Mission zumindest zunächst nicht ein. "Unsere Einsatzkräfte sind auf ihren Positionen geblieben", sagte Lacroix. Die UN-Mission überwacht das Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon seit Jahrzehnten. Daran sind mehr als 10'000 UN-Soldaten aus mehr als 50 Ländern beteiligt.

 

 

Tag 370: 10. Oktober 2024

Nach dem massiven Raketenangriff aus dem Iran bereitet Israel einen Vergeltungsschlag gegen den Erzfeind vor. Heute will das israelische Sicherheitskabinett über mögliche Szenarien beraten, wie das US-Nachrichtenportal Axios berichtet. Verteidigungsminister Joav Galant drohte dem Iran mit einem harten Vergeltungsschlag. "Wer versucht, dem Staat Israel zu schaden, wird einen Preis zahlen", schrieb er auf der Plattform X. "Unser Angriff im Iran wird tödlich, präzise und überraschend sein."

Der Iran hatte in der vergangenen Woche rund 200 Raketen auf Israel abgefeuert. Ausserdem unterstützt die Regierung in Teheran die Schiiten-Miliz Hisbollah im Libanon und die Huthi-Miliz im Jemen, die ihrerseits immer wieder Israelangreifen. Wie die israelische Reaktion ausfallen könnte, war zunächst noch unklar. Medienberichten zufolge diskutierte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit den Spitzen von Militär und Geheimdiensten zuletzt eine Kombination aus Luftangriffen auf militärische Ziele im Iran und verdeckten Einsätzen. "Der Iran wird nicht verstehen, was ihm geschieht", kündigte Verteidigungsminister Galant beim Besuch einer Militäreinheit an.

Nach fast zwei Monaten Funkstille: Netanjahu telefoniert mit Biden

Am Mittwoch telefonierte Regierungschef Netanjahu nach fast zwei Monaten erstmals wieder mit US-Präsident Joe Biden. Den Angaben zufolge bekräftigte Biden in dem Telefonat seine "eiserne" Unterstützung für die Sicherheit Israels und verurteilte den iranischen Raketenangriff vom 1. Oktober auf Israel scharf. Er betonte dabei das Recht Israels auf Selbstverteidigung gegen die Hisbollah-Miliz, mahnte jedoch zugleich zur Rücksicht auf die Zivilbevölkerung, insbesondere in den dicht besiedelten Gebieten der libanesischen Hauptstadt Beirut. Medienberichten zufolge steigt in Washington der Frust darüber, dass die israelische Regierung den engen Verbündeten häufig erst im Nachhinein über militärische Einsätze informiert. Biden hatte in der vergangenen Woche erklärt, dass er einen israelischen Vergeltungsschlag auf nukleare Ziele nicht unterstützen werde. Auch ein Angriff auf die iranische Ölindustrie wird in Washington abgelehnt.

USA fordern Israel zu besserem Schutz von Zivilisten im Gazastreifen auf

Angesichts des grossen Leids im Gazastreifen fordern die USA ihren Verbündeten Israeleindringlich auf, Zivilisten in dem Gebiet besser zu schützen. "Diese katastrophalen Zustände wurden schon vor Monaten vorausgesagt, und dennoch wurde noch immer nichts unternommen. Das muss sich ändern, und zwar jetzt", sagte die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. "Wir fordern Israel auf, dringend entsprechende Massnahmen zu ergreifen." Die Einschränkung von Warenlieferungen in den abgeriegelten Küstenstreifen würden "das Leiden im Gazastreifen nur noch verstärken". Thomas-Greenfield mahnte: "Wir brauchen weniger Hindernisse für die Lieferung von Hilfsgütern, nicht mehr."

Palästinenser: Dutzende Tote nach Angriffen in Dschabalia

Bei israelischen Angriffen auf den Ort Dschabalia im Norden des Gazastreifens kamen palästinensischen Angaben zufolge Dutzende Menschen ums Leben. Mindestens 47 Palästinenser wurden getötet, hiess es aus medizinischen Kreisen im Gazastreifen. Darunter soll demnach auch ein palästinensischer Journalist sein. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Einer der Angriffe soll einem Bericht der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa zufolge dem Hof eines Krankenhauses gegolten haben. Dabei seien auch Zelte von Vertriebenen getroffen worden. Das israelische Militär teilte auf Anfrage mit, es habe Hamas-Mitglieder in einem Kommando- und Kontrollzentrum angegriffen.

Libanon: Fünf Zivilschutz-Mitarbeiter bei israelischem Angriff getötet

Bei einem israelischen Angriff im Südlibanon wurden nach Behördenangaben fünf Mitglieder des Zivilschutzes getötet. Sie hätten sich zum Zeitpunkt des Angriffs in einem Zentrum des Zivilschutzes in dem Ort Derdghaija aufgehalten, teilte das libanesische Gesundheitsministerium mit. Das Ministerium verurteilte den Angriff auf Helfer und Retter im Libanon. Israel missachte erneut internationale Gesetze und humanitäre Konventionen.

369: 9. Oktober 2024

UN-Generalsekretär António Guterres hat sich deutlich gegen ein vom israelischen Parlament geplantes Gesetz ausgesprochen, das das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA als Terrororganisation einstufen würde. Ein solches Gesetz würde die Anstrengungen, das menschliche Leid und die Spannungen im Gazastreifen - und auch im Westjordanland und in Ostjerusalem - zu lindern, "ersticken", sagte Guterres in New York. "Es wäre eine Katastrophe in einem jetzt schon kompletten Desaster."

Er habe sich deswegen schriftlich direkt an den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu gewandt und seine "tiefe Besorgnis" über den Gesetzentwurf zum Ausdruck gebracht, "der das UNRWA daran hindern könnte, seine wichtige Arbeit in den besetzten palästinensischen Gebieten fortzusetzen".

Das israelische Parlament will ein Gesetz auf den Weg bringen, das UNRWA als Terrororganisation einstufen und laut Medienberichten seine Arbeit auf israelischem Territorium verbieten würde. Ein Ausschuss im Parlament billigte vor wenigen Tagen einen entsprechenden Entwurf, der damit nun in einer zweiten und dritten Lesung im Parlament verabschiedet werden kann. Es wird erwartet, dass dies passiert. Medien zufolge haben Vertreter des Aussenministeriums Bedenken über die praktischen Konsequenzen geäussert, sollte das Gesetz wirklich kommen.

Israel hatte in der Vergangenheit immer wieder Vorwürfe gegen das UNRWA erhoben. Demnach sollen mehrere Mitarbeiter der Organisation in das Massaker vom 7. Oktober 2023 verwickelt gewesen und die Organisation als Ganzes von der Hamas unterwandert sein.

 

368: 8. Oktober 2024

Beim Einschlag mindestens einer Rakete aus dem Libanon in Israels drittgrösster Stadt Haifa ist eine Frau leicht verletzt worden. Sie habe eine Splitterwunde an der Hand erlitten, teilte der Rettungsdienst Magen David Adom auf der Plattform X mit.

Die israelische Armee teilte mit, insgesamt seien bis zum Nachmittag 135 Raketen registriert worden, die auf Ziele in Galiläa und vor allem in Haifa gerichtet gewesen seien. Die meisten der Geschosse seien abgefangen worden, einige aber auch in Vororten eingeschlagen.

Die Zeitung "Times of Israel" sprach vom grössten Raketenangriff auf die Stadt Haifa, seitdem die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah vor einem Jahr mit dem Beschuss Nordisraels begann. Auf Videos, die die Zeitung veröffentlichte, waren Schäden an Häusern und Autos in dem nördlichen Vorort Kiriat Jam zu sehen.

Fast zeitgleich hatte der Vizechef der Hisbollah, Naim Kassim, im Fernsehen betont, die islamistische Organisation sei weiter kampfbereit. Zuletzt hatte Israel der Hisbollah unter anderem mit der Tötung ranghoher Mitglieder schwere Schläge zugefügt.

 

10:00
Die israelische Armee hat ihre Bodenoffensive im Libanon nach eigenen Angaben ausgeweitet. Eine vierte Division sei in das nördliche Nachbarland vorgerückt, um die dort eingesetzten Verbände gegen die islamistische Hisbollah-Miliz zu verstärken, teilte die Armee mit.

Eine Division ist ein militärischer Grossverband mit mehreren Brigaden und umfasst in der Regel mehrere Tausend Soldaten.

Die 146. Reservedivision sei seit Montag im westlichen Sektor des Südlibanons im Einsatz, hiess es. Zuvor waren weitere israelische Bezirke im westlichen Bereich der faktischen Grenze Israels zum Libanon zu geschlossenen militärischen Zonen erklärt worden. Die anderen drei israelischen Divisionen seien im mittleren und östlichen Sektor der Front im Einsatz, hiess es.

Die Hisbollah greift Israel seit einem Jahr mit Raketen und Granaten an - aus "Solidarität" mit der Hamas im Gazastreifen, wie sie sagt. Israel will die Miliz von der Grenze vertreiben, damit rund 60'000 evakuierte Israelis in ihre Häuser zurückkehren können.

 

06:00
Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hat in einer Videobotschaft bei der offiziellen Gedenkveranstaltung zum Jahrestag des Massakers vom 7. Oktober den Kampfwillen seines Landes bekräftigt. "Gemeinsam werden wir weiter kämpfen, und gemeinsam - mit Gottes Gnade - werden wir siegen", sagte er in einer Videobotschaft. Die Zeremonie fand in dem Ort Ofakim in der Nähe des Gazastreifens statt, wo vor einem Jahr 40 Menschen ermordet worden waren.

Der 7. Oktober, an dem Terroristen der islamistischen Hamas und anderer Extremisten vor einem Jahr rund 1.200 Menschen in Israeltöteten und rund 250 weitere in den Gazastreifen verschleppten, sei "ein Tag unbeschreiblichen Leids für das Land", sagte der konservative Politiker.

Aber die Israelis hätten zusammengestanden für die Verteidigung des Landes. "Wir haben die Kriegsziele festgelegt und wir erreichen sie" versprach er. Diese seien: Die Herrschaft der Hamas zu brechen, alle Geiseln nach Hause zu bringen, jede künftige Bedrohung aus dem Gazastreifen unmöglich zu machen und eine sichere Rückkehr der Bewohner des Südens und des Nordens in ihre Häuser zu ermöglichen

Tag 367: 7. Oktober 2024

Am ersten Jahrestag des Terrorüberfalls der islamistischen Hamas auf Israel heulen im Grenzgebiet zum Gazastreifen erneut die Sirenen. Es seien vier Geschosse aus dem südlichen Gaza abgefeuert worden, drei davon habe das Militär abgefangen, teilte Israels Armee am frühen Morgen mit. Ein Projektil sei auf offenem Gelände niedergegangen. Es würden Abschussrampen der Hamas und unterirdische "terroristische Infrastruktur" im gesamten Gazastreifen angegriffen, hiess es. Während der Vergeltungsschlag Israels nach dem Raketenangriff des Irans vergangene Woche zunächst weiter auf sich warten liess, bombardierte Israels Armee in der Nacht erneut auch Stellungen der Hisbollah im Libanon.

Zugleich schoss die proiranische Schiiten-Miliz Raketensalven unter anderem auf die Hafenstadt Haifa im Norden Israels ab, wie die Armee mitteilte. Dort schlugen trotz Abwehrfeuers Projektile ein. Laut der "Times of Israel" wurden fünf Menschen in dem Gebiet durch Granatsplitter verletzt. Derweil setzen Israels Truppen die erneut gestartete Bodenoffensive im Norden des Gazastreifens fort. "Heute vor einem Jahr wurde die Geschichte unseres Landes für immer verändert", schrieb die israelische Armee am frühen Morgen auf X, während im Grenzgebiet zum Gazastreifen erneut die Warnsirenen heulten.

Gedenkveranstaltungen am Jahrestag des Hamas-Massakers

Am Vorabend begannen in Israel die ersten Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Terrorüberfalls der Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres. In Tel Aviv kamen Angehörige der fast 400 auf dem Nova-Musikfestival getöteten Menschen zusammen. "Ich stecke immer noch am 7. Oktober fest", wurde die Mutter einer ermordeten jungen Frau in israelischen Medien zitiert. "Die Welt bewegt sich weiter, aber für mich ist die Zeit stehengeblieben." Ein Israeli, dessen Neffe vom Nova-Festival entführt wurde und vermutlich immer noch im Gazastreifen festgehalten wird, rief der "Times of Israel" zufolge die Regierung auf, so schnell wie möglich eine Einigung mit der Hamas zur Freilassung der Geiseln zu erzielen.

Demonstrationen auch in Deutschland

An Tel Avis "Platz der Geiseln" kamen mehr als tausend Menschen zusammen. Überlebende, freigelassene Geiseln und Angehörige Ermordeter sprachen dabei über ihre Erlebnisse. Auch in mehreren deutschen Städten gingen Tausende Menschen bereits am Vorabend des Jahrestags auf die Strasse. In Berlin kam es bei einer Pro-Palästina-Kundgebung zu Tumulten. Heute sind bundesweit erneut Demonstrationen sowie Gedenkveranstaltungen geplant.

Tausende Bewaffnete der Hamas und andere Extremisten aus dem Gazastreifen hatten an jenem 7. Oktober die israelische Sperranlage zu dem Küstengebiet durchbrochen, mehr als 1.200 Menschen umgebracht und etwa 250 weitere als Geiseln nach Gaza verschleppt. Dies war der Auslöser für den Krieg. Seither wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde rund 42.000 Palästinenser im Gazastreifen getötet. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten und lässt sich kaum überprüfen.

Das UN-Nothilfebüro (OCHA) bezeichnete die vergangenen zwölf Monate im Nahen Osten als "unerbittliche Tragödie". Joyce Msuya, die amtierende UN-Nothilfekoordinatorin, sagte: "Keine Statistiken oder Worte können das Ausmass der physischen, psychischen und gesellschaftlichen Zerstörung, die stattgefunden hat, vollständig wiedergeben". Ihr Büro verurteilte den Überfall der Hamas. Israels anschliessende Militärschläge im Gazastreifen hätten eine Katastrophe ausgelöst. Schulen, in denen vertriebene Familien untergebracht sind, sowie Krankenhäuser seien wiederholt beschossen worden. Die Menschen lebten mit extremen Entbehrungen, ohne ausreichend Essen oder medizinische Versorgung, hiess es.

Israels Armee geht weiter im Gazastreifen vor

Ungeachtet aller Aufrufe zu einer Waffenruhe startete Israel eine neue Bodenoffensive im Norden des Gazastreifens. Zugleich griff Israels Luftwaffe nach eigenen Angaben in der Nacht erneut eine Kommandozentrale der Hamas an. Sie habe sich im Zentrum des abgeriegelten Küstenstreifens auf dem Gelände des Shuhada Al-Aksa-Krankenhauses befunden, hiess es in der Nacht. In demselben Gebiet hatte die Armee nach eigenen Angaben vom Vortag Kommandozentralen angegriffen, die sich einer früheren Schule und einer früheren Moschee befunden hätten. Die Angaben liessen sich nicht unabhängig prüfen.

Der militärische Flügel der Hamas sei besiegt, der Kampf gegen ihre Terrorstrukturen werde fortgesetzt, sagte Israels Generalstabschef Herzi Halevi. Er bezeichnete in einem Schreiben an seine Soldaten den 7. Oktober 2023 als den Tag, "an dem wir bei unserer Mission gescheitert sind, die Bürger des Staates Israel zu schützen." Es sei "nicht nur ein Tag des Gedenkens, sondern auch ein Aufruf zu tiefer Selbstbesinnung", schrieb Halevi über das "Eingeständnis unserer Fehler und die Verpflichtung, daraus zu lernen." Angehörige der Geiseln riefen für heute zu einer Demonstration vor dem Amtssitz von Regierungschef Benjamin Netanjahu auf. Der wollte im Fernsehen eine Ansprache an die Nation halten.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte am Samstag ein Waffenembargo gegen Israel für die Kämpfe in Gaza gefordert, worauf Netanjahu erbost reagierte. Wie der französische Präsidentenpalast mitteilte, bekräftigte Macron in einem Telefonat mit Netanjahu Frankreichs unerschütterliches Engagement für die Sicherheit Israels. Zugleich habe er seine Überzeugung geäussert, dass die Zeit für eine Waffenruhe gekommen sei. Die Bemühungen der Vermittler USA, Katar und Ägypten darum drehen sich jedoch seit Monaten im Kreis.

Kämpfe auch im Libanon

Mit Blick auf die Kämpfe gegen die Hisbollah-Miliz im Libanon sagte Halevi, der Miliz sei ein schwerer Schlag versetzt worden. "Wir hören nicht auf", betonte der Armeechef. "Wir zerstören die Fähigkeiten unserer Feinde und werden sicherstellen, dass diese Fähigkeiten nicht wieder aufgebaut werden, damit sich der 7. Oktober nie wiederholt." Wie das Militär in der Nacht mitteilte, griffen Kampfflugzeuge die Geheimdienstzentrale der Hisbollah in der libanesischen Hauptstadt Beirut an. Auch Kommandozentralen sowie weitere "terroristische Infrastruktur" der proiranischen Miliz seien attackiert worden, darunter Waffenlager.

Keine der Angaben konnte unabhängig überprüft werden. Bei einem israelischen Angriff auf den Ort Kayfun im Libanon-Gebirge wurden nach Behördenangaben mindestens sechs Menschen getötet. Weitere 13 wurden demnach verletzt. Die Hisbollah wiederum setzte ihren Beschuss des Nordens Israels fort. Dass Projektile im Gebiet Haifa einschlagen konnten, werde untersucht, teilte Israels Armee in der Nacht mit. Bilder zeigten Schäden auf einer Strasse. Weitere Raketen wurden laut der Armee abgefangen. Andere gingen nieder, hiess es. Auch in der Stadt Tiberias im Norden wurde Berichten zufolge eine Person verletzt.

Flugverbot im Iran wieder aufgehoben

Unterdessen nahm der Iran den zivilen Flugverkehr am internationalen Flughafen von Teheran wieder auf. "Die Lage ist wieder normal, und der Flugverkehr läuft wieder", sagte ein Sprecher des Imam Khomeini Airport (IKA) der Nachrichtenagentur Ilna. Zuvor hatte die zivile Luftfahrtbehörde kurzfristig ein landesweites Flugverbot verhängt. Beobachter hatten befürchtet, dass die Entscheidung der Behörde am Abend wegen eines bevorstehenden israelischen Gegenangriffs getroffen wurde. Israel hatte eine "bedeutende Antwort" auf Irans Angriff angekündigt. Der Iran drohte für den Fall eine "wesentlich härtere" Reaktion an.

 

 

Tag 366: 6. Oktober 2024

14.00

Bei Schüssen am Busbahnhof der südisraelischen Stadt Beerschewa ist eine Frau getötet worden, mehrere Menschen wurden verletzt. Die Polizei geht von einem Terroranschlag aus. Der Angreifer sei "neutralisiert" worden. Ob er festgenommen oder getötet wurde, geht aus dem Bericht nicht hervor. Nach Militärangaben war der Täter ein Beduine mit israelischer Staatsbürgerschaft. Der israelische Rettungsdienst berichtete von zehn Verletzten, die in einem Krankenhaus der Stadt behandelt wurden.

Beerschewa gilt als "Tor zur Negevwüste". Die israelische Armee hatte wenige Stunden zuvor berichtet, dass im Zusammenhang mit dem Jahrestag des Terrorangriffs vom 7. Oktober zusätzliche Militärangehörige in die Nähe des Gazastreifens gebracht worden seien.

 

95:00
Kurz vor dem ersten Jahrestag des Hamas-Massakers am 7. Oktober haben in Israel wieder Tausende für einen Deal mit der Hamas über die Freilassung der verbliebenen Geiseln demonstriert. Die Kundgebungen waren nicht so gross wie sonst oftmals, weil es vielerorts Beschränkungen bei Versammlungen gibt. Hintergrund ist die Sicherheitslage im Land.

Bei der Kundgebung in der Küstenmetropole Tel Aviv waren israelischen Medien zufolge rund 2.000 Demonstranten - so viele sind in Zentralisrael derzeit auch nur erlaubt. Das Heimatfrontkommando hatte die Teilnehmerzahl von Veranstaltungen im Freien in der Region noch am Abend um 1.000 Personen erhöht.

Auch in vielen anderen Orten im Land gab es wieder Proteste für ein Abkommen, das auch eine Waffenruhe im Gaza-Krieg vorsieht.

"Ein Jahr und sie sind immer noch nicht hier", war auf einem Plakat bei der Kundgebung in Tel Aviv zu lesen. Angehörige der Geiseln werfen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor, einen Deal mit der Hamas zu sabotieren und sich den Forderungen seiner ultrareligiösen und rechtsextremen Koalitionspartner zu beugen. Diese sind gegen Zugeständnisse an die Islamistenorganisation. Netanjahu ist auf sie für sein politisches Überleben angewiesen

Viele Demonstranten fürchten zudem, dass das Schicksal der Geiseln angesichts der Kämpfe im Libanon vergessen wird.

Tag 365: 5. Oktober 2024

Israels Luftwaffe hat in der Nacht laut örtlichen Sicherheitsquellen Ziele weit im Landesinneren des Libanons angegriffen. Demnach traf eine Drohne nahe der Hafenstadt Tripoli im Nordwesten eine Wohnung in einem palästinensischen Flüchtlingslager. Dem Vernehmen nach soll es Tote und Verletzte geben. Es sei der erste Angriff dieser Art auf das Gebiet, seit Israel vor mehr als zwei Wochen seine Offensive begann, hiess es. Auch in südlichen Vororten der Hauptstadt Beirut sowie im Bekaa-Tal im Osten wurden erneut Angriffe gemeldet. Von Israels Armee gab es zunächst keine Angaben.

Unterdessen herrscht im Nahen Osten kurz vor dem ersten Jahrestag des Massakers der islamistischen Hamas in Israel am 7. Oktober nervöses Warten auf die angekündigte Vergeltung Israels für Irans kürzlichen Raketenangriff. Israel habe der Regierung von US-Präsident Joe Biden nicht zugesichert, dass ein möglicher Angriff auf die iranischen Atomanlagen vom Tisch ist, sagte ein hochrangiger Beamter des US-Aussenministeriums dem US-Fernsehsender CNN. Biden hatte sich am Mittwoch gegen einen solchen Angriff ausgesprochen.

Biden gegen Angriff auf Irans Atomanlagen, Trump dafür

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump widersprach ihm jetzt: "Seine Antwort hätte sein sollen: Zielt zuerst auf die Atomanlagen und macht euch über den Rest später Gedanken", sagte Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in Fayetteville im US-Bundesstaat North Carolina. Biden riet Israelauch von Angriffen auf die Infrastruktur der iranischen Öl-Industrie ab. "Wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich über andere Alternativen nachdenken, als Ölfelder anzugreifen", sagte er vor der Presse im Weissen Haus.

Zahlreiche Kundgebungen zum Jahrestag des Hamas-Massakers

Es sei schwer zu sagen, ob Israel den Jahrestag des Hamas-Überfalls vom 7. Oktober nutzen werde, um Vergeltung zu üben, zitierte CNN den US-Beamten weiter. Am 7. Oktober 2023 hatten Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen mehr als 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Dies war der Auslöser des Krieges in dem Küstenstreifen. Dort griff die israelische Armee nach eigenen Angaben unterdessen erneut eine Kommandozentrale der Hamas aus der Luft an.

Sie habe sich im Zentrum des abgeriegelten Küstengebiets in einem früheren Schulgebäude befunden, teilte die Armee in der Nacht mit. Man habe zuvor Massnahmen ergriffen, um die Gefahr für Zivilisten zu mindern. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig prüfen. Derweil wollen vor dem Jahrestag des Hamas-Massakers auch in Deutschland Menschen an den Überfall und an den Krieg erinnern. In Berlin und andernorts sind für dieses Wochenende zahlreiche Veranstaltungen angekündigt. Die Polizei stellt sich auf einen Grosseinsatz ein.

Derweil herrscht nach dem Raketenangriff des Irans auf Israel vom Dienstag Sorge vor einem Flächenbrand. Die Israelis hätten sich bislang nicht festgelegt, wie sie auf den iranischen Angriff reagieren wollten, sagte Biden. Der von CNN zitierte Beamte antwortete auf die Frage, ob ein Angriff auf Irans Atomanlagen vom Tisch sei: "Wir hoffen und erwarten, dass wir sowohl Weisheit als auch Stärke sehen werden, aber wie Sie wissen, gibt es keine Garantien". Ein anderes mögliches Ziel für Israel könnten laut Experten Irans Raketen sein.

Experte: Angriff auf Irans Raketenproduktion möglich

Da diese bei einem möglichen erneuten Angriff die Luftabwehr der Israelis am Ende überwältigen könnten, dürfte insbesondere Irans Kapazitäten zur Herstellung der Raketen zu den vorrangigen Zielen Israels gehören, zitierte das "Wall Street Journal" Fabian Hinz, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Verteidigungs- und Militäranalysen am International Institute for Strategic Studies. Während sich die iranischen Raketenbestände in unterirdischen Anlagen befänden, die nur schwer zu treffen seien, seien die Raketenproduktionsanlagen weniger geschützt, erklärte Hinz der US-Zeitung.

"Selbst recht begrenzte Angriffe hätten Auswirkungen - nichts, was man nicht reparieren könnte, aber etwas, das die Produktion für eine ganze Weile stoppen würde", sagte er. Der Iran hatte Israel am Dienstag mit rund 180 Raketen angegriffen. Die meisten wurden laut Israels Militär auch mithilfe einer von den USA geführten Verteidigungskoalition abgefangen.

Irans Religionsführer verteidigt Angriff auf Israel

Der Angriff erfolgte nach einer Reihe von gezielten Tötungen durch Israel, die sich gegen zentrale Akteure in Irans Netzwerk nichtstaatlicher Verbündeter wie der Hisbollah richteten. Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei verteidigte den Raketenangriff und sprach den Verbündeten Mut zu. "Die glanzvolle Aktion unserer Streitkräfte (...) war eine völlig legale und legitime Handlung. Bei der Erfüllung unserer Pflicht zögern wir nicht und handeln nicht überstürzt", sagte das Staatsoberhaupt bei einer Freitagspredigt in der Hauptstadt Teheran.

 

"Wir haben nicht die Absicht, weiterzumachen", sagte Irans Aussenminister Abbas Araghchi, der angesichts der militärischen Spannungen für Gespräche in den Libanon gereist ist. "Sollte Israel weitere Aktionen gegen den Iran unternehmen, wird unsere Antwort härter ausfallen", sagte er vor Journalisten und fügte hinzu: "Unsere Reaktion wird angemessen und gut durchdacht sein." Beobachter vermuten, dass es bei seinem Besuch in der libanesischen Hauptstadt Beirut vor allem um die Nachfolge des bei einem israelischen Luftangriff getöteten Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah gehe. Der Iran ist der engste Verbündete der Hisbollah-Miliz, die nach dem Tod ihres Anführers erheblich geschwächt ist.

Bericht: USA wollen Schwäche Hisbollahs im Libanon nutzen

In Israel wurde derweil ein saudi-arabischer Medienbericht zitiert, wonach sich Israelinzwischen sicher sei, bei einem massiven Luftangriff in Beirut in der Nacht zum Freitag den als potenziellen Nachfolger von Nasrallah gehandelten Haschim Safi al-Din, Chef des Exekutivrats der Hisbollah, getötet zu haben. Eine offizielle Bestätigung der israelischen Armee gibt es bisher nicht. Auch die Hisbollah äusserte sich nicht dazu. Im Libanon, das seit zwei Jahren ohne Präsident ist und faktisch ohne Regierung, entstand durch Nasrallahs Tod ein Machtvakuum. Es gibt vorerst keine Anzeichen, dass der Iran die Lücke schliessen will.

Die USA wollen nach Informationen des US-Nachrichtenportals "Axios" den massiven Schlag Israels gegen die Hisbollah nutzen, um auf die Wahl eines neuen libanesischen Präsidenten zu drängen. Die Biden-Regierung sehe nun die Möglichkeit, den Einfluss der Miliz auf das politische System des Libanons drastisch zu verringern und einen neuen Präsidenten zu wählen, der kein Verbündeter der Hisbollah ist, zitierte "Axios" zwei nicht genannte US-Beamte.

Angriffe zwischen Hisbollah und Israel gehen weiter

Unterdessen geht der gegenseitige Beschuss zwischen der Hisbollah und der israelischen Armee weiter. Israels Armee will die Hisbollah schwächen und von der Grenze zu vertreiben. Die Schiitenmiliz gab im Morgengrauen eine Erklärung ab, wonach sie erneut eine Raketensalve auf den Norden Israels abgefeuert habe. Am Vortag hatte die proiranische Miliz nach Angaben des israelischen Militärs etwa 222 Geschosse aus dem Libanon auf israelisches Gebiet abgefeuert. Im Norden Israels heulten auch in der Nacht die Sirenen

 

Tag 364: 4. Oktober

06:00

Die libanesische Hauptstadt Beirut ist in der Nacht erneut Ziel massiver Bombardierungen des israelischen Militärs geworden. Unbestätigten Berichten zufolge galt der Luftangriff Haschim Safi al-Din, Chef des Exekutivrats der Hisbollah-Miliz. Er wird als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge des kürzlich bei einem israelischen Luftangriff in Beirut getöteten Hisbollah-Anführers Hassan Nasrallah gehandelt. Israel habe gegen Mitternacht ein Treffen der Hisbollah-Führung, bei dem auch Safi al-Din dabei gewesen sei, in einem unterirdischen Bunker bombardiert, meldete die "New York Times" unter Berufung auf drei israelische Beamte. Ob Safi al-Din zu der Zeit tatsächlich in dem Bunker war, sei noch unklar. Von Israels Armee gab es zu dem nächtlichen Luftangriff zunächst keine Angaben.

Er erfolgte laut libanesischen Sicherheitskreisen erneut in südlichen Vororten, die vor allem von der Hisbollah kontrolliert werden. Auf Videoaufnahmen waren Detonationen über der Stadt zu hören, gewaltige Flammen und Rauchschwaden stiegen in den Nachthimmel auf. Israels Militär hatte die Bewohner bestimmter Gebäude in den südlichen Vororten in arabischer Sprache zur Evakuierung aufgefordert. Die Angriffe ereigneten sich, während Israels Truppen und Panzer zugleich gegen die Hisbollah im Südlibanon kämpfen. Erklärtes Ziel Israels ist es, die proiranische Schiitenmiliz von der Grenze zu vertreiben, damit rund 60.000 evakuierte Israelis in ihre Häuser zurückkehren können.

Pentagon: Beraten mit Israel über Reaktion auf Angriff Irans

Die US-Regierung ist unterdessen weiter mit Israel über eine Reaktion auf den kürzlichen iranischen Raketenangriff im Gespräch. "Wir erörtern mit ihnen, wie eine Reaktion auf den Iran aussehen könnte. Aber hier Details zu erläutern, wie mögliche Ziele aussehen könnten, halte ich nicht für sinnvoll oder wirklich hilfreich", sagte Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh auf die Frage, ob iranische Ölanlagen ein mögliches Ziel seien. US-Präsident Joe Biden hatte gesagt, dass die USA über ihre Haltung zu einem möglichen israelischen Angriff auf iranische Ölanlagen diskutieren. Die Äusserung führte prompt zu Verunsicherung an den Märkten.

In Israel wird heute der zweite Tag des jüdischen Neujahrsfestes begangen. Nach Irans Raketenangriffen im April waren fünf Tage bis zum israelischen Gegenschlag vergangen. Derweil hat die islamistische Hamas zu weltweiten Solidaritätsdemonstrationen von heute an bis zum ersten Jahrestag des Beginns des Gaza-Krieges am 7. Oktober aufgerufen.

Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen hatten an jenem 7. Oktober 2023 mehr als 1.200 Menschen in Israelgetötet und etwa 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Dies war der Auslöser für den Gaza-Krieg. Seither greift die Hisbollah-Miliz im Libanon nach eigenen Angaben aus Solidarität mit der Hamas Israel an. Auch in der Nacht heulten im Norden Israels wieder Warnsirenen, wie die Armee bekanntgab. Ein Flugobjekt, das von Osten in Israels Gebiet eingedrungen sei, sei abgefangen worden.

Viele Tote bei israelischem Luftangriff im Westjordanland

Derweil geht Israels Militär auch im besetzten Westjordanland verstärkt gegen seine Feinde vor. Bei dem Angriff eines israelischen Kampfflugzeugs auf ein Café in der Stadt Tulkarm im Norden des Westjordanlandes wurden laut dem palästinensischen Gesundheitsministerium in Ramallah mindestens 18 Menschen getötet. Die Zahl der Verletzten war zunächst unklar. Es war der erste Luftangriff dieser Art seit Jahren im Westjordanland. Nach Angaben der israelischen Armee galt er dem Chef der islamistischen Hamas in Tulkarm, Sahi Jasser Abd al-Rasegh Ufi. Palästinensischen Medien zufolge wurde der Anführer der örtlichen Sektion der Terrororganisation Islamischer Dschihad, Gaith Radwan, bei dem Luftangriff getötet.

Israels Armee ruft Menschen im Libanon zur Flucht auf

Im Zuge seiner Bodenoffensive im Libanon hat das israelische Militär die Menschen in Dutzenden Orten im Süden des Landes zur Flucht aufgefordert. Demnach sollen sich die Menschen etwa 60 Kilometer hinter die Grenze in Sicherheit bringen. Ziel der Bodenoffensive sei bislang die Zerstörung von Tunneln und Waffen, die die Hisbollah in der Nähe der Grenze für einen möglichen Angriff auf Israel vorbereitet habe, zitierte das "Wall Street Journal" mehrere über den Einsatz informierte israelische Beamte. Demnach habe das Militär nicht die Absicht, den Einmarsch in einen grossangelegten Landkrieg im Libanon zu verwandeln. Nach Angaben der Armee wurden bei den Kämpfen bisher neun israelische Soldaten getötet.

Israel: 230 Raketen vom Libanon auf den Norden abgeschossen

Israel wurde zugleich erneut massiv aus dem Libanon mit Raketen beschossen. Binnen eines Tages seien rund 230 Geschosse und einige Drohnen gezählt worden, die von der Schiitenmiliz Hisbollah auf den Norden Israels abgefeuert worden seien, teilte die israelische Armee am Abend mit. Am Vortag war die Zahl von 140 solcher Angriffe genannt worden. In vielen Ortschaften in Israel heulten immer wieder die Sirenen des Luftalarms. Ein Teil der Geschosse sei abgefangen worden, ein anderer über unbewohntem Gebiet niedergegangen, hiess es. Über mögliche Opfer oder grössere Schäden wurde zunächst nichts mitgeteilt.

Die Hisbollah sei zwar nach den jüngsten massiven Angriffen der israelischen Armee geschwächt, habe aber ihre Fähigkeiten als Guerillakampftruppe im Süden des Landes erhalten, zitierte die "Washington Post" einen pensionierten libanesischen Armeegeneral. "Die Hisbollah hofft, dass die Israelis tiefer in den Libanon eindringen werden", sagte er. "Der Luftkrieg, den die Israelis geführt haben, war sehr erfolgreich. Wenn sie am Boden bleiben, wird die Hisbollah den Krieg bekommen, den sie will", sagte Hussein Ibish vom Arab Gulf States Institute, einer Denkfabrik in Washington, dem "Wall Street Journal".

Experte: Israels Vorgehen im Libanon ähnelt Gaza-Taktik

Statt die Erfahrungen vorheriger Bodenoffensiven im Südlibanon von 1978 und 2006 zu wiederholen, die Israel keine dauerhaften Sicherheitsgewinne brachten, ähnele Israels aktueller Krieg im Libanon eher dem Vorgehen gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen, sagte Sanam Vakil, Leiter des Nahostprogramms der Londoner Denkfabrik Chatham House, der US-Zeitung. "Ich gehe davon aus, dass sie, wie im Gazastreifen, die Drohung einer langfristigen Präsenz als Verhandlungsinstrument nutzen werden", so Vakil.

Die Hisbollah hat sich bisher jedem israelischen Druck widersetzt, ihren Raketenbeschuss vom Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen zu entkoppeln. Sie will erst bei einer Waffenruhe in Gaza die Angriffe einstellen. Die monatelangen Bemühungen der USA, Katars und Ägyptens um eine Waffenruhe im Gazastreifen sind jedoch im Sande verlaufen. Die USA als Israels wichtigster Verbündeter verteidigten Israels jüngste Angriffe im Libanon.

USA verteidigen Israels Vorgehen im Libanon

"Nichts, was wir bisher gesehen haben, lässt uns zu dem Schluss kommen, dass sie etwas anderes tun, als eine terroristische Organisation anzugreifen", sagte der Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller. Auf Fragen von Journalisten, ob Washington mit Blick auf die Gefährdung der Zivilbevölkerung das Vorgehen Israels im Libanon stillschweigend billige, entgegnete Miller: "Es ist nicht so, dass wir einzelne Angriffe genehmigen. Aber wir billigen das Recht der israelischen Regierung, sich gegen eine Terrororganisation zu verteidigen

01:00
Israel ist erneut massiv aus dem Libanon mit Raketen beschossen worden. Binnen eines Tages seien rund 230 Geschosse und einige Drohnen gezählt worden, die von der Schiitenmiliz Hisbollah auf den Norden Israels abgefeuert worden seien, teilte die israelische Armee mit. Am Vortag war die Zahl von 140 solcher Angriffe genannt worden.

In vielen Ortschaften heulten immer wieder die Sirenen des Luftalarms. Ein Teil der Geschosse sei abgefangen worden, ein anderer über unbewohntem Gebiet niedergegangen. Über mögliche Opfer oder grössere Schäden wurde zunächst nichts mitgeteilt.

Erklärtes Ziel Israels ist es, die Schiitenmiliz Hisbollah von der Grenze zu vertreiben, damit rund 60.000 evakuierte Israelis in ihre Häuser zurückkehren können.

Die israelische Armee setzte ihrerseits die Anfang vergangener Woche begonnenen massiven Luftangriffe auf die Hisbollah im Libanon fort, zum Teil auch in Wohngebieten. In der Hauptstadt Beirut seien 15 Terrorziele angegriffen worden, teilte die Armee mit. Wie viele Opfer es dabei gab, war zunächst nicht bekannt.

 

Tag 363: 3. Oktober 2024

Die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz im Jemen hat nach eigenen Angaben erneut die israelische Küstenmetropole Tel Aviv mit Drohnen angegriffen. Das israelische Militär teilte mit, eine Drohne vor der Küste im Grossraum Tel Aviv abgefangen zu haben. Eine weitere Drohne fiel demnach auf offenes Gelände.

Die Huthi erklärten, die Drohnen hätten ihr Ziel erreicht. Die Miliz habe die angeblich neuen Drohnen namens "Jaffa" eingesetzt, die Sari erstmals im Juli erwähnte. Tel Aviv liegt etwa 1.800 Kilometer vom Jemen entfernt.

In der südlich von Tel Aviv gelegenen Stadt Bat Jam gab es Raketenalarm. Berichte über Schäden oder Verletzte gab es zunächst nicht.

Die Huthi-Miliz hatte eine mit Sprengstoff beladene Drohne im Juli in Richtung Tel Aviv fliegen lassen. Diese schlug in ein Haus im Zentrum der Stadt ein. Ein Mann wurde getötet, mehrere weitere Menschen wurden verletzt. Sari sagte anschliessend, die neue Drohne "Jaffa" könne Abfangsysteme durchdringen und würde von Radarsystemen nicht erkannt.

 

Tag 362: 2. Oktober 2024

Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari sagte, der Iran habe "eine schwerwiegende Tat" begangen, die den Nahen Osten in Richtung Eskalation treibe. "Wir werden zu dem Zeitpunkt und an dem Ort handeln, den wir bestimmen, und zwar in Übereinstimmung mit den Anweisungen der politischen Ebene. Diese Ereignisse werden Konsequenzen nach sich ziehen." Wie genau ein Vergeltungsschlag aussehen könnte, sagte er nicht.

Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf US-Beamte, in einem möglichen Szenario könnte Israel die iranischen Nuklearanlagen angreifen. Insbesondere die Anreicherungsanlagen in Natanz, dem Herzstück des iranischen Programms, könnten im Visier stehen.

Hagari kündigte weitere Angriffe an. "Die Luftwaffe ist nach wie vor voll einsatzfähig und wird heute Abend im Nahen Osten weiterhin mit voller Kraft zuschlagen, so wie sie es im vergangenen Jahr getan hat", sagte er in der Nacht zum Mittwoch. Die iranischen Raketenangriffe hätten keine Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit der Luftwaffe. Netanjahu bezeichnete Irans Angriff als gescheitert.

Die Armee teilte am frühen Mittwochmorgen mit, es würden "terroristische Ziele in Beirut" attackiert. Details nannte das Militär zunächst nicht. Es seien mindestens fünf israelische Angriffe auf die südlichen Vororte von Beirut verübt worden, wie Medien unter Berufung auf eine libanesische Sicherheitsquelle berichteten.

Die Berichterstattung zum Angriff Irans findet sich hier

 

Tag 361: 1. Oktober 2024

18:45

Der Iran hat einen Raketenangriff auf Israel gestartet. Dies teilten die Streitkräfte auf der Online-Plattform X mit. Eine Korrespondentin der Deutschen Presse-Agentur berichtete, in Tel Aviv seien starke Explosionen zu hören. Auch die iranischen Nachrichtenagenturen Isna und Tasnim berichteten über den Beginn der Attacke.

Davor hatte die US-Regierung vor einem "unmittelbar bevorstehenden" Raketenangriff des Irans auf Israel gewarnt. Ein solcher direkter Angriff werde schwerwiegende Folgen für den Iran haben, heisst es in einer Mitteilung eines Regierungsvertreters, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Nach der Warnung vor dem Raketenangriff hatten die israelischen Behörden die Menschen im Grossraum Tel Aviv angewiesen, in der Nähe von Schutzräumen zu bleiben.

Der iranische Angriff könne gross angelegt sein, warnte Armeesprecher Daniel Hagari. Die Luftabwehrsysteme seien vollständig vorbereitet und Flugzeuge der israelischen Luftwaffe patrouillierten am Himmel. Verteidigungsminister Joav Galant hatte am Abend mit Generalstabschef Herzi Halevi und hochrangigen Beamten über die Lage beraten.

Schon im April hatten Irans Revolutionsgarden (IRGC) zum ersten Mal in der Geschichte der Islamischen Republik einen direkten Angriff auf Israel ausgeführt. Dabei feuerten die IRGC-Luftstreitkräfte mehr als 300 Drohnen, Raketen und Marschflugkörper auf ihren Erzfeind. Der Angriff wurde erfolgreich abgewehrt. Der Iran reagierte damit auf die Tötung hochrangiger Generäle, die bei einem mutmasslich israelischen Angriff in Syrien getötet worden waren.

Zuletzt erhebliche Schwächung von Irans Verbündeten

Israels Militär und Geheimdienste hatten zuletzt Irans Verbündete in der Region erheblich geschwächt. Ende Juli etwa wurde der Auslandschef der islamistischen Hamas in Teheran getötet. Irans Staatsführung schwor daraufhin Rache. Am vergangenen Freitag wurde mit Hassan Nasrallah, Chef der libanesischen Schiitenorganisation Hisbollah, ein weiterer und zentraler Verbündeter Teherans getötet. Zuvor hatten explodierende Funkempfänger, sogenannte Pager, Hunderte Hisbollah-Funktionäre verletzt und etliche auch getötet. Es war seither unklar, ob und wie Irans militärische Führung darauf reagiert.

Am Dienstag kam ein weiterer Schritt des israelischen Militärs hinzu: Erstmals seit fast zwei Jahrzehnten drangen israelische Bodentruppen wieder in den Libanon ein. Rund ein Jahr nach Beginn des Gaza-Kriegs verlagert sich damit der Schwerpunkt der Kämpfe in Richtung des nördlichen Nachbarlandes. Die Armee sprach von "begrenzten" Angriffen in Grenznähe auf Ziele der schiitischen Hisbollah, die eng mit dem Iran verbündet ist.

Seit der Revolution von 1979 gelten die USA und Israel als Erzfeinde der Islamischen Republik. Mit Ausbruch des Gaza-Kriegs vor knapp einem Jahr drohte mehrfach, dass sich der Schattenkonflikt zu einem Flächenbrand entwickelt. Irans Revolutionsgarden sind die Elitestreitmacht des Landes und gelten als deutlich schlagkräftiger als die reguläre Armee.

 

08:00

Israel startet Bodenoffensive: Seit Tagen gibt es Anzeichen und Warnungen vor einer israelischen Bodenoffensive auf libanesischem Gebiet. In der Nacht zu Dienstag wurde aus diesen Befürchtungen Realität. Dabei betont die israelische Armee, dass es sich um einen «begrenzten und gezielten» Bodeneinsatz gegen die proiranische Hisbollah im Südlibanon handelt.

Israel hat Washington nach Angaben der US-Regierung über begrenzte Einsätze des Militärs an der libanesischen Grenze informiert. Israel habe mitgeteilt, dass es sich dabei um "begrenzte Operationen" handele, die sich auf "die Infrastruktur der Hisbollah in der Nähe der Grenze" konzentrierten, sagte der Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller. Zu Details wollte er sich nicht äussern. Ob damit erste kleinere und begrenzte Bodeneinsätze auf der libanesischen Seite der Grenze gemeint waren, wie manche Medien dies interpretierten, war nicht klar.

US-Medienberichten zufolge plant Israel eine begrenzte Bodenoffensive im Libanon. Diese könnte bereits binnen Stunden beginnen, berichteten die "Washington Post" und der Sender CBS unter Berufung auf einen US-Regierungsbeamten. US-Präsident Joe Biden bestätigte die Berichte in einem Austausch mit Journalistinnen und Journalisten nicht direkt.

Davor hatte das "Wall Street Journal" berichtet, dass israelische Spezialkräfte bereits kleine, gezielte Vorstösse in den Süden des Libanons unternommen haben sollen. Ziel der Vorstösse sollte laut dem unbestätigten Bericht sein, eine mögliche Bodenoffensive vorzubereiten.

Libanesische Sicherheitskreise: Keine Panzer nahe der Grenze

Armeesprecher Daniel Hagari warnte auf der Plattform X davor, "unverantwortliche Gerüchte" zu verbreiten. Es gäbe zahlreiche Berichte und Gerüchte über Aktivitäten der Armee an der libanesischen Grenze. Aus Sicherheitsgründen werde darum gebeten, keine Berichte über Truppenbewegungen zu verbreiten und sich an offizielle Mitteilungen zu halten, so Hagari.

Nach Angaben aus libanesischen Sicherheitskreisen am späten Montagabend befanden sich zumindest vorerst keine israelischen Panzer nahe der gemeinsamen Grenze. Israelische Panzer hätten sich bisher nicht der sogenannten Blauen Linie - der Grenze - genähert, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen im Libanon.

Zugleich hiess es, es gebe schwere Angriffe des israelischen Militärs in Nähe des Litani-Flusses, der etwa 30 Kilometer nördlich der Grenze liegt. Israelische Kampfflugzeuge seien im Südlibanon zu hören gewesen.

Militär erklärt mehrere Gebiete im Norden Israels zu Sperrgebiet

Mehrere Gegenden in Nordisrael wurden am Montagabend zu militärischem Sperrgebiet erklärt. Diese Gebiete dürften nicht betreten werden, so ein Militärsprecher zur Anordnung des nördlichen Kommandos der israelischen Truppen. Es handele sich um die Gebiete bei Metula, Misgav Am und Kfar Giladi nahe der libanesischen Grenze.

Zuvor hatte ein Armeesprecher von Übungen als Teil der erhöhten Kampfbereitschaft der Truppen gesprochen. Am Nachmittag hatte Israels Verteidigungsminister Joav Galant gesagt, die nächste Phase des Kampfs gegen die Hisbollah werde bald beginnen. Am Montag trat auch das Sicherheitskabinett von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zusammen.

Der seit bald einem Jahr andauernde Konflikt zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah-Miliz war zuletzt eskaliert. Seit Tagen greift das israelische Militär massiv im Libanon an. Dabei wurden Hunderte Menschen getötet. Israel hatte zuvor die Rückkehr geflüchteter Israelis in ihre Heimatorte im Norden des Landes als weiteres Ziel im Gaza-Krieg erklärt.

Auch die Hisbollah schiesst seit den neu entfachten intensiven Kämpfen täglich teils Hunderte Raketen auf Israel. Die Miliz hat nach Ausbruch des Gaza-Kriegs ihre sogenannte "Solidaritätsfront" eröffnet und Tausende Raketen auf Israel abgefeuert. Sie will ihre Waffen erst niederlegen, wenn der Krieg im Gazastreifen beendet wird.

Zehntausende Libanesen flohen aus ihren Dörfern und Städten. Viele harren in der Hauptstadt Beirut aus und schlafen angesichts fehlender Unterkünfte teils auch auf Matratzen an der Küstenpromenade der Mittelmeerstadt. Die jüngste Eskalation dürfte bei vielen der rund neun Millionen Einwohner des Landes Erinnerungen an den letzten Krieg zwischen Israel und der Hisbollah vor 18 Jahren wecken.

Israels Verteidigungsminister spielt auf Bodeneinsatz an

Israels Verteidigungsminister Joav Galant spielte am Montag auf einen möglichen Bodeneinsatz im Libanon an. Die Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah sei ein wichtiger Schritt, "aber noch nicht alles", sagte Galant bei einem Truppen-Besuch an der Nordgrenze. "Wir werden alle unsere Fähigkeiten einsetzen."

Ziel sei weiterhin, die Rückkehr von 60.000 Israelis zu ermöglichen, die seit Monaten durch die Hisbollah-Angriffe aus Gebieten entlang der Grenze vertrieben sind. Man sei bereit, dafür "jede Anstrengung zu unternehmen" und Truppen in der Luft, auf See und am Boden einzusetzen.

Hisbollah zu Bodenoffensive: Wir sind bereit

Erstmals nach der Tötung Nasrallahs meldete sich die Spitze der islamistischen Miliz zu Wort und signalisierte ihre Kampfbereitschaft. "Wir wissen, dass der Kampf lang dauern könnte und sind auf alle Möglichkeiten vorbereitet", sagte der stellvertretende Hisbollah-Chef Naim Kassim in einer im Fernsehen übertragenen Rede. "Wenn Israel sich entscheidet, eine Bodenoffensive zu starten: Wir sind bereit." Wer die Hisbollah anführen soll, sagte er nicht.

Am Freitag hatte Israels Armee den Generalsekretär der vom Iran unterstützten Hisbollah im Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut getötet. Auch viele weitere Führungsmitglieder wurden getötet. Dennoch setzte die Hisbollah ihre Angriffe auf Israel zuletzt fort.

UN: Schon 100.000 vom Libanon nach Syrien geflohen

Im Libanon spitzt sich die humanitäre Notlage derweil zu. Nach UN-Angaben flohen seit Beginn der massiven israelischen Luftangriffe bereits rund 100.000 Menschen nach Syrien. 60 Prozent seien Syrer, die einst im Libanon Zuflucht gesucht hatten, 40 Prozent Libanesen, berichtete das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Genf.

Angesichts der sich verschärfenden Lage im Libanon hat ein Flugzeug der Luftwaffe Botschaftspersonal aus der libanesischen Hauptstadt Beirut ausgeflogen. An Bord der Bundeswehrmaschine waren nach Angaben des Auswärtigen Amtes rund 110 Passagiere. Das Flugzeug landete am Abend in Berlin auf dem Hauptstadtflughafen BER, wie eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes bestätigte.

Netanjahu warnt Iraner: Israel erreicht jeden Ort im Nahen Osten

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wandte sich derweil in einer Videobotschaft an die iranische Bevölkerung. Er betonte darin, es gebe im Nahen Osten keinen Ort, den sein Land nicht erreichen könne. "Fragt Mohammed Deif. Fragt Nasrallah", sagte er in Bezug auf die gezielt getöteten Führer von Hamas und Hisbollah. Es gebe keinen Ort, an den Israel nicht gehen würde, "um unser Volk und unser Land zu beschützen". Die Regierung in Teheran bringe die iranische Bevölkerung täglich "näher an den Abgrund".

Zugleich fand Netanjahu versöhnliche Worte an die Iraner, verbunden mit der Hoffnung auf einen Machtwechsel in Teheran: "Wenn der Iran endlich frei ist – und der Moment ist näher, als die Leute glauben -, wird alles anders sein", versicherte er. "Zwei alte Völker, das jüdische und das persische, werden endlich im Frieden sein."

Die Hisbollah sowie die islamistische Hamas im Gazastreifen gehören zur sogenannten "Achse des Widerstands", einem von der Führung in Teheran unterstützten Netzwerk im Kampf gegen den Erzfeind Israel.

 

Tag 360: 30. September 2024

Während Israels Armee mit erneuten Luftangriffen im Libanon, im Gazastreifen sowie im Jemen verstärkt gegen Irans verbündete Milizen vorgeht, wächst die Sorge vor einem umfassenden Krieg im Nahen Osten. Auf die Frage von Reportern, ob dieser noch vermieden werden könne, antwortete US-Präsident Joe Biden: "Das muss er. Er muss wirklich vermieden werden." Er wolle mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu reden. Dieser liess seine Armee derweil in der Nacht erneut eine Kommandozentrale der islamistischen Hamas in Gaza sowie Stellungen der Hisbollah-Miliz im Libanon attackieren.

Israel erhöht den Druck auf die Hisbollah, damit diese mit ihren Angriffen aufhört und sich aus dem Grenzgebiet zurückzieht. Während der jüngsten Eskalation kamen in den beiden vergangenen Wochen Medienberichten zufolge Hunderte Menschen durch die israelischen Angriffe im Libanon ums Leben. In Israel sei im gleichen Zeitraum niemand getötet worden.

Derweil bombardierten nach Angaben der israelischen Armee Dutzende Kampfflugzeuge auch im rund 1.800 Kilometer entfernten Jemen Ziele, unter anderem Kraftwerke und einen Hafen, über den die Huthi-Miliz iranische Waffen und militärische Vorräte transportiert haben soll. Die Angaben liessen sich nicht unabhängig prüfen. Die Hafenstadt Hudaida wurde laut Augenzeugen von Explosionen erschüttert. Der Huthi-nahe TV-Sender Al-Masirah meldete vier Tote. Wie die Hisbollah greift auch die Huthi-Miliz Israel immer wieder an - nach eigenen Angaben aus Solidarität mit der Hamas, gegen die Israel seit fast einem Jahr Krieg führt.

Unterdessen beginnen im Libanon heute dreitägige Trauerfeiern für den am Freitag durch einen gezielten israelischen Luftschlag in einem Vorort Beiruts getöteten Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah. Die Schiiten-Miliz hat allerdings bislang keine Informationen über seine Beisetzung bekanntgegeben. Auch gibt es scheinbar noch keinen Nachfolger für Nasrallah.

Sorge vor möglicher Bodenoffensive im Libanon

Es wächst die Sorge, dass Israels Armee zu einer Bodenoffensive im Süden des Nachbarlandes übergehen könnte. Nach der Tötung Nasrallahs hatte Israels Armeechef Herzi Halevi am Samstag diese Möglichkeit angedeutet. Er habe Pläne für das Nordkommando der Streitkräfte gebilligt. "Herausfordernde Tage liegen vor uns", sagte er. Die israelische Armee sei "in höchster Alarmbereitschaft, sowohl in defensiver als auch offensiver Hinsicht, an allen Fronten". Sie sei gerüstet für das, was als Nächstes komme.

Experten sprechen von einer möglichen "Falle", in die Israel geraten könnte. Trotz des Todes von Nasrallah und fast der gesamten oberen Führungsebene verfüge die Hisbollah immer noch über Tausende von erfahrenen Kämpfern und ein umfangreiches Waffenarsenal, mit dem sie in ihren südlibanesischen Hochburgen auf vorbereitetem Terrain Israels Truppen erhebliche Verluste zufügen könnte, schrieb das "Wall Street Journal". Die Hisbollah könne es gar nicht abwarten, dass Israel im Südlibanon einmarschiert, zitierte die Zeitung eine frühere israelische Abgeordnete und heutige Mitarbeiterin der Denkfabrik Atlantic Council.

Eine israelische Bodenoffensive könne der Hisbollah helfen, sich wieder "aus der Asche" zu erheben und die Unterstützung der breiten libanesischen Gesellschaft wiederzugewinnen, hiess es. Israels Befehlshaber seien sich zwar der Gefahr von Bodenkämpfen bewusst, schrieb die Zeitung. Das politische Problem bestehe jedoch darin, dass Israels erklärtes Kriegsziel - die Rückkehr von 60.000 Israelis, die durch die Hisbollah-Angriffe aus Gebieten entlang der Grenze vertrieben wurden - mit Luftschlägen allein kaum zu erreichen sei.

Libanon: Bis zu einer Million Vertriebene möglich

Durch Israels Angriffe könnten im Libanon nach Angaben des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Nadschib Mikati bis zu einer Million Menschen vertrieben werden. Es sei schon jetzt die grösste Zahl an Vertriebenen in der Geschichte des Landes, sagte Mikati in Beirut. Im aktuellen Konflikt mit Israel könne es nur eine diplomatische Lösung geben: "Es gibt keine Wahl für uns als Diplomatie." Seit Beginn der neuen Konfrontationen wurden im Libanon nach UN-Angaben mehr als 210.000 Menschen vertrieben, unter ihnen etwa 120.000 Menschen allein im Verlauf der vergangenen Woche.

Die Zahl könnte, auch gemessen an Erfahrungen des vergangenen Kriegs mit Israel im Jahr 2006, den Vereinten Nationen zufolge aber noch deutlich höher liegen. 50.000 Syrer und Libanesen sind zudem ins benachbarte Bürgerkriegsland Syrien geflohen. Trotz der jüngsten massiven israelischen Schläge weigert sich die Hisbollah-Miliz bislang, den Beschuss Israels einzustellen, solange Israels Regierung einer Waffenruhe im Gazastreifen nicht zustimmt.

Experte: Iran steht vor einem Dilemma

Die dramatische Schwächung der Hisbollah-Miliz bringe die Islamische Republik Iran in eine "sehr schwierige Lage", zitierte das "Wall Street Journal" Michael Horowitz, Leiter der Abteilung für Nachrichtendienste bei der Beratungsfirma Le Beck International. Die libanesische Miliz sei "ein wichtiger Teil der iranischen Verteidigungsdoktrin und ihr wichtigstes Abschreckungsinstrument gegen Israel". Der Iran stehe nun vor dem Dilemma, die Hisbollah möglicherweise verteidigen zu müssen, hiess es. Vor diesem Hintergrund könnte die Huthi-Miliz im Jemen für den Iran in seiner sogenannten "Achse des Widerstands", mit dem Teheran gegen den erklärten Erzfeind Israel kämpft, noch an Bedeutung gewinnen.

Israels Luftangriff auf den Jemen erfolgte dem Militär zufolge als Reaktion auf die jüngsten Huthi-Angriffe. Am Samstagabend war unter anderem in der Küstenmetropole Tel Aviv wegen eines Geschosses erneut Raketenalarm ausgelöst worden. Die Miliz erklärte, sie habe den Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv mit einer ballistischen Rakete angegriffen. Diese wurde laut Militär aber noch vor Erreichen des israelischen Hoheitsgebiets abgefangen.

Zuletzt hatte Israels Luftwaffe im Jemen Ende Juli angegriffen. Ziel war auch damals der Hafen von Hudaida als Reaktion auf einen tödlichen Drohnenangriff der Huthi auf Tel Aviv. Derweil griff die israelische Armee nach eigenen Angaben im Norden Gazas erneut eine Kommandozentrale der Hamas aus der Luft an, die sich auf dem Gelände einer früheren Schule befunden habe, wie die Armee in der Nacht mitteilte. Man habe vor dem Angriff zahlreiche Massnahmen ergriffen, um die Gefahr für Zivilisten zu mindern. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig prüfen. Die Armee griff nach eigenen Angaben ausserdem weitere Stellungen der Hisbollah-Miliz in der Bekaa-Ebene im Osten des Libanons an

Tag 359: 28. September 2024

13:00

Die Leiche des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah wurde geborgen. Das teilten Insider gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters mit. Dem Bericht zufolge soll sein Körper keine direkten Verletzungen aufgewiesen haben und die Todesursache scheint ein stumpfes Trauma durch die Wucht der Explosion gewesen zu sein.


05:00
Nach dem massiven Luftschlag in einem Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut greift Israels Luftwaffe Armeeangaben zufolge erneut in der Gegend an. Ziel seien unter zivilen Wohngebäuden gelagerte Waffen der proiranischen Hisbollah-Miliz, teilte das Militär mit. Nach Angaben eines Armeesprechers handelt es sich um Raketen.

Die Explosionen der Waffen könnten Gebäude beschädigen oder zum Einsturz bringen, warnte Daniel Hagari. Die Armee hatte zuvor Anwohner dazu aufgefordert, die Gegend zu verlassen. Die Raketen stellen Hagari zufolge auch eine Bedrohung für die internationale Schifffahrt sowie strategische Einrichtungen des Staates Israel dar.

Der massive Angriff zuvor galt Israel zufolge dem Hauptquartier der Schiiten-Miliz. Dieses soll unter Wohngebäuden versteckt gewesen sein, hiess es. Unbestätigten Medienberichten zufolge soll Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah Ziel des Angriffs gewesen sein.

 

Tag 358:  27. September 2024

17:00

Israels Armee hat nach eigenen Angaben in einem Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut das Hauptquartier der schiitischen Hisbollah-Miliz angegriffen. Es habe sich unter einem Wohngebäude befunden, teilte der israelische Militärsprecher Daniel Hagari mit. Über Beirut waren dichte Rauchwolken zu sehen, Schockwellen waren in der Stadt zu spüren.

08:00
Die von einer Staatengruppe erhobene Forderung nach einer dreiwöchigen Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz im Libanon ist nach Darstellung der US-Regierung mit der israelischen Seite abgestimmt worden. Die Erklärung sei "nicht einfach im luftleeren Raum verfasst" worden, sagte der Kommunikationsdirektor des Weissen Hauses, John Kirby, "sondern nach sorgfältiger Absprache nicht nur mit den Ländern, die sie unterzeichnet haben, sondern auch mit Israelselbst".

Eine Staatengruppe um die USA und Deutschland sowie einflussreiche arabische Länder hatte in der Nacht zum Donnerstag eine 21-tägige Waffenruhe in Nahost gefordert, um eine diplomatische Lösung in dem Konflikt zu erzielen. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu machte im Anschluss deutlich, dass man die Hisbollah weiter angreifen werde, bis die - infolge des gegenseitigen Beschusses vertriebenen - Bewohner im Norden Israels sicher nach Hause zurückkehren könnten.

Das Büro des Regierungschefs hatte zuvor einen Bericht dementiert, wonach Netanjahu grünes Licht für eine Waffenruhe mit der Hisbollah gegeben haben soll. "Der Bericht über eine Waffenruhe ist falsch", hiess es in der Mitteilung. "Es handelt sich um einen US-französischen Vorschlag, auf den der Ministerpräsident noch nicht einmal reagiert hat."

Tag 357: 26. September 2024

Zwei Drohnen haben die israelische Hafenstadt Eilat angegriffen. Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari teilte mit, eine davon sei von einem Raketenschiff abgefangen worden. Die zweite Drohne sei im Hafen eingeschlagen und explodiert. Dabei sei ein Brand ausgebrochen, zwei Menschen seien verletzt worden.

Die Gruppe "Islamischer Widerstand im Irak" erklärte, ihre Kämpfer hätten ein "wichtiges Ziel" in Eilat angegriffen. Details wurden nicht genannt. Sie würden ihre Attacken fortsetzen, hiess es weiter. Bei der Gruppe handelt es sich um einen Zusammenschluss aus Milizen im Irak, die wie die Hisbollah im Libanon und die islamistische Hamas in Gaza vom Iran unterstützt werden

Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast einem Jahr kommt es immer wieder zu Angriffen der sogenannten "Widerstandsachse" von Verbündeten des Irans auf Israel. Darunter sind Milizen im Irak sowie die Huthi-Rebellen im Jemen.

 

Tag 356: 25. September 2024

Obwohl Israels Luftangriffe im Libanon seit Montag zehntausende Zivilisten in die Flucht geschlagen haben, will die Regierung in Jerusalem den militärischen Druck auf die Hisbollah erhöhen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigte weitere Angriffe auf die proiranische Miliz an, die Israels Norden seit Beginn des Gaza-Kriegs vor knapp einem Jahr praktisch täglich mit Raketen beschiesst. Die Gewalteskalation in Nahost ist eines der prägendsten Themen der laufenden UN-Vollversammlung in New York und wird heute im Mittelpunkt einer Sondersitzung des Weltsicherheitsrats stehen.

Israels Militär und die vom Iran unterstützte Hisbollah im Libanon liefern sich seit Monaten Gefechte im Grenzgebiet beider Länder, die sich in den vergangenen Tagen nochmals deutlich verschärft haben. Die jüngsten Angriffe Israels mit Hunderten Toten und noch mehr Verletzten sind die folgenschwersten seit fast zwei Jahrzehnten und schüren die Sorge vor einer unkontrollierbaren Eskalation in der Region.

"Wer eine Rakete im Wohnzimmer hat ..."

"Wir werden weiterhin gegen die Hisbollah vorgehen", sagte Netanjahu ungeachtet der harschen Kritik am Tod vieler Zivilisten, die bei den israelischen Luftangriffen im nördlichen Nachbarland ums Leben kamen. Er betonte erneut, dass sich der Krieg nicht gegen das libanesische Volk richte, sondern allein gegen die Hisbollah - wer aber Waffen für die Miliz verstecke, gerate ebenfalls ins Visier: "Wer eine Rakete im Wohnzimmer und eine Rakete in der Garage hat, wird kein Zuhause mehr haben."

Am Abend attackierte Israels Luftwaffe laut Armeeangaben wieder Dutzende militärische Einrichtungen der Hisbollah im Osten und Süden des Libanon, darunter Waffenlager und Raketenabschussrampen. Nach israelischer Darstellung werden diese oft bewusst in Wohngebieten platziert, um Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen. Tausende Privatwohnungen seien auf diese Weise in militärische Stützpunkte der Miliz umgewandelt worden, sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Netanjahu forderte die Libanesen dazu auf, sich aus den Fängen der Hisbollah zu befreien, die in dem Küstenland wie ein Staat im Staate agiert.

Israel sieht Hisbollah schon jetzt stark geschwächt

"Wir dürfen der Hisbollah keine Pause gewähren. Wir müssen mit aller Kraft weitermachen", sagte der israelische Generalstabschef Herzi Halevi. Schon jetzt sei die Miliz durch die strategischen Erfolge seiner Armee drastisch geschwächt, sagte Verteidigungsminister Joav Galant. "Die Hisbollah von heute ist nicht mehr dieselbe Hisbollah, die wir vor einer Woche kannten."

Nach Militärangaben hat die schwer bewaffnete Miliz seit Beginn des Kriegs gegen die mit ihr verbündete Hamas im Gazastreifen, also seit Anfang Oktober vergangenen Jahres, rund 9.000 Raketen und Drohnen für Angriffe auf Israeleingesetzt. Galant zufolge wurden bei den jüngsten Angriffen nun Zehntausende ihrer Raketen zerstört. Vor Beginn der Hisbollah-Attacken am 8. Oktober wurde ihr Waffenarsenal auf 150.000 Raketen, Drohnen und Marschflugkörper geschätzt.

Miliz bestätigt Tod ihres Raketenchefs

Der nun laufende Militäreinsatz im Libanon unter dem Codenamen "Pfeile des Nordens" solle so schnell wie möglich beendet werden, betonte Armeesprecher Hagari. Deshalb greife das Militär mit geballten Kräften an. Allerdings müssten die Israelis auch darauf vorbereitet sein, dass der Einsatz länger dauern könne.

Schon jetzt sollen etliche Mitglieder der Führungsriege der Hisbollah bei dem Militäreinsatz getötet worden sein. Zuletzt traf es den Leiter der Raketeneinheit, Ibrahim Muhammad Kubaisi - er und zwei weitere Hisbollah-Kommandeure seien bei einem "gezielten Angriff" in einem Vorort der Hauptstadt Beirut ums Leben gekommen, teilte Israels Armee mit. Auch die Hisbollah bestätigte Kubaisis Tod. Er war laut Armee unter anderem für Raketenangriffe auf Israel und Anschläge auf israelische Zivilisten verantwortlich.

Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums zerstörte der Luftangriff zwei Stockwerke eines Gebäudes, tötete 6 Menschen und verletzte 15 weitere. Insgesamt wurden im Zuge der israelischen Attacken seit Montag demnach mehr als 550 Menschen getötet und fast 2000 verletzt.

Libanon schon vor Angriffswelle in tiefer Krise

Die Not der Menschen im Libanon war schon vor Beginn der jetzigen Angriffswelle gross. Die Wirtschaft steckt in einer tiefen Krise, grosse Teile der Bevölkerung leben in Armut. Dennoch hat der kleine Mittelmeerstaat gemessen an seiner Einwohnerzahl nach UN-Angaben so viele Flüchtlinge aufgenommen wie kein anderes Land der Welt - allein aus Syrien wurden seit Beginn des dortigen Bürgerkriegs im Jahr 2011 rund 1,5 Millionen Hilfesuchende aufgenommen.

Nun kommen noch einmal zahlreiche Binnenvertriebene dazu. Infolge der israelischen Luftangriffe brach bei vielen Libanesen Panik aus - Zehntausende ergriffen die Flucht und versuchten, auf heillos überfüllten Strassen gen Norden zu kommen. Allein 27.000 Menschen flohen nach Behördenangaben aus dem Süden und der Bekaa-Ebene im Osten. Mehr als 250 Schulen seien deshalb kurzfristig zu Notunterkünften gemacht worden. Selbst ins benachbarte Bürgerkriegsland Syrien, wo die Lage kaum minder prekär ist, sollen hunderte Menschen geflüchtet sein.

Israel will die Hisbollah mit den Angriffen im Libanon auch dazu bewegen, sich aus dem Grenzgebiet beider Länder zurückzuziehen. Seit Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Terrorangriff der Hamas und anderer islamistischer Extremisten auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres beschiesst die Miliz regelmässig den Norden des jüdischen Staats - aus Solidarität mit der Hamas, wie sie sagt. Israels Militär schiesst zurück. Auf beiden Seiten der Grenze gab es Tote, allein in Israel flüchteten rund 60.000 Menschen aus ihren Heimatorten. Die Rückkehr der Menschen in den Norden des Landes ist ein erklärtes Kriegsziel von Netanjahus Regierung.

Grossbritannien entsendet hunderte Soldaten

Der iranische Präsident Massud Peseschkian sagte in einer Rede vor der UN-Vollversammlung in New York, es sei selbstverständlich, dass die "terroristischen Verbrechen" der israelischen Armee und die "Aggression gegen den Libanon" nicht unbeantwortet bleiben könnten. Überdies sei die Präsenz ausländischer Mächte im Nahen Osten eine "Quelle der Instabilität". Peseschkian rief die Länder in der Region zu mehr Zusammenarbeit auf, da ihr Schicksal untrennbar miteinander verbunden sei. Gleichzeitig sei die Islamische Republik Iran "entschlossen, ihre Sicherheit zu gewährleisten, ohne andere zu destabilisieren".

Die Eskalation der Gewalt wird nicht nur in den direkten Nachbarländern mit Sorge verfolgt. Die britische Regierung wies alle Landsleute an, den Libanon sofort zu verlassen. Ausserdem würden "in den nächsten Stunden" 700 Soldaten auf die nahegelegene Mittelmeerinsel Zypern verlegt - die Mitteilung der Regierung vom Dienstagabend legt nahe, dass dies zum Vorbereiten einer möglichen Evakuierungsaktion geschieht

Tag 355: 24. September 2024

Die israelische Luftwaffe hat bei den massiven Angriffen im Libanon nach Darstellung von Verteidigungsminister Joav Galant "zehntausende von Raketen zerstört, die Israels Bürger bedrohten". Zuvor habe man "ganze Einheiten der (Elite-Truppe) Radwan unschädlich gemacht und (Hassan) Nasrallah allein an der Hisbollah-Spitze hinterlassen".

Israel plane noch weitere Schritte, sagte Galant bei einer Sitzung mit israelischen Militärs. "In diesen Stunden zerstören wir Fähigkeiten, die die Hisbollah über 20 Jahre aufgebaut hat", sagte Galant demnach. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Insgesamt habe die Hisbollah binnen knapp eines Jahres mehr als 8.800 Raketen und Drohnen auf israelisches Gebiet gefeuert, erklärte das israelische Militär. Vor Beginn der Hisbollah-Angriffe am 8. Oktober 2023 lagen die Schätzungen des Hisbollah-Arsenals bei 150.000 Raketen, Drohnen und Marschflugkörpern.

 

Tag 354: 23. September 2024

Israel geht nach dem heftigen gegenseitigen Beschuss vom Wochenende weiter gegen die Hisbollah im Libanon vor - und setzt auch den Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen fort. Israelische Kampfflugzeuge hätten erneut knapp zwei Dutzend Angriffe im Süden Libanons geflogen, verlautete am späten Abend aus libanesischen Sicherheitskreisen. Auch Israels Artillerie nehme dort Gebiete unter Beschuss. Eine Bestätigung der israelischen Armee gab es zunächst nicht. Diese teilte derweil am späten Abend mit, in Gaza eine Kommandozentrale der Hamas angegriffen zu haben.

Israel plant nach den Worten von Generalstabschef Herzi Halevi auch in den kommenden Tagen weitere Schritte gegen die Hisbollah. Israel werde es seinen Einwohnern in den grenznahen Gebieten im Norden des Landes ermöglichen, in ihre Wohnorte zurückzukehren. "Und wenn die Hisbollah dies nicht verstanden hat, dann wird sie einen weiteren Schlag und einen weiteren Schlag abbekommen - bis die Organisation es versteht", sagte der Armeechef. Israel verfüge über weitere Fähigkeiten, die es bisher nicht eingesetzt habe.

Israels Armeechef kündigt weiteres Vorgehen gegen Hisbollah an

Die Tötung des Hisbollah-Kommandeurs Ibrahim Akil und weiterer ranghoher Kommandeure bei einem israelischen Luftangriff am Freitag nahe Beirut habe die Organisation "erschüttert", sagte Halevi bei einer Ansprache. Israels Botschaft an die Hisbollah sowie andere in der Region laute: "Wir können all jene erreichen, die Israels Bürger bedrohen." Israel sei weiter in höchster Einsatzbereitschaft im Angriff und in der Verteidigung, sagte er.

Israels Verteidigungsminister Joav Galant sagte, die Hisbollah habe "die schlimmste Woche in ihrer Geschichte" erlebt. Man werde weiterhin "alle Mittel einsetzen", um die Ziele Israels zu erreichen, sagte er mit Blick auf die angestrebte Rückkehr der Einwohner im Norden des Landes. Sowohl die Schiiten-Miliz Hisbollah als auch die Hamas gehören zu Irans sogenannter "Achse des Widerstands" - einer Allianz gegen den gemeinsamen Feind Israel.

Irans Bedrohung habe zwei Elemente, sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu der "Jerusalem Post" zufolge vor dem parlamentarischen Aussen- und Verteidigungsausschuss. Dazu zählten die atomare Bedrohung des Irans sowie gleichzeitige Angriffe aus dem Norden, Süden und Osten, sagte Netanjahu demnach bei der nichtöffentlichen Sitzung in Jerusalem. Die Iranischen Revolutionsgarden (IRGC) haben unterdessen zwölf Personen wegen angeblicher Spionage für den israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad festgenommen.

Festnahmen im Iran wegen angeblicher Israel-Spionage

In sechs Provinzen des Landes hätten sie versucht, geheime Informationen zu sammeln und diese an den Mossad weiterzuleiten, erklärten die IRGC. Weitere Details wurden nicht mitgeteilt. Den Festgenommenen könnte bei einer Verurteilung die Todesstrafe drohen. Im März war in einem ähnlichen Fall ein angeblicher Mossad-Agent hingerichtet worden.

Unterdessen geht die israelische Armee in Gaza weiter gegen die Hamas vor. Die Luftwaffe griff nach eigenen Angaben erneut eine Kommandozentrale der Islamisten an, die sich im Zentrum des abgeriegelten Küstenstreifens in einem Gebäude befunden habe, in dem früher eine Schule gewesen sei. Vor dem Angriff seien zahlreiche Massnahmen ergriffen worden, um die Gefahr für Zivilisten zu mindern. Die Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen.

Netanjahu: Hälfte der Gaza-Geiseln noch am Leben

Etwa die Hälfte der rund 100 Geiseln, die seit vergangenem Jahr im Gazastreifen festgehalten werden, sind nach Informationen von Netanjahu noch am Leben. Israels Regierungschef sagte dies Medienberichten zufolge bei dem Treffen des parlamentarischen Ausschusses für Aussen- und Sicherheitspolitik. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür nicht.

Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen hatten am 7. Oktober vergangenen Jahres mehr als 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Dies war der Auslöser für den Gaza-Krieg.

Im Laufe einer Waffenruhe Ende November hatte die Hamas 105 Geiseln freigelassen. Im Gegenzug entliess Israel 240 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen. Einzelne Geiseln wurden seither von Israels Militär befreit, mehrere wurden tot geborgen. Indirekte Verhandlungen über eine erneute Waffenruhe und die Freilassung weiterer Geiseln, bei denen die USA, Ägypten und Katar als Vermittler fungieren, verliefen bisher erfolglos.

Berichte: Plan für Belagerung des Nordens Gazas im Gespräch

Israelischen Medienberichten zufolge wollen Vertreter des Militärs in den kommenden Tagen Netanjahu und Galant mehrere Alternativen zur künftigen Verteilung humanitärer Hilfe im nördlichen Gazastreifen vorlegen. Der Hamas solle die Kontrolle über die zivile Verwaltung und die Plünderung der Hilfsgüter verwehrt werden, berichtete die "Jerusalem Post". Einer der Vorschläge sei eine "Belagerung" des Nordens Gazas, berichtete die "Times of Israel".

Man müsse den Bewohnern im nördlichen Abschnitt des abgeriegelten Küstenstreifens eine Woche Zeit geben, das Gebiet zu verlassen, wurde ein pensionierter General zitiert. Der Norden Gazas würde dann zur militärischen Zone erklärt, in die keine Hilfe mehr gelangen werde. Solange die Hamas die Kontrolle über die Verteilung von Lebensmitteln und Treibstoff behalte, werde sie in der Lage sein, ihre Kassen zu füllen und neue Kämpfer zu rekrutieren.

Ein solches Vorgehen sei auch die einzige Chance für ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln, sagte der Zeitung zufolge ein Mitglied des parlamentarischen Ausschusses für Aussen- und Sicherheitspolitik während der nichtöffentlichen Sitzung mit Netanjahu. Dadurch würde der Hamas-Anführer im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, unter zusätzlichen Druck geraten, an den Verhandlungstisch zu kommen und Zugeständnisse zu machen, hiess es.

 

Tag 353: 22. September 2024

Israels Armee und die Hisbollah-Miliz im Libanon haben sich in der Nacht erneut schwere Gefechte geliefert. Die proiranische Miliz feuerte in der Nacht Dutzende Raketen auf den Norden Israels ab, die so weit reichten wie noch nie. In mehreren Salven wurden die Geschosse abgefeuert, wie die "Times of Israel" unter Berufung auf die Armee berichtete. Die meisten von ihnen seien abgefangen worden. Israels Luftwaffe attackierte in den Abendstunden zuvor nach eigenen Angaben etwa 110 Stellungen der Miliz im Südlibanon, darunter einsatzbereite Raketenabschussrampen und "terroristische Infrastruktur". Seit Samstagnachmittag seien rund 400 Ziele angegriffen worden, hiess es. In den frühen Morgenstunden heulten in gleich mehreren Gebieten in Nordisrael die Sirenen.

Angesichts der Eskalation verschärfte die Armee am frühen Morgen die Einschränkungen für Bewohner im Norden Israels. Unter anderem auf den Golanhöhen und in der Küstenstadt Haifa darf kein Unterricht stattfinden. Arbeitsplätze dürfen nur aufgesucht werden, wenn sich ein Schutzraum in der Nähe befindet, wie die "Times of Israel" meldete. Versammlungen im Freien seien auf maximal 10 Personen, in Innenräumen auf 100 Teilnehmer beschränkt.

USA rufen Staatsbürger zum Verlassen des Libanons auf

Die USA rufen angesichts der Eskalation ihre Staatsbürger zum Verlassen des Libanons auf. Aufgrund der unvorhersehbaren Entwicklung "und der jüngsten Explosionen im gesamten Libanon" einschliesslich der Hauptstadt Beirut rate die US-Botschaft ihren Landsleuten "dringend, den Libanon zu verlassen, solange noch kommerzielle Optionen verfügbar sind", teilte das US-Aussenministerium mit. Noch gebe es Flüge, aber mit reduzierter Kapazität.

Israelische Soldaten drangen unterdessen nach Angaben des arabischen TV-Senders Al-Dschasira im frühen Morgen in die Büros des Unternehmens im besetzten Westjordanland ein und verfügten die vorläufige Schliessung. Schwer bewaffnete und maskierte israelische Soldaten hätten das Gebäude betreten und eine 45-tägige Schliessung verhängt, hiess es. Einen Grund für diese Entscheidung hätten sie nicht genannt. Die israelische Regierung hatte bereits im Mai ein Notfallgesetz genutzt, den Betrieb des Senders in Israel einzustellen.

Bericht: Israel schliesst Al-Dschasira-Büro im Westjordanland

Das sogenannte Al-Dschasira-Gesetz ermöglicht Israels Regierung eine Schliessung ausländischer TV-Sender, wenn diese als Risiko für die Sicherheit des Staats eingestuft werden. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte den arabischen Sender als "Sprachrohr" der islamistischen Hamas bezeichnet, das der Sicherheit Israels geschadet habe. Al-Dschasira hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und von einem "kriminellen Akt" gesprochen.

Die ohnehin gespannte Lage im Westjordanland hat sich seit dem Massaker der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel und dem dadurch ausgelösten Gaza-Krieg deutlich verschärft. Seitdem wurden dort nach Behördenangaben in Ramallah bei israelischen Militäreinsätzen, bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschlägen von Extremisten Hunderte Palästinenser getötet.

Derweil wächst die Sorge, dass sich der Konflikt zwischen Israels Streitkräften und der mit der Hamas verbündeten Hisbollah im Libanon zum Flächenbrand entwickelt. Man habe im Süden des Nachbarlandes "umfangreiche Angriffe durchgeführt", nachdem Vorbereitungen der Hisbollah für einen Beschuss israelischen Gebiets festgestellt worden seien, teilte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari am Abend mit. Die etwa 400 im Libanon getroffenen Raketenwerfer der Hisbollah hätten Tausende Raketenabschussrohre umfasst.

Bericht: USA hoffen auf diplomatische Lösung

Am Freitag hatte Israels Armee einen Angriff auf einen Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut ausgeführt und dabei nach eigenen Angaben 16 Hisbollah-Mitglieder getötet, darunter der ranghohe Hisbollah-Militärkommandeur Ibrahim Akil, dem der Angriff nach Angaben des israelischen Militärs gegolten hatte. Auch mehrere andere ranghohe Hisbollah-Kommandeure wurden dabei getötet. Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums kamen bei dem Angriff insgesamt mindestens 37 Menschen ums Leben, darunter auch drei Kinder.

Die US-Regierung sei nach Aussagen von Beamten "äusserst besorgt" über das Risiko eines umfassenden Krieges zwischen Israel und dem Libanon, berichtete das Nachrichtenportal "Axios". Washington hoffe aber, den zunehmenden militärischen Druck Israels auf die Hisbollah nutzen zu können, um eine diplomatische Einigung zu erzielen, damit Zivilisten auf beiden Seiten der israelisch-libanesischen Grenze in ihre Häuser zurückkehren können.

Mit diplomatischem und zunehmendem militärischem Druck möchte Israel erreichen, dass die Hisbollah sich aus dem Grenzgebiet zurückzieht, so wie es eine UN-Resolution vorschreibt. Sobald die grenznahe Region wieder sicher ist, sollen 60.000 geflüchtete Israelis in ihre Häuser und Wohnungen zurückkehren. Die proiranische Schiiten-Miliz will ihre Angriffe auf Israel jedoch erst einstellen, wenn es zu einer Waffenruhe zwischen Israel und der mit ihr verbündeten islamistischen Hamas im Gazastreifen kommt. Israel und die USA suchten nach Möglichkeiten, die Hisbollah-Miliz von der Hamas abzukoppeln, berichtete "Axios" weiter.

Erneut Massenproteste in Israel

Die Bemühungen um eine Waffenruhe in Gaza und die Freilassung der dort weiter festgehaltenen Geiseln in der Gewalt der Hamas drehen sich seit Wochen im Kreis. In Israel gingen am Abend nach örtlichen Medienberichten erneut Zehntausende Menschen auf die Strasse, um eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln zu fordern. Die Organisatoren hätten sogar von Hunderttausenden Teilnehmer in Tel Aviv und anderen Städten gesprochen.

"Beendet das Blutvergiessen", war auf einem Protestschild zu lesen. "Liri - entschuldige", sagte der Vater einer entführten Frau auf einer Kundgebung in Tel Aviv. Vor allem einige rechtsextreme Minister seien schuld, dass noch immer kein Abkommen mit der Hamas für ein Ende des Kriegs und die Freilassung der Geiseln zustande gekommen sei, sagte der Vater.

Kritiker von Regierungschef Netanjahu werfen ihm vor, die indirekten Verhandlungen mit den Islamisten zu sabotieren. Netanjahu regiert mit ultra-religiösen und rechtsextremen Koalitionspartnern, die Zugeständnisse an die Hamas ablehnen. Netanjahu, gegen den ein Korruptionsprozess läuft, ist für sein politisches Überleben auf diese Partner angewiesen.

 

Tag 352: 21. September 2024

Israels Armee hat der libanesischen Hisbollah-Miliz mit einem tödlichen Angriff auf ihre Führungsriege einen weiteren schweren Schlag versetzt. Der bei dem Luftangriff in Libanons Hauptstadt Beirut gezielt getötete Hisbollah-Militärkommandeur Ibrahim Akil sei Drahtzieher eines Plans gewesen, einen ähnlich verheerenden Überfall auf Israel wie die Terrorattacke der islamistischen Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres durchzuführen, sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari. Die Hisbollah bestätigte den Tod Akils. Sie sprach vom Märtyrertod eines ihrer "grossen Anführer". Auch rund zehn Kommandeure der Hisbollah-Elitetruppe Radwan wurden laut der israelischen Armee getötet.

Nach libanesischen Angaben kamen bei dem Angriff in einem dicht besiedelten Vorort der Hauptstadt mindestens 14 Menschen ums Leben. Mindestens 66 weitere wurden demnach verletzt. Medienberichten zufolge war Akil der Nachfolger des am 30. August ebenfalls von Israel getöteten Militärkommandeurs Fuad Schukr. Akil sei de facto der Befehlshaber der Elitetruppe Radwan gewesen, sagte Hagari. In dieser Funktion sei er unter anderem für die Panzerabwehr-, Sprengstoff- und Luftabwehroperationen verantwortlich gewesen. Der Mann habe zahlreiche Terroranschläge organisiert und auch Versuche, nach Israeleinzudringen.

Armeesprecher: Akil hatte viel Blut an seinen Händen

"Akil hatte grosse Mengen Blut an seinen Händen" und sei für den "Tod vieler unschuldiger Zivilisten verantwortlich", sagte Hagari. Die USA als Israels Verbündeter hatten auf Akil ein Kopfgeld in Höhe von sieben Millionen Dollar (rund 6,27 Millionen Euro) ausgesetzt. Akil sei auch Drahtzieher eines Plans der Hisbollah-Miliz für einen Angriff auf Nordisrael gewesen, sagte Hagari. Dieser "Plan zur Eroberung von Galiläa" sah demnach vor, "Israel zu infiltrieren, die Kontrolle über die Gemeinden in Galiläa zu übernehmen und israelische Zivilisten zu töten und zu entführen, ähnlich wie es die Hamas am 7. Oktober tat", so Hagari.

Bei jenem Angriff am 7. Oktober 2023 hatten Terroristen der mit der Hisbollah verbündeten Hamas und anderer extremistischer Gruppen mehr als 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Dies war der Auslöser des Gaza-Krieges. Seither kommt es fast täglich zu gegenseitigem Beschuss zwischen Israel und der Hisbollah. Die Miliz will ihre Angriffe erst bei einer Waffenruhe im Gazastreifen einstellen. Der libanesische Aussenminister Abdullah Bou Habib sieht die Gefahr eines grossen Krieges.

Libanons Aussenminister warnt vor "grosser Explosion"

"Entweder zwingt dieser Rat Israel, seine Aggression einzustellen", sagte Bou Habib vor dem UN-Sicherheitsrat in New York, "oder wir werden stumme Zeugen der grossen Explosion sein, die sich heute am Horizont abzeichnet." Bevor es zu spät sei, "müssen Sie verstehen, dass diese Explosion weder den Osten noch den Westen verschonen und uns ins dunkle Zeitalter zurückwerfen wird". Wegen der Lage verschob Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seine für Dienstag geplante Reise zur UN-Generaldebatte in New York um einen Tag.

"Wir haben nicht die Absicht, mit der Hisbollah im Libanon in einen Krieg einzutreten, aber so wie bisher können wir nicht weitermachen", sagte der israelische UN-Botschafter Danny Danon vor einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates. Israel versucht seit Wochen, die proiranische Miliz zu schwächen. Dazu gehören gezielte Angriffe auf das Führungspersonal, Infrastruktur, Raketenwerfer und Lagerhäuser. Mit diplomatischem und zunehmendem militärischem Druck möchte Israel erreichen, dass die Hisbollah sich aus dem Grenzgebiet zurückzieht, so wie es eine UN-Resolution vorschreibt. Sobald die grenznahe Region wieder sicher ist, sollen 60.000 geflüchtete Israelis in ihre Häuser und Wohnungen zurückkehren.

Matthew Levitt von der Denkfabrik Washington Institute sagte dem "Wall Street Journal", Israelwolle die Fähigkeit der Hisbollah zur Kriegsführung neutralisieren, indem es wichtige Mitarbeiter, Telekommunikationsnetze und Waffensysteme angreift. Er sagte weitere derartige Angriffe voraus, möglicherweise auch gegen Langstreckenraketen, die grössere Sprengköpfe und präzisionsgelenkte Munition tragen. "Das ist mehr als nur eine Botschaft", sagte er der US-Zeitung. "Sie soll der Hisbollah den Teppich unter ihren militärischen Fähigkeiten wegziehen und dafür sorgen, dass sie nicht mehr die Bedrohung darstellt, die sie in den vergangenen elf Monaten ganz konkret und schon viel länger angedroht hat", hiess es.

Israels Premier: unsere Taten sprechen für sich

Israels Verteidigungsminister Joav Galant kündigte nach dem Angriff auf die Hisbollah-Mitglieder in Beirut an, Israel werde sich weiter gegen seine Feinde verteidigen. "Die Reihe von Einsätzen in der neuen Phase des Krieges wird fortgesetzt, bis wir unser Ziel erreicht haben: die sichere Rückkehr der nördlichen Gemeinden Israels in ihre Häuser", sagte er laut seines Büros. Netanjahu sagte: "Unsere Ziele sind klar und unsere Taten sprechen für sich."

Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah hatte in einer landesweit übertragenen Rede am Donnerstag angekündigt, den Beschuss Nordisraels fortzusetzen. Israel könne erst dann wieder Menschen in Sicherheit in den Norden zurückkehren lassen, wenn der Krieg im Gazastreifen gestoppt werde. Zugleich beschuldigte Nasrallah Israel, für die Explosionen von Pagern und Handfunkgeräten in dieser Woche verantwortlich zu sein. Mindestens 37 Menschen kamen nach Behördenangaben dabei am Dienstag und Mittwoch ums Leben. Rund 3.000 weitere wurden demnach verletzt. Israel hat sich bislang nicht dazu bekannt. Hisbollah-Chef Nasrallah sprach von einer Kriegserklärung und kündigte Vergeltung an.

"Israel hat der Hisbollah einen sehr starken psychologischen und taktischen Schlag versetzt, der verheerend ist", sagte Fawaz Gerges, Nahostexperte und Professor für internationale Beziehungen an der London School of Economics, dem "Wall Street Journal". Die Angriffe in dieser Woche würden jedoch das strategische Kalkül zwischen der Hisbollah und Israel nicht verändern. "Jeder, der die Hisbollah von innen kennt, wird Ihnen sagen, dass diese Angriffe die Haltung der Hisbollah verhärten und sie noch entschlossener machen werden, Widerstand zu leisten und ihren Weg fortzusetzen", sagte der Experte der US-Zeitung.

Die US-Regierung arbeitet derweil nach Darstellung von Präsident Joe Biden weiter an einer Rückkehr der Vertriebenen aus dem israelisch-libanesischen Grenzgebiet. "Wir versuchen weiterhin, wie wir es von Anfang an getan haben, sicherzustellen, dass sowohl die Menschen im Norden Israels als auch im Süden des Libanons in ihre Häuser zurückkehren können", sagte Biden bei einer Kabinettssitzung laut anwesenden Reportern. "Wir werden so lange daran arbeiten, bis wir es geschafft haben. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns

 

Tag 351: 20. September 2024

Israel hat das feindliche Nachbarland Libanon massiv aus der Luft angegriffen. Das Militär teilte am Abend mit, es seien rund 100 Raketenabschussrampen der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah beschossen worden. Ausserdem habe die Luftwaffe "Terror-Infrastruktur" attackiert. Die Armee werde auch weiterhin die Infrastruktur und die Fähigkeiten der Hisbollah schwächen, um den Staat Israel zu verteidigen, hiess es. Artillerie habe das Gebiet von Nakura in Südlibanon beschossen, hatte das Militär zuvor mitgeteilt.

Libanesische Sicherheitskreisen sprachen von einer der schwersten israelischen Angriffswellen seit Beginn des gegenseitigen Beschusses im Oktober. Binnen 20 Minuten seien rund 70 Ziele angegriffen worden. Sie bestätigten, es seien Raketenabschussrampen getroffen worden. Es war bereits die zweite Serie israelischer Luftangriffe im Libanon am Donnerstag.

Es herrschte die Sorge vor einer möglichen Bodenoffensive Israels im Süden des Nachbarlands. Israel will die Hisbollah wieder aus dem Grenzgebiet verdrängen, um die Sicherheit seiner Bürger im Norden zu gewährleisten.

 

Tag 349: 18. September 2024

Der Konflikt zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah-Miliz spitzt sich weiter zu: Bei mutmasslich koordinierten Explosionen Hunderter tragbarer Funkempfänger sind im Libanon rund 2.750 Menschen verletzt und 9 Menschen getötet worden. Der Zustand von rund 200 Verletzten sei kritisch, erklärte der geschäftsführende libanesische Gesundheitsminister Firas Abiad in der Hauptstadt Beirut. Die Hisbollah machte Israel für die zeitgleichen Explosionen der sogenannten Pager verantwortlich und kündigte Vergeltung für die "sündige Aggression" an.

Unter den Verletzten sollen viele Hisbollah-Kämpfer sein, darunter auch Mitglieder der Elitetruppe Radwan. Zudem wurden hochrangige Hisbollah-Vertreter verletzt, wie eine der Miliz nahestehende Quelle bestätigte. Örtlichen Medien zufolge trugen auch zwei Leibwächter von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah Verletzungen davon.

Im Raum stand die Vermutung, dass Israel die Geräte als Angriff auf Hisbollah-Kämpfer gezielt zur Explosion gebracht haben könnte. Israels Armee kommentierte die Vorfälle zunächst nicht. Der israelische Kan-Sender berichtete, Militär und Verteidigungsministerium gingen davon aus, dass die Hisbollah mit einem Militäreinsatz gegen Israel reagieren werde. Es gab dazu am Abend Beratungen im Militärhauptquartier in Tel Aviv.

Pager soll wichtiges Kommunikationsmittel der Hisbollah sein

Aus Sicherheitskreisen hiess es, die Hisbollah habe die Pager erst kürzlich in einer Lieferung erhalten. Das "Wall Street Journal" berichtete unter Berufung auf Hisbollah-Mitglieder, Hunderte von ihnen hätten solche Geräte. Die Geräte seien vermutlich mit Schadsoftware versehen gewesen, die zu einer Überhitzung und zur Explosion geführt hätten.

Experten gingen davon aus, dass es sich bei den Pagern um ein für die Miliz sehr wichtiges Kommunikationssystem handelte. Die Hisbollah ist demnach aus Sicherheitsgründen von Mobiltelefonen auf Pager umgestiegen - unter anderem, weil bei diesen der Aufenthaltsort nicht ermittelt werden kann. Damit - so die Logik - wären sie auch weniger anfällig für Überwachungsmassnahmen oder Angriffe der elektronischen Kriegsführung.

In Videos von Überwachungskameras im Libanon war zu sehen, wie es etwa in Supermärkten zu kleineren Explosionen kam. Teils lagen Menschen danach am Boden. Bilder aus Krankenhäusern zeigten überfüllte Räume mit blutenden Patienten.

Auch in Syrien, wo die Hisbollah und andere Iran-treue Milizen aktiv sind, kam es zu solchen Explosionen. Dabei seien 14 Hisbollah-Mitglieder verletzt worden, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London.

Augenzeugen berichteten von Panik in den Strassen Beiruts. Zahlreiche Krankenwagen waren im Einsatz. Das Gesundheitsministerium rief alle Krankenhäuser zu höchster Alarmbereitschaft und die Bürger zu Blutspenden auf.

Auch Irans Botschafter im Libanon, Modschtaba Amani, soll Medienberichten zufolge bei der Explosion eines Pagers verletzt worden sein. Dieser habe einem Leibwächter gehört, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Tasnim. Die Hisbollah ist der wichtigste nicht-staatliche Verbündete der Islamischen Republik Iran.

Nach fast einem Jahr Dauergefechten zwischen Israel und der Hisbollah mehrten sich zuletzt die Zeichen, dass der Konflikt zu einem offenen Krieg eskalieren könnte. Die Rückkehr der geflüchteten israelischen Bürger in ihre Wohnorte im Norden des Landes zählt nun - neben der Befreiung der Geiseln aus dem Gazastreifen und der Zerstörung der Hamas - zu Israels erklärten Kriegszielen.

Der einzige Weg dahin sei "ein militärischer Einsatz", sagte Israels Verteidigungsminister Joav Galant am Montag nach Angaben seines Büros bei einem Treffen mit US-Vermittler Amos Hochstein. Die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung im Konflikt mit der Hisbollah rücke immer weiter in die Ferne, weil die Miliz ihr Schicksal mit der Hamas im Gazastreifen verbunden habe und sich weigere, den Konflikt zu beenden, sagte er demnach.

Konflikt zwischen Hisbollah und Israel

Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast einem Jahr kommt es im Grenzgebiet fast täglich zu Konfrontationen zwischen der Hisbollah und dem israelischen Militär. Auf beiden Seiten gab es infolge des Beschusses Tote - die meisten von ihnen waren Mitglieder der Hisbollah. Erst am Dienstag wurden nach israelischen Angaben bei einem Angriff auf einen Ort im Südlibanon drei Hisbollah-Kämpfer getötet.

Insgesamt mussten seither rund 60.00 Israelis ihre Häuser und Wohnungen in vielen Dörfern sowie der Stadt Kiriat Schmona im Norden Israels verlassen. Viele Betroffene leben seit Monaten in vom Staat bezahlten Hotels. In mehreren Ortschaften im israelischen Grenzgebiet wurden Dutzende Häuser sowie Infrastruktur beschädigt. Das Militär ist in der Gegend schon immer präsent. Seit Beginn der Gefechte mit der Hisbollah gibt es dort aber etwa auch Kontrollpunkte der Armee auf von Zivilisten genutzten Strassen. Auch aus dem südlichen Libanon sind Tausende Menschen in andere Landesteile geflohen.

Der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Bet erklärte, einen Bombenanschlag der Hisbollah auf einen ehemaligen ranghohen Sicherheitsvertreter Israels vereitelt zu haben. Die Attacke sei in den kommenden Tagen geplant gewesen, hiess es. Der Sprengsatz sei mit einem Fernzünder ausgestattet gewesen, verbunden mit einer Kamera und einem Handy. So hätte die Bombe demnach vom Libanon aus von der Hisbollah gezündet werden können.

Hisbollah auf "jegliches Szenario" vorbereitet

Unter Generalsekretär Hassan Nasrallah hat die Hisbollah mit Unterstützung aus Teheran ihren Einfluss stetig ausgebaut. Dieser reicht tief in den von Krisen gelähmten libanesischen Staat. Die Organisation kontrolliert vor allem den Süden an der Grenze zu Israel, von Schiiten bewohnte Viertel der Hauptstadt Beirut sowie die Bekaa-Ebene im Norden des Landes. Die Hisbollah sieht sich auf "jegliches Szenario" vorbereitet, wie es aus informierten Kreisen hiess.

Beobachter gehen von weiteren militärischen Aktionen aus

Beobachter gehen davon aus, dass es in naher Zukunft zu weiteren und womöglich grösseren militärischen Zusammenstössen zwischen Israel und der Hisbollah kommen könnte. Das mögliche Ausmass der Konfrontation sei jedoch unklar, sagte Riad Kahwaji, Direktor des Institute for Near East and Gulf Military Analysis (INEGMA), der dpa. Auch innerhalb der israelischen Regierung gebe es dazu verschiedene Meinungen. Ein israelischer Einsatz mit Bodentruppen im Libanon ist nach Einschätzungen des politischen Analysten Makram Rabah wahrscheinlich. "Aber es ist eine Frage des Timings", sagte er.

Die israelische Zeitung "Jerusalem Post" meldete unter Berufung auf politische und militärische Kreise derweil, Israel sei einem umfassenden Krieg mit der Hisbollah näher als je zuvor. Ein grossangelegter Krieg sei für alle Seiten aber weiter riskant.

Israel will durch militärischen und diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Hisbollah-Miliz wieder hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es die UN-Resolution 1701 vorsieht.

US-Aussenminister Antony Blinken will sich bis Donnerstag in Ägypten für eine Wiederbelebung der Gespräche zur Beendigung des Gaza-Kriegs einsetzen. Ein Abkommen zwischen Israel und der Hamas scheint derzeit so gut wie ausgeschlossen. Israel will die Hamas in dem Krieg zerstören - doch immer wieder kommen auch viele unbeteiligte Palästinenser ums Leben. Ägypten, Katar und die USA haben bisher monatelang erfolglos in dem Konflikt vermittelt.

 

Tag 348: 17. September 2204

Ein möglicher grösserer Krieg zwischen Israel und der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah rückt nach Aussagen der Regierung in Jerusalem näher. 
Verteidigungsminister Joav Galant sagte nach Angaben seines Büros bei einem Treffen mit US-Vermittler Amos Hochstein, der einzige Weg, die Rückkehr geflüchteter israelischer Bürger im Norden in ihre Wohnorte zu gewährleisten, sei "ein militärischer Einsatz". Die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung rücke dagegen immer weiter in die Ferne, weil die Hisbollah ihr Schicksal mit der islamistischen Terrororganisation Hamas verbunden habe und sich weigere, den Konflikt zu beenden, sagte Galant.

Auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und sagte bei einem Treffen mit Hochstein, die Einwohner der Grenzregion könnten nicht in ihre Häuser zurückkehren, "ohne dass es eine grundlegende Veränderung der Sicherheitssituation im Norden gibt".

Hochstein bemüht sich seit Monaten um eine Deeskalation der brandgefährlichen Lage an der Grenze zwischen Israel und dem nördlichen Nachbarland Hisbollah. Nach Angaben des israelischen TV-Senders N12 warnte Hochstein die israelischen Spitzenpolitiker vor gefährlichen Folgen eines grösseren Kriegs, der sich auch weiter auf die Region ausweiten könne.

Die Hisbollah beschiesst Israel seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast einem Jahr und ist erst nach einer Waffenruhe in dem palästinensischen Küstenstreifen bereit, die Waffen wieder schweigen zu lassen. Israel fordert, dass die Hisbollah sich auch aus dem Grenzgebiet zurückzieht, so wie dies eine UN-Resolution vorsieht. Seit Beginn der Gefechte zwischen Israel und der Hisbollah sind Zehntausende Menschen in beiden Ländern aus dem Grenzgebiet geflohen.

 

 

Tag 347: 16. September 2024

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu ist von seinem selbst geforderten "totalen Sieg" über die islamistische Hamas im Gazastreifen offenbar noch weit entfernt. Einem israelischen Medienbericht zufolge ist die Terrororganisation mehr als elf Monate seit Kriegsbeginn stellenweise am Wiedererstarken. Vor allem im nördlichen Abschnitt des abgeriegelten Küstenstreifens erhole sich die Hamas schneller, als die israelischen Streitkräfte die militärischen Fähigkeiten der Hamas schwächen könnten, berichtete der israelische TV-Sender Kan. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es nicht.

Eines der erklärten Kriegsziele der Regierung ist es, die Herrschaft der Hamas im Gazastreifen zu beenden sowie ihre militärischen Fähigkeiten zu zerstören. Zu Beginn des Krieges nach dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober war Israels Armee zunächst im Norden Gazas massiv gegen die Terrororganisation vorgegangen. Im Januar hatte Israels Verteidigungsministerium die intensiven Kampfhandlungen gegen die Hamas im Norden Gazas für beendet erklärt. Daraufhin konzentrierte sich die Armee auf die Zerschlagung der letzten Kampfverbände der Islamisten im Süden des abgeriegelten Küstenstreifens.

Seit Monaten sei die israelische Armee nicht mehr im Norden des Gazastreifens vorgedrungen, meldete der Sender. Die Hamas habe diese Zeit genutzt, sich dort neu zu formieren und sich auf die "nächste Phase des Krieges" vorzubereiten. Dies sei einer der Hauptgründe für die jetzige Zunahme der israelischen Luftangriffe auf Kommando- und Kontrollzentren der Hamas im nördlichen Gazastreifen, berichtete der Sender weiter.

Israels Armee: Angriff galt Hamas-Kommandozentrale

Erst am Sonntag hatte die israelische Luftwaffe nach Militärangaben das Gebäude einer ehemaligen Schule im nördlichen Gazastreifen angegriffen, in dem die Hamas ein Kommando- und Kontrollzentrum eingerichtet habe. Von dort aus seien in den vergangenen Wochen Raketenangriffe auf israelische Ziele verübt worden, teilte die Armee mit.

Es gab zunächst keine Angaben zu möglichen Opfern. Vor dem Angriff habe man Massnahmen unternommen, um die Gefahr für Zivilisten zu mindern, teilte das israelische Militär mit. Palästinensische Augenzeugen berichteten, die Armee habe zunächst eine einzelne Rakete abgefeuert, offenbar mit dem Ziel, dass Flüchtlinge das Gebäude verlassen. Nur wenige Tagen zuvor hatte es bei einem Angriff auf ein ehemaliges Schulgebäude viele Tote gegeben. Israel hatte auch dabei von einem Kontrollzentrum der Hamas gesprochen.

Im Februar hatte Israels Ministerpräsident Netanjahu noch einen Sieg über die Hamas innerhalb von Wochen prophezeit. Der "totale Sieg" sei angeblich in Reichweite. Doch die Realität auf dem Schlachtfeld scheint anders auszusehen.

Die Hamas sei zwar militärisch schon sehr dezimiert, sagte Verteidigungsminister Joav Galant im Mai. "Solange die Hamas aber die Kontrolle über das zivile Leben in Gaza bewahrt, kann sie sich wieder neu aufbauen und erstarken, sodass die israelische Armee zurückkommen und kämpfen muss, in Gebieten, in denen sie bereits im Einsatz gewesen war", sagte Galant damals. Er forderte, es müsse eine politische Alternative zur Herrschaft der Hamas in Gaza geschaffen werden. Netanjahu hatte dagegen erklärt, es sei sinnlos, vor einem Sieg über die Hamas über die künftige Verwaltung des Küstenstreifens zu sprechen.

Kein Ende des Krieges in Sicht

Doch auch nach fast einem Jahr zeichnet sich ein Ende des Krieges weiterhin nicht ab. Kritiker werfen Netanjahu vor, mangels eines genauen Plans zur Stabilisierung und Verwaltung Gazas zuzulassen, dass das abgeriegelte Küstengebiet im Chaos versinkt. Israels Truppen drohten, von der Hamas in einen endlosen Guerilla-Krieg verwickelt zu werden. Israels Generalstabschef Herzi Halevi warnte schon vor Monaten vor einer "Sisyphusarbeit".

Doch nicht nur im Gaza-Krieg ist die Armee weiter in Kämpfe verwickelt, auch an anderen Fronten üben Israels Feinde Druck aus. Israel solle sich auf "mehr Angriffe" gefasst machen, warnte der Militärsprecher der Huthi-Miliz im Jemen am Sonntag, nachdem die Miliz kurz zuvor eine ballistische Rakete auf Israel abgefeuert hatte. Israels Armee teilte mit, die Boden-Boden-Rakete sei offenbar in der Luft zerbrochen und in offenem Gebiet niedergegangen.

Netanjahu: Befinden uns in einem Mehrfrontenkrieg

Israels Regierungschef Netanjahu kündigte eine harte Reaktion an. "Jeder, der uns angreift, wird unserer Faust nicht entkommen", sagte Netanjahu. "Wir befinden uns in einem Mehrfrontenkrieg gegen die iranische Achse des Bösen, die uns zerstören will", sagte Netanjahu. Zur sogenannten Widerstandsachse gehören mit dem Iran verbündete Milizen, unter anderem die Hisbollah im Libanon und die Huthi-Miliz im Jemen.

Derweil heulten in der Nacht im Norden Israels wieder die Sirenen, wie die israelische Armee auf Telegram mitteilte. Erst am Vortag waren vom Libanon aus Dutzende Raketen auf den Norden des Landes abgefeuert worden. Die Schiitenmiliz Hisbollah reklamierte die Angriffe, die einem israelischen Militärstützpunkt gegolten haben sollen, für sich. Die israelische Armee teilte mit, rund 40 Geschosse seien vom Libanon aus auf Israel abgefeuert worden.

Erneut Raketenalarm im Norden Israels

Seit Beginn des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der Hamas vor fast einem Jahr kommt es im Grenzgebiet der beiden Länder nahezu täglich zu militärischen Konfrontationen zwischen der israelischen Armee und der Hisbollah. Auf beiden Seiten gab es Tote. Die Hisbollah handelt nach eigenen Angaben aus Solidarität mit der Hamas. Bei einem Angriff am 7. Oktober vergangenen Jahres hatten Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Organisationen mehr als 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 weitere als Geiseln nach Gaza verschleppt. Das beispiellose Massaker wurde zum Auslöser des Krieges.

Seit Kriegsbeginn ist die Zahl der getöteten Palästinenser im Gazastreifen nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde auf mehr als 41.200 gestiegen. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten und lässt sich kaum überprüfen.

 

 

Tag 346: 15. September 2024

Tausende Menschen haben am Abend in mehreren Städten Israels für eine Feuerpause im Gazastreifen und eine Übereinkunft zur Freilassung der israelischenGeiseln aus der Gewalt der Hamas demonstriert. In Tel Aviv wurde eine etwa halbminütige Tonaufnahme eines israelischen Soldaten abgespielt, die vor Kurzem im Gazastreifen gefunden wurde und für die Familie das erste Lebenszeichen war. In der Aufnahme bat er Regierungschef Benjamin Netanjahu um einen Austausch von Hamas-Häftlingen in israelischen Gefängnissen gegen die israelischen Geiseln im Gazastreifen.

Die Demonstration in Tel Aviv stand unter dem Motto: "Wir lassen sie nicht im Stich - wir geben nicht auf". Auf Plakaten forderten viele Demonstranten "Bringt sie zurück nach Hause", auf einem anderen Plakat stand: "Holt sie aus der Hölle." Im Gazastreifen befinden sich noch 101 der bei dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober verschleppten Geiseln. Unbekannt ist, wie viele von ihnen noch leben.

Michal Lobanov, die Witwe einer der vor zwei Wochen getöteten Geiseln, sprach von dem Schock nach der Veröffentlichung eines Militärvideos über die Lebensbedingungen in dem Tunnel bei Rafah, in dem die Leichen der sechs getöteten Geiseln gefunden worden waren. "Es war möglich, sie durch ein Abkommen zu retten", betonte sie. Sie wolle kein Mitleid, sondern verlange, "dass ihr alles tut, damit das Ende für andere Frauen, für die Geiseln anders ist."

Tag 345: 14. September 2024

Mit einer neuen Resolution in der UN-Vollversammlung wollen die Palästinenser den Druck auf Israel zum Rückzug aus besetzten Gebieten erhöhen. Eine Reihe von Staaten beantragte eine Sitzung des grössten UN-Gremiums zur Abstimmung über eine Resolution, die die Umsetzung eines Rechtsgutachtens des obersten UN-Gerichts zum Nahost-Konflikt durchsetzen soll. Diese könnte am Dienstag, den 17. September, über die Bühne gehen.

Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag hatte im Juli in einem Rechtsgutachten festgestellt, das die Besatzung der palästinensischen Gebiete illegal sei und so schnell wie möglich beendet werden müsse. Israel hatte dies ignoriert. Die UN-Vollversammlung soll nun am kommenden Dienstag über eine Beschlussvorlage abstimmen, die unter anderem fordert, dass "Israel seine unrechtmässige Anwesenheit im besetzten palästinensischen Gebiet" innerhalb von zwölf Monaten beenden müsse. Traditionell gibt es bei den Vereinten Nationen eine grosse Mehrheit für palästinensische und gegen israelische Anliegen.

Israel hatte das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem im Sechstagekrieg von 1967 erobert und besetzt. Die Palästinenser beanspruchen diese Gebiete für einen eigenen Staat, der an der Seite Israels entstehen sollte und den die meisten Länder der Welt, so auch Deutschland, bis heute befürworten. 2005 hatte Israel den Gazastreifen wieder verlassen, kontrolliert aber weiter die Grenzen zu Land, Wasser und in der Luft.

Treffen in Madrid fordert Ende des Gaza-Kriegs

Seit dem 7. Oktober des Vorjahres führt Israel einen blutigen Krieg gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen. Auslöser war das beispiellose Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen im Süden Israels verübt hatten. Dabei waren 1.200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln verschleppt worden. Auf palästinensischer Seite starben seitdem nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 41.000 Menschen, wobei nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterschieden wird.

Die proiranische Schiiten-Miliz Hisbollah greift seit dem 8. Oktober den Norden Israels mit Raketen und Drohnen an, wobei sie vorgibt, aus Solidarität mit der Hamas zu handeln. Israel erwidert den Beschuss mit Luftangriffen auf Stellungen und Kader der Hisbollah im Südlibanon, aber immer wieder auch tief im Inneren des nördlichen Nachbarlandes.

Bei einem Treffen hochrangiger Politiker aus mehreren Ländern Europas, Asiens und Afrikas forderten die Teilnehmer ein Ende des Gaza-Kriegs. Man sei in Madrid zusammengekommen, "um auf ein Ende des Krieges in Gaza und auf die Umsetzung der Zweistaatenlösung zu drängen", teilte der spanische Aussenminister José Manuel Albares auf der Plattform X mit.

"Die Zweistaatenlösung ist der einzige Weg zu einem gerechten und dauerhaften Frieden", sagte Albares nach dem Treffen. Dringender seien aber zunächst eine Waffenruhe, die Freilassung der noch von der Hamas festgehaltenen Geiseln sowie eine massive Aufstockung humanitärer Hilfe für den Gazastreifen.

Mit dem Begriff Zweistaatenlösung ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existiert. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt eine Zweistaatenlösung ebenso ab wie die Hamas, die sich die Vernichtung Israels zum Ziel gesetzt hat.

Die linke Regierung in Madrid gehört in Europa zu den schärfsten Kritikern an Israels militärischem Vorgehen in Gaza. Neben Spanien hatten im Frühsommer auch die EU-Länder Irland und Slowenien sowie das Nato-Land Norwegen Palästina als eigenständigen Staat anerkannt.

An dem Treffen in Madrid nahmen der EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell, der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Mustafa, der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Abul Gheit, sowie Minister und Vertreter unter anderem aus Norwegen, Irland, Slowenien, der Türkei, Ägypten, Saudi-Arabien, Katar und Bahrain teil.

Tote bei israelischem Militäreinsatz im Westjordanland

Das israelische Militär tötete in den letzten 48 Stunden bei einer Anti-Terror-Operation im nördlichen Westjordanland nach eigenen Angaben sechs militante Palästinenser. Fünf bewaffnete Männer seien in der Ortschaft Tubas bei einem gezielten Luftangriff ums Leben gekommen, hiess es in einer Mitteilung der Streitkräfte. Ein sechster Militanter sei in der Flüchtlingssiedlung Fara in Tubas durch Schüsse getötet worden, als er Sprengsätze gegen israelische Soldaten warf.

Das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA teilte indes mit, dass einer seiner Mitarbeiter auf dem Dach seines Hauses in Fara von Scharfschützen erschossen worden sei. Das Hilfswerk betonte, dass es sich um den ersten Fall seit zehn Jahren gehandelt habe, bei dem ein Mitarbeiter im Westjordanland gewaltsam ums Leben kam. Das israelische Militär gab anschliessend bekannt, dass es sich bei dem getöteten UNRWA-Mitarbeiter um den Mann gehandelt habe, der israelische Soldaten mit Sprengsätzen angegriffen hatte. Obwohl bei der UNRWA angestellt, sei der Mann dem Besatzungsmilitär schon davor durch "terroristische Aktivitäten" aufgefallen. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Erste Phase der Polio-Impfungen in Gaza beendet

Ein seltener Lichtblick lässt sich derweil aus dem vom Krieg verwüsteten Gazastreifen vermelden: Die erste Runde der Impfkampagne gegen das Poliovirus wurde erfolgreich beendet. Das berichtete der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, in Genf. Gut 560.000 Kindern unter zehn Jahren hätten eine erste Impfdosis erhalten. Zu grösseren Zwischenfällen kam es nicht. Die Aktion dauerte knapp zwei Wochen. Die Kinder brauchen in vier Wochen alle eine zweite Impfdosis, um vor einer Ansteckung geschützt zu sein.

Die WHO und Partnerorganisationen hatten mit Israel und der Hamas räumlich und zeitlich begrenzte Feuerpausen ausgehandelt, damit Familien ihre Kinder zu Impfzentren bringen oder mobile Impfteams Familien erreichen konnten. Der Gazastreifen war 25 Jahre lang poliofrei. Bei einem Kind mit Lähmungserscheinungen wurde in diesem Sommer aber Polio nachgewiesen. Das Virus breitet sich unter unhygienischen und beengten Bedingungen wie im Gazastreifen aus.

Ein Grossteil der rund zwei Millionen Einwohner ist seit Beginn der israelischen Militäraktion vor fast elf Monaten vertrieben worden, weil ihre Viertel bombardiert und ihre Häuser teils zerstört wurden.

Tag 344: 13. September 2024

Mit einem waghalsigen Luftlandemanöver soll Israel Medienberichten zufolge am vergangenen Wochenende in Syrien eine Fabrik für Präzisionsraketen angegriffen und zerstört haben. Diesbezüglich übereinstimmende Berichte der "New York Times" und des Nachrichtenportals "axios.com" stützen sich auf die Aussagen namentlich nicht genannter Personen, die in die Aktion involviert gewesen sein sollen oder aus erster Hand Kenntnis davon erlangt hätten. Die Waffenfabrik soll vom Iran, Syriens wichtigstem Verbündeten, errichtet worden sein, in erster Linie, um die proiranische Hisbollah-Miliz im Libanon mit Raketen zu versorgen.

Syriens staatliche Nachrichtenagentur Sana hatte bereits am Montag berichtet, dass bei einem mutmasslich von Israel ausgeführten Luftangriff in der Region Masjaf im Westen des Landes 18 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt wurden. Von Bodentruppen war in den damaligen Berichten nicht die Rede. Israel kommentiert solche Angriffe in der Regel nicht. Die israelische Armee greift in Syrien aber immer wieder Stellungen von Milizen an, die vom Iran unterstützt werden, oder auch Waffentransporte, die für die Hisbollah vorgesehen sind.

Der Einsatz von Soldaten der Luftwaffen-Eliteeinheit Schaldag auf syrischem Boden würde - so sich die Berichte bewahrheiten - ein Novum für Israel darstellen. Israels Militär habe Bau und Funktion der unterirdischen Waffenschmiede in Masjaf jahrelang beobachtet, hiess es auf "axios.com". Da sich die Anlage unter der Erde befand, hätte sie allein mit Luftangriffen nicht zerstört werden können. In den vergangenen Jahren sei die geplante Mission zweimal abgeblasen worden, weil sie als zu riskant galt, hiess es weiter.

Den Berichten von "New York Times" und "axios.com" zufolge seilten sich die Schaldag-Soldaten von Helikoptern ab, töteten die Wachsoldaten der Anlage, stellten Dokumente sicher und sprengten die Fabrik in die Luft. Die massiven Luftangriffe sollen dazu gedient haben, das syrische Militär vom Schauplatz abzuhalten.

 

Tag 343: 12. September 2024

Der israelischeVerteidigungsminister Joav Galant hat Jihia al-Sinwar, den Chef der islamistischen Hamas, als den "neuen Osama bin Laden" bezeichnet. In dem anlässlich des Jahrestages der Terrorangriffe vom 11. September 2001 in den USA veröffentlichten Video sagte er: "Er ist der Osama bin Laden von Gaza. Wir werden ihn finden und der Gerechtigkeit zuführen - tot oder im Gefängnis."

Die Botschaft Galants auf der Plattform X kam einen Tag nach einem Interview des Finanzdienstes Bloomberg mit dem für die Geiseln und Vermissten zuständigen Brigadegeneral Gal Hirsch, in dem dieser von einem Angebot zur sicheren Ausreise für al-Sinwar aus dem Gazastreifen gesprochen hatte. "Ich bin bereit, Sinwar, seiner Familie und jedem, der sich ihm anschliessen möchte, einen sicheren Korridor zu ermöglichen", sagte er.

Ein Hamas-Repräsentant sagte der Deutschen Presse-Agentur, seine Organisation habe das Angebot erhalten, Sinwar und seiner Familie die Ausreise zu ermöglichen, um ein Gaza-Abkommen zu erzielen. Die Hamas sei jedoch erst dann bereit, auf das Angebot zu reagieren, wenn es Teil einer umfassenden Einigung wäre.

Tag 342: 11. September 2024

Die israelische Armee hat ein Video veröffentlicht, in dem der Tunnel im Gazastreifen gezeigt wird, in dem sechs israelische Hamas-Geiseln gefangengehalten und getötet worden waren. Der Weg in den in 20 Meter Tiefe gelegenen Tunnel führe über Leitern von einem Zugang in einem Kinderzimmer, sagte Armeesprecher Daniel Hagari in dem Video. Er steht in einem ausgebombten Raum, an dessen Wänden noch bunte Zeichentrickfiguren zu sehen sind.

Der enge und niedrige Tunnel führe etwa 120 Meter zu einer Eisentür. "Hier wurden die Geiseln gefangengehalten und ermordet", sagte Hagari in dem etwa dreieinhalb Minuten langen Video. Die Leichen waren Anfang September geborgen worden.

Der Armeesprecher zeigte sichergestelltes Material - Waffenmagazine, Akkus und Koranbücher der Hamas, ein Schachspiel und Kleidungsstücke. "Das ist ihr Blut", sagte Hagari in dem Video und zeigte auf grosse dunkle Flecken auf dem Boden des Tunnels. "Sie waren hier, über Wochen und Monate, in diesem Tunnel ohne Luft, in dem man nicht aufrecht stehen kann." Noch immer seien 101 Geiseln in der Gewalt der Hamas, "einige von ihnen lebendig", die in ähnlichen Tunneln gefangen gehalten würden.

 

Tag 341: 10. September 2024

Die israelische Luftwaffe hat nach eigenen Angaben eine in einer humanitären Zone im Gazastreifen untergebrachte Kommandozentrale der islamistischen Hamas angegriffen. Nach Angaben des Direktors für Versorgung bei der Zivilverteidigung in Gaza kamen mindestens 40 Menschen bei dem Luftangriff ums Leben, mehr als 60 seien verletzt worden. Demnach wurden Zelte getroffen, in denen Binnenflüchtlinge untergebracht sind. Laut dem israelischen Militär wurden vor dem Angriff mit Präzisionsmunition zahlreiche Massnahmen ergriffen, um das Risiko zu verringern, dass Zivilisten zu Schaden kommen.

Angaben zu möglichen Opfern machte die Armee in der Nacht nicht. Sie erklärte lediglich, dass Terroristen von der Zone in Chan Junis im Süden des umkämpften Küstengebiets aus gegen die israelischen Truppen und den Staat Israelvorgegangen seien. Die Hamas erklärte auf ihrem Telegram-Kanal, Israels Behauptung, ihre Kämpfer hätten sich in der humanitären Zone Al-Mawasi bei Chan Junis aufgehalten, sei "eine eklatante Lüge".

Israels Militär hatte im Juli ein abgezäuntes Objekt in der humanitären Zone zwischen Chan Junis und Al-Mawasi bombardiert, das nach israelischer Darstellung als Basis für Hamas-Terroristen diente. Bei dem Angriff wurden demnach der Militärchef der Hamas, Mohammed Deif, und der Kommandeur der Chan-Junis-Brigade der Hamas, Rafa Salama, getötet. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde kamen bei dem massiven Luftangriff damals 90 Menschen ums Leben und weitere 300 wurden verletzt.

Behörden: Bereits rund 41.000 tote Palästinenser in Gaza

Deif gilt als einer der Drahtzieher des Terrorangriffs der Hamas und anderer extremistischer Gruppen vom 7. Oktober vergangenen Jahres. Dabei wurden mehr als 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 weitere als Geiseln nach Gaza verschleppt. Das beispiellose Massaker wurde zum Auslöser des Kriegs. Seit Kriegsbeginn ist die Zahl der getöteten Palästinenser in Gaza nach Angaben der örtlichen Behörden auf knapp 41.000 gestiegen. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten und lässt sich kaum überprüfen.

Die im Gazastreifen laufende Polio-Impfkampagne ist laut Angaben der Vereinten Nationen auf Kurs. In der abgeschlossenen zweiten von drei Phasen seien mehr als 446.000 Kinder im Kampf gegen das hochansteckende Virus erreicht worden, sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric in New York. Das entspreche fast 70 Prozent der Gesamtzahl an 640.000 zu impfenden Kindern. Ab heute solle nun die dritte Phase der Kampagne beginnen, bei der die Kinder im Norden des abgeriegelten Gazastreifens die Schluckimpfung bekommen.

Angehörigen-Forum: Furchtbare Umstände für Geiseln

Nach israelischer Zählung befinden sich noch 101 Menschen in der Gewalt der Hamas, wobei unklar ist, wie viele davon noch leben. Die Entführten werden nach Angaben ihrer Angehörigen unter grauenhaften Bedingungen festgehalten. Das Forum der Familienmitglieder der Entführten teilte mit, eine erste Untersuchung des Schicksals von sechs zuletzt getöteten Geiseln durch die Armee habe ergeben, dass die ermordeten Geiseln zuvor "in engen unterirdischen Tunneln mit wenig Luft festgehalten wurden". Sie hätten unter extremer Mangelernährung sowie Gewichtsverlust gelitten und "klare Zeichen langanhaltender körperlicher Vernachlässigung" aufgewiesen, hiess es. Die Untersuchungsergebnisse seien den Angehörigen vorgelegt worden. Die Armee äusserte sich dazu offiziell nicht.

Die sechs Leichen waren nach Militärangaben vor gut einer Woche in einem Tunnel im Gebiet Rafah im Süden Gazas gefunden und nach Israel überführt worden. Die Geiseln seien kurz zuvor von den Kidnappern gezielt getötet worden. Ein Hamas-Sprecher sagte dagegen, sie seien bei israelischem Bombardement ums Leben gekommen.

Die Geiseln seien in einem etwa 80 Zentimeter breiten Tunnel festgehalten worden, in dem sie nicht stehen und sich auch nicht frei bewegen konnten, hiess es in der Mitteilung des Angehörigen-Forums weiter. Sie hätten dort auch keinen Zugang zu Duschen oder Toiletten gehabt. Nicht einmal "grundlegendste menschliche Bedürfnisse" seien respektiert worden. "Einige von ihnen hatten unbehandelte Verletzungen aus der Zeit ihrer Entführung, an einem von ihnen wurden Anzeichen von Fesselung gefunden", hiess es.

Der israelische TV-Sender Channel 13 berichtete, die sechs Leichen seien nebeneinander aufgefunden wurden. Forensische Untersuchungen hätten ergeben, dass sich die Entführten vor ihrer Tötung "verteidigen und sich gegenseitig beschützen wollten". Sie hätten offenkundig mit ihren Peinigern gekämpft, bevor sie erschossen wurden. "Die Beweise zeigen, dass sie ganz bis zum Ende um ihr Überleben gekämpft haben, bevor alle sechs brutal ermordet wurden", hiess es.

Forderung nach sofortigem Deal mit der Hamas

"Diese Enthüllungen liefern unbestreitbare Beweise dafür, dass die Geiseln, die immer noch in Gaza festgehalten werden, in grösster Gefahr schweben", betonte das Forum und forderte einen sofortigen Deal mit der Hamas über ihre Freilassung. Die indirekten Verhandlungen zu ihrer Freilassung, bei denen die USA, Ägypten und Katar vermitteln, drehen sich jedoch seit Monaten im Kreis. Das im Raum stehende mehrstufige Abkommen würde auch die Beendigung des Kriegs, den Rückzug des israelischen Militärs aus dem Gazastreifen und die Entlassung tausender palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen einschliessen.

Kritiker werfen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu vor, den Abschluss einer derartigen Vereinbarung mit überzogenen Forderungen - wie etwa der nach einem dauerhaften Verbleib des israelischen Militärs an strategischen Stellen Gazas - zu torpedieren. Netanjahu regiert in einer Koalition mit rechtsextremen Parteien, die jegliche Zugeständnisse an die Hamas ablehnen und ihm mit dem Platzen der Regierung drohen.

Israel hält UN-Konvoi auf - Angeblich Verdächtige an Bord

Israels Armee hat unterdessen nach eigenen Angaben einen UN-Fahrzeugkonvoi im Norden Gazas aufgehalten, um Verdächtige zu befragen. Hintergrund seien "Geheimdienstinformationen, denen zufolge sich eine Anzahl palästinensischer Verdächtiger darin aufhielt", teilte das Militär mit. Es handele sich um Fahrzeuge, in denen UN-Mitarbeiter transportiert würden.

Der israelische TV-Sender Kan berichtete, zwei verdächtige Palästinenser hätten den Konvoi "infiltriert" und sich in einem der Fahrzeuge verschanzt. Israelische Soldaten hätten Warnschüsse abgegeben. UN-Sprecher Stéphane Dujarric sagte der Deutschen Presse-Agentur dazu: "Zu diesem Zeitpunkt kann ich nur sagen, dass wir Kenntnis von einem laufenden Zwischenfall haben, in den UN-Personal und -Fahrzeuge verwickelt sind."

Das ohnehin gespannte Verhältnis zwischen Israel und den Vereinten Nationen ist durch den Krieg noch stärker belastet worden. Israelische Vertreter haben Mitarbeiter des UN-Palästinenserhilfswerks wiederholt in die Nähe von Terroristen gerückt. Im vergangenen Monat wurde nach Angaben der Vereinten Nationen ein für humanitäre Hilfe eingesetztes UN-Fahrzeug in einem Konvoi von israelischen Soldaten beschossen. Die israelische Armee kündigte eine Untersuchung dazu an.

 

Tag 340: 9. September 2024

EU-Chefdiplomat Josep Borrell will sich mit einer Reise im Nahen Osten für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg einsetzen. Borrell wolle dafür am Montag in Kairo den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi treffen und auch den Grenzübergang Rafah zum Gazastreifen besuchen, teilte der Auswärtige Dienst in Brüssel mit. Die Bemühungen der Vermittler Ägypten, Katar und USA stünden bei den Gesprächen "weit oben auf der Agenda". Am Dienstag will Borrell Ägyptens Aussenminister Badr Abdel-Atti treffen und an einer Sitzung der Arabischen Liga teilnehmen.

Die Gespräche über eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas kommen seit Monaten nicht voran. Das US-Militär bereitet sich laut einem Bericht der "Financial Times" bereits auf einen Kollaps der Verhandlungen vor. Mit der Waffenruhe ist auch die Hoffnung verbunden, eine noch grössere Ausweitung des Kriegs etwa zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon zu vermeiden.

Auch in den Libanon will Borrell am Mittwoch und Donnerstag reisen, um politische Gespräche zu führen. Ein Besuch in Israel ist der Mitteilung zufolge nicht geplant.

Borrell hat Israels Krieg im Gazastreifen mehrfach deutlich kritisiert. Er hat betont, dass dieser mit einem "schrecklichen Terrorangriff der Hamas" vom 7. Oktober 2023 begann, bei dem in Israel rund 1200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln verschleppt wurden. Zugleich könne "ein Grauen kein weiteres Grauen rechtfertigen", sagte Borrell im Mai dem Magazin "Foreign Policy". Im Zuge von Israels verheerendem Krieg in Gaza wurden nach palästinensischen Angaben bereits mehr als 40.000 Menschen getötet.

Tag 339: 8. September 2024

Zehntausende Menschen haben in Tel Aviv und anderen israelischen Städten für den Abschluss eines Abkommens zur Freilassung von rund 100 Geiseln in der Gewalt der Hamas demonstriert. "Ihre Zeit läuft ab", sagte die Verwandte einer von der den islamistischen Extremisten erschossenen Geisel auf der Kundgebung in Tel Aviv. "Wir dürfen kein Leben mehr opfern, wir dürfen sie (die verbleibenden Geiseln) nicht opfern."

Terroristen der Hamas hatten Carmel Gat und eine weitere Frau und vier Männer in der vergangenen Woche mit Schüssen aus nächster Nähe getötet. Das israelische Militär hatte ihre Leichen am letzten Sonntag in einem Tunnel in Gaza gefunden. "Die Sechs wären heute hier unter uns, wenn (Israels Ministerpräsident Benjamin) Netanjahu Ja zu einem Deal gesagt hätte", rief Gats Verwandte mit Trauer und Wut in der Stimme in die Menge.

Die Hamas und andere islamistische Terrorgruppen hatten am 7. Oktober vergangenen Jahres den Süden Israels überfallen und dabei mehr als 1.200 Menschen getötet und etwa 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Das beispiellose Massaker war Auslöser des Gaza-Kriegs.

Nach israelischer Zählung befinden sich noch 101 Menschen in der Gewalt der Hamas, wobei unklar ist, wie viele von ihnen noch leben. Indirekte Verhandlungen zu ihrer Freilassung, bei denen die USA, Ägypten und Katar vermitteln, drehen sich seit Monaten ergebnislos im Kreis. Der angestrebte Deal würde auch die Beendigung des Kriegs, den Rückzug des israelischen Militärs aus dem Gazastreifen und die Entlassung tausender palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen einschliessen.

Kritiker werfen Netanjahu vor, den Abschluss einer derartigen Vereinbarung mit überzogenen Forderungen - wie etwa der nach einem dauerhaften Verbleib des israelischen Militärs an strategischen Stellen des Gazastreifens - zu torpedieren. Der Premier regiert in einer Koalition mit rechtsextremen Parteien, die jegliche Zugeständnisse an die Hamas ablehnen und ihm mit dem Platzen des Regierungsbündnisses drohen.

Weitere Demonstrationen fanden nach Medienberichten unter anderem in Jerusalem, Haifa, Beerscheba, Naharia und Caesarea statt.

Tag 337: 6. September 2024

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) hat die beantragten Haftbefehle für Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galant verteidigt. Ihm sei von mehreren führenden Politikern und anderen von dem Schritt abgeraten worden, sagte Karim Khan in einem BBC-Interview. Es sei aber wichtig zu zeigen, dass für alle Länder die gleichen Massstäbe gälten, wenn es um mutmassliche Kriegsverbrechen gehe. Anders als seine Kritiker habe er Beweise für die Vorwürfe gesehen.

Khan hatte im Mai Anträge für Haftbefehle sowohl gegen die beiden israelischen Politiker als auch gegen den Anführer der Hamas beantragt. Sie müssen noch vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bestätigt werden. Sowohl Israel als auch die Hamas wiesen die Vorwürfe zurück. Unter anderem US-Präsident Joe Biden kritisierte die Entscheidung.

Netanjahu und Galant werden von Khan unter anderem beschuldigt, für das Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegsführung sowie für willkürliche Tötungen und zielgerichtete Angriffe auf Zivilisten verantwortlich zu sein.

Von den drei Hamas-Anführer, gegen die Khan ermittelte, wurden inzwischen zwei - Mohammed Deif und Ismail Hanija - von Israel getötet. Nur Jihia al-Sinwar lebt noch. Dem Hamas-Chef wirft der Ankläger unter anderem "Ausrottung" sowie Mord, Geiselnahme, Vergewaltigungen und Folter als Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.

Zufrieden zeigte sich der Brite Khan darüber, dass London nun keine Stellungnahme mehr beim Gericht gegen die Haftbefehle abgeben will, anders als die Vorgängerregierung angekündigt hatte.

139 Staaten weltweit haben das Römische Statut – die vertragliche Grundlage des IStGH – unterzeichnet, 124 davon haben es ratifiziert, auch Deutschland. Israel gehört neben den USA, Russland und China zu den Staaten, die das Gericht nicht anerkennen. Aber die palästinensischen Gebiete sind Vertragsstaat. Daher darf der IStGH-Ankläger auch ermitteln.

 

Tag 336: 5. September 2024

Während die US-Regierung eine Vereinbarung zwischen Israel und der islamistischen Hamas für eine Waffenruhe und Geisel-Freilassung in Reichweite sieht, bleibt IsraelsMinisterpräsident Netanjahu bei Fragen rund um einen Abzug israelischer Truppen aus dem Gazastreifen unnachgiebig. Nach Angaben der US-Regierung steht ein Deal zu 90 Prozent. "Der Deal hat insgesamt 18 Absätze. 14 dieser Absätze sind fertig", sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter. Neben einer israelischenTruppenpräsenz im Gazastreifen seien allerdings auch die Bedingungen für einen Austausch von israelischen Geiseln und palästinensischen Häftlingen bisher nicht gänzlich geklärt. Die Hamas forderte erneut, mehr Druck auf Netanjahu auszuüben.

Aussenministerin Annalena Baerbock brach mit klaren Forderungen an den Verbündeten Israel zu einer zweitägigen Nahost-Reise auf. Erneut verlangte die Grünen-Politikerin, alle Anstrengungen auf einen humanitären Waffenstillstand zu richten, der zur Befreiung der Geiseln führe und das Sterben beende. "Es gibt weder für Gaza noch die Lage im Westjordanland eine militärische Lösung", betonte sie vor den Krisengesprächen in Saudi-Arabien, Jordanien und Israel an diesem Donnerstag und Freitag.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erhebt indes schwere Vorwürfe gegen die israelische Armee wegen der Zerstörung landwirtschaftlicher Flächen und Häuser.

Israels Premier hält am Philadelphi-Korridor fest

Israels Ministerpräsident Netanjahu machte am Mittwochabend in Jerusalem erneut klar, dass er an einer dauerhaften Präsenz israelischerTruppen am sogenannten Philadelphi-Korridor festhalten werde. Dabei handelt es sich um einen etwa 14 Kilometer langen Streifen an der Grenze des Gazastreifen zu Ägypten, dessen Kontrolle nach Netanjahus Darstellung gewährleisten soll, dass die Hamas keine Waffen in den abgeriegelten Küstenstreifen schmuggeln kann. "Die Räumung des Philadelphi-Korridors trägt nichts zur Freilassung der Geiseln bei", sagte er vor internationalen Medien.

Die indirekten Verhandlungen zwischen Israelund der Hamas, bei denen neben den USA auch Katar und Ägypten vermitteln, um eine Waffenruhe und eine Freilassung der Geiseln zu erreichen, kommen seit Monaten nicht voran.

Der US-Regierungsvertreter betonte, im Abkommen werde der Philadelphi-Korridor nicht explizit erwähnt. Vorgesehen sei darin aber der Rückzug des israelischen Militärs aus allen dicht besiedelten Gebieten im Gazastreifen, und es sei zu einem Streit darüber gekommen, ob der Philadelphi-Korridor dazu gehöre. "Aufgrund dieser Meinungsverschiedenheit haben die Israelis in den vergangenen Wochen einen Vorschlag unterbreitet, mit dem sie ihre Präsenz in diesem Korridor erheblich reduzieren würden", betonte er. Erst in der zweiten Phase des Deals sei ein kompletter Abzug der israelischen Kräfte vorgesehen.

Netanjahu: Hamas darf sich nicht über Grenze bewaffnen

Netanjahu stellte das vor den Medienvertretern anders dar. Man möge ihm "irgendjemanden" bringen, der effektiv gewährleisten könne, dass sich die Hamas über die Gaza-Ägypten-Grenze nicht erneut bewaffnet, sagte er. Dann könne man über einen Abzug des israelischen Militärs reden. "Aber ich sehe das nicht kommen, und solange das nicht kommt, bleiben wir dort", fügte er hinzu.

Kritiker werfen Netanjahu vor, die strategische Bedeutung des Philadelphi-Korridors überzubewerten, um das Zustandekommen einer Waffenruhe zu verhindern. Sie gehen davon aus, dass Netanjahus rechtsextreme Regierungspartner Zugeständnisse an die Hamas ablehnen und seine Koalition zum Platzen bringen könnten. Netanjahu bestreitet, davon beeinflusst zu sein.

"Wir brauchen keine neuen Vorschläge", teilte indes die Hamas auf ihrer Webseite mit. "Jetzt gilt es, Druck auf Netanjahu und seine Regierung auszuüben und sie zur Einhaltung der Vereinbarungen zu zwingen." Netanjahu dürfe die Verhandlungen nicht verzögern, "um die Aggression gegen unser Volk zu verlängern."

Auch Mitglieder des UN-Sicherheitsrates drängten Israel und die Hamas zu einer Einigung über eine Waffenruhe. "Wir wissen, dass der beste Weg, die verbleibenden Geiseln zu retten und das Leid der palästinensischen Zivilisten zu lindern, ein ausgehandelter Waffenstillstand ist", sagte die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield.

Amnesty erhebt Vorwürfe gegen israelischeArmee

Amnesty International wirft dem israelischenMilitär derweil vor, nach Erlangung der Kontrolle im östlichen Gazastreifen systematisch landwirtschaftliche Flächen und Tausender Häuser in diesem Gebiet zerstört zu haben. Dieses Vorgehen, eine "Pufferzone" entlang der östlichen Abgrenzung des besetzten Gazastreifens erheblich auszuweiten, müsse als Kriegsverbrechen untersucht werden, fordert die Menschenrechtsorganisation. Eigene Recherchen zeigten, dass es sich dabei möglicherweise um die Kriegsverbrechen der mutwilligen Zerstörung und Kollektivbestrafung handele. Das israelische Militär rechtfertigt den Abriss von Gebäuden im Gazastreifen unter anderem damit, dadurch Tunnel und andere terroristische Infrastruktur zu zerstören.

Ermordete Geisel im Hamas-Propagandavideo

Die Angehörigen einer in der Vorwoche ermordeten Geisel stimmten derweil der Veröffentlichung eines Videos zu, das die Hamas kurz vor dem Tod der 40-jährigen Carmel Gat zu Propagandazwecken mit ihr angefertigt hatte. Darin fordert sie die Israelis auf, für ein Waffenruheabkommen zu demonstrieren. "Während wir sie nicht retten konnten, können wir immer noch die anderen Geiseln retten. Wir brauchen dringend einen Deal jetzt, bevor es zu spät ist", sagte ihr Cousin Gil Dickmann. Gat war zusammen mit fünf anderen Geiseln - vier Männer und einer Frau - von Terroristen der Hamas erschossen worden. IsraelischeSicherheitskräfte hatten ihre Leichen wenige Tage danach in einem Tunnel gefunden.

Gewalt der Besatzer radikalisiert junge Generation

Baerbock warnte vor ihrer Nahost-Reise vor einer weiteren Eskalation der Gewalt im besetzten Westjordanland. Israel hatte vergangene Woche eine grossangelegte Militäraktion im nördlichen Westjordanland begonnen. Ein israelischerArmeesprecher begründete das Vorgehen mit einer deutlich gestiegenen Zahl von Anschlägen auf Israelis. Zugleich nahm die Gewalt extremistischer israelischer Siedler im Westjordanland zu. Die Lage in dem seit 1967 besetzten Gebiet hat sich seit Beginn des Gaza-Kriegs deutlich verschärft.

 

Tag 335: 4. September 2024

Die US-Regierung geht im Zusammenhang mit dem Massaker am 7. Oktober 2023 in Israeljuristisch gegen Hamas-Chef Jihia al-Sinwar und andere hochrangige Mitglieder der palästinensischen Terrororganisation vor. Das US-Justizministerium veröffentlichte am Dienstag (Ortszeit) Unterlagen zur Strafverfolgung, die bereits Anfang des Jahres eingereicht und bisher unter Verschluss gehalten worden waren. Derweil steigt nach der jüngsten Tötung von sechs israelischen Geiseln der Druck auf den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu. Die Lage in Nahost steht an diesem Mittwoch auf der Tagesordnung des UN-Sicherheitsrats in New York.

Sinwar und den anderen Beschuldigten werden unter anderem Terrorismus, Verschwörung zum Mord und Umgehung von Sanktionen vorgeworfen. US-Justizminister Merrick Garland sagte in einer von seinem Ministerium verbreiteten Videobotschaft, die Anklage richte sich gegen Sinwar und andere hochrangige Hamas-Mitglieder, weil sie eine jahrzehntelange Kampagne finanziert und geleitet hätten, um amerikanische Bürger zu töten und die Sicherheit der USA zu gefährden. "Bei ihren Angriffen in den vergangenen drei Jahrzehnten hat die Hamas Tausende Zivilisten ermordet oder verletzt, darunter Dutzende amerikanische Bürger." Diese Aktionen würden nicht die letzten seines Landes gegen die Hamas sein.

Gräueltaten der Hamas nicht hinnehmbar

"Die von der Hamas am 7. Oktober in Israelbegangenen Gräueltaten sind nicht hinnehmbar, und das Justizministerium wird nicht ruhen, bis die Hamas für ihre Kampagne des Terrors, des Todes und der Zerstörung zur Rechenschaft gezogen wird", wurde Matthew Olsen zitiert, der im Justizministerium für die nationale Sicherheit zuständig ist. Das Hamas-Massaker, bei dem auch mehr als 40 amerikanische Staatsbürger ermordet worden seien, sei nur der jüngste Akt der Grausamkeit, den die Hamas verübt habe, hiess es weiter in der Mitteilung.

Nach der Tötung von Hamas-Auslandschef Ismail Hanija Ende Juli in Teheran hat die islamistische Terrorgruppe Sinwar zu ihrem neuen Anführer ernannt. Sein Aufenthaltsort ist unbekannt - es wird vermutet, dass er sich in dem weit verzweigten Tunnelsystem der Organisation unter dem Gazastreifen versteckt hält.

Der Hamas-Führer gilt als Drahtzieher des Terrorangriffs vom 7. Oktober. Damals wurden rund 1.200 Menschen getötet und 250 weitere in den Gazastreifen verschleppt. Das beispiellose Massaker löste den Krieg aus: Israel begann mit massiven Angriffen im gesamten Küstenstreifen. Seither gab es nach palästinensischen Angaben mehr als 40.000 Tote und mehr als 92.400 Verletzte. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde unterscheidet bei den unabhängig kaum überprüfbaren Zahlen nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten.

Demonstrationen für Geisel-Deal

Am Dienstagabend demonstrierten erneut Tausende Menschen in ganz Israel für ein Abkommen, das einen Waffenstillstand in Gaza und eine Freilassung der 101 dort verbliebenen Geiseln ermöglicht. Auf den Demonstrationen machten Angehörigen der Geiseln Regierungschef Netanjahu Vorwürfe. Er habe "wieder und wieder ein Abkommen torpediert", sagte die Tochter einer Geisel laut israelischenMedienberichten. Andere Demonstranten trugen Schilder mit der Aufschrift, das Blut der Geiseln klebe an den Händen der Regierung.

Der Oppositionspolitiker Benny Gantz kritisierte Netanjahu in einer Pressekonferenz. Er warf dem Regierungschef vor, sich immer wieder Fortschritten bei den Gesprächen über ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln entgegengestellt zu haben. Netanjahu konzentriere sich primär auf sein politisches Überleben, sagte Gantz. "Wir müssen die Geiseln zurückbringen - selbst zu einem sehr hohen Preis", betonte er. Er warf Netanjahu vor, die Öffentlichkeit über seine angebliche Bereitschaft, die Geiseln zurückzuholen, belogen zu haben.

USA sehen noch Hoffnung für Geisel-Abkommen

Die US-Regierung sieht dennoch weiter Hoffnung auf einen Deal zur Freilassung von Geiseln aus den Händen der Hamas und widersprach in der Debatte einmal mehr Netanjahu. Eine Einigung sei möglich, "wir glauben, dass wir nahe genug dran sind, dass die Lücken eng genug sind, dass es geschehen könnte", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. US-Präsident Joe Biden sei persönlich eingebunden in die Bemühungen.

Mit Blick auf Bidens jüngste Kritik, dass sich Netanjahu nicht ausreichend für einen Deal einsetze, sagte Kirby: Um eine Vereinbarung zu erreichen, brauche es Kompromissbereitschaft und Führungskraft von allen. "Dabei möchte ich es belassen."

Seit Monaten laufen indirekte Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas, bei denen neben den USA auch Katar und Ägypten vermitteln, um eine Waffenruhe und eine Freilassung der Geiseln zu erreichen. Die Gespräche scheinen jedoch nicht voranzukommen.

Dringlichkeitssitzung des Weltsicherheitsrates nach Tod von Geiseln

Die Lage in Nahost und die jüngste Tötung von sechs israelischen Geiseln stehen an diesem Mittwoch auf der Tagesordnung des Weltsicherheitsrates in New York. Der israelischeBotschafter Danny Danon hatte in einem Brief Beratungen des mächtigsten Gremiums der Vereinten Nationen verlangt. Der Sicherheitsrat müsse die "sofortige und bedingungslose" Freilassung aller Geiseln verlangen, schrieb Danon auf X. Auch Ratsmitglied Algerien beantragte Diplomaten zufolge mit Blick auf die Lage in Gaza und dem Westjordanland eine Sitzung.

 

Tag 334: 3. September 2024

Während Israel bitteren Abschied nimmt von den zuletzt im Gazastreifen getöteten Geiseln, schwört der von Hinterbliebenen kritisierte Regierungschef Benjamin Netanjahu Vergeltung. Er kündigte an, die Hamas werde einen "sehr hohen Preis" für die Ermordung der sechs israelischen Geiseln zahlen, deren Leichen vergangene Woche in einem unterirdischen Tunnel im Süden des Gazastreifens entdeckt worden waren. Das israelische Gesundheitsministerium teilte Medienberichten zufolge mit, die Geiseln seien etwa 48 bis 72 Stunden vor der Autopsie aus nächster Nähe erschossen worden.

"Israel wird dieses Massaker nicht durchgehen lassen", sagte Netanjahu bei einer Pressekonferenz am Abend. Er habe sich bei den Familien der Toten entschuldigt, "dass es uns nicht gelungen ist, sie lebendig zurückzubringen". Er selbst steht massiv in der Kritik, weil Angehörige der Geiseln ihm vorwerfen, den Tod der Entführten durch seine kompromisslose Haltung in den Verhandlungen mit der islamistischen Terrororganisation Hamas billigend in Kauf genommen zu haben.

Auf seiner Pressekonferenz beharrte Netanjahu nun einmal mehr darauf, dass Israels Militär die Kontrolle über den sogenannten Philadelphi-Korridor behalten müsse, einen etwa 14 Kilometer langen Streifen an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten. "Wir werden den Philadelphi-Korridor nicht aufgeben", bekräftigte er. Dies sei eine strategische und politische Notwendigkeit für Israel.

"Dieser Typ hat jetzt alles mit einer Rede torpediert"

Ein Verbleib israelischer Truppen in dem Gebiet dürfte ein Abkommen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und eine Freilassung der Geiseln, die sich noch in der Gewalt der islamistischen Hamas befinden, allerdings äusserst schwierig machen. Sowohl die Hamas als auch Ägypten verlangen, dass Israel seine Soldaten zurückzieht. Ägypten vermittelt gemeinsam mit den USA und Katar zwischen Israel und der Hamas, die aus Prinzip nicht direkt miteinander verhandeln.

Die Vermittlungsgespräche seien auch nach dem Fund der sechs Leichen telefonisch weitergeführt worden, sagte ein an den Verhandlungen beteiligter US-Regierungsvertreter dem Sender CNN. Netanjahus Pressekonferenz habe die Bemühungen aber quasi zunichtegemacht: "Dieser Typ hat jetzt alles mit einer Rede torpediert", wurde der Regierungsvertreter zitiert.

Auch US-Präsident Joe Biden, der weiterhin auf einen Geisel-Deal hofft, kritisierte Netanjahu. Auf die Frage, ob der israelische Ministerpräsident genug tue, um ein Abkommen zu erreichen, entgegnete Biden bei einem Auftritt in Washington: "Nein." Gleichwohl sei man einer finalen Vereinbarung zur Freilassung der restlichen Geiseln aus der Hand der Hamas "sehr nah". Dazu befragt, was ihn nach den vielen erfolglosen Anläufen für einen Deal zu dieser Einschätzung bringe, antwortete Biden, die Hoffnung sterbe zuletzt.

Staatspräsident bittet um Vergebung

Bei der Beisetzung der getöteten Geisel Hersh Goldberg-Polin sprach auf Einladung der Familie Israels Präsident Izchak Herzog. Auch er bat in seiner Trauerrede um Vergebung, "dass es uns nicht gelungen ist, euren Hersh lebendig zurückzubringen". Israels Entscheidungsträger stünden nun vor einer dringenden Aufgabe, sagte Herzog: "Die zu retten, die noch gerettet werden können."

Kämpfer der islamistischen Hamas hatten den US-Israeli Goldberg-Polin am 7. Oktober 2023 vom Nova-Musikfestival in den Gazastreifen verschleppt. Er wurde nur 23 Jahre alt.

Neue Anordnungen für Geisel-Bewacher

Ein Sprecher der Al-Kassam-Brigaden, des bewaffneten Flügels der Hamas, sprach am Abend von "neuen Anordnungen" an die Bewacher israelischer Geiseln im Gazastreifen für den Fall, dass sich israelische Truppen deren Versteck nähern sollten. Dass die israelischeRegierung die Geiseln offenkundig durch militärischen Druck statt durch Abschluss eines Abkommens befreien wolle, werde zur Folge haben, "dass sie in Särgen zu ihren Familien zurückkehren".

Geisel-Video veröffentlicht

Die Hamas veröffentlichte ein Propaganda-Video, auf dem die Entführte Eden Jeruschalmi noch lebend zu sehen ist, bevor das israelische Militär ihre Leiche vorige Woche in einem Tunnel im Gazastreifen entdeckte. Die Familie der 24-Jährigen erklärte sich laut der Zeitung "Times of Israel" damit einverstanden, eine kurze Sequenz des Videos weiterzuverbreiten. Darin sagt die junge Frau laut Übersetzung: "Eine Botschaft an meine Familie, die ich liebe: Ich vermisse euch, Vater, Mutter, Schwester Shani und May. Ich vermisse und liebe euch alle so sehr." In ähnlichen Fällen hat Israel der Hamas psychologische Kriegsführung vorgeworfen.

Demonstrationen für Geisel-Abkommen

Bei Demonstrationen in mehreren Teilen Israelsforderten Tausende Menschen ein Abkommen über die Freilassung der noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln. Auch in der Nähe von Netanjahus Wohnhaus kam es wenige Stunden nach der Beerdigung einer getöteten Geisel zu Protesten mit mehreren tausend Teilnehmern. "Eure Entscheidungen führen zu ihrem Tod", zitierten israelische Medien aus der Rede eines Mannes, dessen Bruder noch immer in der Gewalt der Hamas ist. Auch für Dienstag gibt es neue Demonstrationsaufrufe.

Tagsüber hatten bereits die Beschäftigten vieler Organisationen und Behörden gestreikt - aus Protest gegen den schleppenden Verlauf der Verhandlungen über die Freilassung der noch immer gut 100 im Gazastreifen vermuteten Geiseln, bei denen unklar ist, wie viele von ihnen überhaupt noch leben. Viele Städte und Gemeinden schlossen sich dem Protest an, andere verweigerten dies, weil sie eher der Regierung nahestehen. Ein Arbeitsgericht ordnete am Montagmittag schliesslich ein vorzeitiges Ende des Streiks an, weil dieser politisch motiviert sei

Tag 333: 2. September 2024

Nach dem Fund der Leichen von sechs Geiseln im Gazastreifen hat der israelische Gewerkschafts-Dachverband Histadrut für Montag zu einem eintägigen Proteststreik aufgerufen. Die Massnahme solle um 06.00 Uhr Ortszeit (05.00 Uhr MESZ) in Kraft treten, berichteten israelische Medien. Von 08.00 Uhr Ortszeit (07.00 Uhr MESZ) solle auch der internationale Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv bestreikt werden. Landungen und Abflüge sollten dann gestoppt werden.

Der Gewerkschaftsvorsitzende Arnon Bar David sagte nach Angaben der Nachrichtenseite ynet: "Wir können nicht weiter zuschauen. Dass Juden in den Tunneln von Gaza ermordet werden, ist inakzeptabel. Wir müssen einen Deal (mit der Hamas) abschliessen, ein Deal ist wichtiger als alles andere."

Die israelische Armee hatte in einem unterirdischen Tunnel im Süden des Gazastreifens die Leichen von sechs Geiseln gefunden. Diese waren nach Militärangaben nur kurz zuvor von Hamas-Terroristen getötet worden. Ein Hamas-Sprecher sagte dagegen, sie seien durch israelisches Bombardement ums Leben gekommen.

 

Tag 332: 1. September 2024

Die israelische Armee hat die Leichen von sechs Geiseln im Gazastreifen geborgen. Das gab das Militär am frühen Morgen offiziell auf seinem Telegram-Kanal bekannt. Am Vorabend hatte die Armee zunächst den Fund mehrerer Leichen bekanntgegeben, ohne dabei nähere Einzelheiten zu nennen.

Nach stundenlanger Prüfung der Identität der Leichen herrscht nun Gewissheit. "Wir alle wachen auf mit der schrecklichen Nachricht, dass sechs weitere tote Geiseln gefunden wurden, die von der Hamas getötet wurden", schrieb der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, auf der Plattform X.

Die sechs Ermordeten seien in einem unterirdischen Tunnel im Gebiet Rafah im Süden des umkämpften Gazastreifens gefunden und nach Israel überführt worden, teilte die Armee mit. Alle sechs Opfer waren demnach beim Terrorüberfall der islamistischen Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres als Geiseln genommen und in den Gazastreifen entführt worden. "Nach unserer ersten Einschätzung wurden sie von Hamas-Terroristen brutal ermordet, kurz bevor wir sie erreichten", sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari am Morgen.

Bei den Opfern handelt es sich um vier Männer - Hersh Goldberg-Polin (23), Alexander Lobanov (32), Almog Sarusi (27) und Ori Danino (25) - sowie zwei Frauen - Carmel Gat (40) und Eden Jeruschalmi (24). Laut dem Forum der Angehörigen der Entführten waren zumindest fünf der sechs Opfer am 7. Oktober vom Nova-Musikfestival in der Negev-Wüste entführt worden, das nahe der Grenze zum Gazastreifen stattfand.

Insgesamt verschleppten Terroristen der Hamas und anderer Gruppen an jenem Tag mehr als 250 Menschen aus Israel in das abgeriegelte Küstengebiet. Im Laufe einer einwöchigen Waffenruhe Ende November liess die Hamas 105 Geiseln frei. Im Gegenzug entliess Israel 240 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen. Vereinzelt konnten Geiseln von der israelischen Armee befreit werden - teils unter hohem Blutzoll für die palästinensische Zivilbevölkerung bei diesen Militäreinsätzen, für die Israel international ebenso in der Kritik steht wie für den Gaza-Krieg an sich. Wie viele der in Gaza verbliebenen Geiseln noch am Leben sind, ist nicht bekannt.

Ob es zu einer weiteren Vereinbarung über eine Waffenruhe und Freilassung von Entführten kommen kann, ist offen. Seit geraumer Zeit führen die USA, Ägypten und Katar in Kairo Vermittlungsgespräche über ein Abkommen, das eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln vorsieht. Die Gespräche sind allerdings festgefahren. Israelund die Hamas verweigern direkte Verhandlungen mit der Gegenseite.

Hauptstreitpunkt ist derzeit die Frage, wie lange israelische Truppen am Philadelphi-Korridor an der Grenze zu Ägypten stationiert bleiben dürfen. Israels Sicherheitskabinett beschloss kürzlich, an der Kontrolle des Korridors festzuhalten.

 

Tag 331: 31. August 2024

Während im umkämpften Gazastreifen Vorbereitungen für eine Massenimpfung von Kindern gegen das Poliovirus laufen, liefern sich die israelischen Streitkräfte auch an anderen Fronten weiter Gefechte. Nach einem erneuten Beschuss aus dem Libanon attackierte die Luftwaffe eine Reihe von Abschussvorrichtungen der vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz im Süden des Nachbarlandes, wie die Armee in der Nacht mitteilte. Im besetzten Westjordanland seien zudem in der Nacht bei zwei Anschlägen an der Siedlung Karmei Tzur zwei palästinensische "Terroristen" getötet worden.

An einer Tankstelle nahe der israelischen Siedlung explodierte demnach ein Auto. Die herbeigeeilten Soldaten hätten einen Terroristen, der das Fahrzeug zuvor dorthin gesteuert hatte und versucht habe, die Sicherheitskräfte anzugreifen, "eliminiert", teilte das Militär weiter mit. Drei Soldaten seien leicht verletzt worden. Bei einem weiteren Vorfall sei ein Terrorist mit seinem Auto gewaltsam in die Siedlung eingedrungen. Ein Mitglied des Sicherheitsteams habe daraufhin sein eigenes Auto in das des Angreifers gesteuert und den Mann getötet. Kurz darauf sei eine Bombe im Auto des Angreifers explodiert, hiess es weiter.

Die Lage im Westjordanland hat sich seit Beginn des Kriegs im Gazastreifen nach dem Massaker der islamistischen Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel deutlich verschärft. Seit Anlaufen eines grossangelegten Militäreinsatzes im Norden vor einigen Tagen tötete die israelische Armee nach eigenen Angaben bislang 20 militante Palästinenser. Derweil ist ein Ende des Kriegs in Gaza weiterhin nicht in Sicht. Bei den indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe ist Israels Forderung nach einer dauerhaften Kontrolle des sogenannten Philadelphi-Korridors im Süden Gazas an der Grenze zu Ägypten weiter einer der Hauptstreitpunkte.

Wortgefecht zwischen Netanjahu und Galant

Während einer Sitzung des israelischen Sicherheitskabinetts kam es in der Frage nach übereinstimmenden Medienberichten zu einem heftigen Wortwechsel zwischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galant. Galant habe Netanjahu vorgeworfen, er stelle die Stationierung von Soldaten in dem Grenzgebiet über eine Befreiung israelischer Geiseln, berichteten der Sender Channel 12 und das Portal "ynet".

Netanjahu habe in der Sitzung in der Nacht zu Freitag mehrere Karten vorgestellt, die zeigen, wie Israel seine Truppen am Philadelphi-Korridor stationieren will. Galant habe die Beherrschung verloren und Netanjahu beschuldigt, die Karten dem Gremium aufzuzwingen, hiess es. Daraufhin soll Netanjahu auf den Tisch geschlagen, Galant der Lüge bezichtigt und die Karten zur Abstimmung gestellt haben. "Der Ministerpräsident kann alle Entscheidungen treffen. Er kann auch entscheiden, alle Geiseln zu töten", soll Galant ihm entgegnet haben.

Vorbereitung für Polio-Impfungen auf Hochtouren

Eine grosse Mehrheit votierte bei der Sitzung schliesslich für Netanjahus Position, an der Kontrolle über die Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten festzuhalten. Netanjahu pocht auf eine Kontrolle des Korridors, um Waffenschmuggel durch unterirdische Tunnel nach Gaza zu unterbinden. Ägypten bestreitet die Existenz solcher Schmuggelrouten. Am Sonntag sollen derweil Impfungen gegen Kinderlähmung in dem Kriegsgebiet anlaufen.

Alle Seiten haben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hierzu "vorläufige Verpflichtungen zu sogenannten gebietsspezifischen humanitären Pausen" abgegeben. Gemeint sind damit begrenzte Feuerpausen. Nachdem es kürzlich den ersten Fall von Kinderlähmung seit 25 Jahren im Gazastreifen gab, soll mit der Impfkampagne gegen das Poliovirus ein massiver Ausbruch der hochansteckenden Krankheit vermieden werden.

Netanjahu betonte laut Medienberichten, die an mehreren Tagen für jeweils einige Stunden geplanten Kampfunterbrechungen seien keine Waffenruhe. Eine solche hatte es zuletzt im November vergangenen Jahres im Rahmen eines Deals zwischen der israelischen Regierung und der Hamas gegeben. Innerhalb dieser einwöchigen Feuerpause waren auch rund 100 Geiseln im Gegenzug für 240 palästinensische Häftlinge freigelassen worden.

Erneut tödlicher Vorfall mit Hilfstransport in Gaza

Nach Schüssen auf ein UN-Fahrzeug in dem verwüsteten Küstenstreifen gab es unterdessen erneut einen Vorfall mit einem Hilfstransport. Mehrere Bewaffnete hätten die Kontrolle über ein Fahrzeug an der Spitze eines Konvois übernommen, teilte die israelische Armee mit. Auf sie sei dann vom israelischen Militär ein Angriff durchgeführt worden. Dabei kamen vier Palästinenser in dem Fahrzeug ums Leben, wie die Hilfsorganisation Anera mitteilte.

Israels Militär äusserte sich nicht zu möglichen Opfern. Soldaten hätten beobachtet, wie bewaffnete Männer in das Fahrzeug des mit dem Militär koordinierten Anera-Hilfskonvois stiegen, hiess es von der Armee. Die Anwesenheit der zugestiegenen Männer sei nicht mit den Behörden koordiniert gewesen. Laut Armee wurden bei ihnen Waffen identifiziert.

Nach Angaben von Anera hatten sich nach der Abfahrt vom Grenzübergang Kerem Schalom vier Männer, die demnach Erfahrung aus früheren Einsätzen des engagierten Transportunternehmens hatten, bei der Hilfsorganisation gemeldet und darum gebeten, die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen. Sie hielten die Route demnach für unsicher und warnten vor der Gefahr von Plünderungen. Anera betonte, dass sie die Männer nicht überprüft hatte.

Israel steht bereits wegen eines anderen Vorfalls international unter Druck. Soldaten hatten UN-Angaben zufolge am Dienstag ein Fahrzeug des Welternährungsprogramms (WFP) im Gazastreifen beschossen. Verletzt wurde dabei niemand. Israel habe den Vorfall mit einem Kommunikationsfehler zwischen seinen Streitkräften erklärt, sagte der stellvertretende amerikanische UN-Botschafter Robert Wood. Seit Beginn des Gaza-Krieges vor fast elf Monaten sind bereits mehrfach Mitarbeiter von Hilfsorganisationen dort getötet worden.

Tag 329: 30. August 2024

Nach Schüssen auf ein humanitäres UN-Fahrzeug im Gazastreifen erhöhen die Vereinigten Staaten mit deutlich schärferem Ton den Druck auf ihren Verbündeten Israel. Israel habe den Vorfall mit einem Kommunikationsfehler zwischen den israelischen Streitkräften erklärt, sagte der stellvertretende amerikanische UN-Botschafter Robert Wood bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. "Wir haben sie aufgefordert, die Probleme in ihrem System, die dies ermöglicht haben, unverzüglich zu beheben. Doch auch fast elf Monate nach Beginn dieses Konflikts sind Vorfälle wie der gestrige noch immer allzu häufig."

Die Vereinten Nationen hatten nach dem Vorfall von Dienstag Aufklärung von Israel gefordert. Das deutlich gekennzeichnete humanitäre UN-Fahrzeug sei Teil eines Konvois gewesen, dessen Fahrt vollständig mit der israelischen Armee koordiniert worden sei. Es sei zehnmal von israelischen Schützen beschossen worden. Israel hatte eine Untersuchung angekündigt. Ein UN-Vertreter bestätigte der Deutschen Presse-Agentur die israelische Darstellung der fehlerhaften Kommunikation - dies entschuldige das Geschehene jedoch in keiner Weise.

UN schliessen Absicht nicht aus

Solche Vorfälle erschwerten die Arbeit von Hilfsorganisationen erheblich und dürften nicht passieren, so Wood weiter. "Israel muss nicht nur die Verantwortung für seine Fehler übernehmen, sondern auch konkrete Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die israelischen Streitkräfte nicht erneut auf UN-Mitarbeiter schiessen." Auch die scharfe Rhetorik gegen die UN und humanitäre Helfer müssten aufhören, weil sie das Risiko für die Organisationen erhöhe. Israelische Vertreter hatten die UN und ihre Mitarbeitenden immer wieder in die Nähe von Terrorhelfern gerückt.

"Ob die Informationen nicht weitergegeben wurden, ob es absichtlich geschah, ob es einen anderen Grund gab – das sind Erklärungen, die wir gerne bekommen würden", hatte UN-Sprecher Stéphane Dujarric am Mittwoch gesagt. Glücklicherweise habe es sich um ein gepanzertes Auto gehandelt, sodass die Insassen nicht verletzt worden seien. Das Fahrzeug gehörte dem Welternährungsprogramm WFP, das als Reaktion auf den Vorfall die Bewegung seiner Mitarbeiter in Gaza vorübergehend aussetzte. Dem WFP zufolge geschah der Vorfall wenige Meter entfernt von einem israelischen Kontrollpunkt im Zentrum Gazas, nachdem ein Team von Helfern mit zwei UN-Autos Lastwagen mit humanitärer Hilfe eskortiert hatte. Obwohl der Konvoi die ausdrückliche Genehmigung für die Fahrt gehabt habe, seien die Schüsse abgefeuert worden, hiess es.

Nicht der erste Fall

"Die israelische Armee sieht die humanitären Bemühungen und den Schutz humanitärer Arbeiter als sehr wichtig an", teilte die israelische Armee dazu mit. Der Staat Israel sehe sich verpflichtet, die Koordinierung mit humanitären Organisationen und die Sicherheit zu verbessern, um eine effektive Lieferung von Hilfsgütern in den Küstenstreifen zu gewährleisten.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast elf Monaten sind immer wieder Hilfsarbeiter getötet worden. Anfang April waren etwa sieben Helfer der Organisation World Central Kitchen (WCK) bei einem israelischen Luftangriff getötet worden.

Tag 328: 29. August 2024

Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell hat den Regierungen der 27 EU-Staaten einen Vorschlag für Sanktionen gegen israelische Regierungsmitglieder unterbreitet. Bestraft werden sollen demnach Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir, wie mehrere EU-Beamte der Deutschen Presse-Agentur kurz vor einem EU-Aussenministertreffen an diesem Donnerstag bestätigten.

Sowohl Smotrich als auch Ben-Gvir sorgten zuletzt mit Äusserungen gegen Palästinenser für Empörung und sind rechtsextreme Koalitionspartner von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Zudem sind beide Verfechter der aus Sicht des höchsten UN-Gerichts illegalen Siedlungspolitik in besetzten Gebieten im Westjordanland.

Ben-Gvir hatte sich zuletzt unter anderem dafür ausgesprochen, Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu stoppen, um die dort herrschende Terrororganisation Hamas zum Aufgeben zu bewegen. Ähnlich äusserte sich Finanzminister Smotrich. Er bezeichnete eine mögliche Blockade von Hilfsgütern bis zur Freilassung aller israelischen Geiseln der Hamas als moralisch und gerechtfertigt, selbst wenn dies den Hungertod von zwei Millionen Menschen im Gazastreifen bedeute.

Die Hamas hat nach israelischer Zählung derzeit noch 107 Geiseln in ihrer Gewalt. Mindestens ein Drittel davon gilt als tot. Insgesamt verschleppten palästinensische Terroristen am 7. Oktober vergangenen Jahres mehr als 250 Menschen aus Israel in das Küstengebiet. Rund 1.200 Menschen wurden bei dem beispiellosen Terroranschlag getötet. Israels Armee reagierte mit verheerenden Angriffen in Gaza, bei denen nach palästinensischen Angaben bereits mehr als 40.000 Menschen getötet wurden.

Dem Vorstoss Borrells zufolge könnten die Sanktionen gegen Smotrich und Ben-Gvir wegen Aufstachelung zu Hass und Menschenrechtsverletzungen verhängt werden. Demnach müssten von ihnen in der EU vorhandene Vermögenswerte eingefroren werden und sie dürften nicht mehr in die EU einreisen.

Ob und wenn ja, wann der Vorschlag umgesetzt wird, ist allerdings noch unklar. Hintergrund ist, dass Sanktionsbeschlüsse in der Europäischen Union einstimmig gefasst werden müssen und Länder wie Deutschland, Tschechien und Ungarn Sanktionsforderungen gegen Israel bislang eher kritisch gegenüberstanden.

Als ein Argument gegen eine Sanktionierung der Minister nennen Diplomaten in Brüssel die anhaltenden Bemühungen um eine Deeskalation des Konflikts im Nahen Osten. Vor diesem Hintergrund könne es kontraproduktiv sein, durch Sanktionen Gesprächskanäle in die israelische Regierung zu gefährden, heisst es. Bislang hat die EU nur Sanktionen gegen einige radikale israelische Siedler und deren Strukturen verhängt.

Israels Aussenminister: "Israelfeindliche Entscheidungen" verhindern

Der israelische Aussenminister Israel Katz schrieb unterdessen am Abend auf der Plattform X: "Wir arbeiten unermüdlich mit unseren europäischen Verbündeten zusammen, um israelfeindliche Entscheidungen auf dem morgigen Treffen der EU-Aussenminister zu verhindern, die von israelfeindlichen Elementen vorangetrieben werden." Angesichts einer Bedrohung Israels durch den Iran und "seine stellvertretenden Terrororganisationen" müsse die freie Welt an der Seite Israels stehen und dürfe sich nicht gegen das Land wenden.

Druck auf die EU wächst

Die Forderungen nach einem Kurswechsel der EU im Umgang mit Israel wurden zuletzt lauter. So forderte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kurz vor dem EU-Aussenministertreffen scharfe europäische Sanktionen wegen der israelischenSiedlungspolitik.

In einem Brief an die Teilnehmer spricht sich Amnesty International für ein umfassendes Waffenembargo und ein Verbot von Investitionen in bestimmte israelische Unternehmen und Banken aus. Zudem empfiehlt die Organisation, in der EU den Handel mit Gütern aus israelischenSiedlungen in besetzten Gebieten zu verbieten. Auch Ost-Jerusalem solle dabei eingeschlossen werden.

Als Grund für ihre Forderungen nennen die Menschenrechtler das im Juli veröffentlichte Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zur israelischen Besatzung der palästinensischen Gebiete. In diesem vertritt das höchste UN-Gericht die Auffassung, dass IsraelsBesatzung illegal ist und so schnell wie möglich beendet werden muss.

 

Tag 327: 28. August 2024

Israels Armee hat in der Nacht eine grössere Operation im besetzten Westjordanland begonnen. Nach Angaben des Militärs laufen Anti-Terror-Einsätze in den nördlichen Städten Dschenin und Tulkarem, die als Hochburgen militanter Palästinenser gelten. Medienberichten zufolge setzte die Armee neben zahlreichen Infanteristen auch Drohnen und Scharfschützen ein, zerstörte Infrastruktur mit Bulldozern und sperrte sämtliche Zufahrtswege nach Dschenin.

In Dschenin seien zwei Menschen erschossen und mehrere weitere verletzt worden, teilte das Gesundheitsministerium in Ramallah mit. Später meldete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa zwei weitere Tote bei einem Drohnenangriff des israelischen Militärs auf ein Flüchtlingslager nahe der Ortschaft Tubas - und dann nochmals drei Tote bei einem anderen Drohnenangriff auf ein Fahrzeug südlich von Dschenin. Ob es sich bei den Getöteten um militante Palästinenser handelt, blieb unklar. Die Armee machte zunächst keine detaillierten Angaben zu ihrem Einsatz.

Den Berichten zufolge handelt es sich um eine grossangelegte Militäroperation, "Al-Dschasira" sprach gar vom grössten derartigen Einsatz der israelischen Armee im Norden des Westjordanlands seit mehr als 20 Jahren. Dem arabischen Sender zufolge sollen Palästinenser die Soldaten unter anderem im Flüchtlingsviertel Nur Schams in Tulkarem mit Schusswaffen und Sprengsätzen attackiert haben. Zusammenstösse gab es demnach auch in anderen Ortschaften im Westjordanland.

 

Armee soll Krankenhäuser umstellt haben

Die Agentur Wafa meldete, eine grosse Anzahl an Militärfahrzeugen sei nach Dschenin reingefahren. "Al-Dschasira" zufolge wurde die Stadt komplett abgeriegelt. Laut der israelischenNachrichtenseite "ynet" sollten von den Sicherheitskräften gesuchte Personen in Flüchtlingsvierteln in Dschenin und Tulkarem festgenommen werden.

Israelischen und palästinensischen Medien zufolge umstellten die Einsatzkräfte auch Krankenhäuser in beiden Städten und blockierten Krankenwagen. Die Armee kontrolliere den Zutritt zu den Klinikgebäuden, um zu verhindern, dass sich Militante dort verschanzen, meldete "ynet".

Die ohnehin gespannte Lage im Westjordanland hat sich seit dem Hamas-Massaker mit 1.200 Toten am 7. Oktober 2023 und dem dadurch ausgelösten Beginn des Gaza-Kriegs deutlich verschärft. Seitdem wurden dort nach unabhängig kaum überprüfbaren Angaben des Gesundheitsministeriums in Ramallah bei israelischen Militäreinsätzen, bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschlägen von Extremisten mehr als 620 Palästinenser getötet.

Vor allem in Dschenin und Tulkarem gibt es immer wieder Razzien der israelischen Armee. Erst am Montag kamen nach Angaben des Gesundheitsministeriums bei einem israelischenLuftangriff in dem Flüchtlingsviertel Nur Schams in Tulkarem fünf Menschen ums Leben. Das Bombardement hatte nach Angaben der israelischen Armee militante Palästinenser zum Ziel.

 

Tag 326: 27. August 2024

Die Gespräche über eine Waffenruhe im Gazastreifen werden nach Angaben der US-Regierung in Kairo auf Arbeitsebene fortgesetzt. "Es gibt weiterhin Fortschritte, und unser Team vor Ort bezeichnet die Gespräche weiterhin als konstruktiv", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby. Der Raketen- und Drohnenangriffs der Hisbollah am Wochenende habe die Arbeit der Teams vor Ort "nicht beeinträchtigt".

Kirby widersprach der Darstellung, dass die Gespräche gescheitert seien. Im Gegenteil: Die Gespräche seien "so weit gediehen, dass der nächste logische Schritt darin bestand, Arbeitsgruppen auf niedrigeren Ebenen einzusetzen", um die Feinheiten auszuarbeiten, sagte er. Man sei so weit gekommen, dass man nicht mehr alle Vermittler und die Führungsriege dort brauchte, sagte er. Die Themen, über die nun gesprochen werde, seien sehr viel konkreter und detaillierter als bisher.

Die USA, die gemeinsam mit Katar und Ägypten, zwischen der islamistischen Hamas und Israelvermitteln, wollen eine Einigung unbedingt erreichen.

Aus ägyptischen Sicherheitskreisen hatte es geheissen, bei den Gesprächen in Kairo habe es eine "schwierige Pattsituation" gegeben. Laut gut informierten Kreisen am Flughafen reiste die 13-köpfige israelische Delegation, die Stunden zuvor in Kairo eingetroffen war, wieder ab. Auch der katarische Emir Tamim bin Hamad Al Thani verliess die Hauptstadt, ebenso die Vertreter der Hamas, die aus Doha angereist waren, um sich über den Verlauf der Gespräche informieren zu lassen.

Der Nahost-Koordinator des Weissen Hauses, Brett McGurk, sei zum Auftakt der Gespräche in den Arbeitsgruppen noch in Kairo geblieben, sagte Kirby. Man gehe davon aus, dass die Gespräche in den Arbeitsgruppen in den kommenden Tagen weitergehen.

 

Tag 325: 26. August 2024

Die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg stecken in einer Sackgasse: Bei den Gesprächen in Kairo gebe es eine "schwierige Pattsituation", erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus ägyptischen Sicherheitskreisen. Es sei keine Bewegung in den Positionen der Teilnehmer zu erkennen.

Laut gut informierten Kreisen am Flughafen reiste die 13-köpfige israelische Delegation, die Stunden zuvor in Kairo eingetroffen war, wieder ab. Auch der katarische Emir Tamim bin Hamad Al Thani verliess die Hauptstadt, ebenso die Vertreter der Hamas, die aus Doha angereist waren, um sich über den Verlauf der Gespräche informieren zu lassen.

Ein ranghoher Hamas-Vertreter erklärte, Israel müsse sich den Zusagen von Anfang Juli verpflichten und dem Friedensplan von US-Präsident Joe Biden. Die Hamas sei bereit, die zuvor getroffenen Vereinbarungen umzusetzen. Teil jeglicher Vereinbarungen zum Krieg müssten unter anderem ein dauerhafter Waffenstillstand sein und ein vollständiger Abzug der israelischen Truppen aus Gaza.

Strittig bleibt den Sicherheitskreisen zufolge weiterhin vor allem die Frage, inwieweit Israels Truppen im Fall einer Waffenruhe im Grenzgebiet Gazas zu Ägypten stationiert bleiben dürfen. Israel vermutet, dass sich die Hamas über diese Grenze mit Waffen versorgt hat. Die islamistische Hamas fordert einen kompletten Abzug Israels aus Gaza.

Die Gespräche in Kairo wurden überschattet von den gegenseitigen schweren Angriffen Israels und der Hisbollah-Miliz im Libanon am Sonntagmorgen. Diese Angriffe hätten den Verlauf der Gespräche aber nicht direkt beeinflusst, hiess es aus den Sicherheitskreisen.

Die Aussichten, dass in den Gesprächen zeitnah ein Durchbruch erreicht werden könnte, sind gering. Die USA, Katar und Ägypten, die zwischen der Hamas und Israel vermitteln, hatten nach der jüngsten Verhandlungsrunde in Doha zwar von "ernsthaften und konstruktiven" Verhandlungen gesprochen. Dort war zuletzt auch von einem "Überbrückungsvorschlag" die Rede, um verbleibende Lücken zwischen Israel und der Hamas zu verringern. Über den Termin für eine mögliche neue Verhandlungsrunde wurde zunächst nichts bekannt.

 

Tag 324: 25. August 2024

Die libanesische Hisbollah-Miliz hat nach eigenen Angaben mit ihrem angekündigten Vergeltungsangriff auf Israel begonnen. 320 Raketen seien am frühen Morgen auf Israel abgefeuert worden, erklärte die vom Iran unterstützte schiitische Miliz. Nach israelischen Medienberichten wurden 200 Raketen und rund 20 Drohnen vom Libanon aus auf Israel abgefeuert. Die israelischeRaketenabwehr habe Dutzende Geschosse abgefangen.

Israels Armee erkannte nach eigenen Angaben "die unmittelbare Gefahr für die Bürger des Staates Israel" und begann zuvor in einem "Akt der Selbstverteidigung", zahlreiche Ziele im Süden des Libanons zu attackieren. Rund 100 Kampfflugzeuge hätten Ziele der Hisbollah im Süden Libanons angegriffen, erklärte die Armee. Die Raketenabwehr, Marine und Luftwaffe seien an den Angriffen beteiligt gewesen. Die Angaben beider Konfliktparteien konnten unabhängig zunächst nicht überprüft werden.

Israel im Ausnahmezustand

Israel verhängte den landesweiten Ausnahmezustand. Er gelte seit 6.00 Uhr Ortszeit (05.00 Uhr MESZ) für die nächsten 48 Stunden, sagte Verteidigungsminister Joav Galant. Der Rettungsdienst rief laut Medien die höchste Bereitschaftsstufe aus. Bei dem Angriff der Hisbollah seien drei Wohnhäuser getroffen worden, davon eines in der Küstenstadt Akko.

Die Hisbollah deutete an, dass sie ihren Vergeltungsangriff zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen werde. "Bis zum Ende dieser Militäreinsätze wird einige Zeit vergehen", erklärte die Miliz. Aus libanesischen Sicherheitskreisen hiess es, Israel habe mindestens 40 Ziele im Südlibanon angegriffen. Örtlichen Behörden zufolge wurden dabei zwei Menschen verletzt. Kampfflugzeuge hätten unter anderem Strom- und Wasseranlagen getroffen, berichteten die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA und Sicherheitskreise.

Die "New York Times" zitierte einen westlichen Geheimdienstmitarbeiter, wonach sich IsraelsAngriff gegen Raketenwerfer im Libanon gerichtet habe, die so programmiert worden seien, dass sie um 05.00 Uhr Ortszeit in Richtung Tel Aviv abgefeuert werden sollten.

Die israelische Nachrichtenseite "ynet" berichtete unter Berufung auf eine nicht namentlich genannte Quelle, die Hisbollah habe einen Angriff auf eine "strategische Einrichtung im Bereich von Tel Aviv" geplant, einschliesslich eines möglichen Angriffs auf den Flughafen Ben Gurion. Nach libanesischen Angaben flogen Israels Kampfflugzeuge unter anderem nahe der Küstenstadt Tyros im Süden Libanons und griffen in mehreren Dörfern an.

Israel spricht von Tausenden zerstörten Abschussvorrichtungen

Es seien Tausende von Abschussvorrichtungen der Hisbollah angegriffen und zerstört worden, teilte Militärsprecher Daniel Hagari in einem X-Post mit. Die meisten davon seien auf den Norden Israels gerichtet gewesen, ein Teil aber auch auf das Zentrum. Im Zentrum des Landes liegt unter anderem die israelischeKüstenmetropole Tel Aviv. Wegen der Bedrohungslage stellte der Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv kurzzeitig den Betrieb ein.

US-Präsident Joe Biden verfolgte die Eskalation nach Angaben des Weissen Hauses genau. Er sei im Laufe des Samstagabends (Ortszeit) in Kontakt mit seinem Team für Nationale Sicherheit gewesen, sagte ein Sprecher. Ranghohe Vertreter der US-Regierung hielten auf Bidens Anordnung hin laufend Kontakt zu ihren israelischen Amtskollegen. "Wir werden IsraelsRecht zur Selbstverteidigung weiter unterstützen und wir werden uns weiter für Stabilität in der Region einsetzen", erklärte der Sprecher.

Israels Armee warnt vor weiterer Eskalation

Hagari verkündete neue Anweisungen für Zivilisten vom Grossraum Tel Aviv bis zu IsraelsNordgrenze. In dem Raum könnten die Menschen normal zur Arbeit gehen und ihre Kinder in Sommerlager schicken - unter der Bedingung, dass Schutzräume innerhalb kurzer Zeit erreichbar seien, sagte Hagari. Die andauernde Aggression der Hisbollah berge die Gefahr, "dass das libanesische Volk, das israelische Volk - und die gesamte Region - in eine weitere Eskalation hineingezogen werden", sagte er.

Israels Verteidigungsminister Galant sprach nach Beginn der Angriffe mit seinem US-Amtskollegen Lloyd Austin. Die beiden Minister hätten betont, wie wichtig es sei, eine regionale Eskalation zu vermeiden, hiess es. Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter und hatten zuletzt zusätzliche Kriegsschiffe, Flugzeuge und auch ein mit Raketen bestücktes Atom-U-Boot in die Region verlegt - wohl auch, um Israel im Fall eines Angriffs durch Kräfte im Libanon oder den Iran unterstützen zu können. Austin habe das "eiserne Bekenntnis der Vereinigten Staaten zur Verteidigung Israels gegen jegliche Angriffe des Irans und seiner regionalen Partner und Stellvertreter" bekräftigt, erklärte das Pentagon in Washington.

Die Gefahr eines Flächenbrandes in der Region droht, seitdem Ende Juli zwei führende Köpfe der Hamas und der Hisbollah bei Angriffen getötet wurden. Der Auslandschef der Hamas, Ismail Hanija, kam bei einer Explosion in einem Gästehaus der iranischen Regierung in der Hauptstadt Teheran ums Leben. Fuad Schukr, eine Art Militärchef der Hisbollah, wurde bei einem Luftangriff in Beirut getötet. Seine gezielte Tötung reklamierte Israel für sich. Zum Mordanschlag auf Hanija äusserte es sich nicht.

Gaza-Verhandlungen gehen weiter

Seit Beginn des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der islamistischen Hamas vor mehr als zehn Monaten beschiesst die mit der Hamas verbündete Hisbollah-Miliz aus dem Libanon fast täglich Ziele im angrenzenden Norden Israels. Das israelische Militär wiederum greift regelmässig Ziele in dem Nachbarland an.

Die im Gaza-Krieg vermittelnden USA, Ägypten und Katar hoffen, dass durch eine Einigung bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und eine Freilassung der Geiseln auch eine Eskalation des Konflikts mit der Hisbollah und dem Iran und damit ein Flächenbrand in Nahost verhindert werden kann.

Die Gespräche darüber sollen heute in Kairo weitergehen. Eine israelischeVerhandlungsdelegation unter Leitung des Chefs des Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, wird nach Angaben der israelischenZeitung "Haaretz" heute erneut in die ägyptische Hauptstadt reisen, um die Verhandlungen fortzusetzen. An dem Spitzentreffen nehmen demnach auch CIA-Chef William Burns, der katarische Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani sowie der ägyptische Geheimdienstchef Abbas Kamel teil. Auch Vertreter der Hamas sind vor Ort, wollen aber nicht direkt an den Gesprächen teilnehmen.

Tag 322: 23. August 2024

Ein israelischesVerhandlungsteam führt in Kairo erneut Gespräche über ein Abkommen im Gaza-Krieg. Der Chef des israelischenAuslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, und der Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, Ronen Bar, verhandelten gegenwärtig in der ägyptischen Hauptstadt über ein Abkommen zur Freilassung von Geiseln aus der Gewalt der Hamas, sagte ein israelischerRegierungssprecher. Teil der angestrebten Vereinbarung ist auch die Freilassung palästinensischer Häftlinge.

Neben der israelischen war auch eine Delegation aus den USA informierten Kreisen am Flughafen Kairo zufolge für weitere Gespräche zur Beendigung des Gaza-Kriegs in Ägypten eingetroffen.

Die israelische Zeitung "Haaretz" schrieb unter Berufung auf einen israelischen Repräsentanten, das Verhandlungsteam bereite sich auf einen möglichen Gipfel am Sonntag vor, "falls die Hamas Bewegung erkennen lässt".

Einer der grössten Streitpunkte in den aktuellen Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg ist Israels Forderung nach einer dauerhaften Kontrolle der südlichen Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten durch israelische Sicherheitskräfte. Das lehnen sowohl Ägypten als auch die Hamas ab. Laut israelischer Armee verlaufen unter dem Korridor etliche Tunnel der Hamas. Israel pocht auf die Kontrolle, um so Waffenschmuggel zu verhindern.

Bericht: Neue Vorschläge Israels

Das "Wall Street Journal" berichtete unter Berufung auf ägyptische Quellen von neuen Vorschlägen Israels zur Kontrolle des sogenannten Philadelphi-Korridors. Die israelischen Verhandlungsführer haben demnach vorgeschlagen, dort acht Beobachtungstürme errichten zu lassen. Den Angaben zufolge sollen die USA einen Gegenvorschlag von zwei Türmen eingebracht haben. Ägypten lehne beide Vorschläge mit der Begründung, dass jene Türme dem israelischen Militär dauerhaften Zugang zu dem Gebiet verschafften.

Ägypten, Katar und die USA vermitteln bei den seit Monaten andauernden indirekten Verhandlungen um eine Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas. Die Hamas und Israelverhandeln nicht direkt miteinander. Mit dem Abkommen für eine Waffenruhe soll auch die Freilassung israelischer Geiseln in der Gewalt der Hamas und die Entlassung palästinensischer Häftlinge in israelischen Gefängnissen vereinbart werden

 

Tag 321: 22. August. 2024

Israel will die Hamas-Brigade im Bereich von Rafah im Süden des Gazastreifens bezwungen haben. Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant sagte bei einem Besuch im Grenzbereich zwischen dem Gazastreifen und Ägypten: "Die Rafah-Brigade ist besiegt worden und mehr als 150 Tunnel in dieser Region wurden zerstört." Er habe die Truppen angewiesen, sich in der kommenden Zeit auf die Zerstörung der verbliebenen Tunnel an der Grenze zwischen dem Küstenstreifen und Ägypten zu konzentrieren.

Israel war im Mai trotz massiver internationaler Kritik nach Rafah vorgedrungen, um die dort verbliebenen Kräfte der islamistischen Terrororganisation zu zerstören. Rund eine Million Flüchtlinge, die sich dort nach Schätzungen gedrängt hatten, verliessen die Stadt wieder. Die israelischen Truppen eroberten auch den Rafah-Grenzübergang nach Ägypten sowie den sogenannten Philadelphi-Korridor.

Dieser etwa 14 Kilometer lange Bereich gilt als einer der grössten Streitpunkte bei den Verhandlungen um eine Gaza-Waffenruhe. Die Hamas fordert einen kompletten Abzug Israels aus dem Gazastreifen. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu besteht dagegen darauf, Israel müsse den Korridor auch nach einer Waffenruhe weiter kontrollieren, um etwa Waffenschmuggel zu verhindern.

 

Tag 320: 21. August 2024

Aus dem Libanon sind nach israelischen Militärangaben erneut zahlreiche Raketen auf den Norden Israels abgefeuert worden. Eine Salve von rund 40 Geschossen sei über die Grenze geflogen, teilte die Armee mit. Ausserdem seien mehrere Flugkörper identifiziert worden. Einige davon habe die Luftabwehr abgefangen, einige seien in den von Israel besetzten Golanhöhen niedergegangen. Es gab zunächst keine Berichte über Verletzte.

Die israelische Luftwaffe hatte zuvor Militäreinrichtungen der schiitischen Hisbollah-Miliz im Süden des Libanons angegriffen, wie es in der Mitteilung weiter hiess.

Das Militär hatte bereits am Morgen schweren Beschuss mit etwa 55 Geschossen aus dem Libanon gemeldet. Diese lösten demnach Brände im Norden Israels aus.

Die mit dem Iran verbündete Hisbollah teilte daraufhin mit, sie habe eine "intensive Raketen-Salve" auf Stellungen des israelischen Militärs abgefeuert. Es handle sich um eine Reaktion auf israelische Angriffe am Montag in der Bekaa-Ebene im Libanon, bei denen mindestens acht Menschen verletzt wurden. Die Armee hatte dabei nach eigenen Angaben Waffenlager der Hisbollah angegriffen. Es habe schwere Sekundärexplosionen gegeben. Zuvor war im Norden Israels ein Soldat bei einem Drohnenangriff aus dem Libanon getötet worden.

Seit Beginn des Gaza-Krieges vor mehr als zehn Monaten kommt es täglich auch zu militärischen Konfrontationen zwischen der israelischen Armee mit der Hisbollah-Miliz im Libanon sowie anderen Gruppierungen im Grenzgebiet zwischen den Ländern.

Es besteht die Sorge, die Lage könnte weiter eskalieren und in einen grösseren Krieg münden. Die Hisbollah hatte Vergeltung für die Tötung einer ihrer ranghohen Kommandeure bei einem israelischen Angriff Ende Juli in Beirut angekündigt.

Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant sagte mit Blick auf die Eskalation, der "Schwerpunkt" verlagere sich allmählich vom Gazastreifen an die nördliche Grenze.

 

 

Tag 319: 20. August 2024

US-Aussenminister Antony Blinken setzt seine Nahost-Reise nach Israelund Ägypten fort, um angesichts der angespannten Lage eine Deeskalation zu erreichen und ein Abkommen über eine Waffenruhe in Gaza sowie die Freilassung der Geiseln zu ermöglichen. Seit Montagabend besteht mehr Hoffnung, dass es dazu kommt. Israel habe den jüngsten von den USA unterstützten Vorschlag über eine Waffenruhe in Gaza akzeptiert, sagte Blinken auf einer Pressekonferenz. Nun sei es an der Hamas, dem Vorschlag zuzustimmen.

"Wenn der Hamas und ihrer Führung wirklich am palästinensischen Volk gelegen ist, sagt sie Ja zu dem Abkommen", so Blinken. Dies sei der einzige, der beste und schnellste Weg, das schreckliche Leid der Männer, Frauen und Kinder im Gazastreifen im Krieg nach dem Angriff der Hamas und anderer islamistischer Gruppen am 7. Oktober zu beenden. Am späten Montagabend gab es zunächst keine Reaktion aus Gaza.

Bericht: Sinwar unter Druck

Vor seiner Ankündigung hatte sich Blinken mit Angehörigen der Geiseln getroffen. Wie der israelische Fernsehsender Kanal 12 unter Berufung auf Teilnehmer berichtete, liess Blinken dabei durchblicken, dass der israelischeRegierungschef Benjamin Netanjahu diesmal wirklich anstrebe, ein Abkommen zu erreichen. Er habe den Eindruck vermittelt, dass dies innerhalb von Tagen möglich sein könne.

Blinken habe ausserdem über enormen Druck auf Hamas-Führer Jihia al-Sinwar berichtet, dem sogenannten Überbrückungsvorschlag zuzustimmen. Auch die Vermittler aus Ägypten und Katar übten Druck aus.

Blinken geht von schwierigen Entscheidungen aus

Der vorliegende Überbrückungsvorschlag spiegelt Blinken zufolge den Inhalt des Waffenstillstandsabkommens wider, das US-Präsident Joe Biden der Welt im Mai vorgelegt hat. Danach läuft der Prozess in Phasen ab: Eine erste Feuerpause über einen Zeitraum von sechs Wochen, in dem Geiseln freigelassen und Gefangene ausgetauscht werden, sowie Verhandlungen über die Bedingungen für einen dauerhaften Waffenstillstand geführt werden.

In den kommenden Tagen müssten die Verhandlungsexperten zusammenkommen, um klare Vereinbarungen zur Umsetzung des Abkommens zu treffen, sagte Blinken. "Das sind immer noch komplexe Fragen, und sie werden schwierige Entscheidungen der Staats- und Regierungschefs erfordern."

Blinken hoffte dennoch auf eine schnelle Vereinbarung: "Je länger dies andauert, desto mehr Geiseln werden leiden, möglicherweise umkommen." Auch könnten "andere Dinge passieren", sagte der amerikanische Chefdiplomat mit Blick auf die angespannte Lage im Nahen Osten.

Bericht: Israel bereit zu Konzessionen bei Philadelphi-Korridor

Als besonders umstritten in den Verhandlungen galt zuletzt die Frage, ob Israel sich wieder von der im Mai eroberten Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten zurückziehen wird. Die Hamas fordert einen kompletten Abzug Israels. Netanjahu dagegen verlangt, dass die israelischeArmee den sogenannten Philadelphi-Korridor auch nach einer Waffenruhe weiter kontrolliert, etwa um den Schmuggel von Waffen zu verhindern.

Laut Informationen des israelischen Journalisten Barak Ravid soll Israel nun dazu bereit sein, seine Militärpräsenz entlang des Philadelphi-Korridors zu reduzieren. Das schrieb Ravid im Online-Nachrichtenportal "walla.co.il" unter Berufung auf zwei nicht näher benannte israelische Quellen, die mit der Sache vertraut seien. Auch in der Diskussion zu einer neuerlichen Öffnung des südlichen Grenzübergangs Rafah deuteten sich Ravid zufolge Fortschritte an.

In Kairo sollten in dieser Woche Gespräche von Unterhändlern zu speziellen Fragen stattfinden. Bis Sonntag war dann erneut ein übergreifendes Spitzentreffen vorgesehen. Netanjahu will Blinken zufolge sein Expertenteam entweder nach Kairo oder Doha schicken.

Die Hamas hat nach israelischer Zählung noch 115 Geiseln in ihrer Gewalt, von denen Israel 41 für tot erklärt hat. Überdies dürften weitere Geiseln, deren Schicksal unbekannt ist, nicht mehr leben.

Tunnel mit Waffenlager zerstört

Der Krieg im Gazastreifen geht unterdessen weiter. Das israelische Militär hat nach Angaben eines Armeesprechers im Gazastreifen eine Tunnelstrecke von etwa 1,5 Kilometern zerstört, die der islamistischen Hamas unter anderem als Waffenlager diente. In einem Tunnelabschnitt seien Waffen und Ausrüstung gefunden worden.

Beim Eintreffen der israelischen Soldaten hätten die Hamas-Kämpfer den Bereich im Gebiet von Chan Junis bereits verlassen. Im Verlauf ihrer Offensive hat die Armee immer wieder Teile des Tunnelsystems zerstört.

Im Norden Israels wurde am Montag ein 45 Jahre alter israelischer Soldat bei einem Drohnenangriff aus dem Libanon getötet. Nach Angaben eines Armeesprechers gehörte er dem Beduinenspähtrupp der israelischenGrenztruppen an. Mehrere Soldaten seien bei dem Zwischenfall verletzt worden, einer von ihnen schwer, hiess es weiter.

Am Abend griffen israelische Kampfjets nach Angaben des Militärs Ziele der Hisbollah-Miliz im Libanon an. Das libanesische Gesundheitsministerium teilte mit, es seien acht Menschen verletzt worden, unter ihnen auch zwei Kinder.

 

Tag 318: 19. August 2024

Die Hamas im Gazastreifen lehnt die Vorschläge der letzten Runde der indirekten Verhandlungen mit Israel über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg ab. "Nachdem wir von den Vermittlern hörten, was bei der letzten Gesprächsrunde in Doha erörtert wurde, sind wir ein weiteres Mal davon überzeugt, dass (Israels Ministerpräsident Benjamin) Netanjahu einer Einigung weiterhin Hindernisse in den Weg legt", heisst es in einer Erklärung der islamistischen Organisation.

Es handelte sich um das erste Statement der Hamas seit der letzten Gesprächsrunde, die am Donnerstag und Freitag in der katarischen Hauptstadt Doha stattfand. Die Hamas nahm daran nicht teil, weswegen sie sich von den Vermittlern über die Ergebnisse informieren liess. Israel und die Hamas haben bislang aber ohnehin nur indirekt verhandelt.

Die Hamas erklärte weiter, Netanjahu würde "neue Bedingungen und Forderungen stellen, um die Bemühungen der Vermittler zu torpedieren und den Krieg zu verlängern". Bei den Gesprächen, die auch zur Freilassung von israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas führen sollen, vermitteln Ägypten, Katar und die USA.

Die neuen Vorschläge, so die Hamas, lägen mit den Bedingungen Netanjahus auf einer Linie und wichen von dem bereits im Mai von US-Präsident Joe Biden vorgelegten und von den Seiten akzeptierten Verhandlungsrahmen ab. Unter anderem werde die Hamas keine dauerhafte Truppenpräsenz Israels an strategischen Stellen des Gazastreifens akzeptieren, wie sie Netanjahu nunmehr beharrlich fordert. Dabei geht es vor allem um den sogenannten Philadelphi-Korridor, einen schmalen Gebietsstreifen, der im Süden Gazas entlang der Grenze zu Ägypten verläuft. Israel vermutet, dass sich die Hamas über diese Grenze mit Waffen versorgt hat.

Die indirekten Gespräche sollen auf verschiedenen Ebenen weiterlaufen und in der zweiten Wochenhälfte in eine möglicherweise entscheidende Phase münden. In Israel traf indes US-Aussenminister Antony Blinken ein, um am Montag Netanjahu zu treffen. Der israelische Regierungschef signalisierte bislang kein Einlenken.

Nach israelischen Medienberichten soll eine Sitzung Netanjahus mit seinen Verhandlern am Sonntagmorgen äusserst stürmisch verlaufen sein. Die Unterhändler warnten eindringlich davor, dass ein Beharren auf dem Philadelphi-Korridor die angestrebte Vereinbarung zum Scheitern bringen würde. Der Premier liess am Abend über sein Büro mitteilen, dass er weiterhin darauf beharre, "dass wir im Phialdelphi-Korridor bleiben, um zu verhindern, dass sich terroristische Elemente wieder bewaffnen".

 

Tag 316: 17. August 2024

Das israelischeMilitär hat einen Kommandeur der proiranischen Hisbollah im Südlibanon getötet. Es handele sich um einen Kommandeur der Radwan-Truppe, einer Eliteeinheit der Schiitenmiliz. Die Hisbollah bestätigte den Tod später.

Nach israelischen Angaben wurde das Hisbollah-Mitglied bei einem Luftangriff nahe der Küstenstadt Tyros getötet. Das libanesische Gesundheitsministerium hatte mitgeteilt, dass bei einem israelischen Angriff auf ein Motorrad in der Gegend ein Mensch getötet wurde.

Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas am 7. Oktober 2023 beschiesst auch die mit der Hamas verbündete Hisbollah-Miliz aus dem Libanon fast täglich Ziele im angrenzenden Norden Israels. Das israelische Militär wiederum greift regelmässig Ziele im Nachbarland an

 

Tag 315: 16. August 2024

15:00

Bei den Verhandlungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg gibt es offenbar ein wenig Bewegung. Es habe "einige Fortschritte" gegeben, sagten Diplomaten mit Kenntnis der Gespräche der Deutschen Presse-Agentur. Diese sollten am Freitagnachmittag in der katarischen Hauptstadt Doha fortgesetzt werden.

Die Erwartungen etwa auf einen Durchbruch oder gar die Einigung auf eine Waffenruhe wie im vergangenen November sind gering, weil die Positionen von Israel und der islamistischen Hamas weit auseinander liegen.

Die Bemühungen der Vermittlerstaaten Katar, Ägypten und USA dauerten an, sagte der Sprecher des katarischen Aussenministeriums, Madschid al-Ansari. Sie seien entschlossen in ihren Bemühungen, eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas zu erreichen. Damit solle auch die Freilassung von Geiseln aus Gewalt der Hamas und die Einfuhr der "grösstmöglichen Menge humanitärer Güter" in das Küstengebiet erwirkt werden.

In dem Krieg wurden nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza, die von der Hamas kontrolliert wird, mehr als 40.000 Menschen getötet. Mit den Gesprächen in Doha ist die Hoffnung verbunden, nicht nur den verheerenden Krieg in Gaza zu beenden, sondern auch eine noch grössere Ausweitung in der Region zu verhindern. An den Gesprächen nehmen Spitzenvertreter der drei vermittelnden Staaten sowie des israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad teil. Die Hamas nimmt nicht teil, soll in Doha aber laufend über den Fortgang der Gespräche informiert werden.

 

7:00

Die US-Vermittlungsversuche zwischen der Hisbollah im Libanon und Israelsind nach Auffassung des stellvertretenden Chefs der Schiitenorganisation nur "Show". In einem Interview mit dem Hisbollah-Fernsehsender Al-Manar kritisierte der Hisbollah-Vize Naim Kassem, der US-Gesandte Amos Hochstein habe bei seinem Besuch in der libanesischen Hauptstadt Beirut keinen konkreten Vorschlag gemacht.

Hochstein war am Mittwoch in den Libanon gereist, um sich für eine Entspannung im militärischen Konflikt zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah einzusetzen. Libanons Parlamentssprecher und wichtiger Verbündeter der Hisbollah, Nabih Berri, sagte arabischen Medien zufolge das Treffen mit Hochstein habe "positive Ergebnisse geschaffen".

Hochstein selbst sagte nach dem Treffen mit Berri: "Er und ich sind uns einig, dass keine Zeit mehr verschwendet werden darf". Es gebe auch keine "gültigen Gründe" mehr für Verzögerungen. Ein Abkommen im Gaza-Krieg werde eine "diplomatische Lösung" im Libanon möglich machen und den Ausbruch eines grösseren Kriegs verhindern.

Hisbollah-Vize Kassem selbst hat Hochstein nicht getroffen. Hochsteins Bemühungen gelten als entscheidend beim Versuch, eine noch umfassendere Eskalation zwischen Israel und der Hisbollah zu verhindern.

Tag 314: 15. August 2024

Begleitet von Sorgen wegen eines drohenden Flächenbrands im Nahen Osten stehen im Konflikt zwischen Israelund der islamistischen Hamas möglicherweise entscheidende Gespräche an.

Auf Drängen der Vermittler USA, Katar und Ägypten ist am Donnerstag eine Verhandlungsrunde über eine Waffenruhe geplant, bei der es erneut um den Austausch von Geiseln gegen palästinensische Gefangene gehen soll. Ein Durchbruch könnte aber auch einen Vergeltungsschlag des Irans gegen Israelverhindern - und damit eine Ausweitung des Krieges deutlich über den Gazastreifen hinaus.

Genau deswegen setzt US-Präsident Joe Biden grosse Hoffnungen in die Gespräche. Ihnen waren intensive Vermittlungsbemühungen vorausgegangen, unter anderem von Deutschlands Kanzler Olaf Scholz. Stattfinden sollen sie in Kairo oder der katarischen Hauptstadt Doha. Die Teilnahme der Hamas war allerdings bis zuletzt unklar. Man werde "nicht unter Beschuss verhandeln", erfuhr die dpa aus Hamas-Kreisen. Einem Bericht zufolge könnten die Gespräche auch ohne direkte Beteiligung der von der EU als Terrororganisation eingestuften Gruppe geführt werden. Die Hamas und Israelverhandeln nicht direkt miteinander.

Nervenkrieg vor Gaza-Gesprächen - Hoffnung auf Erfolg

Nach der Tötung eines wichtigen Vertreters der proiranischen Hisbollah-Miliz im Libanon und des Auslandschefs der Hamas in der iranischen Hauptstadt Teheran vor gut zwei Wochen wird seit Tagen ein grosser Angriff Irans und seiner Verbündeten auf Israel befürchtet. Die Islamische Republik, die Hisbollah und die islamistische Hamas im Gazastreifen kündigten Vergeltung an.

Im April hatte der Iran erstmals direkt Israelangegriffen als Vergeltung für einen mutmasslich israelischen Angriff auf ein iranisches Konsulargebäude in Syrien. Die Attacke fiel begrenzt aus - die mehr als 300 Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern konnten zum Grossteil von Israel mit Unterstützung von Partnern und Ländern in der Region abgewehrt werden. Befürchtet wird, dass es nun einen koordinierten Angriff gegen Israelgeben könnte - gemeinsam mit der Hisbollah, der Huthi-Miliz im Jemen sowie Iran-treuen Milizen in Syrien und im Irak. Mit schätzungsweise 150.000 Raketen, Drohnen und Marschflugkörpern gilt die Hisbollah in der Region als schlagkräftigste Miliz.

Die israelische Armee ist in Alarmbereitschaft und behält sich nach offiziellen Angaben auch Offensivmassnahmen vor. Sie kann unter anderem auf die Unterstützung der USA setzen. Diese haben ihre Militärpräsenz in der Region stark ausgebaut. Im Iran gelten die USA wie Israel als erklärte Erzfeinde. Zwischen beiden Ländern wurde mehrfach ein offener militärischer Konflikt befürchtet, vor allem nach der Tötung des iranischen Top-Generals Ghassem Soleimani durch einen US-Drohnenangriff im Jahr 2020 im Irak.

Ausgang der Gespräche ungewiss - Was macht der Iran?

Was die Gespräche bringen können, ist völlig ungewiss. Zuletzt hatten die Verhandlungen kaum Fortschritte gebracht. IsraelsMinisterpräsident Benjamin Netanjahu wies Vorwürfe zurück, neue Bedingungen gestellt und einen Deal so blockiert zu haben. Er warf der Hamas vor, neue Forderungen erhoben zu haben. Netanjahu will die Hamas militärisch zerschlagen. Diese soll nicht mehr in der Lage sein, das Küstengebiet zu regieren.

Netanjahu regiert in einer Koalition mit ultrareligiösen und rechtsextremen Partnern. Diese sind strikt gegen Zugeständnisse an die Hamas. Seine Gegner werfen Netanjahu vor, sich an seine Koalitionspartner zu klammern, weil er bei Neuwahlen unterliegen könnte. Der Verlust seines Amtes würde wiederum die strafrechtliche Verfolgung von Korruptionsfällen beschleunigen, in die Netanjahu verwickelt sein soll.

Die USA hatten Ende Mai den Entwurf eines Deals vorgestellt, der zunächst eine vollständige und uneingeschränkte Waffenruhe von sechs Wochen vorsieht. In diesem Zeitraum würde eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen. Im Gegenzug würden Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. Danach würden die Kämpfe dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen. In einer letzten Phase soll demnach der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.

Einem Fernbleiben der Hamas von den geplanten Gesprächen bauen die Vermittler bereits vor. In dem Fall werde man die Gruppe über die besprochenen Bedingungen für ein Abkommen informieren, zitierte das "Wall Street Journal" arabische Vermittler.

Die Vermittler hatten Israel und die Hamas kürzlich zu einem Abkommen gedrängt. Man werde versuchen, "kreativ und durchsetzungsfähig zu sein, um die Sache über die Ziellinie zu bringen", sagte zuletzt John Kirby, der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates in den USA.

Irans Dilemma: Rache üben oder Gaza-Gespräche abwarten?

Der Iran hat einen Vergeltungsschlag für die Tötung von Hamas-Auslandschef Ismail Hanija vor fast zwei Wochen angedroht, seitdem aber nicht durchgeführt. "Man kann sich einerseits als revolutionäres und anti-israelisches Land nicht leisten, auf einen Racheakt zu verzichten, andererseits ist man sich aber auch der desaströsen Folgen eines Vergeltungsschlags bewusst", erklärt ein Politologe in Teheran das Dilemma.

Ein Krieg würde nicht nur die Wirtschaftskrise im Iran verschärfen, sondern könnte auch zu erneuten Unruhen führen. Rechnen müsste Teheran ausserdem mit der Beteiligung der USA als wichtigsten Verbündeten Israels - und mit einer israelischen Antwort. Auf den Angriff des Irans im April hatte Israel mit einem begrenzten Schlag reagiert, was dem Iran ermöglichte, auf eine Gegenreaktion zu verzichten. Doch dass Israel eine Luftwaffenbasis in der Provinz Isfahan unweit iranischer Atomanlagen angriff, sahen einige Beobachter durchaus als klare Botschaft Israels an den Iran: dass ein Angriff auf Atomanlagen möglich ist.

Die Atomanlagen in der Islamischen Republik gelten als mögliche Ziele Israels und seiner Verbündeten. Der Iran behauptet, die Einrichtungen, insbesondere die in Natans in Zentraliran und Fordo südlich Teherans, seien militärisch bestens geschützt.

Bislang deuteten die Aussagen in Teheran darauf hin, dass der Iran zumindest bis nach den Gaza-Gesprächen von einem Vergeltungsschlag absehen wolle, sagt der iranische Politologe. "Danach werden wir sehen, ob das Regime sich starrköpfig für eine Blutrache oder doch rational für eine politische Option entscheidet."

 

 

Tag 313: 14. August 2024

07:00

Der Iran könnte nach Einschätzung von US-Präsident Joe Biden im Falle eines Durchbruchs bei den Verhandlungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg von seinem angedrohten Vergeltungsschlag gegen Israelabsehen. Auf eine entsprechende Frage von Reportern entgegnete Biden: "Das ist meine Erwartung, aber wir werden sehen." An diesem Donnerstag ist auf Drängen der USA, Katars und Ägyptens, die in dem Krieg zwischen Israel und der Hamas vermitteln, eine möglicherweise entscheidende Gesprächsrunde über ein Abkommen für eine Waffenruhe und Freilassung von Geiseln geplant, voraussichtlich in Katars Hauptstadt Doha. Anders als Israel lehnt die islamistische Hamas eine Teilnahme daran bisher ab. Man werde "nicht unter Beschuss verhandeln", erfuhr die dpa aus Hamas-Kreisen.

Die indirekten Verhandlungen würden auch dann fortgesetzt, wenn die Hamas nicht teilnehmen sollte, zitierte das "Wall Street Journal" arabische Vermittler. In dem Fall werde man die Islamistenorganisation über die besprochenen Bedingungen für ein Abkommen informieren, hiess es. In einer Botschaft aus Gaza an die arabischen Vermittler habe Hamas-Anführer Jihia al-Sinwar am Montagabend erklärt, wenn Israel ernsthaft verhandeln und die Hamas einbeziehen wolle, müsse es zuerst sein militärisches Vorgehen im Gazastreifen einstellen, berichtete die Zeitung. Sinwar wird im weit verzweigten Tunnelnetzwerk der Hamas unter dem abgeriegelten Küstenstreifen vermutet.

Biden: Ich werde nicht aufgeben

"Wir wollen, dass jeder am Donnerstag auftaucht, die Ärmel hochkrempelt und sich an die Arbeit macht", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, in Washington. "Und gleichzeitig beobachten wir sehr, sehr genau, was der Iran und seine Stellvertreter diese Woche tun könnten". Das Weisse Haus ist laut Medienberichten besorgt, dass ein Angriff des Irans und der Hisbollah auf Israel die Verhandlungen über eine Waffenruhe sabotieren und ein mögliches Abkommen zunichtemachen würde. "Es wird schwierig", sagte Biden. "Wir werden sehen, was der Iran tut, und wir werden sehen, was passiert, wenn es einen Angriff gibt. Aber ich werde nicht aufgeben."

Nach der Tötung eines Militärkommandeurs der Hisbollah im Libanon und des Auslandschefs der Hamas in der iranischen Hauptstadt Teheran ist weiter unklar, ob und wann der Iran und die Hisbollah die angedrohten Vergeltungsschläge ausführen werden. "Der Iran und die Hisbollah wissen nicht, was sie tun sollen. Es gibt viele Pläne, aber noch keine Entscheidungen", sagte ein US-Beamter dem Nachrichtenportal "Axios". Die USA als wichtigster Verbündeter Israelshaben zwecks Abschreckung sowie zum Schutz Israels und der eigenen Soldaten zusätzliche Militärkräfte in die Region verlegt. Es wird befürchtet, dass es infolge eines Vergeltungsangriffs gegen Israel zu einem grösseren Krieg in Nahost kommt.

US-Regierung segnet Milliarden-Rüstungsdeal mit Israel ab

Die US-Regierung genehmigte unterdessen neue Rüstungsverkäufe an Israel in grossem Umfang. Der Kongress sei über den bevorstehenden Verkauf in Höhe von mehr als 20 Milliarden US-Dollar (rund 18 Milliarden Euro) informiert worden, teilte das US-Aussenministerium mit. Dieser umfasse etwa mehr als 50 Kampfflugzeuge vom Typ F-15, Panzermunition sowie taktische Militärfahrzeuge. Die Erfüllung solcher Verträge ist ein jahrelanger Prozess. Die Lieferung der Panzermunition soll erst 2027 beginnen, die der Kampfflugzeuge erst 2029. Es geht um die langfristige Ausstattung des israelischen Militärs, nicht um dessen Ausrüstung im aktuellen Krieg mit der Hamas in Gaza.

Die USA, Katar und Ägypten hatten als Vermittler Israel und die Hamas kürzlich mit energischen Worten zu einem Abkommen gedrängt. Beide Seiten seien aufgefordert worden, die Gespräche am Donnerstag wieder aufzunehmen, "um alle verbleibenden Lücken zu schliessen und ohne weitere Verzögerung mit der Umsetzung des Abkommens zu beginnen", hiess es einer gemeinsamen Erklärung. Man sei bereit, falls nötig einen letzten überbrückenden Vorschlag vorzulegen, der die verbleibenden Fragen der Umsetzung in einer Weise löst, "die den Erwartungen aller Parteien entspricht". Man werde versuchen, "kreativ und durchsetzungsfähig zu sein, um die Sache über die Ziellinie zu bringen", sagte Kirby.

Biden hatte Ende Mai den Entwurf eines Deals vorgestellt, der zunächst eine vollständige und uneingeschränkte Waffenruhe von sechs Wochen vorsieht. In diesem Zeitraum würde eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen. Im Gegenzug würden Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. Danach würden die Kämpfe dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen. In einer letzten Phase soll demnach der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen. IsraelsMinisterpräsident Netanjahu wies Vorwürfe zurück, neue Bedingungen gestellt zu haben.

US-Regierung: Ben-Gvirs Besuch auf Tempelberg "inakzeptabel"

Netanjahus rechtsextreme Koalitionspartner, Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir, hatten jüngst gedroht, die Regierung platzen zu lassen, sollte Netanjahu einer Waffenruhe zu Bedingungen zustimmen, die sie ablehnen. Ben-Gvir provozierte mit einem Besuch auf dem Tempelberg, der drittheiligsten Stätte im Islam. Die US-Regierung übte scharfe Kritik. "Lassen Sie mich klar und deutlich sagen, dass die Vereinigten Staaten fest für die Bewahrung des historischen Status quo in Bezug auf die heiligen Stätten in Jerusalem eintreten", sagte der stellvertretende Sprecher des US-Aussenministeriums, Vedant Patel.

"Jede einseitige Aktion, die diesen Status quo gefährdet, ist inakzeptabel", sagte Patel. Man achte in den USA "sehr genau" auf Handlungen, die "zu grösserer Unsicherheit und Instabilität in der Region beitragen". Ben-Gvirs Aktion falle darunter und lenke davon ab, die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg "über die Ziellinie" zu bringen sowie schlussendlich eine Zweistaatenlösung zu erreichen. "Wir wissen, wie wichtig die heilige Stätte ist", sagte Patel. "Wir fordern daher alle Seiten auf, den Status quo zu respektieren."

 

05:00

Die US-Regierung hat Rüstungsverkäufe an Israel in grossem Umfang genehmigt. Der Kongress sei über den bevorstehenden Verkauf von Rüstungsgütern in Höhe von mehr als 20 Milliarden US-Dollar (rund 18 Milliarden Euro) informiert worden, teilte das US-Aussenministerium mit. Dieser umfasse unter anderem mehr als 50 Kampfflugzeuge vom Typ F-15, Panzermunition sowie taktische Militärfahrzeuge.

Die Erfüllung solcher Verträge durch die Rüstungsindustrie ist ein jahrelanger Prozess - so soll die Lieferung der Panzermunition etwa erst 2027 beginnen, die der Kampfflugzeuge erst 2029. Es geht also um die langfristige Ausstattung des israelischen Militärs, nicht um dessen Ausrüstung im aktuellen Konflikt Israels mit der Hamas im Gazastreifen.

Die USA sind die wichtigste Schutzmacht Israels. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind jedoch angesichts des militärischen Vorgehens Israels im Gazastreifen - und insbesondere wegen der hohen Zahl ziviler Kriegsopfer und der humanitären Katastrophe im Konfliktgebiet - angespannt. Für die US-Regierung unter Präsident Joe Biden ist der Umgang mit Militärhilfen für Israel ein innenpolitischer Balanceakt. Kritiker fordern mehr Transparenz darüber, wie US-Waffen von Israel eingesetzt werden und ob dabei das humanitäre Völkerrecht eingehalten wird.

 

Tag 312: 13. August 2024

Zwei Mitglieder des militärischen Flügels der Hamas haben nach Angaben eines Sprechers eine israelische Geisel getötet. Zwei weitere Geiseln seien verletzt worden, teilte Abu Obaida, der den Al-Kassam-Brigaden zugerechnet wird, mit. Die Taten seien "eine Reaktion auf die israelischenVerbrechen gegen das palästinensische Volk im Gazastreifen".

Das israelische Militär teilte mit, es könne die Angaben derzeit weder bestätigen noch widerlegen. Die Mitteilung Obaidas werde geprüft.

Seit dem Angriff von Hamas-Terroristen auf Israel mit mehr als 1200 Toten von vergangenem Oktober befinden sich noch Dutzende Menschen in der Gewalt der Gruppe.

 

Tag 311: 12. August 2024

Israel bereitet sich nach der Tötung eines Hamas-Führers weiterhin auf einen Vergeltungsschlag des Irans und seiner Verbündeten vor. Der israelischeVerteidigungsminister Joav Galant warnte Teheran sowie die libanesische Hisbollah-Miliz vor einem heftigen Gegenschlag. "Wer uns auf eine Weise schadet, die es in der Vergangenheit nicht gegeben hat, wird wahrscheinlich auf eine Weise getroffen werden, die es in der Vergangenheit nicht gegeben hat", sagte Galant.

"Ich hoffe, dass sie dies durchdenken und nicht an einen Punkt gelangen, an dem sie uns dazu zwingen, erheblichen Schaden anzurichten und die Wahrscheinlichkeit eines Kriegsausbruchs an weiteren Fronten zu erhöhen", sagte der israelische Verteidigungsminister weiter. "Wir wollen das nicht, aber wir müssen vorbereitet sein."

Nach der Tötung eines Militärkommandeurs der Hisbollah im Libanon sowie eines Anführers der mit der Organisation verbündeten islamistischen Hamas in Teheran kündigten der Iran und die Hisbollah massive Vergeltung an. Der Auslandschef der Hamas, Ismail Hanija, kam Ende Juli bei einer Explosion in einem Gästehaus der iranischen Regierung ums Leben. Der Iran beschuldigt Israel. Das Land äusserte sich bislang nicht dazu. Die gezielte Tötung des Militärkommandeurs der Hisbollah reklamierte Israel wiederum für sich.

Atom-U-Boot: USA verstärken Militärpräsenz in Nahost weiter

Das US-Militär verstärkt seine Präsenz im Nahen Osten indes weiter. Verteidigungsminister Lloyd Austin habe die Verlegung des mit einem Atomantrieb ausgestatteten U-Boots "USS Georgia" befohlen, zudem sollen der Flugzeugträger "USS Abraham Lincoln" und seine Begleitschiffe ihren Transit in die Region beschleunigen, erklärte das Pentagon. Der Flugzeugträger mit seinen Kampfjets vom Typ F-35 komme zusätzlich zur bereits in der Region befindlichen Flugzeugträgergruppe "USS Theodore Roosevelt".

In einem Gespräch mit seinem israelischenAmtskollegen Galant habe Minister Austin angesichts der "eskalierenden regionalen Spannungen" nochmals die Verpflichtung der Vereinigten Staaten betont, "jeden möglichen Schritt zu unternehmen, um Israel zu verteidigen", erklärte das Pentagon weiter.

Die ebenfalls mit Atomreaktoren betriebenen gut 300 Meter langen Flugzeugträger des US-Militärs sind jeweils mit Dutzenden Kampfflugzeugen bestückt, in ihren Verbänden befinden sich zudem Zerstörer und andere Kriegsschiffe. Das rund 110 Meter lange U-Boot "USS Georgia" kann einer Webseite des US-Militärs zufolge mit bis zu 154 Marschflugkörpern vom Typ Tomahawk bestückt sein.

Erneut Raketenangriffe aus dem Libanon

Während der Iran und seine Verbündeten ihren grossen Gegenschlag gegen Israel bislang nicht ausgeführt haben, gehen die Angriffe zwischen Israels Armee und der Hisbollah-Miliz weiter. Das israelische Militär erklärte, rund 30 Projektile seien in der Nacht zum Montag aus dem Libanon in Richtung des Ortes Kabri in der Nähe der Küstenstadt Naharija gefeuert worden. Es habe keine Verletzten gegeben. Einige der Projektile schlugen demnach auf offenem Gelände ein. Die Hisbollah erklärte örtlichen Medien zufolge, der Angriff mit Katjuscha-Raketen habe einem Militärstützpunkt gegolten.

Neue Verhandlungen über Waffenruhe

Am Donnerstag soll es erstmals seit langer Zeit wieder eine Verhandlungsrunde geben, um eine Feuerpause in dem seit zehn Monaten dauernden Gaza-Krieg sowie die Freilassung der in der Gewalt der Hamas verbliebenen Geiseln zu erreichen.

Zu den indirekten Gesprächen sind sowohl israelische Delegierte als auch Vertreter der Hamas geladen. Die kommende Runde soll in Kairo oder Doha stattfinden. Ob ein Team der Islamistenorganisation daran teilnehmen wird, ist noch unklar. In einer Erklärung hatte die Gruppe zuvor die Vermittler aufgefordert, einen Plan zur Umsetzung des bereits existierenden Vorschlags für ein Abkommen über eine Waffenruhe auszuarbeiten, "anstatt zu weiteren Verhandlungsrunden zu gehen" oder weitere Entwürfe zu unterbreiten.

Die USA, Ägypten und Katar vermitteln bei den indirekten Gesprächen, die seit Monaten schleppend verlaufen. Seit Mai kreisen sie um einen mehrstufigen Plan von US-Präsident Joe Biden, der am Ende eine dauerhafte Waffenruhe vorsieht. Ausserdem sollen die Geiseln in der Gewalt der Hamas gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen ausgetauscht werden.

Mit dem Ziel einer regionalen Deeskalation sei nun der Zeitpunkt gekommen, das Abkommen zur Freilassung der Geiseln und eines Waffenstillstands zu finalisieren, sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) in einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nach Angaben eines Regierungssprechers in Berlin.

Geisel-Mutter erhält Bericht zufolge Lebenszeichen ihrer Tochter

Die Hamas hält nach israelischer Schätzung noch 115 Geiseln im Gazastreifen, von denen viele bereits tot sein sollen. Die Familie einer jungen Soldatin habe ein Lebenszeichen der Frau bekommen, meldete die israelische Zeitung "Haaretz" unterdessen. "Sie und ihre Freunde, alle vier, leben", wurde die Mutter der Entführten zitiert. Die Familie wisse aber nicht, in welchem ​​Zustand die Soldatin sei und wo genau sie festgehalten werde.

Von der Entführung der Frau und weiterer Soldatinnen existieren Aufnahmen der Hamas, auf denen sie verängstigt, verletzt und teilweise blutüberströmt zu sehen sind.

Wieder Tote bei Angriffen im Gazastreifen

Nach dem verheerenden Luftschlag auf ein Schulgebäude, der international Entsetzen und Kritik ausgelöst hat, setzt Israels Armee eigenen Angaben zufolge ihre Angriffe auf Ziele im Gazastreifen fort. Fünf Menschen wurden dabei im gesamten Küstenstreifen getötet, meldete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa. Israels Militär teilte mit, in der Stadt Rafah im Süden des Gebiets Terroristen getötet zu haben. Allein am Samstag seien 30 Ziele der Hamas angegriffen worden. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Israels Armee rief vor einem neuen Militäreinsatz in Chan Junis die Einwohner eines im Norden der Stadt gelegenen Viertels dazu auf, das Gebiet zu verlassen. Israel wirft der islamistischen Terrororganisation vor, die humanitäre Zone in dem Gebiet für Raketenangriffe auf israelischeOrte missbraucht zu haben. Chan Junis liegt im Süden des Gazastreifens.

Bei einem israelischen Luftangriff auf ein Schulgebäude in der Stadt Gaza, das als Flüchtlingsunterkunft genutzt wurde, waren am Samstag nach palästinensischen Angaben Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Israels Militär äusserte Zweifel an diesen Zahlen und sprach von einer Kommandozentrale der Hamas.

"Die Berichte aus Gaza sind schrecklich. Dass Zivilisten getötet werden, die Schutz suchen, ist nicht hinnehmbar. Die wiederholten Angriffe der israelischen Armee auf Schulen müssen aufhören und rasch aufgeklärt werden", schrieb das Ressort von Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Sonntag auf der Plattform X.

Das Leid der Schutz suchenden Frauen, Männer und vielen Kinder, die seit Monaten immer wieder vor den Kämpfen in Gaza flüchteten, sei unermesslich. Sie dürften nicht weiter zwischen die Fronten geraten, die Hamas dürfe sie nicht als Schutzschilde missbrauchen.

Bei einem Anschlag im von Israel besetzten Westjordanland kam israelischen Angaben zufolge ein Israeli ums Leben. Der militärische Arm der Hamas reklamierte den Angriff für sich.

Die islamistische Hamas und andere Gruppen aus dem Gazastreifen hatten am 7. Oktober des Vorjahres den Süden Israelsüberfallen, mehr als 1200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln verschleppt. Das beispiellose Massaker war Auslöser des Gaza-Kriegs, in dessen Zuge Israel danach trachtet, die Hamas und andere militante Gruppen im Gazastreifen zu zerschlagen.

Während einer kurzen Waffenruhe kamen mehr als 100 Geiseln frei, unter ihnen vor allem Frauen und ältere Menschen. Die Freigelassene berichteten von zum Teil unmenschlichen Bedingungen in der Geiselhaft, von Entbehrungen, Gewalttätigkeiten und psychologischem Terror. Die Hamas hat nach israelischer Zählung noch 115 Geiseln in ihrer Gewalt, von denen aber viele nicht mehr am Leben sein dürften.

 

Tag 308: 9. August 2024

Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell hat scharfe Kritik an Israels Vorgehen gegen acht entsandte Vertreter Norwegens geübt. Dass die israelische Regierung den Personen den Diplomatenstatus entzogen habe, widerspreche in Oslo vereinbarten Abkommen zur Lösung des Nahost-Konflikts und störe die Beziehungen und die Zusammenarbeit mit der Palästinensischen Autonomiebehörde, liess der Spanier in Brüssel mitteilen. Er verurteile diese unbegründete Entscheidung aufs Schärfste.

Laut Borrell wurde diese Position auch über den Leiter der EU-Delegation in Tel Aviv der israelischen Regierung übermittelt. "Dies ist keine bilaterale Frage zwischen Israel und Norwegen, sondern eine von Interesse für alle, die sich für Frieden und Stabilität im Nahen Osten einsetzen", erklärte er. Norwegen habe bislang eine wichtige Rolle im Nahost-Friedensprozess und bei der Unterstützung der palästinensischen Bevölkerung gespielt.

Das israelische Aussenministerium hatte zuvor mitgeteilt, Aussenminister Israel Katz habe Norwegen informiert, dass er den diplomatischen Status norwegischer Vertreter in Israel aufhebe, die für die palästinensischen Gebiete zuständig seien. "Wer uns angreift und eine einseitige Politik gegen uns verfolgt, wird den Preis zahlen", sagte Katz den Angaben zufolge.

Zur Begründung war von "einer Reihe antiisraelischer und einseitiger Schritte der norwegischen Regierung" die Rede. Im Mai hatte Norwegen wie Spanien und Irland beschlossen, einen palästinensischen Staat anzuerkennen.

Der norwegische Aussenminister Espen Barth Eide nannte den Schritt Israels einen "extremen Akt" und erklärte, dass er den diplomatischen Vertreter Israels in Oslo ins Aussenministerium einberufen habe.

Die palästinensische Autonomiebehörde war auf der Basis der sogenannten Osloer Verträge gegründet worden, die Israel und die Palästinenser 1993 nach geheimen Gesprächen in der norwegischen Hauptstadt geschlossen hatten. Das skandinavische Land spielt seitdem eine wichtige Rolle in der Region.

Tag 307: 8. August 2024

Der israelische Generalstabschef Herzi Halevi sieht in der Wahl des bisherigen Chefs der Hamas im Gazastreifen zum neuen Leiter des Politbüros der Islamisten eine zusätzliche Motivation, Jihia al-Sinwar ausfindig zu machen. "Wir werden uns alle Mühe geben, ihn zu finden, ihn ins Visier zu nehmen und dafür zu sorgen, dass der Chef des Politbüros erneut ersetzt wird", sagte Halevi beim Besuch eines Luftwaffenstützpunkts.

"Wir haben in den vergangenen Wochen sehr wichtige Operationen durchgeführt und dabei die ranghöchsten Kommandeure unserer problematischsten Feinde ausgeschaltet, und wir machen nicht halt." Sinwars neuer Titel spreche ihn nicht davon frei, ein Mörder zu sein, sagte Halevi über den Hamas-Führer, der als Drahtzieher des Terrorangriffs am 7. Oktober 2023 gilt.

Nach dem Besuch des Stützpunkts betonte Halevi die "höchste Bereitschaft" des Militärs angesichts der Eskalation der vergangenen Tage. "Wir werden wissen, wie wir überall im Libanon, überall in Gaza, überall im Nahen Osten, ober- oder unterirdisch, eine sehr schnelle Offensive durchführen können", betonte er. "Wir werden unseren Feinden, denen, die uns angreifen, denen, die in jeder Rede davon sprechen, wie sie den Staat Israel zerstören werden, eine sehr klare Botschaft senden."

Tag 306: 7. August 2024

Er gilt als Drahtzieher des beispiellosen Angriffs im Süden Israels vom 7. Oktober: Knapp eine Woche nach der Tötung von Hamas-Auslandschef Ismail Hanija hat die islamistische Terrorgruppe den Hamas-Führer im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, zum neuen Anführer der Organisation bestimmt. Das teilte die Hamas auf der Plattform Telegram mit. Er sei nun der Leiter des politischen Büros der Hamas, hiess es.

Der israelische Aussenminister Israel Katz bezeichnete Sinwar als "Erzterroristen". Seine Ernennung sei ein "weiterer zwingender Grund, ihn schnell zu beseitigen und diese abscheuliche Organisation vom Antlitz der Erde zu tilgen", schrieb Katz auf der Plattform X.

Sinwar steht ganz oben auf der israelischen Abschussliste. Er lebt an einem unbekannten Ort im Gazastreifen - es wird vermutet, dass er sich in den Tunnels der Organisation unter dem abgeriegelten Küstengebiet versteckt hält. Seit dem 7. Oktober ist kein öffentlicher Auftritt von ihm bekannt. Sein Vorgänger Hanija residierte in Katars Hauptstadt Doha und galt als Chefdiplomat der Hamas.

Hanija war in der vergangenen Woche in einem Gästehaus der iranischen Regierung in Teheran getötet worden, wo er sich zur Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian aufhielt. Der Iran und die Hamas machen Israel für den Anschlag verantwortlich und drohen mit Vergeltung.

Mit der Wahl eines Mannes zum neuen Hamas-Führer, der für Israel als Staatsfeind Nummer Eins gilt, dürften die Bemühungen um einen Waffenstillstand und eine Freilassung der Geiseln im Austausch für palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen wohl noch schwieriger werden.

Erste Reaktionen von Palästinensern im Gazastreifen fielen unterschiedlich aus. "Das bedeutet den Tod des politischen Prozesses und der Friedensgespräche", sagte ein Einwohner von Beit Hanun im Norden des Gazastreifens. "Ich weiss nicht, wie die Hamas es gewagt hat, dem grössten Extremisten in der Bewegung zu wählen." Ein Palästinenser im südlichen Chan Junis sah Sinwars Aufstieg dagegen als "logisches Ergebnis" an, nachdem Israel alle Vorschläge für eine Verhandlungslösung abgelehnt habe.

Sinwar sass mehr als zwei Jahrzehnte lang in israelischer Haft und lernte in der Zeit fliessend Hebräisch. Er kam 2011 im Rahmen eines Austauschs gegen die Freilassung eines israelischen Soldaten frei und war bereits im April 2012 Mitglied des politischen Büros der Hamas im Gazastreifen, wo er 2017 bei internen Wahlen an die Spitze rückte. Seit diesem Zeitpunkt erstarkte auch der militante Hamas-Flügel beträchtlich.

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag beantragte im Mai Haftbefehl gegen Sinwar, Hanija und Sinwars Stellvertreter Mohammed Deif. Er warf den Hamas-Führern unter anderem "Ausrottung" sowie Mord, Geiselnahme, Vergewaltigungen und Folter als Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.

Sinwar gehört zur Gründergeneration der Hamas. Er wurde 1962 im Flüchtlingslager von Chan Junis im Süden des Gazastreifens geboren. Seine Familie stammt aus der Gegend der Küstenstadt Aschkelon, heute auf israelischem Staatsgebiet.

Sinwars früherer Stellvertreter Deif, der Kommandeur der Al-Kassam-Brigaden und damit des militärischen Flügels der Hamas, war im Juli Ziel eines israelischen Raketenangriffs geworden. Israel hatte ihn in der vergangenen Woche für tot erklärt. Hanija wiederum war vergangene Woche bei einem Attentat in der iranischen Hauptstadt Teheran getötet worden.

Als sich die Hamas während des ersten Palästinenseraufstands, der Intifada, Ende der 1980er Jahre im Kampf gegen die israelische Besatzung formierte, war Sinwar auch am Aufbau des militärischen Hamas-Arms, der Kassam-Brigaden, beteiligt. In den Anfangsjahren der islamistischen Bewegung war Sinwar für den Kampf gegen mutmassliche Kollaborateure mit Israel in den eigenen Reihen zuständig. Dabei ging er so brutal vor, dass er als "Schlächter von Chan Junis" bekannt wurde.

Aktuell ist das israelische Militär in höchster Alarmbereitschaft. Das Land erwartet einen Vergeltungsschlag des Irans und seiner Verbündeten in der Region, darunter auch die schiitische Hisbollah-Miliz im Libanon. Teheran hatte nach dem Anschlag auf Hanija eine "harte Bestrafung" Israels angekündigt.

Israel kann mit der Unterstützung der USA und anderer Verbündeter rechnen, wenn es darum geht, Raketen, Marschflugkörper und Drohnen des Irans sowie seiner Stellvertretergruppen mit modernen Abwehrsystemen abzufangen.

Bei dem Terrorangriff der Hamas und anderer extremistischer Gruppen im Süden Israels am 7. Oktober 2023 wurden rund 1200 Menschen getötet und 250 weitere in den Gazastreifen entführt. Seither führt Israel im Gazastreifen Krieg gegen die Hamas. Den Kämpfen sind aber auch unzählige palästinensische Zivilisten zum Opfer gefallen. Israel steht deshalb weltweit in der Kritik.

 

Tag 305: 6. August 2024

Angesichts drohender Vergeltungsschläge des Irans und seiner Verbündeten gegen Israel bemüht sich die US-Regierung weiter um Deeskalation im Nahen Osten. Es sei ein "entscheidender Moment für die Region", sagte der Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller, in Washington. US-Aussenminister Antony Blinken habe mit seinem ägyptischen Amtskollegen Badr Abdelatty und mit Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani gesprochen - mit dem Ziel, Spannungen abzubauen.

"Eskalation ist in niemandes Interesse", betonte Miller. "Sie liegt nicht im Interesse eines einzelnen Landes. Sie liegt nicht im Interesse der Region und schon gar nicht im Interesse der Millionen Zivilisten." Seit dem 7. Oktober habe es verschiedene Momente gegeben, in denen die Gefahr einer Eskalation besonders akut gewesen sei. "Jetzt ist einer dieser Zeitpunkte."

Nach der Tötung des Hisbollah-Kommandeurs Fuad Schukr in der libanesischen Hauptstadt Beirut und des Hamas-Auslandschefs Ismail Hanija in der iranischen Hauptstadt Teheran in der vergangenen Woche ist die Sicherheitslage im Nahen Osten noch angespannter als ohnehin schon seit Beginn des Gaza-Kriegs. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah, die Hamas und der Iran haben Vergeltung angekündigt. Sie machen Israel für die Anschläge verantwortlich.

Während Israels Armee in höchster Alarmbereitschaft ist, verlegen die USA nach Angaben des Pentagons zusätzliche Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge in die Region. Abschreckung gehöre zur Förderung von Deeskalation, sagte Miller. Man bereite sich "natürlich" auf die Möglichkeit eines breiteren Konflikts vor und glaube gleichzeitig, dass eine Eskalation vermeidbar sei.

 

Tag 304: 5. August 2024

Das israelische Militär hat eigenen Angaben zufolge unter der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten einen drei Meter hohen Tunnel entdeckt. Dazu kam es in der Grenzstadt Rafah bei der Suche nach unterirdischen Passagen, wie die Streitkräfte mitteilten. Dabei seien Soldaten vor einigen Tagen auf jenen besonders gut ausgebauten Tunnel gestossen.

Die islamistische Hamas, die bis zum Kriegsbeginn am 7. Oktober 2023 den gesamten Gazastreifen kontrollierte, habe durch diese unterirdische Passage sogar Fahrzeuge schicken können, hiess es. Das Militär zerstöre diese Anlagen und treffe Vorkehrungen, dass sie nicht wieder neu angelegt werden könnten, erklärte die Armee. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Unterirdische Gänge, die aus dem Küstengebiet nach Ägypten führen, sollen es der Hamas ermöglicht haben, sich ausreichend mit Waffen, Munition und anderen Gütern zu versorgen. Nach fast zehn Monaten Krieg hat Israel es bislang nur vermocht, einen Bruchteil der Tunnel im Gazastreifen zu zerstören.

Über die Jahre hat die Hamas den gesamten Gazastreifen mit einem Tunnelnetz mit einer Gesamtlänge von hunderten Kilometern durchzogen. Es wird vermutet, dass sich darin auch der Chef der Hamas im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, versteckt.

Tag 303: 4. August 2024

Tausende Menschen haben in Tel Aviv, Jerusalem, Haifa und anderen israelischen Städten für ein Abkommen zur Freilassung der noch rund 100 Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas demonstriert. Redner auf verschiedenen Kundgebungen warfen dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vor, durch seine Blockadehaltung einen Deal zu verhindern.

Tausende Israelis marschierten vor die Residenz Netanjahus in Jerusalem. "Die Zeit für einen Deal ist gekommen, und die Zeit ist gekommen für (vorgezogene) Wahlen", rief der ehemalige Diplomat Eran Etzion in die Menge, wie die "Times of Israel" berichtete. Der Deal liege auf dem Tisch, Netanjahu würde ihn lediglich "aus politischen, persönlichen und strafrechtlichen Gründen" blockieren.

Am 7. Oktober 2023 hatten Terroristen der Hamas und anderer Gruppen aus dem Gazastreifen im Süden Israels rund 1200 Menschen ermordet und weitere 250 entführt. Mehr als 100 von ihnen kamen während einer kurzen Waffenruhe im November frei. Viele der noch im Gazastreifen gut 100 verbliebenen Geiseln dürften nicht mehr am Leben sein.

Netanjahu regiert seit Ende 2022 in einer Koalition mit ultrareligiösen und rechtsextremen Partnern. Diese sind strikt gegen Zugeständnisse an die Hamas. Seine Gegner werfen Netanjahu vor, sich an seine Koalitionspartner zu klammern, weil er bei Neuwahlen unterliegen könnte. Der Verlust des höchsten Regierungsamtes würde wiederum die strafrechtliche Verfolgung von Korruptionsfällen beschleunigen, in die Netanjahu verwickelt sein soll.

Von den USA, Ägypten und Katar vermittelte indirekte Gespräche über eine Freilassung der Geiseln und eine Waffenruhe im Gaza-Krieg treten seit Monaten auf der Stelle. Eine letzte Verhandlungsrunde in Kairo brachte am Samstag keine Fortschritte, wie israelische Medien berichteten.

 

Tag 301: 2. Aufust 2024

US-Präsident Joe Biden hat nach den Tötungen des politischen Anführers der islamistischen Hamas im Iran sowie des ranghöchsten Militärkommandeurs der Hisbollah im Libanon mit dem israelischenMinisterpräsidenten Benjamin Netanjahu telefoniert. Wie das Weisse Haus mitteilte, bekräftigte Biden den Beistand der USA für Israel im Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen, die Hisbollah im Libanon und die Huthi im Jemen, die allesamt vom Iran unterstützt werden. Es sei ausserdem um neue US-Militärhilfen für Israel gegangen, damit sich das Land gegen Raketen- und Drohnenangriffe verteidigen könne. Biden betonte demnach, wie wichtig Bemühungen um eine Deeskalation in der Region sind. An dem Telefonat nahm auch Vizepräsidentin Kamala Harris teil.

In den vergangenen Tagen hatten verschiedene Vertreter der US-Regierung wiederholt beschwichtigende Worte mit Blick auf die Spannungen in Nahost angeschlagen. So hiess es mehrfach, man glaube in Washington nicht, dass eine Eskalation unvermeidlich sei oder unmittelbar bevorstehe.

Zuvor hatte Israel nach eigenen Angaben einen Hisbollah-Kommandeur in einem Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut getötet. Wenige Stunden später wurde der Auslandschef der Hamas bei einem Angriff in der iranischen Hauptstadt Teheran getötet. Der Iran und die Hamas beschuldigten Israel und drohen mit Vergeltung. Die Regierung in Jerusalem hat sich dazu bislang nicht geäussert.

 

Tag 300: 1. August 2024

Irans oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei hat einem Bericht zufolge als Vergeltung für den Tod eines hochrangigen Führers der islamistischen Hamas den Befehl erteilt, Israel direkt anzugreifen. Das berichtet die "New York Times" unter Berufung auf drei über den Befehl informierte iranische Beamte, darunter zwei Mitglieder der iranischen Elitestreitmacht, den Revolutionsgarden.

Zu Zeitpunkt und Umfang eines möglichen iranischen Vergeltungsangriffs gab es in dem Bericht keine Angaben. Chamenei habe die Anordnung auf einer Dringlichkeitssitzung des Obersten Nationalen Sicherheitsrates des Irans am Mittwochmorgen erteilt. Eine Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.

Der Iran und die islamistische Hamas beschuldigen Israel, den Hamas-Auslandschef Ismail Hanija getötet zu haben. Hanija befand sich zu Besuch in der iranischen Hauptstadt Teheran, um der Vereidigung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian beizuwohnen. Israel, das sich mit der Hamas im Gazastreifen im Krieg befindet, hat die Tötung von Hanija weder bestätigt noch dementiert.

Chamenei hatte bereits öffentlich Vergeltung angekündigt. "Das kriminelle zionistische Regime (Israel) hat unseren Gast in unserem Haus ermordet", wurde Chamenei auf seiner Website zitiert. "Es wird eine harte Bestrafung geben.

Tötung Hanijas ist für Iran eine schwere Demütigung

Für den Iran ist der Angriff auf seinen Staatsgast eine schwere Demütigung und ein Affront gegen seinen Sicherheitsapparat. Peseschkian wurde am Dienstag vereidigt, Vertreter aus über 80 Staaten waren angereist.

Der Iran hatte Mitte April erstmals in der Geschichte der Islamischen Republik seinen erklärten Erzfeind Israel direkt angegriffen. Israels Armee berichtete von rund 300 Raketen, Drohnen und Marschflugkörpern, die fast alle abgefangen worden seien. Es entstand nur geringer Schaden. Der Iran stellte die im Voraus angekündigte Operation als Vergeltungsschlag für die Tötung hochrangiger Offiziere in Syrien dar. Am 1. April waren bei einem mutmasslich von Israel geführten Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände in Damaskus zwei Brigadegeneräle getötet worden.

 

 

Tag 299: 31. Juli Tag 2024

16:00

Bald zehn Monate wütet der Gaza-Krieg ohne Aussicht auf Entspannung - mit der Tötung einer der Schlüsselfiguren der islamistischen Hamas nimmt der Konflikt nun eine weitere dramatische Fortsetzung. Hamas-Auslandschef Ismail Hanija wurde nach Angaben der Terrororganisation bei einem Angriff Israels getötet, während er die iranische Hauptstadt Teheran besuchte.

Nur Stunden zuvor tötete Israels Armee nach eigenen Angaben auch den ranghöchsten Militärkommandeur der Hisbollah im Libanon, Fuad Schukr. Zwei der einflussreichsten Männer in deren Kampf gegen Israel sind demnach tot.

Die Hisbollah im Libanon und die palästinensische Hamas sind wichtige Verbündete, beide zudem unterstützt vom Iran. Sie zählen zu Teherans selbst ernannter "Achse des Widerstands" im Kampf gegen Israel. Deshalb steigt nach den Angriffen in Beirut und Teheran jetzt die Gefahr eines noch grösseren, regionalen Kriegs. Als Teil der "Achse" könnten sich daran auch die Milizen im Jemen, im Irak und in Syrien beteiligen. Ein koordinierter Angriff dieser Lager könnte auch Israels Raketenabwehr überwältigen.

Iran sieht Vergeltung als seine Pflicht

Der oberste Führer des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, kündigte umgehend Rache für Hanijas Tod an. Teheran betrachte die Vergeltung der Tat "als unsere Pflicht", wurde Chamenei auf seiner offiziellen Website zitiert. Zumal Hanija "geschätzter Gast in unserem Haus" gewesen sei.

Chamenei hatte sich noch am Dienstag mit Hanija getroffen, der für die Vereidigungszeremonie des neuen Präsidenten Massud Peseschkian angereist war. Der Hamas-Chef, gegen den der Chefankläger vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag einen Haftbefehl beantragt hatte, dürfte sich sehr beschützt gefühlt haben. Doch um 2.00 Uhr morgens Ortszeit (0.30 Uhr MESZ) wurde Hanija dann nach iranischen Angaben in einem angeblich "sicheren Haus" im Norden Teherans "von einem Gegenstand aus der Luft" tödlich getroffen. Die genauen Umstände seines Todes sind noch unklar.

Regionaler Krieg? Angriff auf Tel Aviv denkbar

Steigt der Iran nach dieser Provokation noch stärker und sichtbarer in einen regionalen Konflikt ein? Der tödliche Anschlag auf seinen Staatsgast ist auf jeden Fall eine schwere Demütigung. Der Vorfall kam jedoch für den Iran zu einem miserablen Zeitpunkt. Peseschkian wurde am Dienstag vereidigt, Vertreter aus über 80 Staaten waren angereist und Teheran wollte sich von seiner besten Seite zeigen. Doch es kam alles anders.

Ausserdem steckt der Iran in der schlimmsten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Peseschkian plant deswegen eigentlich auch bessere Beziehungen mit dem Westen. In dieser kritischen Phase einen militärischen Konflikt mit Israel zu beginnen, wäre für Peseschkian sowohl wirtschaftlich als auch politisch ein Desaster - und könnte zu einem finanziellen Kollaps im Land führen. Für Peseschkian sind es in jedem Fall bemerkenswerte erste Tage im Amt.

Für die Hisbollah wäre ihrerseits ein Angriff auf Tel Aviv denkbar. Ihr Chef Hassan Nasrallah hat dies mehrfach angedroht für den Fall einer Attacke, wie nun, auf Beirut. Zugleich hat die Hisbollah den Tod ihres Kommandeurs Fuad Schukr zunächst nicht bestätigt, wie auch Israel sich zunächst nicht zur Tötung Hanijas geäussert hat. Vielleicht wollen beide Seiten dem Gegner etwas Raum zum Manövrieren lassen.

Was bezweckt Israel?

Israel hatte dem Iran immer wieder vorgeworfen, es setze im Kampf gegen den jüdischen Staat nur seine Helfershelfer in der Region ein und müsse dabei selbst kaum einen Preis zahlen. Der israelischen Regierung unter Benjamin Netanjahu wird wiederum von Kritikern im eigenen Land immer wieder vorgehalten, sie reagiere vor allem auf Angriffe der "Achse des Widerstands" und übernehme kaum selbst die Initiative.

Die Attacken in Beirut und Teheran werden als Versuch Israels gesehen, stärker in die Offensive zu gehen und den Krieg in das Gebiet des Feindes zu verlegen. Israel versucht offenbar auch, seine Abschreckungsfähigkeit, die seit dem verheerenden Überraschungsangriff der Hamas auf das israelische Grenzgebiet am 7. Oktober vergangenen Jahres als massiv beschädigt galt, wieder herzustellen.

Hoffnung auf rasche Gaza-Waffenruhe rückt in die Ferne

Die tödlichen Schläge in Beirut und Teheran stellen umfangreiche geheimdienstliche und militärische Fähigkeiten Israels unter Beweis. Sie können als Botschaft an den Iran und seine Verbündeten gewertet werden, dass niemand gefeit ist. Israel hatte nach dem 7. Oktober angekündigt, es werde die gesamte Hamas-Führungsriege ausschalten. Sollte sich der Tod des Hamas-Führers Mohammed Deif bewahrheiten, wäre Jihia al-Sinwar das letzte lebende ranghohe Führungsmitglied der Hamas, die 2007 gewaltsam die alleinige Macht im Gazastreifen an sich gerissen hatte. Es wird vermutet, dass er sich seit Kriegsbeginn im Tunnelnetz unter dem Küstenstreifen versteckt hält.

Hamas-Chef Hanija galt als wichtige Kontaktperson bei den indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und eine Freilassung der mehr als 100 verbliebenen israelischen Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge. Ein Kommentator der Zeitung "Haaretz" schrieb, Hanijas Tod werde sich negativ auf die Gespräche auswirken, die ohnehin stockten, nachdem der Netanjahu seine Positionen verhärtet hatte.

Regionaler Krieg könnte die USA kurz vor Schicksalswahl hereinziehen

Ein regionaler Krieg könnte Israels wichtigsten Verbündeten, die USA, dazu zwingen, sich kurz vor der US-Wahl noch stärker in einen Waffengang mit ungewissem Ausgang einzumischen. Möglicherweise erhofft Israel sich in einem solchen Szenario eine deutliche Schwächung seiner Feinde in der ganzen Region mit Hilfe des starken Verbündeten. US-Aussenminister Antony Blinken betonte, die USA hätten mit dem Anschlag auf Hanija nichts zu tun und seien vorher auch nicht informiert worden.

Kurz vor den Vorfällen in Beirut und Teheran hatte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin die Frage eines Journalisten, ob Israel bei einem breiten Krieg mit der Hisbollah mit der Hilfe der Amerikaner rechnen könne, noch mit der Aussage beantwortet, im Angriffsfall stehe man dem Partner bei. "Wenn Israel angegriffen wird, ja, dann werden wir Israel helfen, sich zu verteidigen", sagte Austin. Man strebe aber nach einer diplomatischen Lösung.

Mit Luftangriffen im Jemen, Irak und Syrien bemühen sich die USA schon seit Monaten, neue Attacken auch auf ihre Stützpunkte zu verhindern, ohne ganz in einen neuen Krieg verwickelt zu werden. US-Präsident Joe Biden wirkt unterdessen schon halb aus dem Amt, die Konkurrenten um seine Nachfolge laufen sich noch im Wahlkampf warm.

Weil es keine klare Führung gibt, sei der Nahe Osten in einem gefährlichen Zwischenzustand gefangen, schrieb das Magazin "Foreign Affairs" im März über die Lage in der Region. "Niemand hat das Sagen." So schaukeln sich die Lager gegenseitig immer weiter hoch.

 

06:30

Der Auslandschef der islamistischen Hamas, Ismail Hanija, ist nach Angaben der Terrororganisation bei einem israelischen Angriff in der iranischen Hauptstadt Teheran getötet worden. Er sei infolge einer Attacke auf seine Residenz ums Leben gekommen, teilte die Hamas mit. Von israelischer Seite gab es dazu zunächst keine Mitteilung. Irans Revolutionsgarden bestätigten den Tod von Hanija. Er wäre der ranghöchste Hamas-Anführer, der seit Beginn des Gaza-Krieges vor rund zehn Monaten getötet wurde.

Die Nachricht von Hanijas Tötung folgte nur wenige Stunden nach einem israelischenLuftangriff auf einen Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut. Dabei wurde nach Angaben der israelischen Armee Fuad Schukr getötet, ein ranghoher Kommandeur der Schiitenmiliz Hisbollah. Die Hisbollah ist mit der Hamas in Gaza verbündet, beide sind wiederum Verbündete des Irans.

Seit dem Terrorüberfall der Hamas und anderer Gruppen auf Israel am 7. Oktober greift die Hisbollah aus Solidarität mit der Hamas Ziele im Norden Israels an. Ihre Angriffe will sie erst einstellen, wenn es in Gaza zu einem Waffenstillstand kommt. Nach Angaben der iranischen Revolutionsgarden (IRGC), Irans Elitestreitmacht, kam ausser Hanija auch einer seiner Leibwächter ums Leben. Hanija habe vor seinem Tod an der Zeremonie zur Vereidigung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian teilgenommen, teilte die Hamas mit.

Tod Hanijas folgt nach Israels Angriff auf Hisbollah-Kommandeur

Der als moderat geltende 69-jährige Peseschkian war im Parlament in Teheran vereidigt worden und nimmt somit offiziell die Amtsgeschäfte als neunter Präsident der Islamischen Republik auf. An der Vereidigungszeremonie nahmen nach iranischen Angaben hochrangige Vertreter aus 86 Ländern teil. Die meisten westlichen Länder hatten Peseschkian weder zum Wahlsieg gratuliert noch standen ihre Vertreter auf der Gästeliste des Parlaments.

Drei Tage nach einem tödlichen Raketenangriff auf den Golanhöhen hatte Israels Armee kurz zuvor nach eigenen Angaben in einem Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut einen der ranghöchsten Kommandeure der Schiitenmiliz Hisbollah getötet. Eine Bestätigung der Hisbollah für den Tod von Fuad Schukr gab es zunächst nicht. Der Schlag birgt die Gefahr einer weiteren Eskalation der Spannungen zwischen der Hisbollah und Israel.

Man ziehe es zwar vor, "Feindseligkeiten ohne einen grösseren Krieg zu lösen", Israels Militär sei aber "auf jedes Szenario vorbereitet", sagte Armeesprecher Daniel Hagari. "Wir glauben nicht, dass ein breiter Krieg unvermeidlich ist", sagte eine Sprecherin des Weissen Hauses. Kampfflugzeuge trafen Schukr nach Angaben der israelischen Armee in einer "gezielten, nachrichtendienstlich gestützten Eliminierung

 


01:00

Bei einem israelischen Angriff auf ein Haus in einem Vorort von Libanons Hauptstadt Beirut ist Angaben der Armee zufolge der hochrangige Kommandeur der Schiitenmiliz Hisbollah, Fuad Schukr, "ausgeschaltet" worden. Israelische Medien meldeten seinen Tod. Ein Sprecher des israelischen Militärs bestätigte, dass Schukr getötet worden sei. Eine Bestätigung der Hisbollah gibt es bislang nicht.

Israelische Kampfflugzeuge haben Schukr nach Armeeangaben in einer "gezielten, nachrichtendienstlich gestützten Eliminierung" ausgeschaltet. Zuvor meldete die Armee, einen Kommandeur der Schiitenmiliz Hisbollah im Süden Beiruts gezielt attackiert zu haben. Bei dem Angriff ist nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums mindestens drei Menschen ums Leben gekommen. 74 weitere Menschen wurden demnach verletzt.

Schukr habe als rechte Hand von Hibsollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah gedient und war dessen Berater für die Planung und Leitung von Kriegseinsätzen, hiess es von der Armee. Er habe zudem seit dem 7. Oktober die Angriffe der Hisbollah auf Israel koordiniert. Schukr sei ausserdem verantwortlich für den Raketenangriff auf die drusische Ortschaft Madschdal Schams auf den von Israel annektierten Golanhöhen mit zwölf Toten vor drei Tagen. Eine unabhängige Überprüfung dieser Angaben ist derzeit nicht möglich.

Nachdem am Samstag bei einem Raketenangriff in der drusischen Ortschaft Madschdal Schams auf den von Israel annektierten Golanhöhen mindestens zwölf Menschen getötet wurden, hatte die israelische Regierung einen Vergeltungsschlag angekündigt. Sie macht die Hisbollah für den Angriff verantwortlich. Die Schiitenmiliz wies die Schuld von sich. Sie habe mit dem Angriff nichts zu tun, erklärte sie mehrmals.

Schukr gilt als enger Berater von Hisbollah-Generalsekretär Nasrallah und zählt zu den höchsten Militärkommandeuren in der Bewegung. Er ist nach Angaben der US-Regierung Mitglied des höchsten militärischen Gremiums der Hisbollah. Seit 2017 wird er ausserdem von US-Behörden wegen Verstrickungen in einen Anschlag auf US-Truppen in Beirut 1983 gesucht. Für Informationen zu Schukr haben die US-Behörden eine Belohnung von fünf Millionen Dollar (4,6 Millionen Euro) ausgeschrieben.

Bereits seit Beginn des Gaza-Kriegs kommt es in der israelisch-libanesischen Grenzregion immer wieder zu Konfrontationen zwischen Israels Armee und militanten Gruppierungen wie der Hisbollah. Die Schiitenmiliz handelt nach eigenen Aussagen in Solidarität mit der Hamas: Ihre Angriffe will sie erst einstellen, wenn es auch in Gaza zu einem Waffenstillstand kommt. Sowohl in Israel als auch im Libanon kamen zahlreiche Zivilisten ums Leben. Zehntausende Anwohner verliessen auf beiden Seiten der Grenze ihre Heimatorte. Es ist die schwerste Eskalation seit dem zweiten Libanon-Krieg 2006.

 

298: 30. Juli 2024

Die Hamas im Gazastreifen hat den jüngsten Vorschlag Israels für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und die Freilassung von israelischen Geiseln in ihrer Gewalt abgelehnt. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sei durch seine neuen Forderungen von den bisherigen eigenen Positionen und denen der Vermittler abgewichen, teilte die Organisation auf ihrem Telegram-Kanal mit.

David Barnea, der Leiter des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, hatte am Sonntag im Auftrag Netanjahus Vertretern der Vermittlerstaaten USA, Katar und Ägypten den abgeänderten israelischen Vorschlag für die indirekten Gaza-Verhandlungen übermittelt. Die Hamas sei inzwischen von den Vermittlern über dessen Inhalte informiert worden, so die Erklärung. "Netanjahu ist erneut zu einer Strategie des Verschleppens, Verzögerns und Ausweichens vor einer Einigung zurückgekehrt", hiess es darin weiter.

Netanjahu bestritt, neue Bedingungen gestellt zu haben. "Israel hat den Entwurf (für ein Abkommen) weder verändert noch irgendwelche Bedingungen hinzugefügt", liess der Regierungschef über sein Büro mitteilen. Vielmehr sei es die Führung der Hamas, die eine Einigung verhindere.

Die Gespräche verlaufen seit Monaten sehr schleppend. Seit Mai kreisen sie um einen mehrstufigen Plan von US-Präsident Joe Biden, der am Ende eine dauerhafte Waffenruhe im Gaza-Krieg vorsieht. Ausserdem sollen die Geiseln in der Gewalt der Hamas gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen ausgetauscht werden.

Zuletzt hatte Netanjahu zusätzliche Bedingungen formuliert, die in den von Barnea übermittelten Vorschlag einflossen. Diese zielen darauf ab, dass Israel auch nach Inkrafttreten einer Waffenruhe die Kontrolle über gewisse strategischer Zonen im Gazastreifen behält. Netanjahus Büro hatte am Sonntagabend mitgeteilt, dass Barnea aus Rom zurückgekehrt sei und die Gespräche über die Hauptthemen in den kommenden Tagen fortgesetzt würden.

 

Tag 297: 29. Juli 2024

17:00

 

Die Hamas im Gazastreifen hat den jüngsten Vorschlag Israelsfür eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und die Freilassung von israelischen Geiseln in ihrer Gewalt abgelehnt. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sei durch seine neuen Forderungen von den bisherigen eigenen Positionen und denen der Vermittler abgewichen, teilte die Organisation auf ihrem Telegram-Kanal mit.

David Barnea, der Leiter des israelischenAuslandsgeheimdienstes Mossad, hatte am Sonntag im Auftrag Netanjahus Vertretern der Vermittlerstaaten USA, Katar und Ägypten den abgeänderten israelischen Vorschlag für die indirekten Gaza-Verhandlungen übermittelt. Die Hamas sei inzwischen von den Vermittlern über dessen Inhalte informiert worden, so die Erklärung. "Netanjahu ist erneut zu einer Strategie des Verschleppens, Verzögerns und Ausweichens vor einer Einigung zurückgekehrt", heisst es darin weiter.

Die Gespräche verlaufen seit Monaten sehr schleppend. Seit Mai kreisen sie um einen mehrstufigen Plan von US-Präsident Joe Biden, der am Ende eine dauerhafte Waffenruhe im Gaza-Krieg vorsieht. Ausserdem sollen die Geiseln in der Gewalt der Hamas gegen palästinensische Häftlinge in israelischenGefängnissen ausgetauscht werden.

Zuletzt hatte Netanjahu zusätzliche Bedingungen formuliert, die in den von Barnea übermittelten Vorschlag einflossen. Diese zielen darauf ab, dass Israel auch nach Inkrafttreten einer Waffenruhe die Kontrolle über gewisse strategischer Zonen im Gazastreifen behält. Netanjahus Büro hatte am Sonntagabend mitgeteilt, dass Barnea aus Rom zurückgekehrt sei und die Gespräche über die Hauptthemen in den kommenden Tagen fortgesetzt würden.

08:00

Der israelischeAussenminister Israel Katz hat den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nach dessen Drohung mit militärischer Einmischung gewarnt: "Erdogan tritt in die Fussstapfen von Saddam Hussein und droht mit einem Angriff auf Israel. Er soll sich nur daran erinnern, was dort geschah und wie es endete", schrieb Katz am späten Abend auf der Plattform X.

Im Jahr 2003 waren US-Truppen in den Irak einmarschiert. Der Militäreinsatz führte zum Sturz des damaligen irakischen Diktators Saddam Hussein. Drei Jahre später wurde Hussein wegen Massakern an Kurden und Schiiten hingerichtet.

Erdogan hatte auf einer Veranstaltung seiner Regierungspartei AKP in Rize am Schwarzen Meer mit Blick auf Israel gesagt: "So wie wir in Berg-Karabach reingegangen sind, so wie wir in Libyen reingegangen sind, werden wir mit ihnen dasselbe tun". Er bezog sich dabei auf den Berg-Karabach-Konflikt, in dem Erdogan die Konfliktpartei Aserbaidschan unter anderem mit Drohnen unterstützte. Im Bürgerkriegsland Libyen unterstützt Ankara die international anerkannte Regierung mit militärischer Ausstattung und Personal.

Seit Beginn des Gaza-Krieges haben sich die Beziehungen zwischen Israel und der Türkei drastisch verschlechtert. Erdogan bezeichnete die islamistische Hamas als eine "Befreiungsorganisation" und verglich IsraelsMinisterpräsidenten Benjamin Netanjahu mit Adolf Hitler. Mitte Juli hatte Erdogan erklärt, sein Land wolle Kooperationen zwischen der Nato und dem Partner Israel künftig nicht mehr zustimmen, bis in den palästinensischen Gebieten ein nachhaltiger Frieden geschaffen werde.

 

Tag 296: 28. Tag 2024

Der Chef des israelischenAuslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, hält sich zu indirekten Gesprächen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg in Rom auf. Er sei in der italienischen Hauptstadt mit dem CIA-Chef William Burns sowie Katars Ministerpräsidenten Mohammed bin Abdulrahman Al Thani und dem ägyptischen Geheimdienstminister Abbas Kamel zusammengetroffen, bestätigte eine israelischeRepräsentantin.

Die indirekten Gespräche zwischen Israel und der islamistischen Hamas, bei denen die USA, Katar und Ägypten vermitteln, verlaufen seit Monaten sehr schleppend. Seit Mai kreisen sie um einen mehrstufigen Plan von US-Präsident Joe Biden, der am Ende eine dauerhafte Waffenruhe im Gaza-Krieg vorsieht. Ausserdem sollen die Geiseln in der Gewalt der Hamas gegen palästinensische Häftlinge in israelischenGefängnissen ausgetauscht werden.

Die erste Phase von Bidens Plan sieht eine Waffenruhe von rund sechs Wochen vor. In diesem Zeitraum würde eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen. Die Hamas hat nach israelischer Zählung 115 von ihnen in ihrer Gewalt, von denen aber viele nicht mehr am Leben sein dürften.

Im Gegenzug würden Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. In der nächsten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen. In einer letzten Phase soll dem Entwurf zufolge der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen. Zuletzt hatte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zusätzliche Bedingungen formuliert, die für die Hamas inakzeptabel sein dürften.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit 1.200 Toten, das die Islamisten der Hamas zusammen mit anderen Gruppen aus dem Gazastreifen am 7. Oktober des Vorjahres im Süden Israels begangen hatten.

Tag 295: 27. Juli 2024

Israel geht einem Medienbericht zufolge mit einem abgeänderten Vorschlag in die am Sonntag in Rom geplanten indirekten Geisel-Verhandlungen. Der Vorschlag sei bereits im Vorfeld den amerikanischen Vermittlern übermittelt worden, schrieb der gut vernetzte israelische Journalist Barak Ravid im Portal "walla.co.il". Dabei stützte er sich auf drei Gewährspersonen, die in die Vorgänge eingeweiht sein sollen.

Die indirekten Gespräche zwischen Israel und der islamistischen Hamas, bei denen die USA, Katar und Ägypten vermitteln, verlaufen seit Monaten sehr schleppend. Seit Mai kreisen sie um einen mehrstufigen Plan von US-Präsident Joe Biden, der am Ende eine dauerhafte Waffenruhe im Gaza-Krieg vorsieht. Ausserdem sollen die Geiseln in der Gewalt der Hamas gegen palästinensische Häftlinge in israelischenGefängnissen ausgetauscht werden.

Vorschlag soll Zusatzforderungen enthalten

Der aktualisierte Vorschlag, mit dem Israel in die nächste Gesprächsrunde in Rom gehen will, soll - wie Ravid weiter schreibt - Zusatzforderungen enthalten, die Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zuletzt erhoben hatte. Diese laufen darauf hinaus, dass Israels Militär für eine unbestimmte Zeit strategisch wichtige Positionen im Gazastreifen besetzen kann.

Netanjahu nannte in diesem Zusammenhang einen Korridor, der den Gazastreifen in der Mitte teilt und dessen Besetzung die Kontrolle der Bewegung von Personen und Waren durch das abgeriegelte Küstengebiet erlauben würde, sowie das Grenzgebiet zu Ägypten im Süden.

Hochrangige Beamte der israelischenVerhandlungsdelegation und des Sicherheitsapparates würden davon ausgehen, so Ravid, dass die Hamas diese Bedingungen nicht akzeptieren werde. In der Folge würde dies zu einer Krise der Verhandlungen führen. Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten.

 

Tag 294: 26. Juli 2024

Die derzeit stockenden Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und die Freilassung israelischer Geiseln sollen einem Medienbericht zufolge am Sonntag in Rom weitergehen. CIA-Direktor William Burns werde sich dort mit israelischen, katarischen und ägyptischen Verhandlern treffen, schrieb der gut vernetzte israelische Journalist Barak Ravid im US-Portal "Axios" unter Berufung auf israelische und amerikanische Regierungsbeamte. Die USA, Katar und Ägypten vermitteln bei den indirekten Gesprächen zwischen Israel und der islamistischen Hamas.

Diese laufen seit Monaten, bislang ohne greifbare Ergebnisse. Im Mittelpunkt steht ein Plan von US-Präsident Joe Biden aus dem Mai, der eine mehrstufige Lösung vorsieht. Sie soll zum Austausch von Geiseln in der Gewalt der Hamas gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen, zu einem Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen und einer dauerhaften Waffenruhe im Gaza-Krieg führen.

Zuletzt erhob Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zusätzliche Forderungen, die auf eine längere Präsenz israelischer Truppen an strategischen Stellen des abgeriegelten Küstengebiets abzielen. Die Hamas lehnt dies ab. Nach Ansicht der Vermittler, aber auch israelischer Verhandlungsteilnehmer, stellen Netanjahus Zusatzforderungen ein schwer überwindbares Hindernis für eine Einigung dar.

USA drängen weiter auf rasches Abkommen

Eine solche läge ansonsten in Reichweite, betonen vor allem die US-Vermittler. Netanjahu hatte am Donnerstag in Washington US-Präsident Joe Biden getroffen. Dieser hatte seinen Gast zu einem raschen Gaza-Abkommen gedrängt. Aber selbst nach der dreistündigen Unterredung im Weissen Haus sei für Biden und seine Berater unklar geblieben, ob Netanjahu überhaupt ein Abkommen wolle, schrieb Ravid auf "Axios" - oder ob Netanjahu ein solches hinauszögere, um das Platzen seiner Regierungskoalition mit rechtsextremen Parteien zu vermeiden.

Bei den Gesprächen in Rom sollte die israelischeDelegation ihre Verhandlungsposition darlegen - vor allem Katar fungiert als Übermittler der israelischen Standpunkte an die Hamas. Die israelischen Verhandler würden allerdings auf keinen Durchbruch hoffen, so Ravid. Sie würden bezweifeln, dass Netanjahu trotz des Drucks von Biden seine Zusatzforderungen abschwächen werde.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten.

 

Tag 293: 25. Juli 2024

Die US-Regierung zeigt sich bei den Gesprächen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg erneut optimistisch und sieht die Verhandlungen in der "Schlussphase". "Es ist an der Zeit, sich zu einigen", sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter. Es gebe Fortschritte bei den Verhandlungen und man gehe davon aus, dass die Differenzen überwindbar seien.

"Es gibt einige Dinge, die wir von der israelischen Seite brauchen, keine Frage", sagte der US-Vertreter. Aber es gebe auch "einige wichtige Dinge", die nur in den Händen der islamistischen Hamas lägen, weil diese die Geiseln festhalte.

Die Vereinbarung, die auf dem Tisch liege, entspreche im Wesentlichen dem, was die Israelis gefordert hätten, so der Regierungsvertreter. "Und jetzt brauchen wir einige Dinge von der Hamas, damit wir vorankommen können." Er gehe davon aus, dass es in der kommenden Woche viel Bewegung geben werde, sagte er. "Es handelt sich nicht um unüberbrückbare Probleme."

In dem abgeriegelten Gazastreifen werden noch rund 120 Geiseln vermutet, viele von ihnen dürften aber nicht mehr am Leben sein. Bei den Gesprächen über ein Abkommen hatte die Hamas zuletzt mehr Flexibilität gezeigt. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu erhob jedoch neue Forderungen - etwa die nach einem längeren Verbleib israelischer Truppen an strategischen Stellen in Gaza. Deswegen gab es in den Gesprächen zuletzt kaum Bewegung.

Netanjahu ist aktuell in den USA zu Besuch. Am Donnerstag will er mit US-Präsident Joe Biden zusammentreffen, auch ein Treffen mit der US-Vize und demokratischen Präsidentschaftsbewerberin Kamala Harris ist geplant. In einer Rede vor dem US-Kongress hatte Netanjahu am Mittwoch jegliche Kritik am militärischen Vorgehen seines Landes im Gazastreifen zurückgewiesen.

 

Tag 291: 23. Juli 2o24

Bei einem neuerlichen Vorstoss der israelischen Streitkräfte im südlichen Gazastreifen hat es palästinensischen Berichten zufolge viele Tote gegeben.

Die Armee habe im Osten der Stadt Chan Junis angegriffen, sagten Augenzeugen. Mindestens 39 Palästinenser, unter ihnen Frauen und Kinder, seien ums Leben gekommen, weitere 80 hätten Verletzungen erlitten, teilten Krankenhausmitarbeiter in Chan Junis mit. Die Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen.

Die israelische Armee hatte zuvor die Bewohner im östlichen Teil der Stadt dazu aufgerufen, das Gebiet unverzüglich zu verlassen. Nachrichtendienstliche Erkenntnisse hätten ergeben, dass die islamistische Hamas von dort aus Raketenangriffe auf Israel durchführte.

Die Armee würde dagegen entschieden vorgehen, für Zivilisten würde es gefährlich werden, teilte sie auf ihrem Telegram-Kanal mit. Zu diesem Zwecke seien auch die Grenzen einer humanitären Zone für Zivilisten geändert worden, weil die Hamas aus dem betreffenden Gebiet heraus Israel angegriffen habe.

Augenzeugen zufolge machten sich Tausende Zivilisten auf die Flucht. Viele von ihnen waren bereits zuvor vor dem Krieg aus anderen Teilen des Gazastreifens hierher geflüchtet.

Das israelische Militär war in der Vergangenheit mehrfach und auch über längere Zeiträume hinweg in Chan Junis gegen Kampfeinheiten der Hamas aktiv gewesen, hatte sich aber danach jeweils wieder auf feste Positionen ausserhalb der Stadt zurückgezogen. Die Armee wirft der Hamas vor, dies ausgenutzt zu haben, um dort erneut einzusickern und dabei auch Teile der von Israel deklarierten humanitären Zone für ihre Aktivitäten zu nutzen.

 

Tag 290: 22. Juli 2024

Die Entscheidung traf Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach mehrstündigen Beratungen mit engsten Mitarbeitern in seinem Büro, hieß es in den Berichten. Sie erfolgte kurz vor seiner Abreise nach Washington, wo er am Dienstag US-Präsident Joe Biden treffen und am Mittwoch eine Rede im Kongress halten will.

Barnea, der Leiter des Auslandsgeheimdienstes Mossad, soll der katarischen Regierung die aktuelle Verhandlungsposition Israels erläutern. Diese steht in Kontakt mit der Hamas-Führung. Barnea hätte schon letzte Woche nach Doha aufbrechen sollen, seine Reise wurde jedoch verschoben. Bei den Gesprächen vermitteln neben Katar auch Ägypten und die USA.

Dabei geht es um den Austausch der verbliebenen Geiseln in der Gewalt der Hamas gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen sowie die Herbeiführung einer Waffenruhe im Gaza-Krieg. Zuletzt hatte die Hamas mehr Flexibilität gezeigt. Netanjahu erhob jedoch neue Forderungen - so etwa die nach einem längeren Verbleib israelischer Truppen an strategischen Stellen des Gazastreifens -, weswegen die Gespräche in letzter Zeit nicht vom Fleck kamen. Zunächst blieb unklar, ob der israelische Premier seinen Emissär mit einem großzügigeren Verhandlungsmandat ausstattete, um wieder Bewegung in den Prozess zu bringen.

 

Tag 289: 21. Juli 2024

In Israel haben Tausende von Menschen gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und für ein sofortiges Abkommen im Gaza-Krieg zur Freilassung der Geiseln demonstriert. Kurz vor dem Abflug von Netanjahu in die USA hielten Demonstranten in Jerusalem Transparente mit der Aufschrift hoch: "Kein Flug ohne Abkommen", wie die "Times of Israel" am Abend berichtete. Am Mittwoch will Netanjahu vor beiden Kammern des US-Kongresses eine Rede zu Israels Vorgehen im Gazastreifen halten.

Auf einer der wöchentlichen Kundgebungen in Jerusalem sagte einer der Teilnehmer, dessen eigener Enkel bei dem Terrorangriff am 7. Oktober nach Gaza verschleppt und laut der Zeitung kürzlich vom Militär für tot erklärt worden war: "Nur ein Ende des Krieges wird die Geiseln nach Hause bringen". Ein Ende des Krieges werde "auch ein Ende der Regierung bedeuten" fügte er hinzu. "So können Sie alle verstehen, warum dieser Krieg so lange andauert und warum es immer noch kein Geiselabkommen gibt", wurde der Mann weiter zitiert.

Seit Monaten laufen indirekte Gespräche zwischen Israel und der Hamas, bei denen Ägypten, Katar und die USA vermitteln. Sie kreisen um einen dreistufigen Plan, der den Austausch der noch rund 120 im Gazastreifen von der Hamas festgehaltenen Geiseln gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen sowie Wege hin zu einer dauerhaften Waffenruhe vorsieht. Teilnehmer der indirekten Gespräche hatten kürzlich noch vorsichtigen Optimismus gezeigt. Derzeit sind jedoch keine weiteren ranghohen Treffen angekündigt.

 

Tag 287: 19. Juli 2024

Ein Rechtsgutachten des obersten UN-Gerichts verursacht dem Staat Israel, der an mehreren Fronten in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt ist, zusätzliche Probleme mit unabsehbaren Folgen. Die Besatzung der palästinensischen Gebiete sei illegal und müsse so schnell wie möglich beendet werden, stellte der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag fest.

UN-Generalsekretär António Guterres wolle das Gutachten unverzüglich an die UN-Vollversammlung weiterleiten, die dann über das weitere Vorgehen entscheiden müsse, sagte einer seiner Sprecher in New York.

Israel hatte das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem im Sechstagekrieg von 1967 erobert und besetzt. Die Palästinenser beanspruchen diese Gebiete für einen eigenen Staat, der an der Seite Israels entstehen sollte und den die meisten Länder der Welt, so auch Deutschland, bis heute befürworten. 2005 hatte Israel Gaza wieder verlassen, aber kontrolliert weiter die Grenzen zu Land, Wasser und in der Luft.

Gutachten: Israel soll Besatzung so schnell wie möglich beenden

"Die anhaltende Anwesenheit des Staates Israel in den besetzten palästinensischen Gebieten ist unrechtmässig", sagte Gerichtspräsident Nawaf Salam. "Der Staat Israel steht in der Pflicht, seine unrechtmässige Anwesenheit in den besetzten palästinensischen Gebieten so schnell wie möglich zu beenden", heisst es in einer Zusammenfassung des rechtlich nicht bindenden Rechtsgutachtens, die das Gericht am Freitag veröffentlichte.

Weiterhin sei Israel verpflichtet, neue Siedleraktivitäten in den palästinensischen Gebieten unverzüglich zu stoppen und die rund 700.000 Siedler aus den Gebieten wegzubringen. Die Staaten der Welt dürften keine Handlungen unterstützen, die zur Aufrechterhaltung der "illegalen Anwesenheit" Israels in den besetzten Gebieten beitragen oder die Siedleraktivitäten unterstützen.

Netanjahu spricht von "Fehlentscheidung", Abbas von "Triumph der Justiz"

Israel reagierte empört auf das Gutachten: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schrieb auf X: "Das jüdische Volk ist kein Besatzer in seinem eigenen Land. Keine Fehlentscheidung in Den Haag wird die historische Wahrheit verfälschen, sowie die Rechtmässigkeit der israelischen Siedlungen auf dem gesamten Gebiet unserer Heimat nicht angefochten werden kann."

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas begrüsste dagegen das Gutachten. Dieses sei "ein Triumph der Justiz, eine Bestätigung dafür, dass die israelische Besatzung illegal ist". Abbas fordert die internationale Gemeinschaft dazu auf, "die Besatzungsmacht Israel dazu zu bringen, dass sie ihre Besatzung und ihr koloniales Projekt vollständig und unverzüglich beendet, ohne Bedingungen und Ausnahmen". Das teilte das Präsidentschaftsamt in Ramallah mit. Die islamistische Hamas im Gazastreifen lobte das Dokument, das "das faschistische System des Siedlungsbaus entlarvt" habe.

Faktische Annexion weiter Gebiete vollzogen

Das Gutachten verweist darauf, dass Israel durch den Siedlungsbau und diverse Verwaltungsakte eine faktische Annexion weiter Gebiete vollzogen habe. Es setzt sich auch mit den diskriminierenden und entwürdigenden Folgen der Besatzung für die palästinensische Bevölkerung auseinander. Gewalt der Siedler gegen palästinensische Bürger werde von Israelnicht verfolgt und nicht bestraft. Palästinenser würden gezwungen, von ihnen bewirtschaftetes Land zu verlassen. Zudem werde ihnen der Zugang zu Wasser verwehrt.

In den zahlreichen Einschränkungen der Bürgerrechte von Palästinensern in den besetzten Gebieten, in ihrer Ungleichbehandlung im Vergleich zu den jüdischen Siedlern, sieht das Dokument Verstösse gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie gegen die Internationale Konvention gegen Rassismus.

Gutachten könnte hohe Sprengkraft haben.

Obwohl es rechtlich nicht bindend ist, hat das Rechtsgutachten möglicherweise hohe Sprengkraft. Denn es wird erwartet, dass der internationale Druck auf Israel weiter steigt, die Angriffe im Gazastreifen zu beenden. Das Gutachten dürfte auch die propalästinensische Protestbewegung weltweit befeuern.

Die rechtlich nicht bindenden Gutachten des IGH würden als "äusserst gültige Darstellungen des internationalen Rechts, wie es ist, wahrgenommen", sagte der Rechtsprofessor Eliav Leiblich von der Universität Tel Aviv dem US-Fernsehsender CNN. Zivilorganisationen könnten etwa die Angelegenheit vor nationale Gerichte bringen und verlangen, dass diese den Export von Waffen untersagen, die in den besetzten Gebieten zum Einsatz gelangen könnten.

Drohnenangriff aus dem Nichts

Indes herrscht in Israel Bestürzung darüber, dass eine von den Huthi-Milizen im Jemen auf den Weg gebrachte Kampfdrohne unentdeckt die Küstenmetropole Tel Aviv erreichen konnte. Das sprengstoffbeladene Geschoss explodierte in der Nacht zum Freitag unweit des dicht bebauten Mittelmeerufers und tötete einen 50 Jahre alten Mann in seinem Quartier. Zehn weitere Menschen erlitten Verletzungen, wie Rettungsdienste mitteilten. Die Huthi-Miliz im Jemen bekannte sich zu dem Angriff.

Das Geschoss schlug unweit der Tel Aviver Dependance der US-Botschaft ein. Die US-Botschaft befindet sich seit 2018 in Jerusalem. Das israelische Militär geht davon aus, dass das Tel Aviver Botschaftsgebäude nicht gezielt angegriffen wurde, sondern dass die Drohne es eher zufällig überflog.

Armeesprecher Daniel Hagari sagte, dass es sich bei der fliegenden Waffe um eine Drohne des iranischen Typs Samad-3 gehandelt habe, die für lange Flugstrecken modifiziert wurde. Nach israelischer Einschätzung flog sie etwa 2000 Kilometer, überquerte vom Roten Meer kommend die ägyptische Halbinsel Sinai und schwenkte über dem Mittelmeer auf einen Kurs Richtung Tel Aviv ein.

Bewohner in der Stadt hörten kurz nach 3.00 Uhr morgens (Ortszeit) einen lauten Knall und wenig später die Sirenen der Rettungsfahrzeuge. Der sonst übliche Luftalarm war ausgeblieben. Die Armee sprach von menschlichem Versagen. Der Botschafter Israels bei den Vereinten Nationen, Gilad Erdan, rief Medienberichten zufolge den UN-Sicherheitsrat dazu auf, den Huthi-Angriff zu verurteilen und Massnahmen zu ergreifen, bevor es zu einer weiteren Eskalation der Lage in der Region kommen könne.

Die vom Iran unterstützten und bewaffneten Huthi greifen seit Ausbruch des Gaza-Kriegs im vergangenen Oktober immer wieder die Seefahrt im Roten Meer an. Auch schossen sie gelegentlich Raketen auf den Süden Israels ab, die aber bislang stets abgefangen wurden oder über freiem Gelände niedergingen.

Schlagabtausch im Norden

Die Schiiten-Miliz Hisbollah verstärkte ihren Beschuss von Gebieten im Norden Israels. Das Militär habe 65 Geschosse identifiziert, die aus dem Libanon kommend in israelisches Territorium eindrangen, teilte die Armee auf ihrem Telegram-Kanal mit. Ein Teil der Geschosse wurde von der israelischen Luftabwehr abgefangen, der Rest schlug in unbewohntem Gelände ein. Personen seien demnach nicht verletzt oder getötet worden. Die Armee habe im Gegenzug die Abschussrampen und Waffenlager der Hisbollah im Südlibanon angegriffen.

Die Hisbollah bestätigte ihre Angriffe und bezeichnete sie als Vergeltung für israelische Bombardements am Vortag, bei denen in der östlichen Bekaa-Ebene sowie im Südlibanon zwei ranghohe Kämpfer getötet worden waren - ein Hisbollah-Mann und ein im Libanon tätiger Kader der palästinensischen Hamas, die mit der Hisbollah verbündet ist.

Israel und die libanesische Hisbollah-Miliz liefern sich seit dem Beginn des Gaza-Kriegs nahezu täglich Gefechte. Auf beiden Seiten gab es Tote. Die vom Iran unterstützte Hisbollah handelt nach eigenen Aussagen aus Solidarität mit der Hamas, die auch im Libanon aktiv ist. Seit langem wird befürchtet, dass sich der Konflikt regional ausweiten könnte.

 

Tag 286: 18. Juli 2024

Die USA stellen den Betrieb eines provisorischen Hafens vor der Küste des Gazastreifen endgültig ein. Die Mission sei beendet, teilte das zuständige Regionalkommando des US-Militärs mit. Über den Hafen von Ashdod in Israel sei eine alternative Route für die Lieferung von Hilfsgütern in den abgeriegelten Küstenstreifen geplant. Details dazu waren aber zunächst nicht bekannt.

Der Pier war von Beginn an als vorübergehende Lösung gedacht gewesen. Seit der Inbetriebnahme im Mai hatte es aber immer wieder Probleme gegeben. Rauer Seegang hatte den zu dem Provisorium gehörenden Pier an der Küste des Gazastreifens schwer beschädigt. Auch die Verteilung der Hilfsgüter für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen gestaltete sich als mehr als schwierig.

Der Vertreter des US-Regionalkommandos Centcom bemühte sich, das Projekt dennoch als Erfolg darzustellen. Nach Einschätzung des US-Militärs habe der Pier die beabsichtigte Wirkung erzielt, "nämlich eine sehr grosse Menge an Hilfsgütern in den Gazastreifen zu bringen und sicherzustellen, dass die Hilfe die Zivilbevölkerung im Gazastreifen schnell erreicht".

Durch den Krieg Israels gegen die islamistische Hamas herrscht im Gazastreifen seit Monaten grosse humanitäre Not. Erstmals waren am 17. Mai Lastwagen mit Hilfsgütern über das Provisorium in den Gazastreifen gelangt. Die Kosten für den Hafen werden vom Pentagon auf rund 300 Millionen US-Dollar (276 Millionen Euro) beziffert.

Die Erwartungen an das Projekt waren gross: Das Pentagon war ursprünglich davon ausgegangen, dass über den Hafen zunächst etwa 90 Lkw-Ladungen pro Tag in den Gazastreifen gelangen könnten. Zu einem späteren Zeitpunkt sollten es bis zu 150 Lkw-Ladungen täglich sein.

Frachter brachten Hilfslieferungen von Zypern aus zunächst zu einer schwimmenden Plattform einige Kilometer vor der Küste des Gazastreifens. Die Güter wurden dort auf kleinere Schiffe verladen, die näher an die Küste heranfahren konnten. Diese legten schliesslich an dem an der Küste befestigten Pier an, von wo aus die Lieferungen von Hilfsorganisationen entgegengenommen und verteilt werden sollten.

Hilfsorganisationen hatten die Errichtung der Anlage begrüsst, aber darauf verwiesen, dass Transporte auf dem Landweg viel effizienter seien. Die US-Regierung betonte, dass der Korridor über das Mittelmeer die Hilfslieferungen über den Landweg und aus der Luft nicht ersetze, sondern lediglich ergänzen sollte.

 

Tag 285: 17. Juli 2024

Israels Armee hat eigenen Angaben zufolge die Hälfte der Führungsriege des militärischen Flügels der Hamas getötet. Insgesamt hätten die Truppen seit Kriegsbeginn vor mehr als neun Monaten "etwa 14.000 Terroristen eliminiert und festgenommen", hiess es in einer Erklärung des Militärs. Ob es sich dabei ausschliesslich um Mitglieder der Hamas oder aber auch um Mitglieder anderer Terrorgruppen handelte, teilte die Armee nicht mit. Vor Kriegsbeginn soll es nach Schätzungen des israelischen Militärs rund 30.000 Hamas-Kämpfer gegeben haben.

Bislang griff das Militär in dem Konflikt den Angaben nach rund 37.000 Ziele im Gazastreifen aus der Luft an. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Israel steht wegen der vielen Opfer unter der palästinensischen Bevölkerung und der immensen Schäden in dem Küstenstreifen international in der Kritik. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden seit Kriegsbeginn mindestens 38.713 Menschen getötet. Auch diese Angaben, die nicht zwischen Zivilisten und Kombattanten unterscheiden, lassen sich derzeit nicht unabhängig verifizieren.

Am Wochenende hatte Israels Armee den Anführer des militärischen Arms der Hamas, den sogenannten Kassam-Brigaden, angegriffen. Ob Mohammed Deif dabei verletzt oder getötet wurde, ist bislang unklar. Die Truppen würden auch weiterhin die Männer der Hamas-Spitze verfolgen, so das Militär.

 

Tag 284: 16. Juli 2024

Spitzenbeamte der USA und Israels trafen sich gestern im Weissen Haus zu einem Treffen, bei dem es um die Bekämpfung der vom Iran ausgehenden Bedrohung ging, wie die USA mitteilten.
Es handelte sich um das letzte Treffen der US-Israel Strategic Consultative Group. Das Treffen sollte bereits im vergangenen Monat stattfinden, wurde jedoch von den USA verschoben, nachdem Premierminister Benjamin Netanjahu die Regierung Biden öffentlich beschuldigt hatte, Israel Waffen vorzuenthalten. Das US-Team wurde von dem nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan und dem US-Außenminister Antony Blinken geleitet, das israelische Team von dem nationalen Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi und dem Minister für strategische Angelegenheiten Ron Dermer. Hinzu kamen hochrangige Vertreter der jeweiligen Außen-, Verteidigungs- und Nachrichtendienste. Hanegbi und Dermer hatten heute auch ein kleineres Treffen nur mit Blinken abgehalten. Während der Strategischen Konsultativgruppe "bekräftigte Sullivan das eiserne Engagement von Präsident [Joe] Biden für die Sicherheit Israels, auch angesichts der anhaltenden und rücksichtslosen Angriffe der libanesischen Hisbollah auf Israel. Er betonte, dass Israel jedes Recht habe, sich gegen diese Angriffe zu verteidigen, und bekräftigte die Unterstützung der USA für eine diplomatische Lösung, die es israelischen und libanesischen Familien ermöglicht, sicher in ihre Häuser zurückzukehren", heißt es in der Mitteilung des Weißen Hauses.
"Sie erörterten auch die Entwicklungen in Bezug auf das iranische Atomprogramm und besprachen die gegenseitige Koordinierung einer Reihe von Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass der Iran niemals in den Besitz einer Atomwaffe gelangen kann", heißt es in der Mitteilung weiter. Beide Seiten erörterten die laufenden Bemühungen um einen Waffenstillstand und eine Vereinbarung über die Freilassung von Geiseln, wobei die israelische Seite ihre Unterstützung für den von Biden im Mai unterbreiteten Vorschlag bekräftigte.
Netanjahu sagte am Samstag, er sei keinen Millimeter" von dem von Biden unterstützten israelischen Vorschlag abgerückt. Allerdings listete er eine Reihe neuer Forderungen auf, die weiter zu gehen schienen als der Text des Vorschlags. 

 

 

Tag 283: 15. Juli 2024

Israels Armee bemüht sich nach ihrem Luftangriff auf den Militärchef der islamistischen Hamas fieberhaft um Klärung seines Schicksals. Der israelischeGeneralstabschef Herzi Halevi warf der Hamas vor, dies verhindern zu wollen: "Es ist noch zu früh, um auf die Ergebnisse des Schlags zu schliessen, die die Hamas zu verbergen versucht". Die Armee hatte Mohammed Deif am Samstag bei Chan Junis im Süden Gazas angegriffen. Dutzende Menschen wurden dabei getötet. Ob Deif unter den Toten ist, ist noch unklar.

Es sei "sehr schwer zu glauben", dass jemand den Luftangriff überlebt habe, zitierte das "Wall Street Journal" Yossi Kuperwasser, ehemaliger Leiter der Forschungsabteilung des israelischenMilitärgeheimdienstes. Es könne aber noch Tage oder Wochen dauern, bis Israel genügend Informationen habe, um sicher sagen zu können, was mit Deif geschehen ist. Israels Armee hatte im März die Tötung von Deifs Stellvertreter Marwan Issa erst zwei Wochen nach dem Angriff auf ihn bestätigt. Die Hamas hat Issas Tod dagegen nie bestätigt.

Sollte Deif tatsächlich nicht mehr am Leben sein, wäre er der ranghöchste Hamas-Anführer, der von Israel in dem seit mehr als neun Monaten andauernden Gaza-Krieg getötet wurde. Am Sonntag bestätigte das israelische Militär, dass bei dem Luftangriff der Kommandant der Chan-Junis-Brigade der Hamas, Rafa Salama, getötet wurde. Er galt als enger Mitarbeiter von Deif, der sich zum Zeitpunkt des Luftangriffs an seiner Seite befunden haben soll.

Unterdessen sind bei einem weiteren Luftangriff auf ein Schulgebäude im Flüchtlingsviertel Nuseirat im mittleren Abschnitt des abgeriegelten Gazastreifens nach palästinensischen Angaben etwa 15 Menschen getötet worden. Dutzende Menschen seien verletzt worden, gab die Hamas bekannt. IsraelsMilitär teilte zuvor mit, dass es mehrere Kämpfer der Hamas im Areal einer Schule des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA angegriffen habe. Sie habe den Terroristen als Versteck und Operationsbasis für Attacken auf Israels Truppen gedient.

Im Vorfeld des Angriffs habe die Armee zahlreiche Schritte unternommen, um das Risiko für Zivilisten zu minimieren, hiess es. Die Angaben beider Seiten liessen sich nicht unabhängig überprüfen. In Nuseirat hatte IsraelsArmee erst kürzlich nach eigenen Angaben mehrere in einem Schulgebäude verschanzte Terroristen aus der Luft angegriffen. Kurz zuvor waren bei einem Angriff auf eine ehemalige UNRWA-Schule, die seit Ausbruch des Gaza-Kriegs als Flüchtlingsunterkunft diente, nach Angaben der Hamas 16 Menschen ums Leben gekommen.

Israel: Hamas nutzt Schulen und Zivilisten als Schutzschild

Die israelische Armee wies einmal mehr darauf hin, dass die Terrororganisation systematisch gegen internationale Gesetze verstosse, indem sie zivile Einrichtungen wie Schulen und die Bevölkerung als menschliche Schutzschilde für Terroranschläge gegen den Staat Israelmissbrauche. Auslöser des Krieges war das Massaker mit mehr als 1.200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober 2023 in Israel verübt hatten.

Ein Vertreter der Hamas in Beirut bestritt am Sonntag, dass ihr Militärchef in Gaza getötet worden sei. Deif wird oft das "Phantom" genannt. Der 58-Jährige soll mindestens sieben israelische Anschläge überlebt haben. Israeldürfte daher besonders sorgfältig vorgehen, um festzustellen, ob er diesmal getötet wurde, sagte Kuperwasser dem "Wall Street Journal". Ein Foto seiner Leiche wäre aussagekräftiger als Geheimdienstinformationen, sagte er.

Israels Armeechef: Wir haben ihn gefunden

Bis vor gut einem halben Jahr ging man in Israeldavon aus, dass Deif mehrere Gliedmassen verloren und eine Vielzahl körperlicher Behinderungen hat. Bis schliesslich Aufnahmen auftauchten, die Deif mit beiden Armen und beiden Beinen zeigten. Deif gilt als einer der von Israel meistgesuchten Terroristen. Er ist der Stellvertreter des Chefs der Hamas im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar. Israel verfolgt das Ziel, sie gefangenzunehmen oder zu töten.

"Mohammed Deif hatte Angst zu sterben, also versteckte er sich auf eine Weise, die sogar seine Fähigkeit zu befehlen beeinträchtigte", sagte Halevi und fügte hinzu: "Er versteckte sich und opferte mit ihm seine Leute und Zivilisten, die sich in der Gegend befanden". IsraelsArmeechef ist sich sicher: "Wir haben ihn gefunden, wir werden auch die Nächsten finden".

Palästinensischen Angaben zufolge wurden bei dem Luftangriff mindestens 90 Menschen getötet. Mindestens 300 weitere seien in der humanitären Zone Al-Mawasi verletzt worden, teilte die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde mit. Auch diese Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden. Nach Angaben eines israelischenArmeevertreters war das Ziel des Luftangriffs eine abgezäunte, bewachte Hamas-Basis, die in der von Israel so deklarierten humanitären Zone westlich von Chan Junis gelegen habe.

Hamas: Verhandlungen nicht abgebrochen

Ein Vertreter des politischen Flügels der Hamas dementierte Berichte, wonach die indirekten Verhandlungen mit Israel über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln abgebrochen werden. Es treffe nicht zu, dass die Hamas eine solche Entscheidung nach dem israelischenLuftangriff getroffen habe, hiess es. IsraelischenMedienberichten zufolge will der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, Daniel Barnea, in den kommenden Tagen zu einer weiteren Runde der Geisel-Gespräche in die katarische Hauptstadt Doha reisen.

Bei den seit Monaten laufenden indirekten Verhandlungen, bei denen Katar, Ägypten und die USA vermitteln, geht es um den Austausch der verbliebenen Geiseln in der Gewalt der Hamas gegen palästinensische Häftlinge in israelischenGefängnissen sowie eine Waffenruhe und die Lieferung humanitärer Hilfsgüter. Die indirekten Gespräche verlaufen schleppend. Israel lehnt bislang die Forderung der Hamas nach einer dauerhaften Waffenruhe in Gaza ab.

 

Tag 282: 14. Juli 2024

15:00
Israels Armee hat den Tod des Hamas-Brigadechefs Rafa Salama bestätigt. "Unter Nutzung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse hat die israelische Luftwaffe den Kommandanten der Chan-Junis-Brigade (der Hamas), Rafa Salama, in der Nähe von Chan Junis angegriffen und eliminiert", teilte die Armee mit.

Die Mitteilung machte keine Angaben darüber, ob auch der mächtige Militärchef der Hamas im Gazastreifen, Mohammed Deif, getötet wurde. Deif soll sich nach Angaben des Militärs an der Seite Salamas befunden haben, als die Luftwaffe am Samstag einen Hamas-Komplex bei Chan Junis bombardierte. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte zuletzt erklärt, es gebe noch keine absolute Gewissheit über das Schicksal Deifs.

Den getöteten Salama beschrieb die israelische Armee als einen der engsten Mitarbeiter Deifs. Seit 2016 habe er die Chan-Junis-Brigade befehligt, benannt nach der gleichnamigen Stadt im südlichen Gazastreifen. In dieser Eigenschaft sei er verantwortlich gewesen für die Raketenangriffe, die die Hamas in all den Jahren von Chan Junis aus auf Israel durchführte.

Seine Ausschaltung würde die militärischen Fähigkeiten der Hamas ernsthaft beeinträchtigen, so die Armee. Gegen Deif hatte das israelische Militär in den vergangenen Jahren mehrere Tötungsversuche unternommen, die dieser überlebte. Sowohl Deif als auch Salama gelten als Drahtzieher und Planer des Massakers vom 7. Oktober.

Tausende Extremisten der Hamas und anderer Organisationen hatten damals den Süden Israels überfallen. Dabei hatten sie mehr als 1200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Das Massaker war Auslöser des Gaza-Kriegs.

 

08:00
Nach einem israelischen Luftangriff im Süden des Gazastreifens mit Dutzenden Toten sind die Aussichten auf eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln der Hamas ungewiss. Alle Optionen seien offen, einschliesslich des Abbruchs der indirekten Verhandlungen, sagte der Vize-Vorsitzende der Islamistenorganisation, Chalil al-Hajja, dem arabischen Fernsehsender Al Dschasira. Ihr militärischer Anführer im Gazastreifen, Mohammed Deif, sei bei dem israelischenAngriff nicht getötet worden, erklärte die Hamas.

"Mohammed Deif geht es gut, und er befiehlt weiterhin den Widerstand gegen den israelischenFeind", sagte der Hamas-Funktionär Ali Barakeh der Deutschen Presse-Agentur in Beirut. IsraelsArmee zielte mit dem Angriff westlich der Stadt Chan Junis nach eigenen Angaben auf den Anführer des militärischen Hamas-Arms. Keine der Angaben liess sich zunächst unabhängig verifizieren. "Ich sage (Israels Regierungschef Benjamin) Netanjahu, dass Muhammad Al-Deif dich jetzt hört und deine Lügen verhöhnt", wurde al-Hajja zitiert.

Netanjahu: Noch keine Gewissheit

Man prüfe noch, ob Deif sowie Rafa Salama, der Kommandeur der Chan-Junis-Brigade der Hamas, bei dem Luftschlag ums Leben gekommen sind, erklärte Israels Armee. "Es besteht noch keine absolute Gewissheit", sagte Netanjahu vor der Presse in Tel Aviv. Die Hamas-Männer sollen "Drahtzieher des Massakers vom 7. Oktober" in Israel gewesen sein. Das Massaker vor mehr als neun Monaten war der Auslöser des Gaza-Krieges. Palästinensischen Angaben zufolge wurden bei Israels jüngstem Luftangriff mindestens 90 Menschen getötet.

Mindestens 300 weitere Menschen seien zudem in der humanitären Zone Al-Mawasi verletzt worden, teilte die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde mit. "Der Angriff wurde in einem eingezäunten Gebiet durchgeführt, das von der Hamas kontrolliert wird und in dem sich nach unseren Informationen nur Hamas-Terroristen und keine Zivilisten aufhielten", hiess es von Israels Armee. "Es war ein präziser Angriff." Es werde vermutet, dass die meisten Opfer ebenfalls Terroristen gewesen seien. Keine der Angaben liess sich unabhängig prüfen.

Netanjahu: Haben die gesamte Hamas-Führung im Visier

Ein Vertreter des Militärs räumte in einem Online-Briefing ein, dass das getroffene Objekt in der von Israel so deklarierten humanitären Zone westlich der Stadt Chan Junis im Süden Gazas gelegen habe. "Es war aber eine abgezäunte, bewachte Hamas-Basis, besetzt mit Terroristen", fügte der Armeevertreter hinzu. Das Militär sei sich auch sehr sicher, dass sich zum Zeitpunkt des Angriffs keine israelischen Geiseln dort befunden hätten. Israel werde die gesamte Hamas-Führung ausschalten, sagte Netanjahu auf einer Pressekonferenz.

Damit bezog sich Israels Regierungschef auch auf Jihija al-Sinwar, den Führer der Hamas in Gaza. Deif gilt als seine Nummer Zwei. Der Auslandschef der Hamas, Ismail Hanija, warf Netanjahu vor, mit "abscheulichen Massakern" einen Waffenstillstand in dem Krieg zu blockieren. Er forderte die Vermittlerstaaten bei den indirekten Verhandlungen - Ägypten, Katar und die USA - auf, Israels militärisches Vorgehen im Gazastreifen zu stoppen.

Alle Optionen seien offen, aber die Hamas werde "Netanjahu weder das geben, was er will, noch ihm die Möglichkeit geben, sie für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich zu machen", wurde al-Hajja vom arabischen Fernsehsender Al Dschasira weiter zitiert.

Was wird aus den Geiseln?

Der Chef des israelischenAuslandsgeheimdienstes Mossad, Daniel Barnea, wolle in den nächsten Tagen zu einer weiteren Gesprächsrunde in die katarische Hauptstadt Doha reisen, meldete der israelischeRundfunksender Kan. Die Planungen für die indirekten Verhandlungen scheinen durch den jüngsten Versuch Israels, den Hamas-Militärchef zu töten, vorerst nicht gekippt worden zu sein, schreibt die israelische Zeitung "Haaretz".

In Israel demonstrierten derweil erneut Tausende Menschen für ein Abkommen, um die noch rund 120 Geiseln in der Gewalt der Hamas nach Hause zu bringen. Die Teilnehmer der Kundgebungen in Tel Aviv und Jerusalem warfen Regierungschef Netanjahu vor, die indirekten Verhandlungen zur Erzielung einer solchen Vereinbarung zu sabotieren. "Wir fordern, dass Sie aufhören, das Abkommen zu sabotieren, wir fordern, dass Sie das Abkommen unterzeichnen", wurde die Mutter einer Geisel von israelischenMedien zitiert.

"Netanjahu macht die Geiseln fertig", stand auf einem riesigen Transparent, das Demonstranten in Tel Aviv vor sich hertrugen. Ein ehemaliger Entführter sagte: "Ich mag nach aussen okay wirken, aber der Schmerz belastet mich mehr, als irgendjemand sich vorstellen kann." Er sei noch einer der Glücklichen gewesen, der in einem Haus und nicht in einem Tunnel gefangen gehalten worden war. "Wenn also ich an brutalen Bedingungen und Misshandlungen gelitten habe, was ist dann mit den anderen 120 Geiseln?", sagte der Mann.

Israel reagiert auf Beschuss durch Hisbollah

Die israelische Luftwaffe attackierte unterdessen nach Beschuss durch die proiranische Hisbollah Stellungen der Miliz in Südlibanon. Wie die israelische Armee am Abend mitteilte, sei die Anlage bombardiert worden, von der aus zuvor Geschosse auf den Norden Israels abgefeuert worden seien. Zudem seien eine Reihe weiterer "terroristischer Infrastrukturen" der Hisbollah angegriffen worden, hiess es in einer kurzen Mitteilung. Nähere Details wurden darin nicht genannt. Die Angaben konnten unabhängig zunächst nicht überprüft werden.

Israel und die libanesische Schiitenmiliz liefern sich seit dem Beginn des Gaza-Kriegs nahezu täglich Gefechte. Zuletzt nahm deren Intensität deutlich zu. Auf beiden Seiten gab es Tote. Die Hisbollah-Miliz handelt nach eigenen Aussagen aus Solidarität mit der islamistischen Hamas in Gaza. Seit langem wird befürchtet, dass sich der Konflikt ausweiten könnte.

Angriff auch in Syrien

Wie Israels Armee am Abend weiter mitteilte, hätten sich zwei Drohnen von syrischem Gebiet aus Israel genähert. Sie seien abgefangen worden. Daraufhin habe die Luftwaffe in der Nacht eine Kommandozentrale sowie Terroranlagen, die von der Luftabwehreinheit des syrischen Militärs genutzt würden, angegriffen. Die Angaben liessen sich zunächst nicht überprüfen.

Nach Angaben der syrischen Armee wurde bei den israelischen Luftangriffen auf militärische Einrichtungen und ein Wohnhaus in Damaskus ein syrischer Soldat getötet und drei weitere verletzt, wie die syrische Nachrichtenseite Asharq Al-Awsat am Morgen berichtete. Auch diese Angaben konnten zunächst nicht unabhängig verifiziert werden.

Nach unbestätigten arabischen Berichten wurde der Anführer des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) in Syrien bei dem Angriff getötet. Israels Luftwaffe bombardiert immer wieder Ziele in dem Nachbarland. Der jüdische Staat will mit den Angriffen in Syrien verhindern, dass sein Erzfeind Iran und mit ihm verbündete Milizen ihren militärischen Einfluss in dem Land ausweiten. Der Iran ist einer der wichtigsten Verbündeten Syriens.


 

Tag 281: 13. Juli 2024

Der Anführer der islamistischen Hamas in Gaza, Mohammed Deif, ist nach Aussagen der Organisation bei dem israelischen Angriff im Gazastreifen nicht getötet worden. "Mohammed Deif geht es gut, und er befiehlt weiterhin den Widerstand gegen den israelischen Feind", sagte der Hamas-Funktionär Ali Barakeh der Deutschen Presse-Agentur in Beirut. Israels Armee hatte den Anführer des militärischen Arms der Hamas nach eigenen Angaben westlich von Chan Junis angegriffen. Dutzende Menschen wurden dabei getötet.

Die israelische Armee hatte zuvor mitgeteilt, dass sie noch prüfe, ob Deif sowie Rafa Salama, der Kommandeur der Chan-Junis-Brigade der Hamas, bei dem Luftschlag ums Leben gekommen seien. Die beiden Männer seien "Drahtzieher des Massakers vom 7. Oktober" auf israelischem Boden gewesen, hiess es. "Es besteht noch keine absolute Gewissheit", sagte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einer Pressekonferenz in Tel Aviv.

 

 

Tag 280:  12. Juli 2024

18:00

Israels Militär setzt eigenen Angaben zufolge seine Einsätze in mehreren Gebieten des Gazastreifens fort. So gebe es etwa Kämpfe in der Gegend der Stadt Rafah. "Die Truppen eliminierten zahlreiche Terroristen in Nahkämpfen und bei Luftangriffen", teilte die Armee mit. Im Zentrum des Küstengebiets hätten Einsatzkräfte "eine grosse Menge an Geldmitteln, genutzt für terroristische Aktivitäten" gefunden. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Palästinensischen Angaben zufolge hat sich die israelische Armee nach einem einwöchigen Einsatz aus den westlichen Vierteln Tal al-Hawa und Rimal der Stadt Gaza zurückgezogen. Ein Sprecher des von der Hamas kontrollierten Zivilschutzes sagte der Deutschen Presse-Agentur, seine Teams hätten dort 60 Leichen gefunden. Auch diese Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Israels Militär äusserte sich auf Anfrage zunächst nicht zu den Berichten.

Armee weiter in UNRWA-Zentrale im Einsatz

Laut Armee dauert der Einsatz in der Zentrale des Palästinenserhilfswerks UNRWA in der Stadt Gaza an. Auf dem Gelände hätten sich Soldaten Nahkämpfe mit Terroristen geliefert. Bei dem Einsatz wurden demnach auch Personen festgenommen, die versuchten zu fliehen.

Israelische Einsatzkräfte hätten zudem von der Hamas genutzte Räume zur Überwachung sowie zahlreiche Waffen gefunden. Laut Militär missbrauchen Mitglieder der Hamas und des Palästinensischen Islamischen Dschihads (PIJ) die UNRWA-Zentrale völkerrechtswidrig als Stützpunkte.

Unter dem Gelände verlaufe auch ein Tunnel der Hamas. Diesen hätten Einsatzkräfte bereits zuvor entdeckt. Auch diese Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. In der UNRWA-Zentrale gibt es aber seit Kriegsbeginn keinen regulären Betrieb der Helfer mehr.

Das Palästinenserhilfswerk schätzt, dass seit Beginn des Krieges mindestens 524 Vertriebene, die in Einrichtungen der Organisation Schutz gesucht hatten, getötet und mindestens 1606 weitere verletzt wurden. Die Armee versucht bei Angriffen auf die Gebäude nach eigenen Angaben, zivile Opfer zu vermeiden.

 

7:00

Die US-Regierung verhängt weitere Sanktionen gegen Personen und Einrichtungen, die mit der israelischen Besetzung im Westjordanland in Verbindung stehen. Nach Angaben des US-Aussenministeriums waren die Betroffenen unter anderem an Gewalt gegen palästinensische Zivilisten beteiligt, haben deren Land unrechtmässig "beschlagnahmt" und bedrohen "den Frieden, die Stabilität und die Sicherheit im Westjordanland".

Konkret richten sich die Massnahmen gegen drei Einzelpersonen, vier von extremistischen Siedlern errichtete Aussenposten im Westjordanland sowie die rechtsradikale jüdische Gruppe Lehava.

Zuvor hatten die USA bereits den Lehava-Gründer Ben-Zion Gopstein sanktioniert, der als enger Vertrauter des radikalen israelischen Sicherheitsministers Itamar Ben-Gvir gilt. Bei zwei der nun sanktionierten Personen handelt es sich laut US-Angaben um führende Köpfe der radikalen israelischen Gruppe Tzav 9. Mitgliedern der Vereinigung wird unter anderem vorgeworfen, Hilfslieferungen für die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu blockieren.

Als Folge der Sanktionen werden mögliche Vermögenswerte der Betroffenen in den USA blockiert. US-Bürgern oder Menschen, die sich in den Vereinigten Staaten befinden, sind Geschäfte mit den sanktionierten Organisationen und Personen untersagt. Banken, die mit ihnen Geschäfte machen, können ebenfalls Sanktionen drohen.

Israel hatte während des Sechs-Tage-Krieges 1967 unter anderem das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem erobert. Die Zahl der Siedler im Westjordanland, das zwischen dem israelischen Kernland und Jordanien liegt, ist inzwischen auf etwa eine halbe Million gestiegen. Einschliesslich Ost-Jerusalems sind es sogar 700'000.

2016 bezeichnete der UN-Sicherheitsrat diese Siedlungen als Verletzung des internationalen Rechts und forderte Israel auf, alle Siedlungsaktivitäten zu stoppen. Israels rechts-religiöse Führung treibt den Siedlungsausbau dennoch voran.

 

Tag 279: 11. Juli 2024

Angesichts des Evakuierungsaufrufs der israelischen Armee für die umkämpfte Stadt Gaza fordern die Vereinten Nationen den unbedingten Schutz der Zivilbevölkerung. "Diese Zivilpersonen müssen geschützt werden, und auf ihre wesentlichen Bedürfnisse muss eingegangen werden, egal, ob sie fliehen oder bleiben", teilte das UN-Nothilfebüro OCHA mit Sitz in Genf mit. Alle Parteien, die an den Gaza-Konflikt beteiligt seien, müssten jederzeit das humanitäre Völkerrecht respektieren, sagte der UN-Sprecher Stéphane Dujarric in New York. Das Ausmass der Kämpfe und der Zerstörung in den vergangenen Tagen während der andauernden Verhandlungen über eine Waffenruhe seien "wirklich schockierend".

Die Fluchtaufrufe sind in der Regel ein Anzeichen für bevorstehende neue israelischeMilitäreinsätze. Israelische Medien sowie Anwohner hatten berichtet, die Armee habe am Mittwoch Flugblätter in der Stadt Gaza verteilt und die Menschen darin zum Verlassen der betroffenen Gebiete aufgefordert. Nach Angaben von Anwohnern weigert sich ein Grossteil der Betroffenen, die Gebiete zu verlassen.

In der Stadt im Norden des Gazastreifens hatten die israelischen Truppen bereits zu Beginn des Kriegs gekämpft. Inzwischen versuchen die Kämpfer der islamistischen Hamas, sich dort und andernorts neu zu formieren. Die Stadt ist von den massiven Verwüstungen in dem Krieg am schwersten betroffen.

Auswirkung auf humanitäre Hilfe

OCHA warnte, dass sich solche "Evakuierungsanweisungen" immer wieder negativ auf die humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen auswirkten. Das Büro äusserte die Befürchtung, dass die Anweisung das "Massenleiden für palästinensische Familien, von denen viele schon oftmals vertrieben wurden, nur bestärken wird".

Die intensivierten Kampfhandlungen in Gaza-Stadt hätten zur "grössten Evakuierung seit Oktober" geführt, teilte das Welternährungsprogramm (WFP) auf X mit. Die von der UN-Organisation unterstützten Küchen seien oftmals die einzige Quelle für Nahrungsmittel für Familien. Die unberechenbare Situation in dem Gebiet schränke jedoch die Hilfe ein.

Allgemeine Lage

Laut Dujarric informierte der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe in den palästinensischen Gebieten, Muhannad Hadi, UN-Generalsekretär António Guterres am Mittwoch über die Lage im Gazastreifen. Hadi war zuvor zu einem erneuten Besuch in dem Kriegsgebiet gewesen. Er habe "aus erster Hand die Folgen des Zusammenbruchs der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gesehen, als er Gaza über den Grenzübergang Kerem Schalom betreten und verlassen" habe, wurde Hadi zitiert.

Er habe Gruppen von Männern gesehen, die auf Lastwagen gewartet hätten, die über Kerem Schalom im Süden in das Küstengebiet fahren wollten. Sämtliche Lastwagen seien schwer beschädigt gewesen, "mit eingeschlagenen Windschutzscheiben, Spiegeln und Motorhauben". Säcke mit angereichertem Mehl vom WFP und dem Palästinenserhilfswerk UNRWA lägen verstreut am Strassenrand. Hadi habe auch gesehen, dass die Stadt Chan Junis grösstenteils zerstört sei.

Im gesamten Gazastreifen mussten Hunderttausende Menschen wegen der Kämpfe zwischen dem israelischen Militär und der islamistischen Hamas ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Auslöser des Gaza-Krieges war das beispiellose Massaker mit mehr als 1.200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober 2023 in Israel verübt hatten. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden seit Kriegsbeginn mehr als 38.000 Menschen in Gaza getötet. Die Zahl, die nicht zwischen Zivilisten und Kombattanten unterscheidet, lässt sich derzeit nicht unabhängig verifizieren.

Kämpfe in Gaza-Stadt überschatten Verhandlungen

Das Wiederaufflammen heftiger Gefechte im Norden des Gazastreifens überschattet auch die indirekt geführten Verhandlungen über eine Waffenruhe. Dabei geht es auch um eine Freilassung der Geiseln in der Gewalt der Hamas im Tausch gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen. Die jüngste Gesprächsrunde in der katarischen Hauptstadt Doha gilt als entscheidend, um abzustecken, ob ein Abkommen zwischen der Hamas und Israelabgeschlossen werden kann. Nach wochenlangem Stillstand hatte es zuletzt Anzeichen für Fortschritte in den schwierigen Verhandlungen gegeben.

Die Hamas hatte bislang ein Ende des Kriegs als Voraussetzung für einen Geisel-Deal verlangt. Doch ist die israelische Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dazu nicht bereit. Die USA, Ägypten und Katar vermitteln zwischen den Kriegsparteien.

USA wollen wieder schwere Bomben an Israelliefern

Die USA wollen nach Berichten des "Wall Street Journals" bald wieder 500-Pfund-Bomben an Israel liefern, die die Regierung von Präsident Joe Biden vor einigen Wochen ausgesetzt hatte. Die Bomben könnten in den kommenden Wochen nach Israel transportiert werden, hiess es unter Berufung auf US-Regierungsbeamte. "Schwerere 2.000-Pfund-Bomben, die als Teil der gleichen Lieferung gedacht waren, werden weiter zurückgehalten."

Die USA hatten die Lieferung schwerer Bomben gestoppt, um Israels Militär dazu zu bringen, bei der Offensive in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens die Zivilbevölkerung zu schonen. Ende Juni hatte der israelischeVerteidigungsminister nach Gesprächen in Washington erklärt, die Hindernisse für den Munitionsnachschub seien behoben worden

 

Tag 278: 10. Juli 2024

Nach einem tödlichen Raketenangriff auf die nördlichen Golanhöhen hat die israelische Luftwaffe Stellungen der Hisbollah-Miliz in Südlibanon beschossen. Wie die israelische Armee am Abend mitteilte, sei das Gebiet getroffen worden, von wo die Raketen abgefeuert worden sein sollen. Bei dem Angriff der Hisbollah auf die Golanhöhen waren israelischen Polizeiangaben zufolge zwei Menschen getötet worden. Bei den Opfern handle sich um Zivilisten, berichteten Medien. In Reaktion auf die Attacke mit rund 40 Geschossen habe Israels Luftwaffe auch militärische Strukturen der Schiitenmiliz angegriffen, hiess es.

Die Hisbollah hatte den Angriff am Dienstagabend für sich reklamiert. Man habe als Antwort auf eine israelische Attacke Dutzende Raketen vom Typ Katjuscha auf eine israelischeMilitärbasis in den Golanhöhen abgefeuert, hiess es. Wenige Stunden zuvor hatte ein mutmasslich israelischer Drohnenangriff auf ein Auto in Syrien nahe der Grenze zum Libanon einen früheren Leibwächter des Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah getötet. Nasrallah sagte per Video zugeschaltet in einer religiösen Zeremonie am Abend, der Widerstand werde fortgesetzt.

Israel und die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah liefern sich seit Beginn des Gaza-Kriegs nahezu täglich Gefechte. Zuletzt nahm deren Intensität deutlich zu. Auf beiden Seiten gab es Todesopfer. Es wird befürchtet, dass sich der Konflikt auf die Region ausweiten könnte.

 

 276: 8. Juli 2024

Mit einem "Tag der Störung" haben Tausende Israelis in Tel Aviv und anderen Städten des Landes für einen Geisel-Deal demonstriert. Dabei legten sie zeitweise auch den Verkehr lahm. Mit dem Protest neun Monate nach Kriegsbeginn wollen sie den Druck auf die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verstärken, um auf dem Verhandlungswege die Freilassung von rund 120 Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas zu erreichen.

Am 7. Oktober hatten Terroristen der Hamas sowie anderer palästinensischer Gruppierungen Israel überfallen und 1200 Menschen getötet. Zudem wurden rund 250 weitere Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Das beispiellose Massaker war Auslöser des Gaza-Krieges. Rund 120 Geiseln befinden sich nach israelischen Schätzungen immer noch in der Gewalt ihrer Entführer - unter ihnen sind auch Kinder, Frauen sowie ältere Menschen. Viele von ihnen dürften nicht mehr am Leben sein.

Proteststart zur Uhrzeit des Hamas-Massakers

Die Proteste begannen um 06.29 Uhr (Ortszeit), jener Uhrzeit, zu der der Überfall der Hamas begonnen hatte. Protestteilnehmer in Tel Aviv trugen etwa Schilder mit der Aufschrift "Wir sind alle Geiseln". Die Polizei nahm nach eigenen Angaben fünf Demonstranten fest, die eine Strassenkreuzung im Norden der Metropole blockierten.

In Jerusalem setzten sich Protestteilnehmer auf die Schienen der Strassenbahn, die durch das Stadtzentrum fährt. Nahe der Grenze zum Gazastreifen liessen Aktivisten schwarze und gelbe Luftballons steigen - die Farbe Gelb symbolisiert für sie das Schicksal der Geiseln. Die Blockaden störten auch den Berufsverkehr. In Israel beginnt am Sonntag die Arbeitswoche.

Mögliche Fortschritte bei Verhandlungen befeuern Proteste

Bereits am Samstagabend hatten in Israel Zehntausende demonstriert. In Tel Aviv wurde auf einer Grossleinwand ein Video mit einer ehemaligen Geisel eingespielt. Der 22-jährige Almog Meir Jan, den das israelische Militär vor einem Monat befreit hatte, sagte darin: "Wir brauchen einen Deal, damit alle Mütter ihre Kinder und Ehemänner umarmen können, so wie ich jetzt meine Mutter jeden Morgen umarme."

Befeuert hatten die Proteste Berichte, wonach es nach langem Stillstand Fortschritte bei den von Katar, Ägypten und den USA vermittelten Verhandlungen geben soll. Ägypten werde schon in diesen Tagen mit allen Seiten intensive Beratungen führen, berichtete der staatsnahe Fernsehsender Al-Kahira unter Berufung auf hohe ägyptische Regierungsbeamte. Eine Delegation hoher US-Beamter traf am Sonntagnachmittag in Kairo ein.

Die seit Monaten andauernden Verhandlungen waren zuletzt ins Stocken geraten. Die Hamas forderte bislang die sofortige Beendigung des Krieges seitens Israels im Gegenzug für eine Geiselfreilassung. Israel will sich hingegen die Option für die Fortsetzung des Krieges offenhalten, um die Hamas als militärische Formation und Regierungsmacht im Gazastreifen zu zerschlagen.

Medienberichten zufolge soll die Hamas inzwischen ihre strikten Forderungen etwas gelockert haben. Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, hatte am Freitag wieder mit der Regierung in Katar verhandelt, die in direktem Kontakt mit der Hamas steht. Israelische Medien berichteten danach unter Berufung auf Delegationskreise von einem gewissen Optimismus. Andere Beobachter verwiesen darauf, dass die Hamas einzelne Änderungen im Text des Vertragsabkommens vorgeschlagen habe, aber in der Sache weiterhin wenig Bewegung zeige.

Misstrauen gegenüber Netanjahu

Viele Israelis misstrauen aber auch ihrem Regierungschef Netanjahu. Eine Demonstrantin, deren Sohn während des Terrorüberfalls vor neun Monaten in den Gazastreifen entführt wurde, rief während einer Kundgebung in Tel Aviv der Zeitung "Haaretz" zufolge: "Netanjahu, wir haben gesehen, wie Sie immer wieder die Abkommen im Moment der Wahrheit torpediert und unsere Herzen jedes Mal in Stücke gerissen haben."

Das israelische Militär setzte indes seine Einsätze im Gazastreifen fort. Die Armee teilte am Samstag mit, mehrere Kämpfer der Hamas im Areal einer ehemaligen Schule des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA angegriffen zu haben. Nach palästinensischen Angaben kamen bei dem Luftangriff 16 Palästinenser ums Leben, 50 weitere wurden verletzt.

Nach UN-Angaben diente der Gebäudekomplex als Unterkunft für 2000 in diesem Krieg vertriebene Menschen. Laut israelischer Armee soll das Areal jedoch als Versteck der Hamas für Attacken auf das israelische Militär gedient haben. Die Angaben beider Seiten liessen sich nicht unabhängig überprüfen.

Weiterer Raketenbeschuss an der Grenze zum Libanon

Im Norden Israels kam es erneut zu Konfrontationen zwischen dem israelischen Militär und der Schiiten-Miliz Hisbollah im Libanon. Die Hisbollah habe 20 Raketen und Drohnen auf Israel abgeschossen, teilte die israelische Armee mit. Die meisten Geschosse seien von der Luftabwehr abgefangen worden. Die Hisbollah bekannte sich der libanesischen Nachrichtenagentur NNA zufolge zu dem Angriff. Es habe sich um Vergeltung für die gezielte Tötung eines Hisbollah-Mitglieds in der libanesischen Bekaa-Ebene gehandelt.

Seit Beginn des Gaza-Krieges schiesst die vom Iran unterstützte Hisbollah mit Raketen, Artillerie- und Panzerabwehrgranaten regelmässig auf den Norden Israels - nach eigener Darstellung aus "Solidarität" mit der Hamas in Gaza. Israel bekämpft im Gegenzug mit Luft- und Artillerieangriffen die Stellungen der Hisbollah im Süden des Libanons, aber auch Ziele tief im Landesinneren des Libanons. Auf beiden Seiten hat es bereits Todesopfer gegeben. Es ist die schwerste Eskalation seit dem zweiten Libanon-Krieg 2006.

Tag 273:  5. Juli 2024

US-Präsident Joe Biden begrüsst die vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu genehmigte Entsendung eines Verhandlungsteams für weitere Gespräche über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg. Biden habe mit Netanjahu über den Stand der Verhandlungen gesprochen, bei denen es auch um die Freilassung der Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas gehe, teilte das Weisse Haus mit.

"Präsident Biden bekräftigte sein eisernes Engagement für Israels Sicherheit, auch angesichts der Bedrohung durch vom Iran unterstützte Terrorgruppen wie die libanesische Hisbollah", hiess es weiter. Für den 15. Juli sei ausserdem ein Treffen der wichtigsten Berater von Biden und Netanjahu geplant, so das Weisse Haus.

Die von den USA, Ägypten und Katar vermittelten Verhandlungen über ein Ende des Gaza-Kriegs steckten zuletzt wegen der auseinanderstrebenden Ansichten Israels und der Hamas über das Verhandlungsziel in eine Sackgasse. Die Islamisten hatten am Mittwoch den Vermittlern einen Vorschlag, wie sie es beschrieben, mit "einigen Ideen" übermittelt. Israel hatte daraufhin erklärt, den Vorschlag zu prüfen.

 

 

Tag 272: 4. Juli 2024

 

Israel prüft eigenen Angaben zufolge einen Vorschlag der Hamas für ein Abkommen für eine Waffenruhe sowie die Freilassung weiterer Geiseln. Die Vermittlerstaaten USA, Katar und Ägypten hätten dem israelischen Verhandlungsteam einen Entwurf der Islamistenorganisation vorgelegt, teilte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit. Israel will demnach den Vermittlern nach der Prüfung des Vorschlags seine Antwort übergeben.

Die Hamas teilte mit, mit den Vermittlern "einige Ideen" auszutauschen, um ein Ende des Kriegs zu erreichen. Der Inhalt des Hamas-Vorschlags war zunächst nicht bekannt, auch inwieweit er vom zuletzt diskutierten Plan abweicht.

Bereits seit Monaten laufen Bemühungen, durch indirekte Verhandlungen Israel zu einer Waffenruhe im Gazastreifen und die Hamas zur Freilassung israelischer Geiseln aus ihrer Gewalt zu bewegen - bislang ohne Erfolg. Ende Mai hatte US-Präsident Joe Biden einen dreistufigen Plan vorgestellt, die Hamas hatte jedoch nicht zugestimmt und Änderungen gefordert.

Bislang scheiterte ein Abkommen vor allem daran, dass die Hamas ein vollständiges Ende des Gaza-Kriegs fordert, Israel dies jedoch ablehnt.

 

Tag 271: 3. Juli 2024

Israels Streitkräfte wollen nach den heftigen Kämpfen gegen die letzten grösseren Hamas-Einheiten im Süden des Gazastreifens die Infrastruktur der Islamisten zerschlagen. Bei der Offensive in Rafah will das Militär nach eigenen Angaben über 900 Terroristen getötet haben - "darunter mindestens einen Bataillonskommandeur, viele Kompaniekommandeure und zahlreiche Kämpfer", wie Generalstabschef Herzi Halevi am Dienstag bei einem Truppenbesuch am Grenzübergang Kerem Schalom sagte. Die Angaben waren zunächst nicht überprüfbar.

"Wir konzentrieren uns jetzt auf die Zerstörung der terroristischen Infrastruktur, was Zeit braucht, sagte Halevi. "Es handelt sich um einen langen Einsatz, denn wir wollen Rafah nicht mit einer intakten terroristischen Infrastruktur verlassen."

In der nächsten Phase würden die israelischenStreitkräfte ihre Taktik verändern, kündigte der Generalstabschef an. Ziel sei es, den Gegner zu zermürben und die Mission zu erfüllen. "Wir brauchen Willenskraft, Geduld und Ausdauer, dann werden die Ergebnisse in der Zukunft für sich selbst sprechen", sagte Halevi.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte zuvor in Aussicht gestellt, dass die letzten grösseren Kampfverbände der Hamas im Süden des Gazastreifens bald zerschlagen würden. Damit könnte zumindest die grossangelegte Bodenoffensive in dem abgeriegelten Küstenstreifen enden. Das würde aber nicht unbedingt ein Ende des Militäreinsatzes bedeuten. Denn Netanjahu und hohe Militärs kündigten bereits mehrfach an, dass israelischeTruppen auch nach der Phase der intensiven Kämpfe an strategischen Stellen im Gazastreifen bleiben würden.

Palästinenser: Tote bei Angriffen im Gazastreifen

Bei israelischen Angriffen auf Ziele im Gazastreifen sind palästinensischen Angaben zufolge mindestens 31 Menschen getötet worden. Allein in der Stadt Gaza seien 17 Palästinenser ums Leben gekommen, hiess es aus medizinischen Kreisen. Auch diese Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Bei Angriffen im Süden des Küstengebiets wurden den Angaben nach acht Menschen getötet.

Die israelischen Streitkräfte hatten zuvor mitgeteilt, nach Raketenbeschuss auf israelischeOrtschaften ihrerseits Ziele im Gazastreifen angegriffen zu haben. Bewohner östlicher Viertel der Stadt Chan Junis waren demnach vorab aufgefordert worden, die Gegend zu verlassen. Die Terrororganisation Palästinensischer Islamischer Dschihad reklamierte den Angriff auf israelische Grenzorte mit rund 20 Raketen für sich. Auch andernorts im Gazastreifen setzte die Armee eigenen Angaben zufolge die Kämpfe fort. Das Militär meldete den Tod zweier Soldaten im Einsatz. Ein weiterer Soldat sei zudem schwer verletzt worden.

Nach Darstellung der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden seit Kriegsbeginn knapp 38.000 Menschen im Gazastreifen getötet und mehr als 87.000 weitere verletzt. Die unabhängig kaum überprüfbaren Angaben unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern. Auslöser des Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten.

 

Tag 270: 2. Juli 2024

sraels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sieht die Hauptphase im Krieg gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen vor einem baldigen Abschluss. "Wir bewegen uns auf das Ende der Phase der Zerschlagung der Terror-Armee der Hamas zu", sagte er in Jerusalem bei einem Empfang für Kadetten der Nationalen Verteidigungsakademie. "Wir werden damit fortfahren, ihre Überreste zu bekämpfen."

Netanjahu hatte zuvor die Gaza-Division besucht, die derzeit in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens im Einsatz ist. Er habe dort "sehr beträchtliche Fortschritte" gesehen, sagte er. Die Offensive in Rafah an der Grenze zu Ägypten gilt der Zerschlagung der letzten grösseren Kampfverbände der Hamas. In Form von kleineren Trupps bleibt die islamistische Miliz allerdings weiterhin militärisch aktiv.

Die Worte des israelischen Regierungschefs deuten darauf hin, dass die grosse Bodenoffensive der israelischen Armee im Gazastreifen bald enden könnte. Diese hatte drei Wochen nach dem beispiellosen Massaker begonnen, das die Hamas und andere extremistische Gruppen am 7. Oktober im Süden Israels begangen hatten. Der Terrorüberfall mit 1200 Toten auf israelischer Seite hatte den Gaza-Krieg ausgelöst, den Israel zunächst mit massiven Luftangriffen einleitete.

Das Ende der Bodenoffensive würde aber nicht unbedingt ein Ende des militärischen Engagements Israels im Gazastreifen bedeuten. Netanjahu und hohe Militärs wiesen öfter darauf hin, dass israelische Truppen auch nach der Phase der intensiven Kämpfe an strategischen Stellen im abgeriegelten Küstengebiet verbleiben würden. Darunter fiele vor allem der sogenannte Philadelphi-Korridor, ein 14 Kilometer langer, schmaler Streifen, der bei Rafah auf der Gaza-Seite entlang der Grenze zu Ägypten verläuft.

 

Tag 269: 1. Juli 2024

Bei einem Drohnenangriff auf die nördlichen Golanhöhen sind nach Angaben der israelischen Armee 18 ihrer Soldaten verletzt worden. Einer der Soldaten sei mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht worden, teilte das Militär am Sonntagabend mit. Die Luftwaffe habe in Reaktion auf den Angriff Stellungen der proiranischen Hisbollah-Miliz im Südlibanon attackiert, hiess es weiter. Dabei sei auch eine Abschussrampe bombardiert worden, von der ein Projektil auf den Norden Israels abgefeuert worden sei. Zusätzlich habe die eigene Artillerie in mehreren Gebieten im Südlibanon "Bedrohungen beseitigt", hiess es. Unabhängig überprüfen liessen sich die Angaben nicht.

Israel und die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah liefern sich seit Beginn des Gaza-Kriegs vor rund neun Monaten Schusswechsel, deren Intensität zuletzt deutlich zugenommen hat. Die Miliz erklärte wiederholt, Israel müsse den Krieg in Gaza gegen die mit ihr verbündete islamistische Hamas beenden, bevor sie mit dem Beschuss Israels aufhöre. Es gibt Sorgen, dass sich ein möglicher offener Krieg zwischen Israel und dem Libanon zu einem regionalen Konflikt ausweiten könnte, in den auch die USA und der Iran gezogen werden könnten.

Tag 268: 30. Juni 2024

Bei Massenprotesten in Israel gegen die Regierung hat sich eine aus dem Gazastreifen befreite Geisel mit einem Appell gegen den Hass erstmals an die Öffentlichkeit gewandt. "Ich wünsche uns allen friedlichere Tage, ruhigere Tage, an denen wir von Familie, Freunden und guten Menschen umgeben sind. Am wichtigsten ist, dass wir lernen, zu lieben und nicht zu hassen", sagte Noa Argamani am Samstagabend in einer Video-Botschaft, die bei einer Kundgebung in der Küstenmetropole Tel Aviv gezeigt wurde. Derweil kam es bei Protestveranstaltungen auch in Jerusalem sowie anderen israelischen Städten laut örtlichen Medienberichten zu Zusammenstössen mit der Polizei und teils gewaltsamen Festnahmen.

Die 26-jährige Israelin Argamani war vor drei Wochen bei einem dramatischen Einsatz des israelischen Militärs in Gaza mit drei anderen Geiseln befreit worden. "Obwohl ich wieder zurück zu Hause bin, dürfen wir nicht die Geiseln vergessen, die immer noch von der Hamas gefangen gehalten werden", sagte die Studentin. Die islamistische Palästinenserorganisation "und wir müssen alles erdenklich Mögliche tun, um sie nach Hause zu bringen", fügte sie hinzu. Teilnehmer der allwöchentlichen Proteste werfen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu vor, die indirekten Verhandlungen mit der Hamas nicht ernsthaft voranzutreiben.

Zusammenstösse mit der Polizei

Die Demonstranten gehen davon aus, dass Netanjahu deswegen nicht handelt, weil er auf seine ultrareligiösen und rechtsextremen Koalitionspartner Rücksicht nehmen will. Das politische Überleben Netanjahus, gegen den seit Jahren ein Korruptionsprozess läuft, hängt von diesen Partnern ab. Die USA haben derweil als Vermittler laut Medien einen neuen Anlauf unternommen, den in die Sackgasse geratenen Verhandlungen zum Durchbruch zu verhelfen. Bei Protesten in Jerusalem riefen Demonstranten am Samstagabend "Stoppt den Krieg". Die "Times of Israel" beschrieb die zuletzt stark angewachsenen Kundgebungen als aufgeheizt.

Die Organisatoren erklärten gegenüber der Zeitung, die Polizei habe in der Nacht mit übermässiger Gewaltanwendung vier der Demonstranten festgenommen. Ein Demonstrant sei zudem vor dem Amtssitz Netanjahus von einem Polizeibeamten heftig beschimpft und bedroht worden, berichtete die Zeitung. Bei der Kundgebung in Tel Aviv warf demnach eine Abgeordnete der Opposition der Polizei vor, sie tätlich angegangen und an den Haaren gezogen zu haben. Israels Polizeiminister ist der rechtsextreme Politiker Itamar Ben-Gvir.

Israel reagiert auf Irans Drohung

Unterdessen geht das verbale Säbelrasseln im Libanon-Konflikt zwischen Israel und der mit dem Iran verbündeten Schiitenmiliz Hisbollah weiter. Die UN-Vertretung des Irans in New York hatte am Samstagmorgen auf der Plattform X gewarnt, sollte Israel eine umfassende militärische Aggression gegen den Libanon beginnen, "wird es zu einem vernichtenden Krieg kommen". Israels Aussenminister reagierte darauf am Samstagabend mit den Worten: "Wenn die Hisbollah ihr Feuer nicht einstellt und sich nicht aus dem Südlibanon zurückzieht, werden wir mit aller Härte gegen sie vorgehen, bis die Sicherheit wiederhergestellt ist und die Bewohner in ihre Häuser zurückkehren können", schrieb Israel Katz auf derselben Plattform und fügte hinzu: "Ein Regime, das mit Zerstörung droht, verdient es, zerstört zu werden".

Auch Saudi-Arabien ruft Landsleute zum Verlassen des Libanons auf

Saudi-Arabien hat derweil seine Bürger zum sofortigen Verlassen des Libanons aufgefordert. Der Grund dafür dürften Befürchtungen vor einem Krieg zwischen Israel und der Hisbollah sein. Die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA berichtete am Samstag, die Botschaft in der libanesischen Hauptstadt Beirut habe an ihre Bürger appelliert, das Land "sofort" zu verlassen. Zudem sollten Menschen aus Saudi-Arabien nicht mehr in den Libanon reisen. Kürzlich hatte zum Beispiel auch Kanada seine Bürger zur Ausreise aufgefordert. Das Auswärtige Amt in Berlin warnt Deutsche schon länger vor Reisen in den Libanon. Deutsche Staatsangehörige werden dringend aufgefordert, das Land zu verlassen. "Eine weitere Verschärfung der Lage und Ausweitung des Konflikts könne nicht ausgeschlossen werden.

Israel setzt Bombardement in Gaza fort

Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast neun Monaten beschiessen sich Israel und die vom Iran unterstützte Hisbollah nahezu täglich, vor allem im Grenzgebiet. Zuletzt nahm die Intensität der Gefechte deutlich zu. Die Schiitenmiliz fordert von Israel eine Einstellung der Kämpfe gegen die mit ihr verbündete Hamas im Gazastreifen. Doch die israelische Armee geht dort weiter vor. Bei Angriffen in Teilen der Stadt Gaza im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens wurden nach palästinensischen Angaben vom Samstag mindestens zwölf Menschen getötet. Die israelische Armee teilte mit, die Luftwaffe habe Ziele im Osten der Stadt bombardiert. Bodentruppen hätten grosse Mengen an Waffen und Munition gefunden.

Befreite Geisel sorgte sich um Familie

Noch Anfang des Jahres hatte Israel den Norden des Gazastreifens als weitgehend gesichert und die Hamas dort als entscheidend geschwächt bezeichnet. Inzwischen formierte sich die Terrorgruppe dort aber offenbar neu. Auslöser des Krieges war ein beispielloses Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Dabei ermordeten sie 1200 Menschen und verschleppten weitere 250 als Geiseln in den Gazastreifen, darunter auch die junge Studentin Argamani und ihren Freund. Dieser befindet sich noch immer in der Gewalt der Terroristen. "Es ist ein grosses Privileg, nach 246 Tagen in Hamas-Gefangenschaft hier zu sein", sagte Argamani in ihrem Video, das am Samstagabend auf der Protestkundgebung gegen die Regierung in der Metropole Tel Aviv abgespielt wurde.

Ihre grösste Sorge während ihrer Gefangenschaft habe ihrer Familie gegolten, sagte sie. Das Schicksal der vom Nova-Musikfestival verschleppten jungen Frau hatte in ihrer Heimat und in aller Welt grosse Anteilnahme ausgelöst. Aufnahmen, wie sie von den Terroristen auf einem Motorrad entführt wurde und dabei verzweifelt und weinend um Hilfe rief, kursieren seit Monaten in sozialen Medien. Israelischen Medien zufolge lernte sie während ihrer Zeit als Geisel gut Arabisch. Sie sei dadurch eine Art "Repräsentantin" anderer weiblicher Geiseln geworden, mit denen sie vorübergehend zusammen festgehalten worden war, hiess es.

Bei dem dramatischen Militäreinsatz zu ihrer Befreiung war es laut der israelischen Armee zu heftigen Gefechten mit bewaffneten Palästinensern gekommen. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden dabei 274 Palästinenser getötet. Seit ihrer Befreiung sei Argamani intensiv an der Betreuung ihrer Mutter im Krankenhaus beteiligt, hiess es kürzlich in Medienberichten. Die aus China stammende Frau hat Krebs im Endstadium.

 

Tag 266: 28. Juni 2024

Die Sorge vor einem Kriegsausbruch zwischen Israel und der proiranischen Hisbollah-Miliz im Libanon wächst. Sollte es im Gaza-Krieg zwischen Israelund der mit der Hisbollah verbündeten Hamas zu keiner Einigung auf eine Waffenruhe kommen, werde es in den nächsten Wochen wahrscheinlich zur grossangelegten militärischen Konfrontation zwischen Israel und der Miliz kommen, berichtete das US-Portal "Politico" am Donnerstag unter Berufung auf US-Geheimdienstinformationen. Die USA bereiteten sich für diesen Fall bereits auf die Evakuierung ihrer Landsleute aus dem Libanon vor, zitierte der US-Sender NBC mit den Plänen vertraute US-Quellen. Am Donnerstagabend habe die Hisbollah rund 35 Raketen auf den Norden Israels abgefeuert, teilte die israelische Armee mit. Die Schiiten-Miliz bezeichnete den Angriff als Antwort auf die Tötung eines ihrer Kämpfer Stunden zuvor.

USA befürchten Eskalation

Das Pentagon habe ein zusätzliches Kriegsschiff sowie eine Marineexpeditionseinheit zur Verstärkung der US-Truppen in der Region ins Mittelmeer verlegen lassen, in Vorbereitung auf eine mögliche Evakuierung von amerikanischen Landsleuten, berichtete NBC weiter. Der Schritt diene auch zur Abschreckung, um eine Eskalation des Konflikts zu verhindern, hiess es. US-Beamte seien zunehmend besorgt, dass Israel in den kommenden Wochen verstärkt Luftangriffe und sogar eine Bodenoffensive im Libanon durchführen könnte, hiess es.

"Die Logik von (Hisbollah-Chef Hassan) Nasrallah ist, dass alles mit dem Gazastreifen zusammenhängt und dass der Beschuss Israelsnicht aufhören wird, solange es keinen Waffenstillstand im Gazastreifen gibt", zitierte das "Wall Street Journal" einen ranghohen US-Beamten. Man lehne diese Logik ab. Die Hisbollah hat ihre Raketen- und Drohnenangriffe zuletzt verstärkt und damit den Druck auf die Regierung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erhöht. Dieser steht auch im eigenen Land unter zunehmendem Druck.

Druck auf Netanjahu wächst

Rund 2000 Menschen protestierten am Donnerstagabend vor Netanjahus privater Villa in Caesarea bei Tel Aviv und verlangten Schritte zur Freilassung der von der Hamas im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln sowie den Rücktritt des Regierungschefs, wie das Nachrichtenportal "ynet" berichtete. Sie riefen demnach Parolen wie "Wie viel Blut wird noch vergossen, bevor du gehst" und "Bring die Geiseln jetzt zurück - und geh!". Die islamistische Hamas und andere extremistische Gruppen hatten am 7. Oktober des Vorjahres den Süden Israels überfallen, mehr als 1200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln verschleppt.

Es werden noch 120 Menschen in der Gewalt der Terroristen vermutet. Das "Wall Street Journal" berichtete, dass die Zahl der noch lebenden Geiseln bei nur 50 liegen könnte. Die indirekten Verhandlungen, bei denen die USA, Ägypten und Katar vermitteln, stecken jedoch in einer Sackgasse. Kritiker werfen Netanjahu vor, einen Deal nicht ernsthaft anzustreben, um seine ultra-religiösen und rechtsextremen Koalitionspartner nicht vor den Kopf zu stossen. Von ihnen hängt sein politisches Überleben ab. Netanjahu macht die aus seiner Sicht unnachgiebige Haltung der Hamas für das Stocken der Verhandlungen verantwortlich.

Verheerende Zerstörungen im Libanon-Konflikt

Währenddessen kommt es seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast neun Monaten täglich zu Schusswechseln zwischen Israels Armee und der Hisbollah im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon. Zuletzt haben sich die Gefechte deutlich zugespitzt. Auf beiden Seiten gab es Tote. Am Donnerstag tötete Israels Luftwaffe nach eigenen Angaben drei Kämpfer der Hisbollah. Daraufhin schoss die Miliz Dutzende Raketen auf den Norden Israels ab. Die meisten Geschosse wurden laut Israels Armee abgefangen. Niemand sei verletzt worden.

In Ortschaften beiderseits der Grenze hat der gegenseitige Beschuss schwere Zerstörungen angerichtet. Rund 150 000 Menschen wurden evakuiert oder verliessen die Kampfzone. Nach Informationen der "Financial Times" hat IsraelsMilitär weite Teile des Südlibanon verwüstet und "eine neue Realität" geschaffen. An der Grenze seien ganze Stadtviertel dem Erdboden gleichgemacht und Ackerland zerstört worden, berichtete die Zeitung am Donnerstag unter Berufung auf Satellitenbilder, Regierungsstatistiken und Gespräche mit lokalen Beamten. Nahezu tägliches Bombardement aus der Luft und Artilleriebeschuss hätten einen Grossteil der fünf Kilometer nördlich der Blauen Linie gelegenen Gebiete unbewohnbar gemacht.

Israel drängt auf Rückzug der Hisbollah

Bei der Blauen Linie handelt es sich um die von den Vereinten Nationen gezogene Demarkationslinie an der Grenze zwischen den beiden Ländern. Mit Ende des zweiten Libanon-Krieges 2006 war eine Pufferzone im Süden des Libanons eingerichtet worden. Die UN-Resolution 1701 verbot den Einsatz der Hisbollah-Miliz südlich des Litani-Flusses, dem Grenzgebiet zu Israel. Die israelischen Truppen wiederum mussten sich hinter die Blaue Linie zurückziehen. Israel fordert denn auch den Rückzug der Hisbollah-Miliz gemäss der UN-Resolution nördlich des Litani-Flusses, der etwa 30 Kilometer von der Grenze entfernt liegt.

Die UN-Beobachtermission Unifil, die seit 1978 das Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon überwacht, hatte sich kürzlich äusserst besorgt gezeigt ob der zunehmenden Spannungen. Auch die Bundeswehr ist an dem Unifil-Einsatz mit bis zu 300 Soldaten beteiligt. Der Bundestag verlängerte am Donnerstag das Mandat für die UN-Mission. Man habe kein Problem damit, dass sich UN-Friedenstruppen, libanesische Streitkräfte oder Zivilisten dort aufhalten, aber man müsse das Gebiet von der Präsenz der Hisbollah "säubern", zitierte die "Financial Times" einen ranghohen israelischenMilitärbeamter.

Hisbollah und Israel warnen sich gegenseitig

Die vom Iran unterstützte Hisbollah ist nicht nur die stärkste militärische und politische Kraft im Libanon, sondern kontrolliert auch den Süden des Landes. "Uns zu bitten, uns aus dem Süden zurückzuziehen, ist so, als würde man einen Fisch bitten, nicht im Meer zu schwimmen", zitierte die Zeitung einen namentlich nicht genannten Hisbollah-Kämpfer. Die Miliz ist mit der Hamas verbündet, gilt aber als deutlich schlagkräftiger. "Wenn sie (die Israelis) dem Libanon einen Krieg aufzwingen, wird der Widerstand ohne Einschränkungen, Regeln und Grenzen zurückschlagen", warnte Hisbollah-Chef Nasrallah zuletzt erneut.

Israels Verteidigungsminister Joav Galant warnte wiederum bei einem Besuch in Washington diese Woche, sein Land sei in der Lage, den Libanon in einem Krieg mit der Hisbollah "in die Steinzeit zurückzuschicken", wie die "Times of Israel" berichtete. Zugleich betonte Galant jedoch, dass eine diplomatische Lösung vorzuziehen sei. "Wir wollen keinen Krieg, aber wir bereiten uns auf jedes Szenario vor", wurde Galant weiter zitiert. Man werde keine Hisbollah-Truppen an der Grenze akzeptieren. Es wird befürchtet, dass ein Krieg sich zu einem regionalen Konflikt ausweiten könnte, in den auch die USA hineingezogen würden. Die USA schlossen sich am Donnerstag einer länger werdenden Liste von Ländern - darunter auch Deutschland - an, die ihren Bürgern raten, den Libanon wegen der Kriegsgefahr zu verlassen

Tag 265: 27. Juni 2024

Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant hat sich zu Vorwürfen von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geäussert, die USA würden Israel durch das Zurückhalten von Waffenlieferungen schaden. "In jeder Familie - und wir betrachten das amerikanische Volk als unsere Familie - können Unstimmigkeiten aufkommen", sagte der Minister am Mittwoch am Rande eines Besuchs in Washington. "Doch wie in jeder Familie diskutieren wir unsere Unstimmigkeiten in unseren eigenen vier Wänden und bleiben vereint." Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter.

Galant traf in Washington seinen amerikanischen Kollegen Lloyd Austin und andere Spitzenvertreter der US-Administration. Nach einem Gespräch mit dem US-Sicherheitsberater Jake Sullivan sagte Galant am Mittwoch: "In Hinblick auf Truppenaufbau und Munitionsnachschub erzielten wir bedeutende Fortschritte."

Netanjahu hatte die US-Regierung wegen zurückgehaltener Waffenlieferungen mehrfach mit zum Teil harschen Worten angegriffen. Vor etwa vier Monaten habe es "einen dramatischen Rückgang der Waffenlieferungen aus den USA nach Israel" gegeben, sagte er am letzten Sonntag.

Benny Gantz, bis vor Kurzem Minister im israelischen Kriegskabinett, pflichtete Galant bei. "In den letzten Monaten lösten wir viele Probleme mit unseren Freunden hinter geschlossenen Türen, darunter das Thema Munition", teilte er in einer Erklärung am Mittwoch mit. "Die unnötigen Zwistigkeiten, die der Ministerpräsident aus politischen Gründen kreiert, mögen ihm ein paar Punkte bei seiner Anhängerschaft einbringen, schaden aber der strategischen Beziehung mit den USA, die einen integralen Bestandteil unserer Fähigkeit darstellt, den Krieg zu gewinnen."

Israel geht seit dem beispiellosen Massaker am 7. Oktober mit mehr als 1200 Toten militärisch hart gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen vor. Zugleich steht es an seiner Nordgrenze mit der schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon im Konflikt, die seit Beginn des Gaza-Kriegs Israel mit Raketen, Granaten und Drohnen angreift. Die USA hatten zuletzt einzelne Munitionslieferungen für Israel zurückgehalten, um dessen Militär dazu zu bringen, bei der Offensive in der südlichen Gaza-Stadt Rafah die Zivilbevölkerung zu schonen.

 

 

Tag  264: 26. Juni 2024

Die USA haben vor einem Krieg zwischen Israel und der mit dem Iran verbündeten Hisbollah-Miliz im Libanon gewarnt und wollen eine nukleare Aufrüstung Teherans verhindern. "Die Provokationen der Hisbollah drohen, das israelische und das libanesische Volk in einen Krieg zu ziehen, den sie nicht wollen, und ein solcher Krieg wäre eine Katastrophe für den Libanon", sagte Austin am Dienstag bei einem Treffen mit Israels Verteidigungsminister Joav Galant in Washington.

Galant warnte eindringlich vor der atomaren Aufrüstung des Irans. "Die grösste Bedrohung für die Zukunft der Welt ist der Iran", sagte er. Die Zeit laufe ab, das Land am Besitz von Atomwaffen zu hindern. "Wir stehen zusammen, um sicherzustellen, dass Iran, der die Quelle von so viel Gewalt und Instabilität in der Region ist, niemals in den Besitz einer Atomwaffe gelangen kann", versicherte Austin.

Die Hisbollah im Libanon gilt als bedeutendster Verbündeter des Irans, für den Israel der Erzfeind ist. Er sei "äusserst besorgt" über die Zunahme der Raketenangriffe der Hisbollah auf Israels Norden und die jüngste Zunahme der Spannungen, sagte Austin. "Ein weiterer Krieg zwischen Israel und der Hisbollah könnte sich leicht zu einem regionalen Krieg mit schrecklichen Folgen für den Nahen Osten ausweiten", warnte der US-Verteidigungsminister. Diplomatie sei "bei Weitem der beste Weg, um eine weitere Eskalation zu verhindern".

Kanada ruft Landsleute zum Verlassen des Libanons auf

Kanada rief angesichts der Sorgen vor einem Krieg seine Landsleute zum Verlassen des Libanons auf. "Die Sicherheitslage im Libanon wird aufgrund der andauernden und eskalierenden Gewalt zwischen der Hisbollah und Israel immer instabiler und unberechenbarer und könnte sich ohne Vorwarnung weiter verschlechtern", erklärte Aussenministerin Mélanie Joly in einer Mitteilung. Es sei "an der Zeit, abzureisen, solange noch kommerzielle Flüge verfügbar sind". Seit Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Massaker der mit der Hisbollah verbündeten Hamas in Israel vor fast neun Monaten haben proiranische Gruppen wie auch der Iran selbst Israel mit Raketen, Granaten und Drohnen angegriffen.

Galant erinnert Washington an Bedrohung durch Iran

"Jetzt ist es an der Zeit, die Verpflichtung der amerikanischen Regierungen während der vergangenen Jahre umzusetzen – das Versprechen, den Iran am Besitz von Atomwaffen zu hindern", sagte Israels Verteidigungsminister Galant. Der Iran hat wiederholt bestritten, Atomwaffen entwickeln zu wollen. Nachdem Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu die US-Regierung kürzlich in einem Video wegen einer zurückgehaltenen Waffenlieferung verbal angegriffen hatte, lobte Galant bei seinem Treffen mit seinem US-Kollegen Austin die Zusammenarbeit bei der Verteidigung Israels gegen den Iran "und seine Stellvertreter".

USA bemühen sich um diplomatische Lösung

Nach Informationen des US-Nachrichtenportals "Axios" vom Dienstag haben sich Israel und die verbündeten USA darauf verständigt, ein eigentlich vergangene Woche geplantes Treffen unter Leitung der jeweiligen nationalen Sicherheitsberater zum Krisen-Thema Iran voraussichtlich Mitte Juli in Washington nachzuholen. Die USA bemühen sich um eine diplomatische Lösung des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah - bisher ohne Erfolg.

Israel will, dass sich die Miliz gemäss einer UN-Resolution hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht. Notfalls sei Israel auch zu einem grösseren Militäreinsatz bereit, warnte Galant kürzlich. Man müsse die Bereitschaft "für jedes mögliche Szenario besprechen", sagte er nun in Washington. Laut dem US-Sender CNN versicherten ranghohe US-Repräsentanten Mitgliedern einer israelischen Delegation, dass die USA Israel volle Rückendeckung geben würden, sollte ein grösserer Krieg mit der Hisbollah ausbrechen.

Austin forderte unterdessen Galant auf, die Bemühungen zum Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung und der humanitären Helfer im umkämpften Gazastreifen zu verstärken. Israel befinde sich in einem harten Kampf gegen "einen grausamen und unbarmherzigen Feind", aber man könne in einem urbanen Krieg nur gewinnen, wenn man die Zivilbevölkerung schütze. "Daher muss Israel weiterhin mehr für den Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen tun, und das ist sowohl eine moralische Notwendigkeit als auch ein strategisches Gebot", mahnte der US-Verteidigungsminister.

Israels Armee: Hamas beschiesst Soldaten bei UN-Hilfskonvoi

Die Hamas hat israelischen Angaben zufolge ein Geschoss in Richtung israelischer Soldaten im Gazastreifen gefeuert, die einen Hilfskonvoi der UN sichern sollten. Die Einsatzkräfte hätten einen Transport des Kinderhilfswerks Unicef koordiniert. Dieser sollte Kinder aus dem Norden des abgeriegelten Küstengebiets mit ihren Angehörigen im Süden zusammenzubringen, teilten die Armee sowie die für Palästinenserangelegenheiten zuständige israelische Behörde Cogat am Dienstagabend mit. Verletzt wurde demnach niemand. Die Hamas nutze Versuche des Militärs, humanitäre Hilfe zu leisten, aus, so die Armee. Die Islamistenorganisation gefährde damit das Leben der Zivilbevölkerung, hiess es. Die Angaben des israelischen Militärs liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Die Gefahr für humanitäre Helfer im Gazastreifen wird den Vereinten Nationen zufolge immer untragbarer. "Es gibt Risiken, die inakzeptabel sind", sagte Sprecher Stéphane Dujarric am Dienstag in New York. Er bestätigte, dass die UN vergangene Woche einen Brief an die israelischen Behörden schickten, der dieser Sorge Ausdruck verleihe. Trotz der Zunahme von Hilfslieferungen in den Norden Gazas besteht nach Ansicht international anerkannter Experten noch immer ein hohes Risiko einer Hungersnot in dem abgeriegelten Küstengebiet.

Israelisches Militär meldet Tötung von "bedeutendem" Islamisten-Mitglied

Das israelische Militär teilte unterdessen am Dienstagabend mit, ein "bedeutendes" Mitglied der Terrororganisation Islamischer Dschihad bei einem Luftangriff im Gazastreifen getötet zu haben. Der Mann habe das Raketenarsenal der Organisation entwickelt, hiess es. Terroristen der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Gruppen hatten am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel im Grenzgebiet zum Gazastreifen das schlimmste Massaker in der Geschichte des jüdischen Staates verübt. Dabei töteten sie mehr als 1200 Menschen und verschleppten mehr als 250 weitere nach Gaza. Der Terrorüberfall war Auslöser des Krieges.

 

Tag 263: 25. Juni 2024

Deutschlands Aussenministerin Annalena Baerbock setzt mit einem Gespräch mit dem Ministerpräsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mohammed Mustafa, in Ramallah ihre zweitägigen Krisengespräche im Nahen Osten fort. Bei der Unterredung am Dienstagmorgen (8.00 Uhr) dürfte es auch um die Reformbemühungen der PA gehen. Die Autonomiebehörde könnte aus Sicht der Grünen-Politikerin in einer Nachkriegsordnung im Gazastreifen eine wichtige Rolle spielen.

Auf der Herzlija-Sicherheitskonferenz in der Küstenmetropole Tel Aviv hatte Baerbock am Vorabend erklärt, wenn man wolle, dass die PA irgendwann die Rolle der legitimen Regierungsbehörde in Gaza übernehme, müsse diese in der Lage sein, dies zu gewährleisten - auch mit Polizei- und Sicherheitskräften. Die Ministerin fordert schon länger eine Reform der Autonomiebehörde. Sie warnte aber: "In der gegenwärtigen Situation ist es gefährlich und kontraproduktiv, etablierte PA-Strukturen zu zerstören und zu destabilisieren." Genau dies bewirke aber die illegale Ausweitung israelischer Siedlungsprojekte im Westjordanland.

Baerbock strebt wie viele Partner in Europa, den USA und der Region eine Zweistaatenlösung zwischen Israelis und Palästinensern an, bei der ein unabhängiger palästinensischer Staat friedlich Seite an Seite mit Israel existiert. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt eine solche Lösung ebenso ab wie die islamistische Hamas.

Ein Treffen Baerbocks mit Netanjahu ist diesmal nicht geplant. Bei der jüngsten Unterredung zwischen beiden Politikern Mitte April war es zu einer lautstarken Auseinandersetzung gekommen. Es ist bereits die achte Reise Baerbocks nach Israel seit der blutigen Terrorattacke der Hamas am 7. Oktober.

Gespräch mit Benny Gantz

Am Montagabend traf sich Baerbock in Jerusalem mit Ex-General Benny Gantz, der kürzlich Netanjahus Kriegskabinett verlassen hatte, weil die Regierung keinen Plan für eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen erarbeitet. Bis heute hat Netanjahu einen solchen Plan nicht vorgelegt - wohl auch, um seine ultrarechten Koalitionspartner, von denen sein politisches Überleben abhängt, nicht vor den Kopf zu stossen. Diese fordern eine Wiedererrichtung israelischer Siedlungen im Gazastreifen. Über Inhalte des Gesprächs wurde zunächst nichts bekannt.

Am Dienstag will Baerbock auch mit ihrem Kollegen Israel Katz zusammenkommen. Im Mittelpunkt dürften dabei das Vorgehen Israels im Gazastreifen sowie die dramatische humanitäre Lage der Zivilbevölkerung dort stehen. Später ist ein Treffen mit Angehörigen von Entführungsopfern geplant, die weiterhin im Gazastreifen festgehalten werden.

Baerbock in Beirut - Sorge um Eskalation mit der Hisbollah

Vor dem Hintergrund wachsender Sorgen vor einer Eskalation des Konflikts zwischen Israel und der proiranischen Hisbollah-Miliz im Libanon fliegt Baerbock am Nachmittag in den Libanon weiter. In der Hauptstadt Beirut sind vor der Rückreise nach Berlin Gespräche mit dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Nadschib Mikati und dem geschäftsführenden Aussenminister Abdullah Bou Habib geplant.

Vollständigen Rückzug der Hisbollah verlangt

Bei der Herzlija-Konferenz hatte Baerbock einen vollständigen und nachweisbaren Rückzug der schiitischen Hisbollah-Miliz aus dem Grenzbereich des Libanons zu Israel verlangt. Die Zunahme der Gewalt an der Nordgrenze Israels bereite grosse Sorgen. "Das Risiko einer unbeabsichtigten Eskalation und eines umfassenden Krieges wächst täglich. Daher ist äusserste Vorsicht geboten", sagte Baerbock.

Israel will durch diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Miliz hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es eine UN-Resolution vorsieht. Notfalls sei Israel aber auch zu einem grösseren Militäreinsatz bereit, warnte der israelische Verteidigungsminister Joav Galant kürzlich.

Luftangriff im Süden des Gazastreifens - Raketenalarm in Israel

Bei einem israelischen Luftangriff in Chan Junis im Süden des Gazastreifens wurden am Montag nach Krankenhausangaben mindestens sieben Palästinenser getötet. Nach Angaben von Einwohnern der Stadt hatten die Getöteten im Auftrag der Hamas humanitäre Hilfslieferungen begleitetet. Hilfsorganisationen warnen vor dem Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung und Chaos. Erstmals seit Wochen gab es am Montag in der israelischen Küstenstadt Aschkelon wieder Raketenalarm. Nach Angaben von Sanitätern verletzten sich zwei Menschen, als sie in Schutzräume liefen. Mehrere andere erlitten demnach Schocks.

Bei einer Ansprache im israelischen Parlament in Jerusalem bekräftigte Netanjahu, der Krieg werde nicht enden, bevor alle 120 Geiseln – die Lebenden und die Toten – wieder zurückgekehrt seien. "Wir sind dem israelischen Vorschlag verpflichtet, den US-Präsident Biden begrüsst hat. Unsere Position hat sich nicht verändert", sagte er. Netanjahu unterstrich gleichzeitig das Ziel der Zerstörung der Hamas. Ausserdem werde man "um jeden Preis und auf jede Art die Absichten des Irans, uns zu zerstören, vereiteln".

Galant führt Gespräche in Washington

In Washington traf Israels Verteidigungsminister Joav Galant mit US-Aussenminister Antony Blinken zusammen. Sie sprachen über die Bemühungen um eine Waffenruhe in Gaza, die zu einer Freilassung der israelischen Geiseln und zu Erleichterungen für die palästinensische Bevölkerung führen könnte. Blinken habe Galant über die aktuellen diplomatischen Bemühungen um Sicherheit und Wiederaufbau in Gaza nach Beendigung des Konflikts informiert, sagte Sprecher Matthew Miller

Tag 262: 24. Juni 2024

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat im Gaza-Krieg ein baldiges Ende der intensiven Kampfphase angekündigt, will den Krieg aber erst mit der Zerschlagung der islamistischen Hamas beenden. Das sagte Netanjahu am Sonntagabend im israelischen Fernsehsender Channel 14.

Auf die Frage, ob er nach Ende der intensiven Kampfphase bereit sei, mit der Hamas eine Vereinbarung zu treffen, die eine Verpflichtung zur Beendigung des Krieges darstellen würde, antwortete Netanjahu mit Nein. Er sei zu einer vorübergehenden Waffenruhe im Gegenzug für die Freilassung einiger Geiseln bereit. Danach aber müssten die Kämpfe weitergehen, bis die Hamas zerstört sei. Netanjahus Äusserungen bei dem seltenen Live-Auftritt vor heimischem Publikum lösten laut israelischenMedienberichten Wirbel aus.

Netanjahu: Die Hamas lehnt ein Abkommen ab, nicht Israel

Gleich darauf sah sich das Büro des Ministerpräsidenten zu einer Klarstellung veranlasst: "Es ist die Hamas, die ein Abkommen ablehnt, nicht Israel", hiess es am Abend in einer knappen Mitteilung. Netanjahu habe deutlich gemacht, "dass wir Gaza nicht verlassen werden, bis wir alle 120 unserer Geiseln, lebende und verstorbene, zurückgebracht haben", hiess es weiter. Ende Mai hatte US-Präsident Joe Biden überraschend einen dreistufigen Plan für eine Waffenruhe vorgestellt. Dieser sieht vor, dass eine vorübergehende Feuerpause eingehalten wird und währenddessen einige der Geiseln freikommen. In einer zweiten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln auf freien Fuss kommen. In einer letzten Phase soll dem Entwurf zufolge der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.

Netanjahu kündigt Truppenverlegung nach Norden an

Nachdem die intensive Phase im Gaza-Krieg beendet sei, werde man die Möglichkeit haben, einen Teil der Truppen nach Norden zu verlegen, sagte Netanjahu. Dort, im Grenzgebiet zum Libanon, beschiessen sich Israel und die libanesische Hisbollah seit mehr als acht Monaten. Zuletzt nahm die Intensität der Gefechte deutlich zu. Israel will durch diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Miliz hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es eine UN-Resolution vorsieht. Notfalls sei Israelaber auch zu einem grösseren Militäreinsatz bereit, warnte der israelischeVerteidigungsminister Joav Galant.

Vor seiner Abreise am Wochenende in die USA bekräftigte Galant, sein Land sei "auf jeden Einsatz vorbereitet, der erforderlich sein könnte, im Gazastreifen, im Libanon und in anderen Gebieten". Es wird befürchtet, dass ein offener Krieg zwischen Israel und dem Libanon sich zu einem regionalen Konflikt ausweiten könnte, in den auch die USA als wichtigster Verbündeter Israels hineingezogen würden. Angesichts der wachsenden Sorgen vor einer Eskalation reist Bundesaussenministerin Annalena Baerbock an diesem Montag nach Tel Aviv.

Baerbock zu Krisengesprächen in Israel und Libanon

Es ist der achte Israel-Besuch Baerbocks seit der Terrorattacke der Hamas auf das Land am 7. Oktober. Der blutige Überfall war der Auslöser des Krieges gewesen. Bei den Gesprächen der Grünen-Politikerin in Israel und den Palästinensischen Gebieten am Dienstag werden nach Angaben einer Sprecherin des Auswärtigen Amts der Krieg im Gazastreifen sowie die katastrophale humanitäre Lage in dem abgeriegelten Küstengebiet im Zentrum stehen. Am Dienstagabend will Baerbock auch Gespräche in der libanesischen Hauptstadt Beirut führen.

Unterdessen wiesen der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell sowie der EU-Kommissar für Krisenschutz, Janez Lenarčič, in einer gemeinsamen Erklärung auf die verheerende Versorgungslage in Gaza hin. Es sei inzwischen nahezu unmöglich geworden, in dem Kriegsgebiet nennenswerte humanitäre Hilfe zu leisten. Die hungernden Menschen griffen zu verzweifelten Massnahmen, um an die wenigen Hilfsgüter heranzukommen, die ins Land gelangen. "Wir appellieren erneut an alle Konfliktparteien, ihrer völkerrechtlichen Verantwortung gerecht zu werden", hiess es. Zuvor hatte auch UN-Generalsekretär Guterres beklagt, Chaos und "totale Gesetzlosigkeit" verhinderten die Verteilung humanitärer Hilfe.

Israels Oberstes Gericht fordert Aufklärung über Gefangenenlager

Das Oberste Gericht in Israel hat derweil laut Medienberichten vom Sonntag von den staatlichen Stellen des Landes einen Bericht über die Zustände im Gefangenenlager Sde Teiman angefordert, das für militante Palästinenser eingerichtet worden ist. Ehemalige Insassen, Menschenrechtsgruppen und israelische Hinweisgeber, unter ihnen frühere Ärzte, hatten mehrfach über Gewalt gegen die Gefangenen bis hin zu Folter berichtet. Unter anderem sollen Häftlinge geschlagen, sexuell missbraucht und verletzt worden sein.

Das Militär hatte das Lager von Sde Teiman in der Nähe der südisraelischen Stadt Beerscheba nach dem Terrorüberfall vom 7. Oktober errichtet. Die Armee inhaftiert dort Terrorverdächtige und Militante, die im Zuge des Gaza-Krieges festgenommen wurden. Nach israelischer Lesart handelt es sich bei ihnen um "illegale Kombattanten". Damit ist gemeint, dass sie als Mitglieder einer Terrororganisation keinen Schutz eines Kriegsgefangenen erhalten und für sie auch nicht die dritte Genfer Konvention mit detaillierten Regeln über die Behandlung von Kriegsgefangenen gilt. Diese Praxis ist international umstritten.

Was am Montag wichtig wird

Aussenministerin Baerbock nimmt zunächst an der regulären Sitzung des Aussenrats der Europäischen Union in Luxemburg teil. Dort soll es um die gemeinsame Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen den russischen Angriffskrieg sowie die Lage im Nahen und Mittleren Osten gehen. Danach reist die Grünen-Politikerin nach Israel weiter und will am Abend in Tel Aviv bei der Herzlija-Sicherheitskonferenz des Instituts für Politik und Strategie sowie der Reichman-Universität eine Rede halten. Währenddessen führt IsraelsVerteidigungsminister Galant Gespräche in Washington. Er wollte neben seinem US-Kollegen Lloyd Austin auch Aussenminister Antony Blinken treffen.

Tag 260: 23. Juni 2024

Bei mit den grössten Massenprotesten in Israel seit Monaten haben Zehntausende Menschen ein Ende der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und die Freilassung der im umkämpften Gazastreifen festgehaltenen Geiseln gefordert. "Lebendig, lebendig - und nicht in Leichensäcken", skandierten Demonstranten am Samstagabend in der Küstenmetropole Tel Aviv. Die Organisatoren sprachen nach örtlichen Medienberichten von rund 150 000 Teilnehmern. Es sei die grösste Demonstration in Tel Aviv seit dem Terrorüberfall der islamistischen Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel gewesen. Auch in Jerusalem, Haifa, Beerscheba und anderen Orten gab es Massenproteste gegen die Führung von Netanjahu. Die Menschen forderten dabei lautstark Neuwahlen.

Juval Diskin, ehemaliger Leiter des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, verurteilte die Regierung bei der Kundgebung in Tel Aviv und bezeichnete Netanjahu als "den schlimmsten und am meisten gescheiterten Ministerpräsidenten in der Geschichte des Staates", wie die "Times of Israel" berichtete. Diskin warf der Regierung ein verfehltes Kriegsmanagement, "die Lüge vom 'totalen Sieg', die totale Flucht vor der Verantwortung" und die "Zerstörung unserer strategischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten" vor. Netanjahus Regierung verpasse "jede Gelegenheit zur Rückführung unserer entführten Brüder und Schwestern".

Israels Verteidigungsminister in den USA erwartet

Das "Wall Street Journal" hatte jüngst berichtet, dass die Zahl der noch lebenden Entführten bei nur etwa 50 liegen könnte. Offiziell befinden sich noch rund 120 Geiseln in Gaza. Die Demonstranten warfen Netanjahu vor, sich den Forderungen seiner extremistischen Koalitionspartner zu beugen und einen Deal zur Freilassung der Geiseln zu hintertreiben. Einige Minister sind gegen ein Abkommen mit den Islamisten, da es auch eine Waffenruhe und die Entlassung palästinensischer Häftlinge aus Israels Gefängnissen vorsehen würde.

Derweil wird Israels Verteidigungsminister Joav Galant zu Gesprächen beim wichtigsten Verbündeten USA erwartet. Er wolle von diesem Sonntag bis Dienstag in Washington mit ranghohen Vertretern des Pentagon und des US-Aussenministeriums zusammentreffen, berichtete die "Jerusalem Post" am Samstagabend. Galants US-Reise erfolgt, nachdem Israels Regierungschef Netanjahu mit einem Video, in dem er die US-Regierung wegen einer zurückgehaltenen Waffenlieferung mit harschen Worten angegriffen hatte, für eine erneute Krise in den Beziehungen zur US-Regierung von Präsident Joe Biden gesorgt hatte.

Vorwürfe gegen Israels Polizei

Bei den Massenprotesten gegen Netanjahus Regierung in Tel Aviv kam es laut örtlichen Medienberichten am Samstagabend zu Rangeleien mit der Polizei, mehrere Personen seien festgenommen worden. Polizeiminister ist der rechtsextreme Politiker Itamar Ben-Gvir. Berittene Beamte hätten versucht, mit ihren Pferden einige der Demonstranten auseinanderzutreiben. Die Gewalt der Polizei bei den Demonstrationen habe "alle Grenzen überschritten", wetterte der neue Vorsitzende der oppositionellen Arbeitspartei, der frühere Vize-Generalstabschef Jair Golan, auf der Plattform X. Die Polizei dürfe nicht "zu einem Werkzeug in den Händen der korrupten und gescheiterten Regierung" werden, schrieb er.

Demonstranten erinnern an 20. Geburtstag entführter Soldatin

Golan gilt seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober als Held im Land. Er hatte sich auf eigene Faust ins Gefahrengebiet begeben und half dort vielen Zivilisten, von einem Festival zu fliehen, das die Terroristen angriffen. Der Terrorüberfall war der Auslöser des Krieges. Bei der Kundgebung in Tel Aviv erinnerten viele Menschen an den Geburtstag einer entführten Soldatin, die am Samstag in Geiselhaft 20 Jahre alt geworden ist. Viele zeigten Plakate mit dem Gesicht der Israelin. Ihre Eltern forderten in einer Rede ihre Freilassung. Aufnahmen der Organisatoren zeigten die Mutter, wie sie während des Protests in Tel Aviv weinte.

Am Tag ihrer Entführung von einem Militärstützpunkt hatte die Hamas Aufnahmen verbreitet, auf denen die junge Israelin mit gefesselten Händen und blutverschmierter Hose zu sehen ist. Vor rund einem Monat wurde zudem ein Video veröffentlicht, das sie und vier weitere Soldatinnen während der Entführung verängstigt, verletzt und teilweise blutüberströmt zeigt. Die Frauen waren im Grenzgebiet zum Gazastreifen als Späherinnen der Armee im Einsatz.

Seit Monaten laufen Bemühungen der Vermittler USA, Katar und Ägypten, Israel zu einer Waffenruhe und die Hamas zur Freilassung der Verschleppten im Austausch gegen palästinensische Häftlinge in israelischenGefängnissen zu bewegen - bisher ohne Erfolg. Netanjahu wirft der Hamas eine unnachgiebige Haltung vor und macht sie für die Stagnation bei den indirekten Verhandlungen verantwortlich. Die Hamas wiederum sieht Israel in der Pflicht. Die Hauptforderungen der Islamisten sind ein sofortiger Waffenstillstand sowie ein vollständiger Rückzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen.

USA ziehen Flugzeugträger "Eisenhower" aus Rotem Meer ab

Nach einem mehrmonatigen Einsatz als Reaktion auf den Hamas-Angriff gegen Israel haben die USA den Flugzeugträger "Dwight D. Eisenhower" aus dem Roten Meer abgezogen. Das Schiff und der dazugehörige Verband befänden sich auf dem Rückweg in die USA, teilte das Regionalkommando Centcom am Samstag mit. Ersetzt werde die "Eisenhower" durch den Flugzeugträger "Theodore Roosevelt" und dessen Verband, der sich den Angaben nach noch im Indopazifik befindet und kommende Woche in der Region ankommen soll.

Der Einsatz erfolgt im Rahmen der multinationalen Sicherheitsinitiative "Operation Prosperity Guardian". Sie soll die Sicherheit und die freie Schifffahrt im Roten Meer und Golf von Aden sicherstellen. Dort verläuft eine der wichtigsten Schifffahrtsrouten für den Welthandel. In den vergangenen Monaten hat die Huthi-Miliz im Jemen dort immer wieder zivile Frachtschiffe attackiert. Die Miliz agiert nach eigenen Angaben aus Solidarität mit der Hamas in Gaza.

 

Tag 258: 21. Juni 2024

Tausende Menschen haben am Donnerstagabend in Israel wieder gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu protestiert. Die grösste Kundgebung fand israelischen Medien zufolge vor einem Privathaus des Regierungschefs in der Stadt Caesarea statt. Die Demonstranten forderten Neuwahlen und die Freilassung der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln. Auch in Jerusalem versammelten sich Medienberichten zufolge Hunderte für einen Protest.

Seit Monaten gibt es in Israel immer wieder Proteste gegen die Regierung. Die Demonstranten werfen Netanjahu vor, sich den Forderungen seiner extremistischen Koalitionspartner zu beugen und deshalb auch einen Deal zur Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln zu hintertreiben. Einige Minister sind gegen ein Abkommen mit den Islamisten, da es auch eine Waffenruhe und die Entlassung palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen vorsehen würde.

Seit Monaten laufen Bemühungen, durch indirekte Verhandlungen Israel zu einer Waffenruhe und die Hamas zur Freilassung der noch rund 120 aus Israel verschleppten Menschen zu bewegen - bislang ohne Erfolg. Das "Wall Street Journal" hatte jüngst berichtet, dass die Zahl der noch lebenden Entführten bei nur etwa 50 liegen könnte.

Tag 257: 20. Juni 2024

Im Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz im Libanon verschärfen beide Seiten ihre Drohgebärden. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah betonte am Mittwochabend die Kampfbereitschaft seiner Schiitenmiliz. "Wenn sie dem Libanon einen Krieg aufzwingen, wird der Widerstand ohne Grenzen zurückschlagen", sagte er bei einer öffentlichen Ansprache. Nach der Veröffentlichung mutmasslicher Luftaufnahmen von Nordisrael durch die Hisbollah spielte Israels Generalstabschef Herzi Halevi Sorgen über die Kompetenzen des eigenen Militärs herunter. "Wir haben natürlich unendlich viel grössere Fähigkeiten, von denen der Feind meiner Meinung nach nur wenige kennt", sagte er laut Mitteilung vom Mittwochabend. Die Armee stelle sich auf die Fähigkeiten der Hisbollah ein.

Erneut gegenseitige Angriffe im Grenzgebiet

Israels Militär hatte zuvor nach eigenen Angaben "operative Pläne für eine Offensive im Libanon" genehmigt und damit Sorgen vor einer Eskalation geschürt. Seit Beginn des Kriegs zwischen Israelund der mit der proiranischen Hisbollah verbündeten Islamistenorganisation Hamas im Gazastreifen kommt es täglich zu militärischen Konfrontationen zwischen Israels Armee und der Hisbollah im Grenzgebiet zwischen Israel und Libanon. Die Lage hat sich zuletzt deutlich zugespitzt. Bei einem israelischen Angriff im Südlibanon waren am Mittwoch libanesischen Angaben zufolge mindestens drei Mitglieder der Hisbollah getötet worden.

Israels Militär bestätigte den Angriff. Die Hisbollah reklamierte wiederum einen Angriff auf israelische Soldaten in Metulla im Norden Israelsfür sich. Das israelische Militär bestätigte, dass eine Drohne aus dem Libanon in der Gegend um Metulla abgestürzt sei. Verletzte gab es demnach nicht. Zwar zögerten Israel und die proiranische Schiitenmiliz bislang, ihre Feindseligkeiten in einen grösseren Konflikt auszuweiten, doch signalisierten beide Seiten zunehmend die Absicht, ihren Kampf auszuweiten, schrieb das "Wall Street Journal".

Die Genehmigung von Plänen für eine Offensive durch Israels Armee sei "Teil der Bemühungen, der Hisbollah die Botschaft zu übermitteln, ihre Aktivitäten einzuschränken und ihre Bereitschaft zu zeigen, sich auf eine Art von Lösung zuzubewegen", zitierte die Zeitung Jossi Kuperwasser, ehemaliger Leiter der Forschungsabteilung des israelischenMilitärgeheimdienstes. Israel will durch militärischen und diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Hisbollah wieder hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es eine UN-Resolution aus dem Jahr 2006 vorsieht. Die proiranische Schiitenmiliz gilt als deutlich schlagkräftiger als die Hamas im Gazastreifen.

Armeesprecher: Können die Hamas nicht eliminieren

Dort ist Israel ist nach Einschätzung von Experten noch weit von einem Sieg über die Hamas entfernt. Ein Sprecher der israelischenArmee forderte in einem Interview mit Nachdruck eine politische Vision für die Zukunft des Gazastreifens. "Die Hamas ist eine Idee, sie ist eine Partei. Sie ist in den Herzen der Menschen verwurzelt. Wer glaubt, wir könnten die Hamas ausschalten, irrt sich", sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Mittwochabend dem israelischen Sender Channel 13. Es müsse eine Alternative für die Hamas auf politischer Ebene gefunden werden, um sie im Gazastreifen zu ersetzen, forderte Hagari in dem Interview weiter. Ansonsten werde die islamistische Terrororganisation weiterbestehen, mahnte er. Über die Zerstörung der Hamas zu reden, führe die Öffentlichkeit in die Irre.

Mit den Aussagen weckte er Zweifel am erklärten Kriegsziel der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu: Die Herrschaft der Hamas im Gazastreifen zu beenden sowie ihre militärischen Fähigkeiten zu zerstören. Die Armee sei "dem natürlich verpflichtet", hiess in einer Mitteilung des Büros des Ministerpräsidenten nach Hagaris Äusserungen. Netanjahu hatte wiederholt vom "totalen Sieg" über die Hamas gesprochen. Die Worte des Armeesprechers spiegelten die wachsende Frustration der Militärführung über das Versagen der Regierung Netanjahu wider, eine Nachkriegsalternative zur Hamas-Herrschaft im Gazastreifen zu entwickeln, schrieb die "New York Times". Bereits vor einem Monat hatte der israelischeVerteidigungsminister Joav Galant die Unentschlossenheit seines Landes in der Frage, wer nach dem Krieg in Gaza herrschen soll, scharf kritisiert.

Kein Plan für eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen

Es müsse eine politische Alternative zur Herrschaft der Hamas im Gazastreifen geschaffen werden, hatte Galant gefordert. Ohne eine solche Alternative blieben nur zwei negative Optionen, nämlich eine Fortsetzung der Hamas-Herrschaft oder eine israelischeMilitärherrschaft. Ex-General Benny Gantz verliess kürzlich das Kriegskabinett, weil die Regierung keinen Plan für eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen erarbeitet. Bis heute hat Netanjahu einen solchen Plan nicht vorgelegt - wohl auch, um seine ultrarechten Koalitionspartner, von denen sein politisches Überleben abhängt, nicht vor den Kopf zu stossen. Diese fordern eine Wiedererrichtung israelischer Siedlungen im Gazastreifen.

Netanjahu lehnt dies ab. Die USA als Israelswichtigster Verbündeter wollen, dass die im Westjordanland regierende palästinensische Autonomiebehörde auch im Gazastreifen wieder die Kontrolle übernimmt - und damit auch eine Zweistaatenlösung als umfassenden Ansatz zur Befriedung des Nahen Ostens vorantreiben. Doch auch das lehnt Netanjahu bislang ab. Kritiker werfen ihm vor, mangels eines klaren Plans für die Stabilisierung und Verwaltung des Gazastreifens zuzulassen, dass das abgeriegelte Küstengebiet im Chaos versinkt. Israels Armee drohe, von der Hamas in einen endlosen Guerilla-Krieg verwickelt zu werden.

Man müsse mangels einer politischen Strategie immer wieder an Orten kämpfen, die die Armee eigentlich zuvor eingenommen hatte, beklagte erst unlängst Israels Generalstabschef Halevi und warnte laut Medienberichten vor einer "Sisyphusarbeit". Sein Militärsprecher Hagari warnte in dem Channel 13-Interview nun ausserdem, dass es nicht möglich sei, alle im Gazastreifen noch festgehaltenen Geiseln durch Armeeeinsätze zu befreien. Die Hamas weiss nach kürzlichen Angaben ihres Sprechers Osama Hamdan nicht, wie viele der rund 120 in Gaza vermuteten Geiseln noch leben. Befürchtet wird, dass ein Grossteil von ihnen tot ist.

Das "Wall Street Journal" berichtete am frühen Donnerstag unter Berufung auf Vermittler bei den indirekten Geiselverhandlungen sowie auf einen mit US-Geheimdienstinformationen vertrauten US-Beamten, dass die Zahl der noch lebenden Geiseln bei nur 50 liegen könnte. Diese Einschätzung stütze sich zum Teil auf israelische Geheimdienstinformationen. Seit Monaten laufen Bemühungen, durch indirekte Verhandlungen Israel zu einer Waffenruhe und die Hamas zur Freilassung der israelischenGeiseln zu bewegen - bislang ohne Erfolg

 

Tag 256: 19. Juni 2024

Israels Militär hat Pläne für eine Offensive im Libanon abgesegnet und damit Sorgen vor einer Eskalation des Konflikts mit der proiranischen Hisbollah-Miliz geschürt. Ranghohe Kommandeure hätten bei einer Lagebeurteilung "operative Pläne für eine Offensive im Libanon" genehmigt, teilte das Militär am Dienstagabend mit. Die Bereitschaft der Truppen werde weiter erhöht. Darauf angesprochen sagte der Sprecher des Pentagons in Washington, Pat Ryder: "Ich werde mich nicht in Hypothesen ergehen oder darüber spekulieren, was passieren könnte, sondern nur sagen, dass niemand einen grösseren regionalen Krieg will". Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, sagte vor dem Hintergrund des Kriegs im Gazastreifen zwischen Israel und der mit der Hisbollah-Miliz verbündeten islamistischen Hamas: "Wir wollen keine Eskalation. Wir wollen keine zweite Front sehen".

Israels Aussenminister droht mit Eskalation

Israels Aussenminister Israel Katz drohte am Dienstagabend auf der Plattform X: "In einem umfassenden Krieg wird die Hisbollah zerstört und der Libanon schwer getroffen". Weiter schrieb Katz: "Wir stehen kurz vor dem Moment der Entscheidung, die Regeln gegen die Hisbollah und den Libanon zu ändern". Zuvor hatte die Hisbollah Luftaufnahmen nach eigener Darstellung aus Nordisrael veröffentlicht. Die Bilder sollen etwa den Hafen von Haifa und andere wichtige strategische Orte in der Gegend zeigen und von einer Drohne aufgenommen worden sein. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah prahle damit, die Häfen von Haifa gefilmt zu haben und drohe, sie anzugreifen, schrieb IsraelsAussenminister weiter.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als acht Monaten kommt es täglich zu militärischen Konfrontationen zwischen der israelischenArmee und der libanesischen Hisbollah-Miliz im Grenzgebiet zwischen beiden Ländern. Auf beiden Seiten gab es dabei Tote. Israel will durch militärischen und diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Hisbollah wieder hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es eine UN-Resolution von 2006 vorsieht. Die Schiitenmiliz gilt als deutlich schlagkräftiger als die Hamas in Gaza. Der US-Gesandte Amos Hochstein führte am Dienstag Gespräche im Libanon, um eine Waffenruhe zu erreichen. Nach libanesischen Informationen wollte Hochstein der libanesischen Regierung dabei eine scharfe Warnung der israelischen Seite übermitteln.

Netanjahu geht US-Regierung wegen Waffenlieferung an

Unterdessen ging Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu die US-Regierung in einem Video wegen einer zurückgehaltenen Waffenlieferung mit harschen Worten an und sorgte damit für Irritation beim wichtigsten Verbündeten. Er habe US-Aussenminister Antony Blinken kürzlich in Israel gesagt, es sei "unbegreiflich, dass die Regierung Israel in den vergangenen Monaten Waffen und Munition vorenthalten hat", sagte Netanjahu in einer am Dienstag veröffentlichten Videoansprache. "Aussenminister Blinken hat mir versichert, dass die Regierung Tag und Nacht daran arbeite, diese Engpässe zu beseitigen. Ich hoffe wirklich, dass dies der Fall ist."

Blinken wies die Kritik entschieden zurück. Die USA hätten sich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Israel über das verfüge, was es brauche, um sich gegen eine Vielzahl von Bedrohungen zu verteidigen, sagte er auf Nachfrage in Washington. Daran halte man fest. Es gebe einen Fall, den US-Präsident Joe Biden öffentlich gemacht habe, nämlich die Lieferung von 2000-Pfund-Bomben, die weiterhin überprüft werde, weil die US-Regierung Bedenken habe, dass die Bomben in einem dicht besiedelten Gebiet wie Rafah im Süden Gazas eingesetzt werden könnten. "Aber alles andere geht seinen gewohnten Gang", sagte Blinken. Eine Sprecherin des Weissen Hauses sagte auf Nachfrage, es gebe nur diese eine zurückgehaltene Lieferung.

Bericht: Washington sagt Treffen mit Israelis ab

Nach der harschen Kritik von Netanjahu in dem Video habe das Weisse Haus ein eigentlich für Donnerstag in Washington geplantes Treffen mit ranghohen Vertretern Israels wieder abgesagt, schrieb der gut vernetzte israelische Journalist Barak Ravid in der Nacht zum Mittwoch auf X. Zuvor hatten die "Bild"-Zeitung und andere Medien berichtet, Blinken habe Netanjahu signalisiert, in den kommenden Tagen die Beschränkung der Waffenlieferung aufzuheben. Es werde einfacher sein, die zurückgehaltene Lieferung freizugeben, sobald Israels Militär den Einsatz in Rafah beende, zitierte das US-Nachrichtenportal "Axios" US-Beamte. IsraelsArmee hat ihre Kriegsziele in Rafah nach eigenen Angaben bald erreicht.

Die Hälfte der Kampfverbände der Hamas in Rafah sei zerschlagen, hiess es am Montag. 60 bis 70 Prozent des Territoriums der Stadt befänden sich unter "operativer Kontrolle" der israelischen Truppen. Die Anfang Mai begonnene Offensive war stark umstritten, weil sich damals mehr als eine Million Palästinenser in Rafah aufhielten. Inzwischen sind fast alle in ein westlich gelegenes Gebiet geflüchtet, wo sie aber nur schwierig versorgt werden können.

Erneut Massenproteste in Israel gegen Netanjahu-Regierung

Unterdessen kam es in Israel am Dienstagabend erneut zu Massenprotesten gegen die Regierung Netanjahu. In der Nähe des Parlamentsgebäudes in Jerusalem forderten die Demonstranten Neuwahlen, wie mehrere israelische Medien berichteten. Viele Israelis werfen Netanjahu vor, sich den Forderungen seiner extremistischen Koalitionspartner zu beugen und deshalb auch einen Deal zur Freilassung der von der Hamas im Gazastreifen weiter festgehaltenen Geiseln zu hintertreiben. Einige von Netanjahus Ministern sind gegen ein Abkommen mit der Islamistenorganisation, da es auch eine Waffenruhe sowie die Entlassung palästinensischer Häftlinge aus israelischenGefängnissen vorsehen würde.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sind seit Beginn des Kriegs mehr als 37 300 Menschen in Gaza getötet worden. Die Angaben unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und Kombattanten und lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

 

Tag 255: 18. Juni 2024

Bei neuen Protesten gegen die Regierung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Jerusalem ist es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizisten gekommen. Mindestens drei Menschen seien verletzt und acht weitere am Montagabend festgenommen worden, berichtete die Zeitung "Haaretz". Die Demonstranten forderten Neuwahlen und ein Abkommen, das zur Freilassung der noch verbliebenen israelischen Geiseln aus der Gewalt der islamistischen Hamas führt.

Wenige Stunden zuvor hatte der Regierungschef das Kriegskabinett aufgelöst, das wichtige Entscheidungen hinsichtlich der Kämpfe der israelischen Armee mit der Hamas im Gazastreifen und auch des Konflikts mit der Schiiten-Miliz Hisbollah im Libanon getroffen hatte. Ein hochrangiger Berater von US-Präsident Joe Biden traf sich unterdessen mit Netanjahu, um darüber zu beraten, wie die eskalierenden Spannungen mit der Hisbollah entschärft werden könnten.

Zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen in Jerusalem kam es vor der Privatresidenz Netanjahus. Die Polizei setzte nach Berichten von "The Times of Israel" Wasserwerfer ein, um die Proteste aufzulösen. Zuvor hatten den Berichten zufolge Zehntausende vor dem israelischen Parlament - der Knesset - an einer Grosskundgebung teilgenommen.

Seit Monaten gibt es in Israel immer wieder Massenproteste gegen die Regierung. Netanjahu wird von seinen Gegnern vorgeworfen, auf die Wünsche seiner extremistischen Koalitionspartner einzugehen und deshalb Verhandlungslösungen zu hintertreiben. Er bestreitet das und macht die Unnachgiebigkeit der Hamas für die Stagnation bei den indirekten Verhandlungen verantwortlich. Zuletzt nahm die Intensität der Proteste gegen die Netanjahu-Regierung zu.

Auflösung des Kriegskabinetts

Die Auflösung des Kriegskabinetts erfolgte gut eine Woche nach dem Rückzug von Minister Benny Gantz aus der israelischen Notstandsregierung. Aus Regierungskreisen hiess es, Netanjahu werde kritische Entscheidungen mit Blick auf die aktuellen Konflikte künftig in kleineren Foren besprechen.

Um nach dem Terrorangriff der Hamas und anderer extremistischer palästinensischer Gruppen auf den Süden Israel am 7. Oktober des vorigen Jahres Geschlossenheit zu demonstrieren, war Gantz dem dreiköpfigen Kriegskabinett beigetreten. Der frühere General und Verteidigungsminister erklärte allerdings vor einer Woche wegen Meinungsverschiedenheiten mit Blick auf den Gaza-Krieg seinen Rückzug. Er kritisierte, dass die Regierung keinen Plan für eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen erarbeite.

Bei dem Terrorangriff am 7. Oktober wurden rund 1200 Menschen ermordet und weitere 250 als Geiseln verschleppt. Im Zuge des dadurch ausgelösten Krieges wurden nach - unabhängig nicht überprüfbaren - Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden inzwischen mehr als 37 000 Palästinenser getötet.

Vermittlungsbemühungen im Konflikt Israel-Hisbollah

Der US-Gesandte Amos Hochstein traf sich laut Berichten der "Jerusalem Post" am Montag neben Netanjahu auch mit Gantz, Präsident Isaac Herzog sowie Verteidigungsminister Joav Galant. Der Minister habe einen Lagebericht zu den Entwicklungen an Israels Grenze zum Libanon im Norden gegeben, teilte demnach Galants Büro mit. Er habe "die täglichen Angriffe durch die Hisbollah gegen israelische Gemeinden geschildert" und die Bemühungen der Streitkräfte, die Pläne der "Hisbollah-Terroristen" zu vereiteln.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als acht Monaten hat sich die Lage im Grenzgebiet zum Libanon deutlich verschärft, inzwischen kommt es fast täglich zu Gefechten. Die von Israels Erzfeind Iran unterstützte Hisbollah-Miliz ist mit der Hamas im Gazastreifen verbündet, gilt aber als deutlich schlagkräftiger. Zuletzt verstärkte die Hisbollah ihre Angriffe, nachdem das israelische Militär in der vergangenen Woche einen ihrer Kommandeure gezielt getötet hatte.

Die USA warnen vor einer Ausweitung des Konflikts. "Wir wollen überhaupt keine Eskalation im Norden. Das haben wir der Regierung Israels klargemachte", sagte der Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller, am Montag (Ortszeit). Die Angriffe der Hisbollah seien "untragbar", aus Sicht der USA sollte der Konflikt auf diplomatischem Weg gelöst werden. Nach Medienberichten wollte Hochstein auch zu Gesprächen in den Libanon reisen.

Israels Armee sieht sich vor Erreichen der Kriegsziele in Rafah

Mit Blick auf die Kämpfe in Gaza gab sich die israelische Armee unterdessen zuversichtlich, ihre militärischen Ziele bei der Offensive in der südlichen Stadt Rafah bald zu erreichen. Die Hälfte der Kampfverbände der Hamas sei zerschlagen, 60 bis 70 Prozent des Territoriums der Stadt befänden sich unter "operativer Kontrolle" der israelischen Truppen, teilte die Armee am Montag mit. Es werde nur mehr noch einige Wochen dauern, bis die Militäroperation abgeschlossen sei.

Israels Armee hatte Anfang Mai den Einsatz in Rafah an der Grenze zu Ägypten gestartet. Erklärtes Ziel war die Zerschlagung der letzten Kampfverbände der Hamas. Das Vorhaben war international stark umstritten, weil sich damals mehr als eine Million Palästinenser in Rafah aufgehalten hatten. Die meisten von ihnen waren vor dem Krieg aus anderen Teilen des Gazastreifens dorthin geflohen. Fast alle dieser Menschen flüchteten inzwischen aus der Stadt in ein westlich gelegenes Gebiet, wo sie allerdings nur mit Schwierigkeiten versorgt werden können.

 

 

Tag 254: 17. Juni 2024

14:00

Gut eine Woche nach dem Rückzug von Minister Benny Gantz aus der israelischen Notstandsregierung hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu das Kriegskabinett aufgelöst.

Eine Sprecherin des Regierungschefs bestätigte am Montag Medienberichte über die Auflösung des nach dem Hamas-Terrorangriff vom 7. Oktober gebildeten Gremiums. Aus Regierungskreisen hiess es, Netanjahu werde kritische Entscheidungen mit Blick auf die aktuellen Konflikte künftig in kleineren Foren besprechen.

Das Kriegskabinett traf wichtige Entscheidungen in Bezug auf die Kämpfe im Gazastreifen und auch mit Blick auf den Konflikt mit der libanesischen Schiiten-Miliz Hisbollah. Um nach dem Hamas-Angriff Geschlossenheit zu demonstrieren, war der damalige Oppositionspolitiker Gantz dem dreiköpfigen Kriegskabinett beigetreten. Der frühere General und Verteidigungsminister erklärte allerdings vor einer Woche wegen Meinungsverschiedenheiten mit Blick auf den Gaza-Krieg seinen Rückzug. Er warf Netanjahu "Zögerlichkeit und Zeitschinderei aus politischen Erwägungen" vor und monierte, dass die Regierung keinen Plan für eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen erarbeite.

Mit Gantz zog sich auch Gadi Eisenkot aus dem Kriegskabinett zurück. Der Ex-General war nicht stimmberechtigter Beobachter gewesen. Nach den Rücktritten war bereits mit einer Auflösung des Kriegskabinetts gerechnet worden.

Das Gremium hatte auch als Gegengewicht zu Netanjahus rechtsextremen Koalitionspartnern gedient. Nach Gantz' Rücktritt hatte der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben-Gvir seine Aufnahme in das Kriegskabinett gefordert.

Bei dem Angriff der Hamas und anderer palästinensischer Extremisten aus dem Gazastreifen auf den Süden Israels am 7. Oktober wurden rund 1200 Menschen ermordet und weitere 250 als Geiseln verschleppt. Im Zuge des dadurch ausgelösten Krieges wurden nach - unabhängig nicht überprüfbaren - Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden inzwischen mehr als 37 000 Palästinenser getötet.

 

7.00

Israels Militär warnt vor einer gefährlichen Ausweitung des Konflikts mit der Schiiten-Miliz Hisbollah im Grenzgebiet zum Libanon. Armeesprecher Daniel Hagari warf der Miliz in einer am Sonntagabend veröffentlichten Videoerklärung vor, die Angriffe zu verstärken und damit die Zukunft ihres eigenen Landes zu gefährden. "Die zunehmende Aggression der Hisbollah könnte uns an den Rand einer grösseren Eskalation bringen, die verheerende Folgen für den Libanon und die gesamte Region haben könnte." Zuvor hatte sich bereits die UN-Beobachtermission Unifil, die seit 1978 das Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon überwacht, äusserst besorgt gezeigt ob der zunehmenden Spannungen.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als acht Monaten hat sich die Lage deutlich verschärft, inzwischen kommt es fast täglich zu Gefechten zwischen der israelischen Armee und der Hisbollah. Die von Israels Erzfeind Iran unterstützte Miliz ist mit der islamistischen Hamas im Gazastreifen verbündet, gilt aber als deutlich schlagkräftiger. Zuletzt verstärkte die Hisbollah ihre Angriffe, nachdem das israelischeMilitär in der vergangenen Woche einen ihrer Kommandeure gezielt getötet hatte. Die Lage im Südlibanon gehe "in Richtung Eskalation", hiess es damals aus libanesischen Sicherheitskreisen.

"Schutzschild" für die Hamas

Hagari warf der Hisbollah vor, sie wolle den Libanon zum Schutzschild für die Terror-Organisation Hamas machen. Israel werde nicht zulassen, dass sich die Ereignisse vom 7. Oktober an einer der Grenzen des Landes wiederholten, sagte der Sprecher in Anspielung auf den verheerenden Terrorangriff der Hamas und anderer Gruppen auf den Süden Israels im vergangenen Jahr.

Bei dem Massaker wurde 1200 Menschen ermordet und weitere 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Im Zuge des dadurch ausgelösten Krieges wurden nach - unabhängig nicht überprüfbaren - Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden mehr als 37 000 Palästinenser getötet. Rund 80 Prozent der Bevölkerung sind innerhalb des abgeriegelten Küstenstreifens auf der Flucht.

Israel werde die notwendigen Massnahmen ergreifen, um seine Bürger zu schützen, "bis die Sicherheit entlang unserer Grenze mit dem Libanon wiederhergestellt ist", sagte Hagari. Später betonten die Streitkräfte laut einem Bericht der israelischen Zeitung "Maariv", Hagaris Worte stellten keine Drohung dar. Sie seien vielmehr als Botschaft an die internationale Staatengemeinschaft gedacht.

Gefahr von Fehlkalkulationen

Es bestehe die "sehr reale Gefahr", dass schon eine Fehlkalkulation zu einem weitreichenden Konflikt führen könnte, warnten der Chef der UN-Friedenstruppe im Libanon, Aroldo Lázaro, und die Sonderkoordinatorin für das Land, Jeanine Hennis-Plasschaert, am Samstag in einer gemeinsamen Erklärung. "Wir werden weiter mit den Parteien in Verbindung stehen und rufen alle Akteure auf, ihre Waffen ruhen zu lassen, um auf eine politische und diplomatische Lösung hinzuarbeiten." Das sei die einzige Lösung mit dauerhaften Erfolgsaussichten.

Begrenzte Feuerpause im Süden Gazas

Hagaris Warnung erfolgte nach der Verkündung einer mehrstündigen und räumlich begrenzten Feuerpause im südlichen Gazastreifen durch das israelische Militär. Die "taktische Pause" entlang einer wichtigen Strasse soll demnach mehr Hilfslieferungen in das Küstengebiet ermöglichen. Die Entscheidung wurde den Angaben zufolge nach Beratungen mit den Vereinten Nationen und internationalen Organisationen getroffen.

Die Pause gilt demnach entlang einer Strasse, die vom Grenzübergang Kerem Schalom nach Nordosten führt, beziehe sich jedoch nicht auf die Stadt Rafah an der ägyptischen Grenze, betonte das Militär - dort sollten die Kämpfe weitergehen. Der dortige Grenzübergang, der bis zu Israels militärischem Vorstoss in Rafah die wichtigste Schleuse für Hilfslieferungen war, bleibt geschlossen. Wegen der vielen Toten und der katastrophalen humanitären Lage ist das Vorgehen Israels im Gaza-Krieg international sehr umstritten.

Angespannte Versorgungslage

Die für Palästinenserangelegenheiten zuständige israelische Behörde Cogat teilte am Sonntag mit, mehr als 1000 Lastwagen für den Transport von Hilfsgütern warteten darauf, von der Gaza-Seite des Grenzübergangs Kerem Schalom abgeholt zu werden. Über den Tag hinweg seien nur 92 Fahrzeuge von UN-Hilfsorganisationen abgeholt worden.

Wegen der Kämpfe zwischen Israels Armee und der Hamas hatte das Welternährungsprogramm (WFP) zuletzt vor einer weiteren Verschlechterung der Versorgungslage für die Menschen im südlichen Gazastreifen gewarnt. Demnach könnten sie schon bald unter der gleichen katastrophalen Hunger-Lage leiden wie die Menschen in den nördlichen Gebieten.

 

Tag 252: 15. Juni 2024

Bei Kämpfen in Rafah im südlichen Gazastreifen sind acht israelische Soldaten ums Leben gekommen. Eine Explosion habe sie in ihrem gepanzerten Personentransporter getötet, teilte die Armee am Samstag mit. Den Angaben zufolge war zunächst nicht klar, ob das Fahrzeug auf eine Mine fuhr oder von Kämpfern der islamistischen Hamas direkt angegriffen wurde.

Der gepanzerte Transporter war Teil eines Konvois, der am frühen Samstagmorgen zu einem Gebäude in der Nachbarschaft Tel Sultan fuhr, das das Militär zuvor unter seine Kontrolle gebracht hatte. Bei den Kämpfen in der Nacht zuvor hatten die israelischen Einheiten 50 Milizionäre der Hamas getötet, hiess es in der Mitteilung weiter. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Das israelische Militär führt seit Anfang des vergangenen Monats in Rafah, einer Stadt an der Grenze zu Ägypten, eine Offensive durch. Es will dort nach eigenen Angaben eine der letzten Hochburgen der Hamas und ihrer Verbündeten zerschlagen. Vor einer Woche hatten Einsatzkräfte in Rafah vier israelische Geiseln aus der Gewalt der Islamisten befreit. Insgesamt hält die Hamas im Gazastreifen noch 120 aus Israel entführte Geiseln fest. Viele von ihnen dürften aber schon tot sein.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober im Süden Israels verübt hatten. Auf israelischer Seite wurden dabei mehr als 1200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

 

Tag 251: 14. Juni 2024

Ein Gericht in Israel hat lokalen Medien zufolge eine Verlängerung der staatlich angeordneten Schliessung des arabischen TV-Senders Al-Dschasira um weitere 45 Tage genehmigt. Das zuständige Bezirksgericht in Tel Aviv sah es als erwiesen an, dass es eine enge Verbindung zwischen dem katarischen Sender und der islamistischen Hamas gibt, wie mehrere israelische Medien am Donnerstag meldeten. Das Gericht gab mit der Entscheidung einem Antrag des Kommunikationsministers Schlomo Karhi statt.

Vor rund einer Woche hatten die Richter bereits die Schliessung des Senders durch die Regierung für 35 Tage bestätigt. Sie sahen es als erwiesen an, dass das Medium wegen seiner Nähe zur Hamas eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt.

Der israelische Kan-Sender meldete am Donnerstag unter Berufung auf das Gericht, dass vertrauliche Dokumente die Schlussfolgerung untermauerten, dass die Hamas den Sender als Propagandainstrument betrachte. Al-Dschasira habe unter anderem in einem Bericht erklärt, wie gepanzerte Mannschaftstransportwagen der israelischen Armee zerstört werden, um Soldaten des Landes zu schaden. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Der katarische Sender war auf Anweisung der Regierung hin Anfang Mai in Israel geschlossen worden. Kabel- und Satellitenanbieter nahmen den Sender aus dem Netz, seine Webseiten im Internet wurden blockiert. Al-Dschasira wies Vorwürfe der Voreingenommenheit zurück, verurteilte die Entscheidung und kündigte an, dagegen vorzugehen.

Tag 250: 13. Juni 2024

Bei den indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der islamistischen Hamas über eine Beilegung des Gaza-Kriegs kristallisiert sich der Beginn der dauerhaften Waffenruhe als grösster Streitpunkt heraus. Die Hamas bestehe von Anfang an auf einen dauerhaften Waffenstillstand, berichtete die Zeitung "The Times of Israel" am Donnerstag unter Berufung auf zwei mit der Angelegenheit befasste Funktionäre. Israels Regierung hingegen will zunächst nur eine vorübergehende Waffenruhe, während der weitere Geiseln freigelassen werden sollen.

Die Hamas befürchte, dass die israelischen Streitkräfte ohne die Garantie eines dauerhaften Waffenstillstands die Kämpfe nach der Freilassung einiger der im Gazastreifen verbliebenen Geiseln wieder aufnehmen könnten, hiess es in dem Bericht weiter. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat bereits mehrfach erklärt, der Krieg könne aus seiner Sicht nicht beendet werden, bevor die Ziele seiner Regierung - wie die Zerschlagung der militärischen Kapazitäten der Hamas - nicht erreicht seien.

Ende Mai hatte US-Präsident Joe Biden überraschend einen dreistufigen Plan für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg vorgestellt. Der Plan sieht vor, dass eine vorübergehende Feuerpause eingehalten wird und währenddessen weibliche, alte und kranke israelische Geiseln freikommen. Im Gegenzug würden in Israel inhaftierte Palästinenser freigelassen. In der nächsten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln auf freien Fuss kommen. In einer letzten Phase soll dem Entwurf zufolge der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.

Der UN-Sicherheitsrat sprach sich bereits für den Vorschlag aus und nahm zuletzt eine entsprechende Resolution an. Die Hamas legte nun eine Reihe von Änderungsvorschlägen vor. Aber auch die israelische Regierung hat dem US-Plan bislang nicht klar zugestimmt.

Laut einem Bericht des israelischen Fernsehsenders Channel 13 fordert die Hamas auch, dass der Wiederaufbau des Gazastreifens bereits in der ersten Phase beginnt und Israel kein Veto gegen die Auswahl der freizulassenden palästinensischen Häftlinge einlegen darf. "Das ist die extremste Antwort, die die Hamas hätte geben können", zitierte der Sender einen israelischen Beamten. "Unter diesen Bedingungen ist es schwer, eine Verhandlung zu beginnen."

Blinken über Änderungsvorschläge: "Einige sind umsetzbar, einige nicht"

US-Aussenminister Antony Blinken hatte bereits am Mittwoch in Doha die Änderungsvorschläge der Hamas als teilweise unrealistisch bezeichnet. "Einige der Änderungen sind umsetzbar, einige nicht", sagte er nach einem Treffen mit seinem katarischen Kollegen Mohammed bin Abdulrahman Al Thani. Konkreter wurde Blinken dabei nicht. Katar sei entschlossen, die "Kluft zu überbrücken" und Israel und die Hamas einem Kriegsstopp näherzubringen, sagte Al Thani. "Wir hoffen, dass diese Phase so kurz wie möglich sein wird." Katar und die USA treten wie auch Ägypten als Vermittler auf, weil Israel und die Hamas nicht direkt miteinander verhandeln.

Hitze, Hunger, Gewalt: Details über Geiselhaft im Gazastreifen kommen ans Licht

Die vor wenigen Tagen aus der Gefangenschaft der Hamas befreiten Männer waren in den vergangenen Monaten im Gazastreifen schweren Misshandlungen ausgesetzt. Die Mutter der Geisel Andrey Kozlov schilderte dem israelischen Sender Kan, ihr Sohn sei gefoltert worden, zwei Monate lang gefesselt gewesen und an sehr heissen Tagen absichtlich mit vielen Decken zugedeckt worden. Einen Wächter habe er als besonders grausam beschrieben. Kozlov habe zeitweise kaum zu essen gehabt und sei wie seine Mitgefangenen schweren psychischen Misshandlungen ausgesetzt gewesen, sagte seine Freundin dem israelischen Sender Channel 12. Einige Dinge, die er erlebt habe, werde er seiner Mutter nie erzählen.

WHO warnt vor katastrophalem Hunger im Gazastreifen

Angesichts der dramatischen Versorgungslage im Gazastreifen warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor einer weiteren Verschärfung der humanitären Krise. Viele Menschen in dem Gebiet seien "katastrophalem Hunger" ausgesetzt und lebten unter Bedingungen, die einer Hungersnot glichen, sagte WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus. Bei über 8000 Kindern unter fünf Jahren sei akute Mangelernährung festgestellt worden. Aussicht auf Besserung bestehe kaum, sagte er: "Trotz der Berichte über eine verstärkte Lieferung von Lebensmitteln gibt es derzeit keine Anzeichen dafür, dass die Bedürftigen in ausreichender Menge und Qualität mit Lebensmitteln versorgt werden."

 

 

Tag 249: 12. Juni 2024

Elf Tage nach der Vorstellung eines Fahrplans zu einer dauerhaften Waffenruhe im Gazastreifen hat die islamistische Terrororganisation Hamas nach eigenen Angaben ihre Antwort auf den Vorschlag von US-Präsident Joe Biden übermittelt. Die Hamas und die kleinere militante Gruppe Palästinensischer Islamischer Dschihad bekundeten in einer gemeinsamen Erklärung an die katarischen und ägyptischen Vermittler am Dienstagabend zudem, sich "positiv zu verhalten", um eine Einigung zur Beendigung des Kriegs zu erzielen.

Der genaue Inhalt ihrer Antwort blieb zunächst unklar. In der Erklärung hiess es lediglich, die Priorität für Hamas und Islamischen Dschihad bestehe darin, dass der Krieg im Gazastreifen vollständig beendet wird und sich Israels Armee komplett zurückzieht. "Wir haben die Antwort, die die Hamas an Katar und Ägypten übermittelt hat, erhalten", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby. "Wir werten sie nun aus."

Ende Mai hatte US-Präsident Joe Biden überraschend einen dreistufigen Plan für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg vorgestellt. Der Plan sieht vor, dass eine vorübergehende Waffenruhe eingehalten und währenddessen eine bestimmte Gruppe israelischer Geiseln freigelassen wird. Im Gegenzug würden in Israel inhaftierte Palästinenser freikommen. In der nächsten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen. In einer letzten Phase soll dem Entwurf zufolge der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.

Den USA zufolge hat nur die Hamas dem Plan bislang nicht zugestimmt. Eine klare und öffentliche Zustimmung gibt es bislang aber auch von der israelischen Regierung nicht. Der UN-Sicherheitsrat hat sich inzwischen für den Vorschlag ausgesprochen und zuletzt eine entsprechende Resolution angenommen.

US-Aussenminister Blinken nimmt Hamas in die Pflicht

US-Aussenminister Antony Blinken rief die Hamas dazu auf, dem Vorschlag zuzustimmen. "Es gibt nur eine Sache, die dem Zustandekommen dieses Abkommens im Wege steht, und das ist die Hamas", sagte er in Jordanien auf einer Regierungskonferenz zur Lage im Gazastreifen. "Deshalb ist meine erste und wichtigste Botschaft an jede Regierung, an jede multilaterale Institution, an jede humanitäre Organisation, die das grosse Leid in Gaza lindern will: Bringt die Hamas dazu, das Abkommen anzunehmen. Drängt sie öffentlich. Drängt sie privat."

Sechs Tote bei israelischem Militäreinsatz bei Dschenin

Bei einem israelischen Militäreinsatz nahe Dschenin im Westjordanland wurden unterdessen nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Ramallah mindestens sechs Menschen getötet. Laut Darstellung des israelischen Militärs hatte eine Spezialeinheit eine Razzia im Ort Kafr Dan nördlich von Dschenin durchgeführt. Bewaffnete Palästinenser nahmen die Soldaten demnach unter Feuer, das die Truppen erwiderten. Bei dem Gefecht erhielten sie Unterstützung von einem Kampfhubschrauber. Während des Einsatzes hätten die Soldaten ein Gebäude umstellt, das nach Armee-Angaben von Terroristen genutzt wurde. In dem Gebäude und dessen Umfeld kam es demnach zum Schusswechsel. Zahlreiche Waffen und Sprengstoff seien dort gefunden worden. Die Angaben zum Kriegsgeschehen liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

 

 

Tag 248: 11. Juni 2024

Die dramatische Befreiung von vier Geiseln aus dem Gazastreifen hat dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu einen seltenen PR-Erfolg beschert. Doch der Aufwind war nur von kurzer Dauer.

Mit dem Rücktritt von Minister Benny Gantz und dem Ende der nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober gebildeten Notstandsregierung steigt der Druck auf den 74-jährigen Regierungschef. Mehr als acht Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs erscheint der von ihm propagierte "totale Sieg" über die islamistische Terrororganisation Hamas in weiter Ferne, während Israel international immer mehr zum Paria-Staat zu werden droht.

Feigenblatt für internationale Kontakte

Gantz und Ex-Generalstabschef Gadi Eisenkot, der als Beobachter mit im Kriegskabinett sass, hätten Netanjahu als bequemes Feigenblatt gedient, gerade in den Kontakten mit den USA und Europa, schrieb ein Kommentator der linksliberalen israelischen Zeitung "Haaretz" am Montag. "Wenn ranghohe US-Repräsentanten nach Israel kamen und sie trafen, sind sie mit dem Gefühl gegangen, dass die Lage nicht komplett verloren ist." Gantz hatte der am weitesten rechtsstehenden Regierung in Israels Geschichte als "verantwortlicher Erwachsener" zu einem etwas moderateren Ansehen verholfen.

Nun kehrt Netanjahus rechtsreligiöses Kabinett wieder zu seiner vorherigen Grösse von 64 der 120 Abgeordneten im Parlament zurück. "Die „voll rechte“ Regierung, die hier Zerstörungen biblischen Ausmasses angerichtet hat", schrieb der Kommentator. "Fortan muss sich der Vorsitzende der Regierung des Versagens und des Massakers mit den Engeln der Zerstörung auseinandersetzen, die er in die Regierung aufgenommen hat."

Allein mit den Rechtsextremen

Ohne gemässigtes Gegengewicht innerhalb der Regierung können Netanjahus rechtsextreme Partner noch stärker und ungehindert auftrumpfen. Polizeiminister Itamar Ben-Gvir forderte direkt nach Gantz' Rücktritt, mit in das Kriegskabinett aufgenommen zu werden - das gegenwärtig wichtigste Entscheidungsgremium in Israel. Es wird jedoch erwartet, dass Netanjahu das Kriegskabinett auflöst und nur das sogenannte Sicherheitskabinett belässt.

Ben-Gvir und der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich verfolgen höchst umstrittene Ziele wie etwa eine israelische Wiederbesiedlung des Gazastreifens. Sie haben Netanjahu mit dem Platzen der Koalition gedroht, sollte Israeldas von US-Präsident Joe Biden unterstützte Abkommen für eine Feuerpause und die Befreiung der Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge umsetzen. Das politische Überleben Netanjahus, gegen den seit Jahren ein Korruptionsprozess läuft, hängt aber von diesen Partnern ab, die Analysten regelmässig als politische "Brandstifter" beschreiben.

Blinken kämpft weiter für eine Gaza-Waffenruhe

US-Aussenminister Antony Blinken bemüht sich bei einem neuen Besuch in der Region weiter um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und die Freilassung der 120 verbliebenen Geiseln. Der israelische Rundfunk berichtete am Montag, die US-Regierung habe die Sorge, die Befreiungsaktion am Samstag, bei der nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde weit über 200 Palästinenser getötet wurden, könnte die Bemühungen um eine Waffenruhe weiter erschweren.

Ausserdem mehren sich die Warnungen vor einer Explosion der angespannten Lage im Westjordanland, wo es fast täglich Berichte von Anschlagsversuchen von Palästinensern, Toten bei Razzien des israelischen Militärs und Siedlergewalt gibt.

Krieg mit der Hisbollah könnte alles in den Schatten stellen

Am gefährlichsten ist aber wohl der Konflikt mit der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah, der stetig weiter eskaliert. Immer grösser werden die Zerstörungen durch gegenseitigen Beschuss auf beiden Seiten der Grenze. Ein "echter" Krieg mit der Hisbollah könnte alles, was seit dem 7. Oktober passiert ist, noch weit in den Schatten stellen. Die libanesische Miliz verfügt über ein riesiges Raketenarsenal und gilt als deutlich schlagkräftiger als die Hamas.

Im Kriegsfall drohen ein massiver Raketenhagel auf Städte in Israels Norden und Zentrum, einschliesslich von Tel Aviv, sowie massive Zerstörungen im ohnehin gebeutelten Libanon. Ein Krieg mit der Hisbollah könnte sich zudem in einen regionalen Krieg auch mit iranischer Beteiligung verwandeln. Zudem könnten die USA dann hereingezogen werden.

Israel will durch militärischen und diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Hisbollah wieder hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es die UN-Resolution 1701 vorsieht. Es wird aber nicht damit gerechnet, dass die Hisbollah das Feuer einstellt, solange der Gaza-Krieg andauert.

Wie stehen die Chancen für eine Waffenruhe?

Wie geht es nun weiter? Nach Informationen von "Haaretz" soll der Einsatz in Rafah im Süden des Gazastreifens gegen Ende des Monats abgeschlossen sein. Anschliessend werde man sagen können, dass die Armee allen 24 Bataillonen der Hamas im Gazastreifen erheblichen Schaden zugefügt habe. Der militärische Hamas-Arm werde dann nicht mehr als "geordnete Terror-Armee" funktionieren können. Theoretisch öffne dies ein Gelegenheitsfenster für einen Deal über die Freilassung von Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge.

Eine Waffenruhe in Gaza könne auch den Weg ebnen für eine Einigung mit der Hisbollah im Norden. "Alles hängt natürlich vom Willen der Führungen Israels und der Hamas ab. Momentan scheint es auf beiden Seiten keinen starken Willen zu geben", schrieb "Haaretz".

Positionen Israels und der Hamas sind verhärtet

Während Netanjahu gebetsmühlenartig das Mantra vom "totalen Sieg" über die Hamas wiederholt, beharrt die islamistische Terrororganisation auf ihrer Forderung nach einem vollständigen Ende des Krieges als Bedingung für einen Geisel-Deal.

Aus Sicht des Hamas-Chefs Jihia al-Sinwar lohnt es sich, auf Zeit zu spielen. Er kann darauf bauen, dass der internationale Druck auf Israel angesichts der schlimmen humanitären Lage in dem Küstenstreifen weiter steigen wird. Und darauf, dass die internationale Gemeinschaft Israel letztlich dazu zwingen könnte, den Krieg zu beenden – ohne dass die Hamas Konzessionen machen muss. In diesem Fall könnte die Hamas sich als klarer Sieger darstellen – trotz des katastrophalen Preises, den die palästinensische Zivilbevölkerung für den von der Hamas ausgelösten Krieg zahlen musste.

 

Tag 247:  10. Juni 2024

Wegen Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft des Gazastreifens verlässt Minister Benny Gantz die in Israel nach dem Terroranschlag der islamistischen Hamas vom 7. Oktober gebildete Notstandsregierung. Gantz verkündete dies am Sonntagabend vor Journalisten. "Wir verlassen heute die Notstandsregierung, mit schwerem, aber von ganzem Herzen", sagte er. Gantz war bislang auch Mitglied des wichtigen Kriegskabinetts.

Der 65-jährige Ex-Verteidigungsminister Gantz warf Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und dessen Vertrauten "Zögerlichkeit und Zeitschinderei aus politischen Erwägungen" vor. Gantz forderte, Israel müsse alles unternehmen, um das von US-Präsident Joe Biden unterstützte Abkommen für eine Feuerpause und die Befreiung der Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge umzusetzen. Israel müsse sich auf jahrelange Kämpfe einstellen, warnte er. Gantz entschuldigte sich bei den Angehörigen der Geiseln. Es sei bisher nicht gelungen, die Entführten zurückzuholen - auch er trage einen Teil der Verantwortung dafür. Ausserdem sprach Gantz sich für "ein regionales Bündnis gegen den Iran mit den USA und der westlichen Welt" aus. Er forderte von Netanjahu, einen Termin für Neuwahlen festzulegen. Netanjahu schrieb als Reaktion zu Gantz' Erklärung auf der Plattform X: "Israel befindet sich an mehreren Fronten in einem existenziellen Krieg. Benny, das ist nicht die richtige Zeit, den Kampf aufzugeben." Gantz hatte seinen Kabinettsaustritt bereits angedroht, sollte von der Regierung Netanjahu kein Plan für eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen erarbeitet werden. Das von Gantz vor einigen Wochen an Netanjahu gestellte Ultimatum in der Sache war am Samstag ausgelaufen. Wegen der dramatischen Befreiung von vier Geiseln aus dem Gazastreifen am gleichen Tag verschob er jedoch eine geplante Pressekonferenz in letzter Minute. Der Austritt aus der von Netanjahu geführten Regierung betrifft laut Gantz auch weitere Mitglieder seiner Partei Nationale Union. Israels Führung wird er mit dem Schritt aber nicht stürzen. Denn Netanjahus rechtsreligiöses Kabinett verfügt auch ohne Gantz' Partei weiterhin über eine Mehrheit von 64 von 120 Sitzen im Parlament. Der ehemalige General Gantz war nach dem beispiellosen Angriff der Hamas und anderer Terrorgruppen am 7. Oktober als Minister ohne Ressort in Netanjahus Regierung eingetreten, um ein Zeichen der Geschlossenheit setzen. An sich ist die von Gantz geführte Zentrumspartei Nationale Union in der Opposition. Netanjahu bildete auch ein Kriegskabinett mit Verteidigungsminister Joav Galant, Gantz sowie zwei Beisitzern ohne Stimmrecht. Der Einfluss von Netanjahus ultrarechten Koalitionsmitgliedern wurde somit bei der Mitbestimmung über die wichtigsten Kriegsentscheidungen begrenzt. Gantz' Schritt könnte Berichten zufolge zu einer Auflösung des Kriegskabinetts führen.

Netanjahu hatte Gantz noch am Samstagabend dazu aufgefordert, nicht zu gehen. "Verlassen Sie die Notstandsregierung nicht. Geben Sie die Einheit nicht auf", schrieb er auf der Plattform X an Gantz gerichtet.

Die "Times of Israel" schrieb, Netanjahu sei ohne Gantz' Unterstützung noch anfälliger für die Forderungen seiner rechtsreligiösen Koalitionspartner, die etwa ein noch härteres Vorgehen gegen die Hamas im Gazastreifen forderten. Das Blatt mutmasste, dass Israels Führung so noch schneller internationale Unterstützung verlieren könnte. Gantz hatte der am weitesten rechtsstehenden Regierung in Israels Geschichte als "verantwortlicher Erwachsener" ein etwas moderateres Ansehen verschafft.

Medien zufolge wollten die USA, dass Gantz im Kabinett bleibt, solange die Verhandlungen um ein Abkommen für eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln mit der Hamas andauerten. Da Netanjahus Koalitionspartner gegen einen Deal sind, wäre Gantz‘ Anwesenheit in der Notstandsregierung für den Erfolg eines Abkommens von grosser Bedeutung, so die Logik.

Der einstige Generalstabschef Gantz hatte jüngst moniert, wichtige Entscheidungen der Führung, um den Sieg im Gazastreifen zu sichern, seien nicht getroffen worden. "Eine kleine Minderheit hat die Kommandobrücke des israelischen Staatsschiffes übernommen und steuert es auf die Klippen zu", sagte Gantz mit Blick auf Netanjahus Koalitionspartner.

Gantz forderte unter anderem die Festlegung einer amerikanisch-europäisch-arabisch-palästinensischen Regierungsalternative im Gazastreifen. Keinesfalls könnten dies die Hamas oder Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sein, meinte er. Die USA wiederum setzten auf die im Westjordanland regierende und von Abbas geführte Palästinensische Autonomiebehörde (PA) für die Zeit nach dem Krieg. Die PA soll nach Willen Washingtons umgestaltet werden und dann auch im Gazastreifen wieder die Kontrolle übernehmen. Netanjahu lehnt dies ab. Die Hamas hatte die PA 2007 gewaltsam aus dem Gazastreifen vertrieben.

Auch aus der Armee kamen zuletzt Klagen, dass Soldaten mangels einer politischen Strategie für die Zeit nach dem Krieg immer wieder an Orten im Gazastreifen kämpfen müssen, aus denen sich das Militär eigentlich bereits wieder zurückgezogen hatte.

Regierungschef lässt Zukunft des Gazastreifens im Ungewissen

Netanjahu weigert sich bislang aber, einen Plan für Verwaltung und Wiederaufbau des Gazastreifens nach Beendigung des Krieges vorzulegen, wohl auch um seine ultrarechten Koalitionspartner nicht vor den Kopf zu stossen. Diese verfolgen Ziele wie einen höchst umstrittenen israelischen Siedlungsbau im Gazastreifen. Netanjahus politisches Überleben hängt aber von ihnen ab.

Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen aus dem Gazastreifen waren am 7. Oktober überraschend in den Süden Israels eingedrungen. Dort töteten mehr als 1200 Menschen und nahmen über 250 Geiseln. Das Massaker löste den Gaza-Krieg aus. Seither wurden nach Angaben der Gesundheitsbehörde mehr als 37 000 Palästinenser getötet und rund weitere 84 500 verletzt. Diese Angaben, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, lassen sich nicht unabhängig verifizieren.

Israels Armee steht wegen ihres Vorgehens im Gazastreifen und der hohen Zahl ziviler Opfer international stark in der Kritik. Die humanitäre Lage für die mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen ist Hilfsorganisationen zufolge verheerend.

Medien mutmassten, Grund für Gantz' Rückkehr in die Opposition könne auch seine sinkende Popularität sein. Viele Monate hatte seine Partei in Meinungsumfragen weit vor Netanjahus Likud-Partei gelegen. Inzwischen würde laut einigen Umfragen aber erstmals seit Kriegsbeginn vor rund acht Monaten eine knappe Mehrheit Netanjahu gegenüber Gantz im Amt des Ministerpräsidenten bevorzugen. Auch der Vorsprung seiner Partei gegenüber Netanjahus schrumpfte zuletzt.

Kommandeur der Gaza-Division erklärt Rücktritt

Der Kommandeur der Gaza-Division der israelischen Armee hat wegen Versagens am 7. Oktober, dem Tag des Hamas-Massakers in Israel, seinen Rücktritt erklärt. Brigadegeneral Avi Rosenfeld veröffentlichte am Sonntag ein entsprechendes Schreiben. "Am 7. Oktober bin ich an der Aufgabe meines Lebens, das Gaza-Grenzgebiet zu schützen, gescheitert", schrieb Rosenfeld in dem Brief. Er werde daher als Kommandeur zurücktreten und die Armee verlassen. Der Schritt soll aber erst in Kraft treten, wenn ein Nachfolger gefunden wird.

Im April hatte bereits der Chef des Militärgeheimdienstes, Aharon Chaliva, seinen Rücktritt erklärt. Auch IsraelsVerteidigungsminister Joav Galant und der Chef des Inlandsgeheimdienstes, Ronen Bar, hatten Verantwortung dafür eingeräumt, dass der blutige Terrorangriff der islamistischen Terrororganisation Hamas mit mehr als 1200 Toten passieren konnte. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat dagegen noch keine persönliche Verantwortung übernommen.

Tag 246: 9. Juni 2024

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat Minister Benny Gantz aufgefordert, in der Notstandsregierung zu verbleiben. Nach dem verheerenden Hamas-Angriff vom 7. Oktober vergangenen Jahres war der damalige Oppositionspolitiker Gantz, ein früherer Generalstabschef des israelischenMilitärs, Netanjahus Kriegskabinett beigetreten.

"Verlassen Sie die Notstandsregierung nicht. Geben Sie die Einheit nicht auf", schrieb Netanjahu am Samstagabend auf der Plattform X an Gantz gerichtet. "Dies ist die Zeit der Einheit und nicht der Spaltung. Wir müssen angesichts der grossen Aufgaben, die vor uns liegen, unter uns geschlossen bleiben."

Gantz hatte für Samstagabend ursprünglich eine Pressekonferenz anberaumt. Nach der Befreiung von vier Geiseln aus dem Gazastreifen sagte er diese aber ab. Es war erwartet worden, dass Gantz seine Rückkehr in die Opposition verkünden würde. Er hatte den Schritt zuvor bereits angedroht, falls kein Plan für eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen erarbeitet werden sollte. Sein an Netanjahu gestelltes Ultimatum lief am Samstag aus. Gantz ist derzeit Minister ohne Ressort, aber Mitglied des wichtigen Kriegskabinetts.

Netanjahus rechtsreligiöses Kabinett würde auch ohne Gantz' Partei weiterhin über eine Mehrheit von 64 von 120 Sitzen im Parlament verfügen.

Netanjahu hat bislang keinen Plan für Verwaltung und Wiederaufbau des Gazastreifens nach einer Beendigung des Kriegs vorgelegt. Medienberichten zufolge gab es bislang keine Bemühungen der Koalitionsparteien, die Kluft zu Gantz zu überbrücken und sicherzustellen, dass er in der Regierung bleibt.

Israelischen Medien zufolge erwiderte Gantz auf Netanjahus Worte, die Herausforderungen, vor denen Israel stehe, seien trotz des Erfolgs der Geiselbefreiung gleich geblieben. An den Ministerpräsidenten und seine Regierung gerichtet sagte er demnach, sie müssten verantwortungsvoll darüber nachdenken, wie es weitergehen könne. Ob er in der Regierung bleiben wird, blieb dabei zunächst unklar.

 

Tag 244: 7. Juni 2024

Der Führer der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, lehnt einem US-Medienbericht zufolge ein Waffenruhe-Abkommen mit Israelab, das eine Entwaffnung seiner Terrormiliz vorsehen würde. "Die Hamas wird nicht ihre Waffen abgeben, noch wird sie ein Abkommen unterzeichnen, das dies verlangt", soll Al-Sinwar, der sich an einem unbekannten Ort im Gazastreifen aufhält, gesagt und den Verhandlern seiner Organisation aufgetragen haben. Dies berichtete die US-Zeitung "Wall Street Journal" (Online-Ausgabe) am Donnerstagabend unter Berufung auf arabische Vermittler, die in Kontakt mit den Hamas-Verhandlern stehen.

Seit Monaten laufen Bemühungen, durch indirekte Verhandlungen Israel zu einer Waffenruhe im Gazastreifen und die Hamas zur Freilassung israelischer Geiseln aus ihrer Gewalt zu bewegen. Dabei vermitteln Diplomaten und Geheimdienstbeamte aus Ägypten, Katar und den USA.

Auf dem Tisch liegt derzeit ein Plan von US-Präsident Joe Biden. Dieser sieht zunächst eine vollständige und uneingeschränkte Waffenruhe von sechs Wochen vor. In diesem Zeitraum würde eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen. Im Gegenzug würden Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. In der nächsten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen. In einer letzten Phase soll dem Entwurf zufolge der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.

Die Hamas begegnet dem Plan mit Zurückhaltung. Sie sieht darin ihre Forderung nach einem sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand und dem kompletten Abzug des israelischen Militärs aus dem Gazastreifen nicht gebührend berücksichtigt. Es gebe Befürchtungen, dass Israel unter diesen Vorzeichen "wie üblich manövrieren" würde, sagte eine mit den Gesprächen vertraute Person der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag.

 

Tag 243: 6. Juni 2024

Während sich die Sicherheitslage an der Nordgrenze Israelsweiter zuspitzt, hat das israelische Militär eine Hamas-Stellung in einer Schule im Gazastreifen aus der Luft angegriffen. Dabei seien mehrere Kämpfer der Islamistenorganisation getötet worden, die Terroranschläge und Angriffe auf israelische Truppen geplant hätten, teilte die Armee am Donnerstag mit. Palästinensischen Medienberichten zufolge kamen bei dem Luftangriff 27 Menschen ums Leben. Bei einer Drohnenattacke der schiitischen Hisbollah-Miliz aus dem Libanon waren zuvor elf Menschen im Norden Israels verletzt worden.

Die Stellung in der vom UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA betriebenen Schule in Nuseirat diente laut Darstellung des israelischen Militärs als Basis für Einheiten der Hamas und der Terrororganisation Islamischer Dschihad, die ebenfalls an dem Massaker am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel beteiligt gewesen war. Israel wirft der Hamas immer wieder vor, im Gazakrieg aus zivilen Einrichtungen heraus zu operieren und Zivilisten damit wissentlich in Gefahr zu bringen oder sie gar bewusst als Schutzschild zu missbrauchen.

Elf Verletzte bei Drohnenangriff auf Ort im Norden Israels

Bei dem Drohnenangriff in der nordisraelischen Ortschaft Hurfesch gab es am Mittwoch einen Schwerverletzten, drei Menschen erlitten mittelschwere und sieben weitere leichte Verletzungen, wie der Chef der Rettungsorganisation Magen David Adom dem Fernsehsender Channel 12 sagte. Die von IsraelsErzfeind Iran unterstützte Hisbollah reklamierte den Angriff für sich. Die israelischen Streitkräfte griffen daraufhin Stellungen der Miliz im Süden des Libanons an.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu betonte angesichts der militärischen Spannungen die Kampfbereitschaft der israelischen Armee. "Wer glaubt, er könne uns schaden und wir würden darauf mit Nichtstun reagieren, macht einen grossen Fehler", sagte Netanjahu bei einem Besuch in dem besonders vom Beschuss aus dem Nachbarland betroffenen Ort Kirjat Schmona, wo er Soldaten und Feuerwehrleute traf.

Pentagon: US-Hafen vor Gaza womöglich bis Ende der Woche repariert

Derweil sollte die vom US-Militär errichtete provisorische Anlegestelle an der Küste des Gazastreifens nach Einschätzung des Pentagon bald wieder den Betrieb aufnehmen können. "Wir hoffen, dass wir den Pier in Gaza Ende der Woche wieder verankern können", sagte die Sprecherin des US-Verteidigungsministeriums, Sabrina Singh. Sobald das geschehen sei, könnten Hilfslieferungen "ziemlich sofort" wieder in den Gazastreifen gebracht werden. Der an der Küste verankerte Pier war Ende Mai nur wenige Tage nach Fertigstellung des provisorischen Hafens bei rauem Seegang schwer beschädigt worden.

Tausende national-religiöse Juden marschieren durch Jerusalem

Inmitten der höchst angespannten Lage wegen des Gaza-Kriegs zogen am Mittwoch Tausende national-religiöse Juden durch Jerusalem. Der jährliche "Marsch der Fahnen", der die Eroberung Ost-Jerusalems im Zuge des Sechs-Tage-Kriegs 1967 feiert, verläuft auch durch hauptsächlich von Palästinensern bewohnte Viertel. Kritiker in Israel werfen den Veranstaltern vor, mit dem Marsch durch diese Viertel der Altstadt deren Bevölkerung unnötig zu provozieren. Grosse Polizeiaufgebote trennten dort am Mittwoch Teilnehmer des Marsches und Palästinenser, wie israelische Medien berichteten. Einige der national-religiösen Juden griffen eine Gruppe von Journalisten an, die für arabische und israelische Medien berichteten. Unter anderem schlugen Demonstranten auf einen israelischenReporter der liberalen Zeitung "Haaretz" ein, der sich schützend vor andere Kollegen gestellt hatte.

Israelische Streitkräfte bauen Schutzeinheit an Grenze zum Gazastreifen auf

Unterdessen bauen die israelischen Streitkräfte entlang der Grenze zum Gazastreifen eine neue Einheit zum Schutz der dortigen Ortschaften auf. Zu der Truppe gehören in der Region lebende Reservisten und Veteranen aus Spezialeinheiten, wie das Militär am Mittwoch mitteilte. Im Grenzgebiet zum Gazastreifen hatte sich am 7. Oktober das schlimmste Massaker in der Geschichte des Staates Israel ereignet. Damals drangen Kämpfer der Hamas und anderer extremistischer Gruppen aus dem abgeriegelten Küstengebiet nach Israel ein, töteten mehr als 1200 Menschen und verschleppten über 250 Geiseln in den Gazastreifen

 

Tag 242: 5. Juni 2024

Nach dem von US-Präsident Joe Biden bekannt gemachten Plan für ein Abkommen zur Beendigung des Gaza-Krieges will sich Israels wichtigster Verbündeter die Rückendeckung des Weltsicherheitsrates sichern. Die USA brachten am Montag eigenen Angaben zufolge eine entsprechende Resolution ein. Der Rat müsse mit einer Annahme der Beschlussvorlage darauf bestehen, dass die islamistische Hamas das Abkommen inklusive der Freilassung der Geiseln akzeptiere. Die G7-Gruppe stellte sich demonstrativ hinter das von Biden vorgestellte Angebot für ein Abkommen, dem Israel bereits zugestimmt haben soll. Man unterstütze den Plan "voll und ganz", da er zu einem dauerhaften Ende der Krise führe, hiess es in einer am Abend veröffentlichten Mitteilung der italienischen G7-Präsidentschaft.

Netanjahu: Keine Waffenruhe ohne Erfüllung unserer Bedingungen

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu weckte jedoch Zweifel, ob es zu einer Einigung mit der Hamas kommen wird. "Die Behauptung, dass wir einer Waffenruhe zugestimmt haben, ohne dass unsere Bedingungen erfüllt werden, ist nicht richtig", sagte Netanjahu am Montag nach Angaben seines Büros zu Bidens Vorstoss. Ein ranghoher israelischer Beamter sagte dem Sender NBC News, Biden habe Israels Vorschlag "nicht akkurat" wiedergegeben. Biden selbst sieht ihn jedoch als "bestmögliche Gelegenheit für eine Einigung" in den festgefahrenen Verhandlungen. Der US-Präsident habe im Telefonat mit dem katarischen Emir Tamim bin Hamad al-Thani die Bereitschaft Israels bekräftigt, sich auf die Bedingungen einzulassen, die der Hamas jetzt angeboten worden seien, teilte das Weisse Haus mit.

Israel: Vier Geiseln in Hamas-Gefangenschaft getötet

Netanjahu hatte allerdings am Samstag deutlich gemacht, dass sich Israels Bedingungen für ein Ende des Krieges nicht geändert hätten: die Zerstörung der Hamas und die Freilassung aller Geiseln. Vier von der Hamas entführte Geiseln sind nach israelischen Informationen in der Gefangenschaft getötet worden. Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari teilte am Montag mit, die vier Männer seien vor mehreren Monaten in Chan Junis im Süden des Gazastreifens ums Leben gekommen. Die genauen Umstände waren zunächst unklar. Es wird befürchtet, dass ein Grossteil der 124 Geiseln, die noch in Gaza festgehalten werden, tot ist.

Seit Wochen vermitteln die USA, Katar und Ägypten zwischen Israel und der Hamas, um eine Feuerpause und einen Austausch der Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zu erreichen. Am Freitag hatte Biden dann überraschend Details eines Entwurfs für einen Deal in drei Phasen präsentiert. Netanjahus rechtsreligiöse Koalitionspartner drohen seither mit dem Platzen der Koalition, sollte sich Israel auf den Deal einlassen. Netanjahu habe am Montag im Parlament hinter verschlossenen Türen gesagt, der Wortlaut des Vorschlags ermögliche es Israel, die Kämpfe wiederaufzunehmen, falls Gespräche über eine dauerhafte Waffenruhe in einer späteren Phase nicht vorankommen, zitierte das "Wall Street Journal" einen Beamten.

USA: Israels Angebot Ergebnis intensiver Diplomatie

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats des Weissen Hauses, John Kirby, betonte am Montag, dass es sich bei dem auf dem Tisch liegenden Vorschlag um einen der israelischen Seite handele und er "das Ergebnis intensiver Diplomatie" sei. Biden habe "ihn treffend beschrieben und jetzt liegt es an der Hamas, ihn anzunehmen". Israelische Beamte befürchteten, dass Netanjahus jüngste Äusserungen die "konstruktive Zweideutigkeit" in dem Vorschlag sabotieren könnten, schrieb das Nachrichtenportal "Axios". Die Formulierung des Vorschlags ermögliche es beiden Seiten, in die erste Phase des Abkommens einzutreten, die die Freilassung einer Gruppe von Geiseln und eine 42-tägige Waffenruhe vorsieht. Die Frage, ob es dann tatsächlich zum Ende des Krieges kommen wird, werde auf später verschoben.

G7-Staaten: Hamas muss Abkommen zustimmen

Die G7-Staats- und Regierungschefs riefen die islamistische Hamas dazu auf, das Abkommen mit Israel zu akzeptieren. Länder mit Einfluss auf die Hamas sollen dazu beizutragen, dass sie dem Abkommen zustimmen, wie es in der gemeinsamen Mitteilung weiter hiess. Gleichzeitig bekräftigte die G7-Gruppe ihre Unterstützung für einen glaubwürdigen Weg zum Frieden, der letztlich zu einer Zweistaatenlösung führen soll. Zur G7 gehören Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA. US-Präsident Biden forderte Katar in seinem Gespräch mit dem Emir des Landes auf, alle geeigneten Massnahmen zu ergreifen, um die Annahme des Abkommens durch die Hamas sicherzustellen, wie das Weisse Haus mitteilte. Die Hamas sei jetzt das einzige Hindernis für einen vollständigen Waffenstillstand und die Befreiung der Menschen im Gazastreifen.

Kämpfe in Gaza gehen weiter

Unterdessen gehen die Kämpfe in dem abgeriegelten Küstenstreifen unvermindert weiter. Die israelische Armee stiess bei ihrem Vormarsch in Rafah im Süden Gazas auf weitere Tunnelschächte der Hamas und Waffenlager, wie das Militär am Montag bekanntgab. Bei den gezielten Einsätzen sei "terroristische Infrastruktur" zerstört worden. Zudem sei eine Waffenproduktionsstätte der Hamas aus der Luft angegriffen worden, hiess es weiter. Laut einer Analyse des Satellitenbeobachtungsprogramms der Vereinten Nationen UNOSAT ist inzwischen mehr als die Hälfte aller Gebäude im Gazastreifen durch den seit rund acht Monaten andauernden Krieg beschädigt oder ganz zerstört, wie UNOSAT auf X mitteilte.

Angesichts der hohen Opferzahlen und der desaströsen Versorgungslage der Menschen im umkämpften Gazastreifen ist mittlerweile eine Mehrheit von 61 Prozent der Bevölkerung in Deutschland gegen das militärische Vorgehen Israels in dem abgeriegelten Küstenstreifen. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Forsa-Umfrage für den "Stern" hervor. Nur noch 33 Prozent befürworten die Militärschläge des jüdischen Staates demnach. Die Daten wurden bei 1003 Befragten am 30. und 31. Mai telefonisch erhoben. Damit ist die Umfrage den Angaben zufolge repräsentativ. Im November noch waren bei einer Forsa-Umfrage für den "Stern" 62 Prozent der Befragten für das militärische Vorgehen und 31 Prozent dagegen. Damit hat sich das Meinungsbild in den vergangenen Monaten nahezu umgekehrt.

 

Tag 241: 4. Juni 2024

Vier von der islamistischen Terrororganisation Hamas entführte Geiseln sind nach israelischen Informationen in der Gefangenschaft getötet worden. Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari teilte am Montag mit, die vier Männer seien vor mehreren Monaten in Chan Junis im Süden des Gazastreifens ums Leben gekommen. Die genauen Umstände waren zunächst unklar. Die Hamas hatte im Dezember ein Video veröffentlicht, in denen drei der älteren Männer zu sehen waren. Im März hatte die Hamas dann mitgeteilt, sie seien bei israelischen Angriffen getötet worden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Es wird befürchtet, dass ein Grossteil der insgesamt 124 Geiseln, die noch im Gazastreifen festgehalten werden, nicht mehr am Leben ist.

 

Tag 240: 3. Juni 2024

Die USA halten nach einem Verhandlungsangebot zur Beilegung des Gaza-Kriegs den Druck auf ihren Verbündeten Israel aufrecht. "Wir haben die volle Erwartung, dass Israel Ja sagen würde, wenn die Hamas dem Vorschlag zustimmt, der ihnen als israelischer Vorschlag übermittelt wurde", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Sonntag (Ortszeit) dem Sender ABC News. Auch US-Aussenminister Antony Blinken nahm Israelindirekt in die Pflicht. Im Gespräch mit dem israelischen Verteidigungsminister Joav Galant habe Blinken Israels Bereitschaft gelobt, ein Abkommen zu schliessen, teilte sein Sprecher am Sonntag mit.

US-Präsident Biden hatte am Freitag überraschend Details eines Entwurfs für einen Gaza-Deal präsentiert, dem Israel zugestimmt habe. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beeilte sich jedoch gleich darauf klarzustellen, dass sich die Bedingungen seines Landes für ein Ende des Krieges nicht geändert hätten: die Zerstörung der islamistischen Hamas und die Freilassung aller Geiseln.

Israels Kriegskabinett berät Verhandlungsangebot

US-Beamte seien ermutigt gewesen, dass Netanjahu Bidens Rede nicht zurückgewiesen oder bestritten habe, dass sie einen israelischenVorschlag widerspiegele, der der Hamas vor einigen Tagen unterbreitet wurde, berichtete das US-Nachrichtenportal "Axios" am Wochenende. Demnach hatte das Weisse Haus Netanjahus Büro etwa zwei Stunden im Voraus mitgeteilt, dass Biden Einzelheiten des Angebots in der Rede publik machen würde.

Rechtsreligiöse Koalitionspartner Netanjahus drohten prompt mit dem Platzen der Koalition, sollte sich Israel auf den Deal einlassen. Oppositionsführer Yair Lapid warnte am Sonntag auf der Plattform X, sollte Israel das bereits akzeptierte Angebot wieder zurückziehen, wäre das ein "Todesurteil" für die Geiseln und eine Vertrauenskrise gegenüber den Amerikanern und den vermittelnden Ländern. Vor dem Hintergrund dieses Wirrwarrs trat Israels Kriegskabinett am Sonntag zusammen, um über den von Biden publik gemachten Vorschlag zu beraten.

Israel behält sich Recht auf Fortsetzung der Kämpfe vor

Berater Netanjahus betonten gegenüber "Axios", dass sich Israel darin das Recht vorbehalte, die Kämpfe jederzeit wieder aufzunehmen, sollte die Hamas ihren Verpflichtungen aus dem dreistufigen Abkommen verletzen. Kirby machte deutlich, dass im Falle einer Einigung zunächst der Beginn der ersten Phase erreicht sei. "Das heisst, es kommen einige Geiseln frei (...), es kehrt etwas Ruhe ein, es gibt mehr humanitäre Hilfe, vielleicht bis zu 600 Lastwagen, und dann können die beiden Seiten mit Gespräche über die zweite Phase sprechen."

Diese Phase sieht vor, dass die Kämpfe dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen werden. Sollte Israel dabei den Eindruck gewinnen, die Hamas nutze die weiteren Gespräche nur, um Zeit zu gewinnen, könnte Israel die Kämpfe wieder aufnehmen, betonte einer der Berater von IsraelsRegierungschef Netanjahu laut "Axios".

Es sei nun die Pflicht der Hamas, das Angebot anzunehmen, sagte US-Aussenminister Blinken im Gespräch mit Israels Verteidigungsminister Galant. Blinken betonte nach Angaben seines Sprechers, dass der Vorschlag den langfristigen Sicherheitsinteressen Israels zugutekäme. In einer dritten Phase würde laut Angebot ein Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.

Berichte über tödlichen Luftangriff in Syrien

Unterdessen meldeten syrische Staatsmedien mehrere Tote und Schäden bei einem mutmasslich israelischen Angriff im Nordwesten des Landes. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Grossbritannien berichtete, Raketen hätten Stellungen einer proiranischen Miliz nördlich von Aleppo getroffen. Zwölf Milizionäre sollen Berichten zufolge getötet worden sein. Die Angaben konnten unabhängig zunächst nicht überprüft werden. Von israelischer Seite gab es zunächst keine Stellungnahme dazu.

Israels Luftwaffe bombardiert immer wieder Ziele im benachbarten Syrien. Der jüdische Staat will mit den Angriffen verhindern, dass sein Erzfeind Iran und mit ihm verbündete Milizen ihren militärischen Einfluss in dem Land ausweiten. Der Iran ist einer der wichtigsten Verbündeten Syriens. Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen vor rund acht Monaten haben die israelischen Angriffe, die von Israel meist nicht offiziell bestätigt werden, zugenommen.

Gezerre um Wiedereröffnung des Grenzübergangs Rafah

Die USA versuchen derweil, dass der Grenzübergang Rafah im Süden Gazas wieder für humanitäre Hilfe geöffnet wird. Zu diesem Zweck kamen Vertreter aus Ägypten, den USA und Israel am Sonntag in Kairo zu Beratungen zusammen. Es seien aber nur geringe Fortschritte erzielt worden, berichtete das "Wall Street Journal". Die Gespräche sollen demnach in den nächsten Tagen fortgesetzt werden. Der staatsnahe ägyptische TV-Sender Al-Kahira News hatte zuvor berichtet, Ägypten vertrete weiterhin die Position, Rafah erst wieder zu öffnen, wenn sich das israelische Militär vollständig von dort zurückziehe.

Unterdessen erklärte der israelischeVerteidigungsminister Galant am Sonntag laut der "Times of Israel" bei einem Truppenbesuch, man arbeite daran, eine Alternative zur Hamas-Herrschaft im Gazastreifen zu schaffen. Zu diesem Zweck wolle man Gebiete in Gaza isolieren und nach Entfernung der Hamas "andere Kräfte" hineinbringen, damit sie künftig diese Gebiete verwalten können. Der Krieg ende erst dann, wenn die Hamas zerschlagen sei. Galant hatte kürzlich gesagt, dass der Regierung unter Netanjahu ein Plan dazu fehle, wer nach dem Krieg im Gazastreifen regieren solle. Die Hamas könne nur dauerhaft von der Macht verdrängt werden, wenn palästinensische Vertreter die Kontrolle übernähmen, begleitet von internationalen Akteuren, die eine Regierungsalternative zur Hamas-Herrschaft schaffen würden

Tag 239: 2. Juni 2024

Auch nach dem Vorstoss von US-Präsident Joe Biden für eine Beendigung des Gaza-Kriegs sind die Hürden für ein Abkommen zwischen Israel und der islamistischen Hamas sehr hoch. Zwar äusserte sich ein im Libanon ansässiger Hamas-Sprecher am Samstag positiv und sagte, man werde das von Biden dargelegte Angebot der Israelis prüfen. Der in Tunneln unter dem Gazastreifen ausharrende militärische Anführer der Hamas, Jihia al-Sinwar, ist nach Informationen des "Wall Street Journals" jedoch nur zu einem Abkommen bereit, wenn es das Überleben der Hamas als militärische und politische Kraft in Gaza sichert. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wiederum machte am Samstag nach Bidens Rede in einer Erklärung deutlich, dass sich Israels Bedingungen für ein Ende des Krieges nicht geändert hätten: die Zerstörung der Hamas und die Freilassung aller Geiseln.

Die in dem Konflikt als Vermittler fungierenden Staaten Ägypten, USA und Katar riefen Israel und die Hamas in einer gemeinsamen Erklärung zur Einigung auf ein Abkommen auf. Das von Biden am Freitag erläuterte Angebot vereine die Forderungen aller Parteien. "Dieser Deal bietet einen Fahrplan für einen dauerhaften Waffenstillstand und eine Beendigung der Krise", hiess es darin. Zuvor hatte US-Aussenminister Antony Blinken mit seinem katarischen Kollegen Mohammed bin Abdulrahman Al Thani sowie dem ägyptischen Aussenminister Sameh Schukri telefoniert, wie die Ministerien der drei Vermittlerländer mitteilten. Blinken habe im Gespräch mit Schukri die Hamas aufgerufen, den vorgeschlagenen Deal unverzüglich anzunehmen.

Rechtsreligiöse Minister drohen Netanjahu mit Ende der Koalition

Biden hatte am Freitag überraschend Details eines Entwurfs für einen Plan präsentiert, dem Israel nach Angaben der US-Regierung bereits zugestimmt hat. In Israel drohten jedoch prompt danach mehrere rechtsreligiöse Koalitionspartner von Ministerpräsident Netanjahu am Samstag mit dem Platzen seiner Regierungskoalition, sollte sich Israel auf den Deal einlassen. Dieser bedeute einen "Sieg für den Terrorismus" und eine "totale Niederlage" Israels, wetterte der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben-Gvir. Der Plan würde den Krieg beenden, ohne dass die Kriegsziele erreicht seien, schrieb der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich auf X. Auch andere Minister sprachen sich gegen den Vorschlag aus.

Dagegen gingen in mehreren Städten des Landes Zehntausende Menschen für das Abkommen auf die Strasse und forderten lautstark Neuwahlen. Sie warfen der Regierung vor, nicht genug für die Freilassung der Geiseln zu tun. Allein in Tel Aviv nahmen nach Angaben der Organisatoren 120 000 Menschen an einer Massenkundgebung teil, wie die "Times of Israel" berichtete. Laut Augenzeugen und Medienberichten kam es zu Zusammenstössen mit der Polizei und zu mehreren Festnahmen. Es sei der grösste Protest seit dem 7. Oktober.

Netanjahus Berater: Viele Details noch ungeklärt

Israel habe zwar dem von Biden dargelegten Vorschlag für ein Abkommen zugestimmt, viele Einzelheiten seien aber noch ungeklärt, betonte Ophir Falk, aussenpolitischer Berater von Regierungschef Netanjahu gegenüber der britischen Zeitung "The Sunday Times". "Es ist kein guter Deal, aber wir wollen unbedingt, dass die Geiseln freigelassen werden, und zwar alle", sagte er. "Es sind noch viele Details zu klären", bekräftigte Falk und verwies in Übereinstimmung mit Netanjahus Erklärung vom Samstagmorgen darauf, dass sich Israels Bedingungen nicht geändert hätten: die Freilassung aller Geiseln und die Zerstörung der Hamas. "Die Vorstellung, dass Israel einem dauerhaften Waffenstillstand zustimmen wird, bevor diese Bedingungen erfüllt sind, ist ein Rohrkrepierer", hatte Netanjahu erklärt.

Spielt die Hamas auf Zeit?

Der Anführer der Hamas im Gazastreifen, Sinwar, dessen Zustimmung für eine Vereinbarung erforderlich ist, glaube wiederum, dass die Zeit auf seiner Seite sei und dass der Krieg Israel immer tiefer in einen Sumpf hineinziehe, berichtete das "Wall Street Journal". Die zivilen Opfer in Gaza trügen dazu bei, Israel zu einem internationalen Paria zu machen, habe Sinwar seinen Verbindungsleuten in Notizen aus dem Untergrund übermittelt, berichtete die Zeitung. Während viele der im Exil lebenden Vertreter des politischen Flügels der Hamas zeigen wollten, dass die Hamas sich für die Beendigung des Leidens der Zivilbevölkerung einsetzt, wolle Sinwar sicherstellen, dass die Hamas eine massgebliche politische Kraft in Gaza bleibt.

In dem von Biden dargelegten Vorschlag für ein Abkommen sei nicht erwähnt, wer nach dem Krieg die Herrschaft über den Gazastreifen übernehmen würde, berichtete die "New York Times". Sollten keine anderen Vereinbarungen getroffen werden, könne dies dazu führen, dass die Hamas de facto wieder die Herrschaft über das Gebiet übernehme. Dies wäre aus Sicht der Islamisten nach fast acht Monaten Krieg ein strategischer Sieg, schrieb die Zeitung. Sinwar strebe "nach grösseren Gewinnen" als viele andere im politischen Flügel, zitierte das "Wall Street Journal" eine an den Vermittlungsgesprächen beteiligte arabische Quelle.

Der von Biden am Freitag präsentierte Plan für einen Deal hat drei Phasen: Die erste sieht eine vollständige und uneingeschränkte Waffenruhe von sechs Wochen und einen Rückzug der israelischen Streitkräfte aus dicht besiedelten Gebieten in Gaza vor. Es würde zunächst eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen - darunter Frauen, Ältere und Verletzte. Im Gegenzug würden Hunderte Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. In einer zweiten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenden Geiseln freigelassen. In einer letzten Phase würde ein Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.

Israel behält sich Recht auf Fortsetzung des Krieges vor

Ein israelischer Beamter machte unterdessen gegenüber der "Times of Israel" deutlich, dass sich Israel in dem von Biden dargelegten Angebot das Recht vorbehalte, die Kämpfe jederzeit wieder aufzunehmen, sollte die Hamas gegen Bedingungen des vorgeschlagenen Abkommens verstossen. Zum Beispiel, wenn die vereinbarte Anzahl freizulassender Geiseln nicht freikomme. "Und wenn Israel feststellt, dass die Gespräche aussichtslos sind und nur dazu dienen, Zeit zu gewinnen", bekräftigte der Beamte gegenüber der Zeitung.

Ein Durchbruch bei den festgefahrenen Gesprächen sei zwar möglich. Doch die Meinungsverschiedenheiten in Detailfragen würden angesichts der grossen Unterschiede zwischen den Kriegszielen und politischen Interessen Israels und der Hamas wahrscheinlich schwer zu überwinden sein, zitierte das "Wall Street Journal" beteiligte Unterhändler.

Auslöser des Kriegs war ein Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Sie ermordeten mehr als 1200 Menschen und verschleppten mehr als 250 Geiseln nach Gaza. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bislang mehr als 36 300 Menschen getötet. Die Zahl, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheidet, lässt sich unabhängig kaum prüfen.

 

 

Tag 238: 1. Juni 2024

US-Präsident Joe Biden hat mit der überraschenden Bekanntmachung eines von Israel akzeptierten Vorschlags für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg den Verbündeten in die Pflicht genommen und zugleich den Druck auf die islamistische Hamas deutlich erhöht. "Es ist an der Zeit, diesen Krieg zu beenden", sagte Biden am Freitag im Weissen Haus in Washington. "Israel hat seinen Vorschlag gemacht. Die Hamas sagt, sie wolle einen Waffenstillstand. Dieser Deal ist eine Gelegenheit zu beweisen, ob sie es wirklich ernst meinen", sagte Biden. "Die Hamas muss das Angebot annehmen."

In einer ersten Reaktion erklärten die Islamisten, man sehe die von Biden vorgebrachten Absichten positiv, besonders das Ziel eines dauerhaften Waffenstillstands. "Wenn die Hamas den Vorschlag ablehnt, wird die Regierung Biden dies nutzen, um zu argumentieren, dass sie alles getan hat, um einen Waffenstillstand zu erreichen, und dass die Hamas für die Fortsetzung der Gewalt verantwortlich ist", kommentierte Jonathan Panikoff von der US-Denkfabrik Atlantic Council Bidens Rede gegenüber der US-Zeitung "Wall Street Journal".

Israels Regierungschef bekräftigt Kriegsziele

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte unterdessen am Abend nach Angaben seines Büros, der vorgeschlagene Plan ermögliche seinem Land, den Grundsatz einzuhalten, dass der Krieg erst beendet wird, wenn alle Ziele erreicht seien. Dazu gehöre die Zerstörung der Hamas. Die USA und Bidens Rede fanden in der knappen Mitteilung keine Erwähnung.

"Ich weiss, dass es in Israel einige gibt, die mit diesem Plan nicht einverstanden sind und eine Fortsetzung des Krieges auf unbestimmte Zeit fordern werden", hatte Biden zuvor gesagt. "Ich habe die israelische Führung aufgerufen, hinter diesem Deal zu stehen." Israel brauche keine Angst mehr um seine Sicherheit zu haben. Nach mehreren Monaten Krieg sei die Hamas nicht mehr in der Lage, ein weiteres Massaker wie am 7. Oktober anzurichten. Ein unbegrenzter Krieg mit dem Ziel eines nicht näher definierten "totalen Sieges" über die Hamas - eine Phrase, die von Netanjahu oft wiederholt wird - werde Israel in Gaza nur festsetzen und die internationale Isolation des Landes verstärken, so Biden. Auch werde dies die Geiseln nicht nach Hause und Israel keine dauerhafte Sicherheit bringen.

Baerbock spricht von Hoffnungsschimmer

Bundesaussenministerin Annalena Baerbock schrieb auf der Plattform X: "Das israelische Angebot, das US-Präsident Biden heute erläutert und bekräftigt hat, ist ein Hoffnungsschimmer und kann einen Weg aus der Sackgasse des Krieges weisen". Die Hamas müsse jetzt beweisen, dass sie den Konflikt beenden wolle. Ähnlich äusserte sich UN-Generalsekretär António Guterres. "Der Generalsekretär hofft sehr darauf, dass das zu einer Übereinstimmung der Beteiligten für einen anhaltenden Frieden führen wird", erklärte sein Sprecher Stéphane Dujarric.

Der von Biden überraschend präsentierte Plan enthält drei Phasen: Die erste sieht eine vollständige und uneingeschränkte Waffenruhe von sechs Wochen und einen Rückzug der israelischen Streitkräfte aus allen dicht besiedelten Gebieten in Gaza vor. Es würde zunächst eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen - darunter Frauen, Ältere und Verletzte. Im Gegenzug würden Hunderte Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. In einer zweiten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenden Geiseln freigelassen. In einer letzten Phase würde ein Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.

US-Regierung macht Druck auf beide Konfliktparteien

Israel habe unter Vermittlung der USA, Katars und Ägyptens dem neuen Entwurf zugestimmt, der am Donnerstagabend an die Hamas übermittelt worden sei, sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter. Man habe es für wichtig gehalten, die Details publik zu machen, da die Vorschläge sonst öffentlich anders dargestellt würden von Gegnern eines Deals. Er sei in mühevoller Kleinarbeit ausgearbeitet worden, "und er ist fast identisch mit dem, was die Hamas selbst vor ein paar Wochen vorgeschlagen hat", erklärte der Regierungsvertreter. Seit Wochen vermitteln die USA, Ägypten und Katar zwischen Israel und der Hamas, um eine Freilassung der restlichen Geiseln und eine Feuerpause in dem Konflikt zu erreichen.

Bislang führten die Gespräche nicht zum Erfolg. Die Hamas hatte erst am Donnerstag gesagt, Voraussetzung für die Geiselfreilassung sei ein Ende des Krieges. Israel lehnt das bisher ab. Bidens Strategie bestehe darin, Israel und die Hamas dazu zu bringen, sich auf ein Waffenstillstandsabkommen zu einigen, das die Dynamik auf dem Schlachtfeld brechen und den Krieg beenden könnte, sagte Aaron David Miller, Senior Fellow bei der Carnegie-Stiftung, dem "Wall Street Journal". "Ob die Israelis das glauben werden, ist eine andere Frage." Netanjahu meine wahrscheinlich, dass er den Krieg nach der ersten Phase fortsetzen könne - oder rechne damit, dass die Hamas das Abkommen von vornherein ablehne, sagte Miller.

Der britische Aussenminister David Cameron schrieb kurz nach Bidens Ansprache auf X: "Lasst uns diesen Moment nutzen und den Konflikt zu einem Ende bringen." Er forderte die Hamas auf, den neuen Vorschlag anzunehmen. Ein Ende der Kämpfe könne in einen dauerhaften Frieden münden, wenn alle zu den richtigen Schritten bereit seien, so Cameron.

Netanjahu zu Rede vor US-Parlament eingeladen

Die Spitzen beider Parteien im US-Kongress luden Israels Regierungschef Netanjahu trotz grosser Kritik an seinem militärischen Vorgehen in Gaza für eine Rede vor dem amerikanischen Parlament ein. Der republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, veröffentlichte am Freitag ein entsprechendes Schreiben an Netanjahu. Der Brief ist auch unterzeichnet vom republikanischen Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, sowie von den Top-Demokraten in beiden Parlamentskammern, Hakeem Jeffries und Chuck Schumer. Ein Termin wurde nicht genannt.

Auslöser des Gaza-Kriegs war ein beispielloses Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober im Süden Israels verübt hatten. Auf israelischer Seite wurden dabei mehr als 1200 Menschen getötet. Bei dem Überfall wurden auch mehr als 250 Menschen gewaltsam in den Gazastreifen verschleppt. Dutzende davon wurden später freigelassen, andere getötet. Offiziellen Angaben aus Israel zufolge sind noch mehr als 120 Geiseln in der Gewalt der Hamas - unklar ist, wie viele von ihnen noch am Leben sind.

Als Reaktion auf das Massaker begann Israels Militär massive Luftangriffe und eine Bodenoffensive in dem dicht besiedelten und abgeriegelten Küstengebiet. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen wurden seitdem bislang mehr als 36 000 Menschen getötet und mehr als 82 000 weitere Menschen verletzt. Diese unabhängig kaum überprüfbaren Zahlen machen keinen Unterschied zwischen Zivilisten und Kämpfern.

 

Tag 237: 31. Mai 2024 

Die islamistische Hamas will eigenen Angaben zufolge eine "vollständige Einigung" über die Freilassung der aus Israelentführten Geiseln im Austausch für palästinensische Häftlinge mit Israel. Voraussetzung sei aber ein Ende des Gaza-Kriegs, hiess es in einer Erklärung der Terrororganisation am Donnerstag. In dem Fall seien die Islamisten bereit, die Verhandlungen fortzusetzen und ein "umfassendes Austausch-Abkommen" zu erzielen. Dies hätten sie auch den Vermittlern mitgeteilt. Israel lehnt ein Ende des Kriegs bislang ab.

Was mit einer "vollständige Einigung" gemeint war, liessen die Islamisten indes offen. Gemeint sein könnte, dass ein Austausch aller Geiseln gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen auf einmal stattfinden soll - und nicht wie bislang geplant in mehreren Phasen.

Israels nationaler Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi sagte laut israelischen Medien am Donnerstag zu Angehörigen der Geiseln, dass die derzeitige Regierung nicht bereit sei, den Krieg zu beenden.

Die indirekt geführten Gespräche über ein Abkommen zwischen Israels Regierung und der Hamas waren bereits in der Vergangenheit daran gescheitert, dass die Islamistenorganisation die endgültige Beendigung des Krieges durch Israel zur Bedingung einer auch nur teilweisen Geiselfreilassung gemacht hatte.

 

Tag 236: 30. Mai 2024

 Israels Armee hat im umkämpften Gazastreifen nach eigenen Angaben die Kontrolle über den gesamten Abschnitt an der Grenze zu Ägypten übernommen und damit ein wichtiges Ziel ihrer umstrittenen Rafah-Offensive erreicht. Die islamistische Hamas habe den als Philadelphi-Korridor bekannten Bereich für den Schmuggel von Waffen genutzt, sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Mittwochabend. In dem etwa 14 Kilometer langen Abschnitt gebe es rund 20 Tunnel, die nach Ägypten führen. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Einige der Tunnel seien Israel und Ägypten bereits zuvor bekannt gewesen, andere seien erst jetzt entdeckt worden, zitierte das "Wall Street Journal" einen israelischen Militärbeamten. Der jüngste Vorstoss der israelischen Armee könnte der Zeitung zufolge neue Spannungen zwischen Israel und Ägypten auslösen.

Der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira News berichtete unter Berufung auf eine ranghohe Quelle, die Berichte über die Tunnel an der ägyptischen Grenze seien nicht wahr. Ägypten liess in der Vergangenheit allerdings bereits selbst Tunnel fluten, da durch sie auch Waffen aus dem Gazastreifen zu Extremisten in den Nord-Sinai gelangt sein sollen. Während der israelische Militärbeamte dem "Wall Street Journal" sagte, Israel habe Ägypten über die nun entdeckten grenzüberschreitenden Tunnel informiert, wies ein ranghoher ägyptischer Beamte dies gegenüber der US-Zeitung zurück. Israel benutze diese Behauptungen, "um die Fortsetzung der Rafah-Operation zu rechtfertigen".

Anfang Mai waren israelische Truppen in Teile der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen vorgerückt. Sie übernahmen dort auf palästinensischer Seite den einzigen Grenzübergang von dem abgeriegelten Küstengebiet nach Ägypten.

USA: Israels Armee geht weiterhin gezielt und begrenzt vor

Die israelischen Streitkräfte hatten sich in Rafah bislang weitgehend darauf konzentriert, das Grenzgebiet zu Ägypten unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Gegend ist nicht so dicht besiedelt wie andere Teile Rafahs. Die US-Regierung warnt Israel seit Monaten vor den Gefahren, die ein Einsatz in den dicht besiedelten Stadtgebieten für die Zivilbevölkerung mit sich bringen könnte, will bisher aber weiterhin keinerlei Anzeichen für eine grossangelegte Bodenoffensive des Verbündeten in dem Gebiet erkennen. "Ich kann nicht bestätigen, ob sie den (Philadelphi-)Korridor eingenommen haben oder nicht, aber ich kann Ihnen sagen, dass ihre Bewegungen entlang des Korridors für uns nicht überraschend kamen und im Einklang mit ihrem Plan standen, die Hamas gezielt und begrenzt zu bekämpfen", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, am Mittwoch.

Israels Armee hatte den Philadelphi-Korridor zuletzt im Jahr 2005 kontrolliert, bevor sie aus dem Gazastreifen abzog. Auf palästinensischer Seite übte dort zuletzt die Hamas die Kontrolle aus, die 2007 gewaltsam die Macht in Gaza an sich gerissen hatte. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte im März, der Korridor müsse auch nach dem Krieg wieder von Israel kontrolliert werden. Nur so könne man eine Entmilitarisierung des Gazastreifens gewährleisten. Israels Militär sei nun entlang dieses Gebiets nicht nur auf Tunnel, sondern auch auf Dutzende Raketenwerfer der Hamas gestossen, teilte Hagari weiter mit. Erst vor wenigen Tagen waren nach Angaben des israelischen Militärs mehrere Raketen aus Rafah auf die israelische Küstenmetropole Tel Aviv abgefeuert worden.

Israels Militär zerstört Tunnel in Rafah

Im Grossteil des Philadelphi-Korridors seien jetzt israelische Truppen stationiert, berichteten israelische Medien unter Berufung auf die Armee. Insgesamt sollen sich demnach 82 Tunnelschächte in der Gegend befinden. Israels Armee zerstörte unterdessen nach eigener Darstellung nahe Rafah ein anderthalb Kilometer langes Tunnelsystem der Hamas. Der Eingang habe sich rund 100 Meter vom Grenzübergang zu Ägypten befunden und zu einer verzweigten unterirdischen Route geführt, teilte Hagari weiter mit. Die Hamas habe das Tunnelsystem genutzt, um Soldaten anzugreifen und Waffen zu transportieren. In den Gängen in unterschiedlicher Tiefe habe man Raketen, Sprengsätze und weitere Waffen gefunden sowie mehrere Räume und Badezimmer.

"Die Hamas ist in Rafah", sagte Hagari. Sie halte dort auch Geiseln fest. Daher werde man weiter in der Stadt vorrücken. Drei israelische Soldaten waren Medien zufolge am Vortag bei der Explosion einer Sprengfalle in einem Gebäude in Rafah getötet worden. Damit sind seit Kriegsbeginn am 7. Oktober vergangenen Jahres nach Angaben der Armee auf israelischer Seite 639 Soldaten und Soldatinnen gefallen. Auf palästinensischer Seiten starben laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bislang mehr als 36 100 Menschen. Bei der unabhängig kaum überprüfbaren Zahl unterscheidet die Behörde nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.

Auslöser des Kriegs war ein Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Der Krieg wird nach Einschätzung von Israels Nationalem Sicherheitsberater mindestens bis Ende des Jahres andauern. "Auch in diesem Jahr erwarten uns noch mindestens sieben Monate der Kämpfe", sagte Tzachi Hanegbi am Mittwoch dem israelischen Sender Kan.

Aktivisten: Israel für tödliche Angriffe in Syrien verantwortlich

Unterdessen wurden im Nordwesten Syriens laut Menschenrechtsaktivisten bei zwei mutmasslich von Israels Armee geführten Angriffen ein Kind sowie drei Mitglieder der libanesischen Hisbollah-Miliz getötet. In der Hafenstadt Banijas hätten der Einschlag einer israelischen Rakete sowie eine syrische Abwehrrakete zu zwei Explosionen geführt, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Grossbritannien am Mittwochabend mit. Auch im Umland der Stadt Homs habe es einen israelischen Angriff gegeben. Dieser habe einen Militärstandort zum Ziel gehabt. Bei den dabei getöteten Mitgliedern der Hisbollah soll es sich den Angaben nach um Syrer handeln. Israels Militär wollte die Berichte nach eigenen Angaben prüfen.

Israels Luftwaffe bombardiert immer wieder Ziele in Syrien. Damit will die Regierung des jüdischen Staates verhindern, dass der Erzfeind Iran und mit ihm verbündete Milizen ihren militärischen Einfluss in dem Nachbarland ausweiten. Der Iran ist einer der wichtigsten Verbündeten Syriens. Seit Beginn des Gaza-Kriegs haben Israels Angriffe, die meist nicht offiziell bestätigt werden, zugenommen.

 

Tag 235: 29. Mai 2024

Israels Panzer rücken ungeachtet wachsenden internationalen Drucks auf die Regierung des Landes weiter in Rafah im Süden des Gazastreifens vor. Während der Weltsicherheitsrat nach dem verheerenden Luftangriff vom Wochenende mit etlichen Todesopfern in einem Flüchtlingslager kurzfristig über eine Resolution zu Israels Militäreinsatz abstimmen könnte, halten sich die USA als Israels wichtigster Verbündeter mit einer Bewertung weiter zurück. "Ich habe keinen politischen Kurswechsel zu vermelden", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Dienstag. Israels Armee wies am Abend Berichte zurück, sie habe am Sonntag eine humanitäre Zone angegriffen. Attackiert worden sei vielmehr eine nahegelegene Anlage der Hamas. Es werde untersucht, ob dort etwa Waffen gelagert waren, die bei dem Luftangriff explodierten und so den tödlichen Grossbrand in dem Zeltlager auslösten. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde kamen mindestens 45 Menschen ums Leben.

Gaza-Resolutionsentwurf verlangt Ende von Offensive

Nach dem verheerenden Luftangriff verlangt ein neuer Resolutionsentwurf im Weltsicherheitsrat ein sofortiges Ende der israelischen Militäroffensive. Ausserdem müsse es eine sofortige und von allen Seiten respektierte Waffenruhe im Gazastreifen geben, heisst es in der von Algerien erstellten Beschlussvorlage, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die islamistische Hamas wird zudem zur Freilassung aller Geiseln aufgefordert. Mehrere Diplomaten sagten der dpa nach einem Treffen des mächtigsten UN-Gremiums am Dienstag hinter verschlossenen Türen, einige Ratsmitglieder strebten ein Votum schon an diesem Mittwoch an. Es wurde gemutmasst, die USA könnten bei einer Abstimmung ein Veto einlegen. Frankreichs UN-Botschafter forderte ein Durchgreifen des Weltsicherheitsrates.

Die Lage in Rafah sei "entsetzlich", hatte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron zuvor in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Meseberg gesagt. "Die israelischen Operationen in Rafah müssen beendet werden", forderte Macron. Auch Scholz verlangte: "Israel muss bei seinem Vorgehen das Völkerrecht achten."

Israels Truppen stossen weiter in Rafah vor

Israelische Bodentruppen sind unterdessen nach Augenzeugenberichten aus Rafah tiefer in die an Ägypten grenzende Stadt vorgedrungen. Demnach wurden am Dienstag auch im Stadtzentrum Truppen gesichtet. Panzer seien in der Nähe der Al-Awda-Moschee vorbeigefahren, einem zentralen Wahrzeichen von Rafah, schilderten Palästinenser in der Stadt dem "Wall Street Journal". Vonseiten der israelischen Armee gab es zunächst keine Bestätigung dieser Berichte. Laut dem Armeerundfunk habe das Militär den fünf in der Stadt kämpfenden Brigaden eine weitere hinzugefügt, berichtete die US-Zeitung. Nach Aussagen eines Militärsprechers sind Israels Truppen auch in Nahkämpfe mit der Hamas verwickelt.

Kirby sagte am Dienstag bei einer Pressekonferenz im Weissen Haus, die US-Regierung halte eine grossangelegte Bodenoffensive in Rafah weiterhin für falsch. Davon könne beim Vorgehen des israelischen Militärs in der Stadt zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht die Rede sein, man beobachte die Entwicklungen aber sehr genau. Kirby war danach gefragt worden, ob Israel bei dem tödlichen Luftangriff am Wochenende eine von US-Präsident Joe Biden angesprochene "rote Linie" überschritten habe. Biden habe deutlich gemacht, dass er - sollte es dazu kommen - in Bezug auf die Unterstützung Israels möglicherweise anders entscheiden müsse, sagte Kirby. Der Angriff sei jedoch gerade erst passiert. Die Israelis untersuchten den Vorfall. Man verfolge, was sie dabei herausfinden. "Und dann werden wir sehen, wie es weitergeht."

Hilfslieferungen über provisorischen US-Hafen ausgesetzt

Derweil stellen die USA Hilfslieferungen für die Menschen im Gazastreifen über die vom US-Militär errichtete provisorische Anlegestelle vorübergehend ein. Der an der Küste verankerte Pier sei bei rauem Seegang schwer beschädigt worden, sagte die stellvertretende Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh am Dienstag in Washington. Die Anlage werde in den kommenden 48 Stunden aus ihrer Verankerung gelöst und nach Aschdod geschleppt, wo das US-Militär Reparaturen vornehmen werde. Die israelische Stadt liegt gut 30 Kilometer von Gaza entfernt. Die Reparaturen würden mindestens eine Woche dauern, sagte Singh. Danach müsse der Pier wieder an der Küste verankert werden. Die US-Regierung beabsichtige, die Hilfslieferungen über den Seeweg für die Menschen im Gazastreifen wieder aufzunehmen.

Berichte über neuen israelischen Vorschlag für Geisel-Abkommen

Unterdessen sind die Aussichten auf eine Waffenruhe und die Freilassung der seit fast acht Monaten in Gaza festgehaltenen Geiseln ungewiss. Israel habe den Unterhändlern Katars, Ägyptens und der USA, die in dem Krieg vermitteln, am Montag einen aktualisierten Vorschlag für ein mögliches Abkommen unterbreitet, berichteten die israelische Zeitung "Haaretz" und das US-Nachrichtenportal "Axios" unter Berufung auf mit den Verhandlungen vertraute Quellen. Der schriftliche Vorschlag beinhalte "die Bereitschaft, flexibel zu sein", was die Anzahl der lebenden Geiseln betreffe, die in einer ersten Phase eines Abkommens von der Hamas freigelassen werden müssten, so "Axios". Auch sei Israel bereit, die Forderung der Hamas nach "dauerhafter Ruhe" im Gazastreifen zu diskutieren. Die Hamas verlangt einen Abzug der israelischen Truppen, was Israel ablehnt.

Wegen des tödlichen Luftangriffs in Rafah hatte die Hamas ihre Teilnahme an den Verhandlungen über eine Waffenruhe vorerst ausgesetzt. Dies teilten ihre Repräsentanten der Deutschen Presse-Agentur am Montag mit. Die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Islamistenorganisation waren zuletzt in eine Sackgasse geraten. Es gebe bisher keine Fortschritte, berichtete die Zeitung "Haaretz" unter Berufung auf israelische Beamte.

 

Tag 235: 28. Mai 2024

Israelische Bodentruppen sind nach Augenzeugenberichten aus Rafah tiefer in die Stadt im Süden des Gazastreifens vorgedrungen. Demnach wurden am Dienstag Truppen auch im Stadtzentrum gesichtet. Die israelische Nachrichtenseite ynet berichtete unter Berufung auf Quellen in Rafah, es seien in dem Stadtviertel Tal al-Sultan israelische Panzer im Einsatz. Dort seien Bodentruppen bisher nicht gewesen. Vonseiten der israelischen Armee gab es zunächst keine Bestätigung dieser Berichte.

Bei einem israelischen Luftangriff waren in Tal al-Sultan nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde am Sonntagabend mindestens 45 Menschen getötet und Dutzende verletzt worden, darunter Frauen und Minderjährige. Der tödliche Vorfall löste international Entsetzen und Empörung aus.

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen teilte mit, es sei ein Lager für Vertriebene in einer als sicher deklarierten Zone getroffen worden. Die israelische Armee wies dies als "Lügen und Desinformation der Hamas" zurück. Der Angriff, der zwei ranghohen Hamas-Mitgliedern gegolten habe, habe nicht auf eine humanitäre Zone abgezielt. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach allerdings im Parlament von einem "tragischen" Vorfall, aus dem man lernen werde.

Nach Informationen des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA sind binnen drei Wochen rund eine Million Menschen wieder aus Rafah geflüchtet. "Dies ist passiert, während man nirgendwo sicher hingehen kann und während Bombardements, Mangels an Lebensmitteln und Wasser und ohne angemessene Lebensbedingungen", schrieb UNRWA am Dienstag auf X. Es sei fast unmöglich, zu helfen.

Der Internationale Gerichtshof hatte Israel am Freitag dazu verpflichtet, den Einsatz in Rafah unverzüglich zu beenden. Es dürften keine Lebensbedingungen geschaffen werden, "die zur vollständigen oder teilweisen Vernichtung der palästinensischen Bevölkerung in Gaza führen könnten", hiess es im Richterspruch. Das Weltgericht ordnete aber keine Waffenruhe für Gaza an. Seine Entscheidungen sind bindend. Allerdings haben die UN-Richter keine Mittel, um einen Staat zur Umsetzung zu zwingen.

 

 

 

Tag 234: 27. Mai  2024

Bei einem israelischen Luftangriff in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen sind nach Angaben von Hilfsorganisationen zahlreiche Menschen in einem Zeltlager mit geflüchteten Zivilisten ums Leben gekommen. Das Bombardement ereignete sich nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds am Sonntag im Nordwesten der Stadt, in der Israels Militär die letzten dort vermuteten Bataillone der Hamas zerschlagen will. In einer Rettungsstelle habe man "Dutzende Verletzte und mehr als 15 Tote" gezählt, schilderte die Organisation Ärze ohne Grenzen. Andere Quellen im Gazastreifen sprachen von mehr als doppelt so vielen Toten, in eingestürzten oder niedergebrannten Zelten könne es zudem weitere Opfer geben. Laut dem israelischen Militär hatte der Geheimdienst vor dem Angriff bedeutende Hamas-Terroristen auf dem Gelände ausgemacht - zwei von ihnen seien getötet worden, Berichte über zivile Opfer würden geprüft.

Die Armee erklärte auf der Online-Plattform X, der "präzise" geführte Luftangriff habe einem Komplex der Islamistenorganisation Hamas gegolten und sei im Einklang mit dem Völkerrecht erfolgt. Neben Jassin Rabia, dem massgeblichen Kopf hinter den Terroraktivitäten der Hamas im Westjordanland, sei auch der ranghohe Hamas-Terrorist Chaled Nagar getötet worden. Beide seien massgeblich an der Planung und Finanzierung von Anschlägen beteiligt gewesen und hätten das Leben israelischer Soldaten auf dem Gewissen. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Der Rote Halbmond erklärte, das vom Luftangriff getroffene Gebiet sei als humanitäre Schutzzone für Menschen ausgewiesen, die wegen der israelischen Kriegsführung flüchten mussten. "Wir sind entsetzt angesichts dieses tödlichen Vorfalls, der einmal mehr zeigt, dass es (im Gazastreifen) nirgends sicher ist", kritisierte Ärzte ohne Grenzen.

Der Internationale Gerichtshof (IGH) hatte Israel am Freitag verpflichtet, den Militäreinsatz in Rafah unverzüglich zu beenden. Entscheidungen des Weltgerichts sind bindend. Allerdings besitzen die UN-Richter keine Machtmittel, um einen Staat zur Umsetzung zu zwingen.

Erstmals seit Monaten Raketenalarm in Tel Aviv

Am Sonntag hatte die Hamas erstmals seit vier Monaten wieder Raketen auf den Grossraum Tel Aviv gefeuert - nach Armeeangaben handelte es sich um acht Geschosse, die aus Rafah abgefeuert wurden. Die Raketenabwehr habe einige davon abfangen können. Im Stadtzentrum von Tel Aviv waren mehrere Explosionen zu hören. In mehreren Städten im Grossraum der Küstenmetropole gab es ebenfalls Raketenalarm. Der militärische Hamas-Arm reklamierte die Angriffe für sich. Zwei Frauen wurden nach Angaben von Sanitätern leicht verletzt, als sie in Schutzräume eilten. Zuletzt war Tel Aviv am 29. Januar mit Raketen aus dem Gazastreifen angegriffen worden.

Am Sonntagabend begleiteten dann mehrere tausend Menschen in Tel Aviv den Beerdigungszug einer israelischen Geisel, deren Leiche israelische Soldaten vergangene Woche im Gazastreifen geborgen hatten. Der zweifache Vater hatte am 7. Oktober vergangenen Jahres das Supernova-Musikfestival besucht und war dort während des beispiellosen Massakers der Hamas und anderer Terroristen in die Fänge der Islamisten geraten. Seine Familie lud die Öffentlichkeit ein, mit der Teilnahme an der Trauerprozession still für die Rückkehr aller Geiseln zu demonstrieren.

Um die Verhandlungen über eine Freilassung der Geiseln sollte es am Sonntagabend auch auf einer Sitzung des Kriegskabinetts von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu gehen. Vor der Sitzung hatte Netanjahu in einer Stellungnahme erklärt, er lehne die Hamas-Forderung nach einer Beendigung des Krieges und dem Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen weiterhin ab.

Israelische Soldaten erschossen derweil nach Armeeangaben am Sonntag in der Nähe von Hebron im Westjordanland einen Palästinenser, der einen Messerangriff auf einen Armeeposten ausführen wollte. Soldaten seien nicht verletzt worden, hiess es. Das Gesundheitsministerium der palästinensischen Autonomiebehörde teilte mit, es sei von den israelischen Sicherheitsbehörden über den Tod des erst 14 Jahre alten Angreifers informiert worden. Seit Beginn des Gaza-Kriegs wurden bei Konfrontationen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften, versuchten Anschlägen sowie Angriffen militanter Siedler fast 500 Palästinenser im Westjordanland getötet.

200 Lkw mit Hilfsgütern rollen in Gazastreifen

Erstmals seit einer Vereinbarung zwischen Ägypten und den USA wurden unterdessen Hilfslieferungen für den Gazastreifen vom gesperrten ägyptischen Grenzübergang Rafah über die israelische Passagierstelle Kerem Schalom umgeleitet. Der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira News berichtete am Sonntag, 200 Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern seien von Rafah nach Kerem Schalom gefahren, die Einfahrt in den blockierten Gazastreifen habe begonnen.

Auf dem Demokratiefest in Berlin kam es am Sonntag bei einer Veranstaltung mit Aussenministerin Annalena Baerbock zu lautstarken Protesten. Aus Wut über den Umgang der Bundesregierung mit dem Gaza-Krieg störten mehrere Teilnehmer mit lauten Rufen und Bannern eine Debatte der Grünen-Politikerin mit Bürgern. Sie forderten Baerbock unter anderem auf, Waffenlieferungen an Israel sofort zu stoppen. Baerbock versuchte, die Fragen ruhig zu beantworten und forderte die Störer auf, Drohungen zu unterlassen.

Spanien, Irland und Norwegen hatten vergangene Woche angekündigt, Palästina an diesem Dienstag als Staat anzuerkennen. Die Bundesregierung unterstützt eine Zwei-Staaten-Lösung zwar grundsätzlich, lehnt den Schritt zum jetzigen Zeitpunkt jedoch ab. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen hingegen erkennt Palästina inzwischen als Staat an.

 

Tag 233: 26. Mai 2024

Erstmals seit vier Monaten hat die islamistische Terrororganisation Hamas erneut Raketen auf den Grossraum Tel Aviv gefeuert. Im Stadtzentrum von Tel Aviv waren mehrere Explosionen zu hören. In mehreren Städten im Grossraum der Küstenmetropole gab es Raketenalarm. Der militärische Hamas-Arm reklamierte die Angriffe für sich. Zwei Frauen wurden nach Angaben von Sanitätern leicht verletzt, als sie in Schutzräume eilten.

Nach israelischen Militärangaben wurden acht Raketen aus der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens auf die israelische Küstenmetropole abgefeuert. Mehrere Geschosse seien von der Raketenabwehr abgefangen worden, teilte die Armee mit. Zuletzt war Tel Aviv am 29. Januar mit Raketen aus dem Gazastreifen angegriffen worden.

 

Tag 232: 25. Mai 2024

Tel Aviv/Den Haag - Nach der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zu einem sofortigen Stopp des israelischen Militäreinsatzes in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens hat Israel auf sein Recht zur Selbstverteidigung verwiesen. In einer am Freitagabend veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme des israelischen Aussenministeriums und des Büros für nationale Sicherheit hiess es, Israel habe nach dem Terrorangriff vom 7. Oktober einen "gerechten Verteidigungskrieg" begonnen, um die islamistische Hamas zu eliminieren und die Geiseln zu befreien. Zudem wies Israel die von Südafrika vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) geäusserten Völkermord-Vorwürfe als "falsch, empörend und abscheulich" zurück. UN-Generalsekretär António Guterres machte deutlich, dass er einen Stopp des israelischen Militäreinsatzes in Rafah erwartet. Dass Israel die Aufforderung umsetzt, gilt allerdings als unwahrscheinlich.

Israel weist Vorwürfe zurück

In der Stellungnahme des israelischen Aussenministeriums und des Büros für nationale Sicherheit hiess es weiter, Israel habe in Rafah keine Militäraktionen durchgeführt, die Lebensbedingungen schafften, "die zur vollständigen oder teilweisen Vernichtung der palästinensischen Zivilbevölkerung führen könnten". Israel werde seine Bemühungen fortsetzen, humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu lassen und im Einklang mit dem Gesetz handeln, um den Schaden für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen so weit wie möglich zu verringern. Auf die Anordnungen des IGH ging die Stellungnahme nicht näher ein.

Der IGH hatte Israel mit seiner Entscheidung am Freitag verpflichtet, den Militäreinsatz in Rafah sofort zu beenden. Mit der Entscheidung entsprach das höchste Gericht der Vereinten Nationen in Den Haag einigen Forderungen, die Südafrika in einem Eilantrag gestellt hatte. Entscheidungen des Weltgerichts sind bindend. Allerdings besitzen die UN-Richter keine Machtmittel, um einen Staat zur Umsetzung zu zwingen.

Richter des UN-Gerichts bezeichnen Lage in Rafah als desaströs

Nach Auffassung der Richter ist die humanitäre Lage in Rafah inzwischen desaströs. Weitere Massnahmen seien nötig, um weiteren Schaden für die Zivilbevölkerung abzuwenden. Das Gericht forderte von Israel nun "in Übereinstimmung mit seinen Verpflichtungen aus der Völkermordkonvention und in Anbetracht der sich verschlechternden Lebensbedingungen der Zivilbevölkerung im Verwaltungsbezirk Rafah, seine Militäroffensive und jede andere Aktion im Verwaltungsbezirk Rafah unverzüglich einzustellen, die den Palästinensern im Gazastreifen Lebensbedingungen auferlegen könnte, die ihre physische Zerstörung ganz oder teilweise herbeiführen könnten".

Dass Israel die Aufforderung zur Beendigung des Rafah-Einsatzes umsetzt, ist unwahrscheinlich. Regierungssprecher Avi Hyman hatte am Donnerstag zu einer solchen Forderung gesagt: "Keine Macht der Welt wird Israel daran hindern, seine Bürger zu schützen, und gegen die Hamas in Gaza vorzugehen. Wir werden die Hamas zerstören, wir werden Frieden und Sicherheit für die Menschen in Israel und die Menschen in Gaza wiederherstellen. Wir können kein Regime an unserer südlichen Grenze dulden, das Völkermord anstrebt."

Vor dem Beginn des Einmarsches der israelischen Armee hatten mehr als eine Million Binnenflüchtlinge aus anderen Teilen des Gazastreifens in Rafah Schutz gesucht. Südafrika argumentiert mit seinem Eil-Antrag, es gehe darum, einen Völkermord an Palästinensern zu verhindern. Israels Vorstoss in Rafah hatte am 6. Mai im Osten der an Ägypten grenzenden Stadt begonnen. Israel bezeichnet sein umstrittenes militärisches Vorgehen dort als vorsichtig und begrenzt. Nach Informationen der "Times of Israel" halten sich noch 300 000 bis 400 000 Zivilisten in Rafah auf.

USA: "Wir haben unsere Position zu Rafah klar und deutlich dargelegt"

Das US-Aussenministerium reagierte lediglich mit einem Satz auf die IGH-Entscheidung: "Wir haben unsere Position zu Rafah klar und deutlich dargelegt", sagte ein Ministeriumssprecher auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur. Die USA als Israels wichtigster Verbündeter hatten zuletzt erklärt, die Einsätze in Rafah hätten bislang nicht das Ausmass erreicht, vor dem die US-Regierung gewarnt habe. Die USA lehnen eine grosse israelische Bodenoffensive in Rafah ab. Die bisherigen israelischen Einsätze "waren gezielter und begrenzter und umfassten keine grösseren Militäroperationen im Zentrum dicht besiedelter städtischer Gebiete", hatte der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Mittwoch gesagt.

Auslöser des Krieges war ein beispielloses Massaker von Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppierungen am 7. Oktober vergangenen Jahres im israelischen Grenzgebiet. Bei dem Terrorangriff wurden mehr als 1200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Im Zuge der anschliessenden militärischen Offensive Israels in Gaza sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher mehr als 35 800 Menschen getötet worden.

Grenzübergang für Hilfsgüter wird wieder geöffnet

Ägypten stimmte derweil der Öffnung des wichtigen Grenzübergangs Kerem Schalom im Süden des Gazastreifen für Lieferungen von humanitärer Hilfe und von Treibstoff zu. Darauf habe Präsident Abdel Fattah al-Sisi sich in einem Gespräch mit seinem US-Kollegen Joe Biden verständigt, hiess es von ägyptischer Seite am Freitag. Das Weisse Haus teilte mit, Biden begrüsse die Zusage, die Lieferung humanitärer Hilfe, die von den Vereinten Nationen bereitgestellt werde, über den Grenzübergang Kerem Shalom "vorläufig" zuzulassen. "Dies wird helfen, Leben zu retten", hiess es in der Mitteilung der US-Regierungszentrale. Die USA hatten wiederholt die Öffnung des Grenzübergangs gefordert.

Der Grenzübergang nach Ägypten in Rafah war kürzlich nach der Übernahme der palästinensischen Seite durch Israels Armee geschlossen worden. Der Übergang Kerem Schalom zwischen Israel und dem Gazastreifen liegt nahe der Stadt Rafah und der ägyptischen Grenze.

US-Regierung fordert erneut mehr humanitäre Hilfe im Gazastreifen

Die USA forderten Israel nach der IGH-Entscheidung erneut dazu auf, mehr humanitäre Hilfe im gesamten Gazastreifen zuzulassen. US-Aussenminister Antony Blinken habe unter anderem darüber mit Benny Gantz, Minister in Israels Kriegskabinett, bei einem Telefonat am Freitag gesprochen, teilte Ministeriumssprecher Matthew Miller mit. Blinken habe die "dringende Notwendigkeit" betont, Zivilisten sowie humanitäre Helfer im Gazastreifen zu schützen und die Situation im Westjordanland zu deeskalieren. In dem Telefonat sei es darüber hinaus um die Bemühungen um einen Waffenstillstand gegangen sowie darum, eine Ausweitung des Konflikts in der Region zu verhindern, hiess es in der Mitteilung.

 

 

Tag 231: 24. Mai 2024

Benny Gantz, Minister im Kriegskabinett, hat sich für eine Untersuchungskommission ausgesprochen, um zu klären, wie es zum Terrorangriff am 7. Oktober kommen konnte. "Es reicht nicht aus, dass wir die Verantwortung übernehmen für das, was passiert ist - wir müssen die Lehren daraus ziehen und so handeln, dass es nie wieder passiert", sagte er in einer Videobotschaft auf der Plattform X vom Donnerstagabend. Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte zuvor in einer Stellungnahme bestritten, vom Militär Warnungen über einen möglichen Angriff aus dem Gazastreifen erhalten zu haben. Gantz hatte am Wochenende mit dem Austritt aus der Regierung gedroht, falls Netanjahu nicht bis zum 8. Juni einen Plan für die Nachkriegsordnung im Gazastreifen vorlege.


 

 

Tag 230: 23. Mai 2024 

Israels Regierung will nach der Veröffentlichung verstörender Videoaufnahmen von der Entführung fünf israelischer Soldatinnen die Gespräche über eine Freilassung aller noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln wieder aufnehmen. Das Kriegskabinett wies das Verhandlungsteam an, die Bemühungen um eine Freilassung der Entführten fortzusetzen, berichteten israelische Medien in der Nacht zum Donnerstag unter Verweis auf eine Erklärung des Büros von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Währenddessen protestierten in Tel Aviv und in Jerusalem Tausende von Menschen und forderten die sofortige Freilassung der Geiseln, die während des Hamas-Massakers am 7. Oktober verschleppt worden waren. Die Familien der Entführten riefen die israelische Regierung dazu auf, "nicht einen einzigen Moment mehr zu vergeuden" und sofort an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Ägypten droht mit Rückzug als Gaza-Vermittler

Unterdessen hat Ägypten mit dem Rückzug von seiner Rolle als Vermittler im Gaza-Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas gedroht. Andauernde Versuche, die ägyptischen Vermittlungsbemühungen und die Rolle Ägyptens mit falschen Behauptungen in Zweifel zu ziehen, würden die Situation im Gazastreifen und in der gesamten Region nur weiter verkomplizieren, erklärte Diaa Rashwan, Chef des staatlichen ägyptischen Informationsdienstes, am Mittwochabend in einer in sozialen Medien verbreiteten Mitteilung. Dies könne "die ägyptische Seite zu der Entscheidung veranlassen, sich vollständig aus der Vermittlungstätigkeit in dem Konflikt zurückzuziehen". Er reagierte damit auf einen CNN-Bericht, wonach der ägyptische Geheimdienst einen von Israel akzeptierten Vorschlag für eine Waffenruhe ohne Rücksprache mit den anderen Vermittlern geändert haben soll.

Da Israel und die Hamas nicht direkt miteinander verhandeln, fungieren Ägypten, Katar und die USA als Vermittler. Ägyptens Geheimdienst soll dem US-Sender CNN zufolge im Stillen den von Israel zuvor bereits akzeptierten Vorschlag für eine Waffenruhe geändert und um weitere Forderungen der Hamas ergänzt haben. Als die Islamisten einer Vereinbarung am 6. Mai zustimmten, habe diese nicht dem Vorschlag entsprochen, von dem die anderen Vermittler dachten, dass er der Hamas zur Prüfung vorgelegt worden sei, berichtete der Sender unter Berufung auf drei mit den Beratungen vertraute, namentlich nicht genannte Personen. Der Vorfall habe für enormen Ärger gesorgt und die Gespräche in die Sackgasse geführt.

Netanjahu zu Geisel-Video: Tun alles für ihre Rückholung

In dem zuvor in Israel veröffentlichten Video, einem Zusammenschnitt von Bodycam-Aufnahmen der Terroristen, sind verletzte, teilweise blutüberströmte junge Frauen mit ihren schwer bewaffneten Entführern zu sehen. Die Frauen waren im Grenzgebiet zum Gazastreifen als Späherinnen der Armee im Einsatz gewesen. Sie sind offensichtlich verängstigt und haben die Arme hinten den Rücken gebunden. Terroristen schreien sie immer wieder an und bedrohen sie. Die Eltern der Frauen hatten der Veröffentlichung des Videos in der Hoffnung zugestimmt, dass die schlimmen Bilder zur Freilassung ihrer Töchter und anderer Geiseln infolge eines Deals zwischen Israel und der Hamas beitragen könnten.

Israels innenpolitisch unter Druck stehender Regierungschef Netanjahu äusserte sich nach der Veröffentlichung des Videos: "Wir werden weiterhin alles tun, um sie nach Hause zu bringen", versprach er laut der israelischen Nachrichtenseite "Ynet". "Die Grausamkeit der Hamas-Terroristen bestärkt mich nur darin, mit aller Kraft für die Eliminierung der Hamas zu kämpfen, damit sich das, was wir heute Abend gesehen haben, niemals wiederholen kann."

Bei dem beispiellosen Terrorüberfall der Hamas im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober waren rund 1200 Menschen getötet und mehr als 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden. Der Anschlag löste Israels militärische Offensive in dem abgeriegelten Küstengebiet aus, bei der nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher mehr als 35 700 Menschen getötet wurden. Bei der unabhängig kaum zu überprüfenden Zählung wird nicht unterschieden zwischen Kämpfern und Zivilisten.

USA: Israels Militäroperation in Rafah ist gezielt

Israels Vorstoss in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen hat nach Darstellung der US-Regierung bislang nicht das Ausmass erreicht, vor dem sie ihren Verbündeten gewarnt hat. "Die bisherigen israelischen Militäroperationen in diesem Gebiet waren gezielter und begrenzter und umfassten keine grösseren Militäroperationen im Zentrum dicht besiedelter städtischer Gebiete", sagte der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Mittwoch in Washington. Er war danach gefragt worden, ob Israel auf die Bedenken der US-Regierung eingegangen sei und sie das unterstütze, was das israelische Militär dort tue. "Wir müssen nun abwarten, wie sich die Lage weiter entwickelt", betonte Sullivan. Die USA lehnen wegen der hohen Zahl an Zivilisten eine grosse israelische Bodenoffensive in Rafah ab.

USA sehen angekündigte Anerkennung Palästinas kritisch

Nach der angekündigten Anerkennung Palästinas als Staat durch mehrere europäische Länder spricht sich EU-Chefdiplomat Josep Borrell weiter für eine Zweistaatenlösung in Nahost aus. "Ich nehme die heutige Ankündigung von zwei EU-Mitgliedstaaten - Irland und Spanien - sowie von Norwegen zur Anerkennung des Staates Palästina zur Kenntnis", schrieb der EU-Aussenbeauftragte am Mittwochabend auf der Plattform X. "Im Rahmen der Gemeinsamen Aussen- und Sicherheitspolitik werde ich unermüdlich mit allen Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um eine gemeinsame EU-Position auf der Grundlage einer Zweistaatenlösung zu fördern." Auch Deutschland betont das Ziel einer Zweistaatenlösung. Israels Regierungschef Netanjahu lehnt das jedoch ebenso ab wie die Hamas, die Israel das Existenzrecht abspricht.

Die USA als Israels wichtigster Verbündeter sehen die angekündigte Anerkennung Palästinas durch mehrere europäische Länder kritisch. "Wir glauben, dass eine Zweistaatenlösung, die sowohl den Israelis als auch den Palästinensern gerecht wird, nur über direkte Verhandlungen zwischen den Parteien erzielt werden kann", sagte Sullivan am Mittwoch. Daran arbeite die Biden-Regierung seit Langem. Es erschliesse sich ihm nicht, wie die einseitige Anerkennung Palästinas zu einem tatsächlichen Fortschritt hin zu einem Friedensprozess oder Waffenstillstand beitrage.

Galant treibt Wiederaufbau von Siedlungen im Westjordanland voran

Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant treibt unterdessen die Wiederbesiedlung von vier Ortschaften im nördlichen Westjordanland voran, die 2005 geräumt worden waren. Als "historischen Schritt" bezeichnete Galant laut Medienberichten am Mittwoch die Aufhebung von Anordnungen, die Israelis verboten hatten, das Gebiet der ehemaligen Siedlungen Ganim, Kadim und Sanur zu betreten. Der Zutritt zu einer vierten Siedlung war bereits zuvor genehmigt worden.

Israel eroberte während des Sechstagekrieges 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem. Rund 700 000 Israelis leben dort heute in mehr als 200 Siedlungen. Der UN-Sicherheitsrat bezeichnete diese Siedlungen 2016 als völkerrechtswidrig und forderte Israel auf, alle Siedlungsaktivitäten zu stoppen. Die Palästinenser wollen im Westjordanland, dem Gazastreifen und Ost-Jerusalem einen eigenen Staat einrichten.

 

 

Tag 229: 22. Mai 2024

Israel hat sein umstrittenes militärisches Vorgehen in Rafah im Süden des Gazastreifens Medienberichten zufolge an die Forderungen der verbündeten USA nach begrenzten Einsätzen angepasst. "Man kann durchaus sagen, dass die Israelis ihre Pläne aktualisiert haben. Sie haben viele der Bedenken, die wir geäussert haben, berücksichtigt", zitierte die "Times of Israel" in der Nacht zum Mittwoch einen ranghohen Beamten der US-Regierung. Auch die "Washington Post" hatte zuvor berichtet, Israel habe nach Gesprächen mit der US-Regierung beschlossen, die Pläne für eine Grossoffensive in der an Ägypten grenzenden Stadt aufzugeben und stattdessen in einem begrenzteren Rahmen vorzugehen. Ein früherer Plan, zwei Divisionen der Armee in die Stadt zu schicken, werde nicht weiterverfolgt, berichtete die Zeitung unter Berufung auf nicht genannte US-Beamte.

Lebensmittelverteilung in Rafah ausgesetzt

Das UN-Hilfswerk für Palästina (UNRWA) setzte am Dienstag die Lebensmittelverteilung in Rafah vorläufig aus. Als Begründung nannte die UN-Einrichtung Lieferengpässe und die Sicherheitslage. Medienberichten zufolge hält Ägypten humanitäre Hilfsgüter wegen Israels Vorgehen in Rafah zurück. Der dortige Grenzübergang, über den zuvor Hilfe nach Gaza gelangte, ist nach der Übernahme durch Israels Armee geschlossen. Ägypten habe darauf bestanden, dass die Lieferungen erst wieder aufgenommen werden könnten, wenn die palästinensische Seite des Übergangs wieder unter palästinensischer Kontrolle stehe, so die "Times of Israel".

Berichte: Ägypten hält Hilfslieferungen zurück

Die USA hätten versucht, Kairo davon zu überzeugen, dass die in Ägypten angesammelten Hilfsgüter dann wenigstens über den israelischen Übergang Kerem Schalom nach Gaza transportiert werden dürfen, schrieb die Zeitung. Doch laut "Politico" hat Ägypten sämtliche Lieferungen über diese Passierstelle gestoppt. Die Ägypter wollten nach der Übernahme der palästinensischen Seite des Grenzübergangs in Rafah durch die Israelis nicht als deren Komplize erscheinen, indem nun stattdessen die Hilfe über Karem Schalom laufe, hiess es. Kerem Schalom liegt etwa drei Kilometer von Rafah entfernt.

Ägyptens Haltung verkompliziere auch die Verhandlungen über eine Waffenruhe, schrieb "Politico" weiter. Liesse Kairo die Hilfslieferungen zu, könnte dies die Spannungen entschärfen und möglicherweise zur Wiederaufnahme der Verhandlungen beitragen, hiess es. Israel will in Rafah die letzten dort vermuteten Bataillone der Hamas zerschlagen. Rafah ist nach mehr als sieben Monaten Krieg die letzte noch halbwegs intakte Stadt im abgeriegelten Gazastreifen.

Die USA lehnen eine grosse israelische Bodenoffensive dort ab. Israels Armee hatte vor zwei Wochen einen Bodeneinsatz im Osten der Stadt begonnen. Laut der "Times of Israel" haben nach jüngsten Schätzungen des israelischen Militärs seither etwa 950 000 Palästinenser das Gebiet verlassen. Derzeit sollen sich demnach noch rund 300 000 bis 400 000 Zivilisten dort aufhalten. Vor dem Beginn des Einmarsches der israelischen Armee hatten mehr als eine Million Binnenflüchtlinge aus anderen Teilen des Gazastreifens in Rafah Schutz gesucht.

Probleme mit Hilfsgüter-Lieferung über provisorischen Hafen

Unterdessen hapert es auch bei den Hilfslieferungen, die über eine provisorische Anlegestelle des US-Militärs nach Gaza gelangen. Die US-Regierung wehrte sich gegen Kritik, dass die Verteilung schleppend verläuft. "Man darf auch nicht vergessen, dass es sich um ein Kampfgebiet und eine komplexe Operation handelt", sagte Pentagon-Sprecher Pat Ryder am Dienstag. Man arbeite etwa daran, alternative Routen für den Transport der Hilfsgüter an Land auszumachen. Ryder betonte, dass das US-Militär an der Verteilung der Lieferungen nicht beteiligt sei. UN-Sprecher Stéphane Dujarric zufolge verliessen am Samstag 16 Lastwagen den schwimmenden Pier. "Aber elf dieser Lastwagen schafften es nie bis zum Lagerhaus. An verschiedenen Stellen auf dem Weg hatten Menschenmassen die Lastwagen angehalten."

Netanjahu: Keine Pläne für israelische Siedlungen in Gaza

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu versicherte unterdessen, Israel habe nicht vor, nach dem Krieg Siedlungen im Gazastreifen zu errichten. "Das war nie vorgesehen", betonte er am Dienstag in einem Interview des US-Nachrichtensenders CNN. Sobald die Hamas besiegt sei, müsse eine nachhaltige Demilitarisierung Gazas erreicht werden, sagte Netanjahu. "Wir wollen eine zivile Verwaltung, die von Bürgern von Gaza geführt wird, die weder der Hamas angehören noch sich für sie engagieren."

Die "Washington Post" hatte zuvor namentlich nicht genannte israelische Verteidigungsbeamte zitiert, wonach ihre Strategie eine palästinensische Sicherheitstruppe vorsehe. Diese würde zum Teil aus dem Verwaltungspersonal der Palästinensischen Autonomiebehörde bestehen und von einem Regierungsrat aus palästinensischen Persönlichkeiten beaufsichtigt werden - mit Unterstützung gemässigter arabischer Staaten wie Ägypten, Jordanien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien. Anders als Regierungschef Netanjahu akzeptierten einige israelische Beamte demnach, dass dieser Verwaltungsrat mit der Palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland in Verbindung stehen würde.

Israels Verteidigungsministers Joav Galant hatte vor wenigen Tagen kritisiert, dass der Regierung unter Netanjahu ein Plan dazu fehle, wer nach dem Krieg im Gazastreifen regieren soll. Die Hamas könne nur dauerhaft von der Macht verdrängt werden, wenn palästinensische Vertreter in Gaza die Kontrolle übernehmen, begleitet von internationalen Akteuren, die eine Regierungsalternative zur Hamas-Herrschaft schaffen, sagte Galant. Auf die Frage, ob dies bedeute, die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland nach Gaza zu bringen, sagte Netanjahu: "Ich bin klar dagegen, Hamastan gegen Fatahstan auszutauschen." Im Westjordanland ist die vergleichsweise gemässigte Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die führende Partei.

Minister ordnet Rückgabe von Kamera an Nachrichtenagentur an

Wenige Stunden nach der Beschlagnahme von Ausrüstung der Nachrichtenagentur AP in Israel hat Informationsminister Schlomo Karhi die Rückgabe der Kamera angeordnet. Das schrieb der israelische Politiker am Dienstagabend auf der Plattform X. Das Verteidigungsministerium wolle prüfen, ob der Einsatz der Kamera an der Grenze zum Gazastreifen irgendein Risiko für die israelischen Truppen dort bedeute, hiess es weiter. Zuvor hatte der Minister die Beschlagnahme der Ausrüstung und die Unterbrechung eines Live-Feeds im südisraelischen Sderot damit begründet, dass AP gesetzeswidrig Aufnahmen an den katarischen Sender Al-Dschasira weitergegeben habe - dessen Berichterstattung der israelischen Regierung ein Dorn im Auge ist. Ein neues Gesetz ermöglicht es der Regierung, internationale Medienunternehmen an der Arbeit in Israel zu hindern, wenn sie diese als Bedrohung der nationalen Sicherheit betrachtet.

 

 

 

 

Tag 228: 21. Mai 2024

 

Das UN-Hilfswerk für Palästina (UNRWA) hat am Dienstag die Lebensmittelverteilung in Rafah im Süden des Gazastreifens vorläufig ausgesetzt. Das schrieb die UN-Einrichtung auf der Plattform X. Zur Begründung wurden Lieferengpässe und die Sicherheitslage genannt.

In Rafah im Süden des Gazastreifens an der Grenze zu Ägypten dauert der israelische Militäreinsatz insbesondere im Osten der Stadt an. Ein Militärsprecher berichtete am Dienstag, dass erneut Terrorstrukturen zerstört und unterirdische Waffenlager entdeckt worden seien.

Nach israelischen Angaben waren allein am Montag 403 Lastwagen mit Hilfsgütern im Gazastreifen angekommen. Seit Beginn des Krieges seien mehr als 572 000 Tonnen Hilfsgüter geliefert worden.

Auslöser des Gazakriegs war das Massaker der islamistischen Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres. Bei dem Terrorangriff wurden mehr als 1200 Menschen getötet und mehr als 240 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

 

Tag 227: 20. Mai 2024

Während im Iran nach einem mutmasslichen Helikopterunfall die Suche nach Präsident Ebrahim Raisi und seinem Aussenminister andauert, setzt der Israel im Gazastreifen den Kampf gegen die islamistische Hamas verstärkt fort. Der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden bekräftigte am Sonntag bei Gesprächen in Israel einerseits, dass die USA eine grossangelegte Offensive in Rafah im Süden Gazas weiterhin ablehnen. Zugleich aber erörterte er mit den Israelis Methoden, um die Niederlage der Hamas sicherzustellen und dabei den Schaden für die Zivilbevölkerung so gering wie möglich zu halten, wie das Weisse Haus im Anschluss mitteilte. Sullivan habe Unterstützung der USA für Israels Bemühungen zum Ausdruck gebracht, die Hamas-Anführer in Gaza zu finden. Er traf unter anderem Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Präsident Izchak Herzog.

Israels Verteidigungsminister Joav Galant und sein Generalstabschef Herzi Halevi haben nach einem Medienbericht eine deutliche Ausweitung des Militäreinsatzes in Rafah genehmigt. Sie hätten die "nächste und bedeutsame Phase" der Operation in der Stadt im Süden des Gazastreifens gebilligt, berichtete der regierungsnahe israelische TV-Sender Channel 14 am Sonntag. Ranghohe Militärs wollten Sullivan die Details des Plans präsentieren, hiess es. Ein israelischerArmeesprecher sagte, man prüfe den Medienbericht.

USA wollen Versorgung der Bevölkerung in Gaza sicherstellen

In Rafah will Israels Führung nach eigenen Angaben die letzten dort vermuteten Bataillone der Hamas zerschlagen. Verbündete wie die USA haben Israel wegen der vielen Binnenflüchtlinge wiederholt vor einem grossangelegten Angriff auf die Stadt an der Grenze zu Ägypten gewarnt. Israels Führung hält jedoch an ihren Angriffsplänen fest. Rund 800 000 Flüchtlinge haben nach UN-Schätzungen die Stadt seit Beginn des Militäreinsatzes vor rund zwei Wochen bereits verlassen. Sullivan habe in Israel über die Gespräche mit Ägypten informiert, die Grenze zu Rafah zu sichern und den weiteren Fluss humanitärer Hilfe über den Grenzübergang Kerem Schalom zu gewährleisten, teilte das Weisse Haus derweil weiter mit.

Kerem Schalom ist zu einem Hauptnadelöhr für Hilfsgüter nach Gaza geworden, da die Passierstelle Rafah nach Übernahme der Kontrolle des Grenzübergangs auf der palästinensischen Seite durch israelische Streitkräfte Anfang des Monats geschlossen wurde. Ägypten hat laut Medien angedeutet, den Transport von Hilfsgütern durch Rafah nicht zu koordinieren, bis die israelischen Truppen abgezogen sind. Es laufen Gespräche, den Grenzübergang wieder zu öffnen.

Israels Regierungschef Netanjahu schrieb nach dem Treffen mit Sullivan auf X, die Fortsetzung des Kriegs in Gaza, insbesondere das Vorgehen in Rafah, und die Verstärkung der humanitären Bemühungen in dem Küstengebiet seien ausführlich diskutiert worden. Laut dem Weissen Haus ging es dabei auch um Schritte zur Einrichtung fester Korridore innerhalb Gazas, um zu gewährleisten, dass die Hilfsgüter alle notleidenden Zivilisten auch erreichen.

Bidens Sicherheitsberater fordert von Israel politische Strategie

Sullivan hat dem Weissen Haus zufolge die israelische Regierung zudem erneut aufgefordert, ihre Militäreinsätze im Gazastreifen mit einer politischen Strategie zu verknüpfen. Nur so könne eine dauerhafte Niederlage der Hamas, die Freilassung aller israelischen Geiseln und eine bessere Zukunft für den Gazastreifen gewährleistet werden. Zuvor hatte auch Israels Verteidigungsminister Galant von der eigenen Regierung die Schaffung einer politischen Alternative zur Hamas im Gazastreifen gefordert. Sonst blieben nur eine Fortsetzung der Hamas-Herrschaft oder eine israelischeMilitärherrschaft als Optionen, sagte Galant vor wenigen Tagen.

Sullivan informierte Israels Regierungschef zudem über seine zuvor in Saudi-Arabien geführten Gespräche und sprach über "das Potenzial", das sich nun für Israel und das palästinensische Volk ergeben könnte, wie das Weisse Haus weiter mitteilte. Vor Beginn des Gaza-Kriegs hatte viel auf eine Normalisierung der Beziehungen Saudi-Arabiens mit Israelhingedeutet. Riad setzte die Gespräche darüber nach dem Beginn des Kriegs aus. Die US-Regierung führt darüber mit Israel und Saudi-Arabien aber weiterhin Gespräche. Saudi-Arabien will Beziehungen mit Israel erst aufnehmen, wenn es einen unabhängigen und anerkannten Palästinenserstaat gibt. Netanjahu lehnt einen Palästinenserstaat aber ab.

Unterdessen gab es im Iran auch Stunden nach dem mutmasslichen Absturz eines Helikopters mit Präsident Ebrahim Raisi und Aussenminister Hussein Amirabdollahian an Bord kein Lebenszeichen von ihnen. Strömender Regen und Wind erschwerten die Suche in der bergigen Region. Irans Kabinett kam unterdessen zu einer Notsitzung zusammen. Sollten Raisi und Amirabdollahian bei dem Unglück ums Leben gekommen sein, dürfte die Islamische Republik in eine innen- und aussenpolitische Krise stürzen. Der Iran stand zuletzt verstärkt in den Schlagzeilen, auch weil ein regionaler Krieg mit dem Erzfeind Israel zu drohen schien.

Der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden hat die israelische Regierung erneut aufgefordert, ihre Militäreinsätze im Gazastreifen mit einer politischen Strategie zu verknüpfen. Das teilte das Weisse Haus am Sonntag nach Treffen Jake Sullivans mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Präsident Izchak Herzog in Jerusalem mit. Durch diese Strategie müsse eine dauerhafte Niederlage der islamistischen Hamas, die Freilassung aller israelischen Geiseln und eine bessere Zukunft für den Gazastreifen gewährleistet werden können. Zuvor hatte Sullivan in Saudi-Arabien den Kronprinzen und faktischen Herrscher, Mohammed bin Salman, getroffen.

Die USA fordern seit längerem von Israel, eine Strategie für die Verwaltung des umkämpften Küstengebiets vorzulegen. Sie haben auch wiederholt vor einem grossangelegten Angriff auf die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens an der Grenze zu Ägypten gewarnt. Der israelische Regierungschef Netanjahu schrieb nach dem Treffen auf der Plattform X, die Fortsetzung des Kriegs in Gaza, insbesondere das Vorgehen in Rafah, und die Verstärkung der humanitären Bemühungen in dem Küstengebiet seien ausführlich diskutiert worden.

Sullivan schlug laut Weissem Haus darüber hinaus eine Reihe von Massnahmen vor, um sicherzustellen, dass mehr Hilfsgüter in den abgeriegelten Gazastreifen gelangen. Er habe auch Schritte zur Einrichtung fester Korridore innerhalb des Küstengebiets erörtert, um zu gewährleisten, dass die Hilfsgüter alle Not leidenden Zivilisten in Gaza erreichen könnten.

 

Tag 226: 19. Mai: 2024

Mitten im Gaza-Krieg eskaliert innerhalb der israelischen Regierung der Konflikt über die Zukunft des umkämpften Küstengebiets. Benny Gantz, Minister im Kriegskabinett, drohte am Samstagabend mit dem Austritt aus der von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geführten Regierung. Lege der Regierungschef nicht bis zum 8. Juni einen Plan für die Nachkriegsordnung im Gazastreifen vor, würden er und weitere Mitglieder seiner an sich oppositionellen Zentrumspartei Nationale Union die Regierung verlassen, sagte der Ex-General in Tel Aviv. Dies könnte die Regierung in eine Krise stürzen. "Ein Krieg wird nur mit einem klaren und realistischen strategischen Kompass gewonnen", sagte Gantz. Netanjahu warf seinem Koalitionspartner und politischen Rivalen daraufhin vor, dem Ministerpräsidenten Israels ein Ultimatum zu stellen - anstatt der islamistischen Hamas.

Proteste in Israel

Gantz' Erklärung erfolgte nur drei Tage, nachdem bereits Israels Verteidigungsminister Joav Galant öffentlich Netanjahus Kriegsführung angeprangert hatte. Es müsse eine politische Alternative zur Hamas in Gaza geschaffen werden. Sonst blieben nur eine Fortsetzung der Hamas-Herrschaft oder eine israelische Militärherrschaft, sagte Galant, der mit Gantz und Netanjahu das Kriegskabinett bildet. Am Abend, an dem Gantz sein Ultimatum gestellt hatte, gingen Tausende von Menschen in Tel Aviv auf die Strassen und forderten die Rückholung der Geiseln. Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, sagte dabei in einer Ansprache: "Wir müssen allen sagen, dass es nichts Wichtigeres gibt, als die Entführten nach Hause zu bringen. Das sollte das oberste Ziel sein", sagte er der "Times of Israel" zufolge.

Eine Woche nach dem Eurovision Song Contest (ESC) in Malmö sang die israelische Teilnehmerin Eden Golan bei der Grossdemonstration ihr Lied mit dem ursprünglichen Text, wie Medien meldeten. Beim ESC hatte Israel den Text mit dem Titel "October Rain" auf Druck der Veranstalter ändern müssen, weil er ihnen zu politisch erschien - wegen möglicher Hinweise auf die am 7. Oktober von der Hamas in Israel verübten Massaker. Derweil kam es laut Medien auch in Jerusalem zu Protesten gegen Netanjahu. Demonstranten forderten auch hier die Rückholung der noch immer mehr als 100 Geiseln. "Derjenige, der sie im Stich gelassen hat, muss sie zurückbringen!", hiess es. "Beendet den Krieg" stand auf Plakaten. Am selben Abend gab die Armee bekannt, die Leiche einer weiteren Geisel geborgen zu haben.

Leiche einer weiteren Geisel entdeckt

Der Mann sei bei dem Massaker der Hamas am 7. Oktober ermordet und seine Leiche in den Gazastreifen verschleppt worden, hiess es. Bereits am Freitag hatte die Armee mitgeteilt, drei Leichen von Geiseln geborgen zu haben, unter ihnen die der Deutsch-Israelin Shani Louk. Das Massaker war Auslöser des Krieges. Viele in Israel beanstanden, dass er selbst nach mehr als sieben Monaten keinen entscheidenden Sieg gebracht hat. Wichtige Entscheidungen der Führung, um den Sieg zu sichern, seien nicht getroffen worden, sagte Gantz. "Eine kleine Minderheit hat die Kommandobrücke des israelischen Staatsschiffes übernommen und steuert es auf die Klippen zu", sagte er mit Blick auf Netanjahus rechtsextreme Koalitionspartner, die zuletzt mit dem Ende der Regierung gedroht hatten.

Gantz fordert Pläne für Alternativregierung in Gaza

Gantz verlangte laut israelischen Medienberichten von Netanjahu bis zu dem genannten Datum einen Plan, um sechs "strategische Ziele" zu erreichen: dazu zählte er unter anderem die Festlegung einer Verwaltung unter Beteiligung der USA, Europas, der arabischen Staaten und der Palästinenser, die die zivilen Angelegenheiten des Gazastreifens regeln und die Grundlage für eine künftige alternative Regierung dort bilden soll. Keinesfalls könnten dies die Hamas oder Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sein. Zudem müssten die Geiseln aus dem Gazastreifen zurückkehren und die Beziehungen zu Saudi-Arabien normalisiert werden. Gantz rief zudem dazu auf, ein Konzept für den Militärdienst für alle Israelis zu verabschieden.

Netanjahu weist Forderungen zurück

Netanjahus Büro teilte Medienberichten zufolge daraufhin mit, die Forderungen von Gantz würden eine Niederlage für Israel, das Aufgeben der Mehrheit der Geiseln, das Verbleiben der Hamas an der Macht und die Schaffung eines palästinensischen Staates bedeuten. Netanjahu regiert seit Ende 2022 zusammen mit rechtsextremen und ultra-religiösen Parteien. Gantz war nach dem beispiellosen Angriff der Hamas und anderer Terrorgruppen am 7. Oktober als Minister ohne Ressort und Mitglied des Kriegskabinetts in Netanjahus Regierung eingetreten. Damit wollten die Beteiligten ein Zeichen der Geschlossenheit setzen.

Würde Gantz seine Drohung wahr machen und mit Mitgliedern seiner Partei die Regierung verlassen, würde das zwar nicht unmittelbar das Ende der Regierung bedeuten. Netanjahu wäre aber dem Druck und den Forderungen seiner extremistischen Koalitionspartner laut Beobachtern künftig noch stärker als bisher schon ausgesetzt. Diese fordern unter anderem die Errichtung jüdischer Siedlungen im Gazastreifen. Netanjahu, gegen den seit längerem ein Korruptionsprozess läuft, ist für sein politisches Überleben auf seine rechtsextremen Koalitionspartner angewiesen. Er hätte ohne Gantz und dessen Parteimitglieder nur noch eine knappe Mehrheit im Parlament. Sollte es zu einer Regierungskrise und in der Folge zu Neuwahlen kommen, würde Gantz laut jüngsten Umfragen neuer Regierungschef werden.

UNRWA-Chef: Rund 800 000 Menschen haben Rafah verlassen

Unterdessen haben seit Beginn des Militäreinsatzes in Rafah vor knapp zwei Wochen nach Angaben des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) rund 800 000 Menschen die Stadt im Süden Gazas verlassen. Erneut sei fast die Hälfte der Bevölkerung von Rafah auf der Strasse, beklagte UNRWA-Chef Philippe Lazzarini, am Samstagabend auf der Plattform X. In Rafah will die israelische Führung nach eigenen Angaben die letzten dort vermuteten Bataillone der Hamas zerschlagen. Verbündete wie die USA haben Israel wegen der vielen Binnenflüchtlinge wiederholt vor einem grossangelegten Angriff auf die Stadt an der Grenze zu Ägypten gewarnt. Israels Führung hält jedoch an ihren Angriffsplänen für Rafah fest.

Minister stellt Israels Regierungschef Ultimatum - Nacht im Überblick

Tel Aviv (sda/dpa) - 

Mitten im Gaza-Krieg eskaliert innerhalb der israelischen Regierung der Konflikt über die Zukunft des umkämpften Küstengebiets. Benny Gantz, Minister im Kriegskabinett, drohte am Samstagabend mit dem Austritt aus der von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geführten Regierung. Lege der Regierungschef nicht bis zum 8. Juni einen Plan für die Nachkriegsordnung im Gazastreifen vor, würden er und weitere Mitglieder seiner an sich oppositionellen Zentrumspartei Nationale Union die Regierung verlassen, sagte der Ex-General in Tel Aviv. Dies könnte die Regierung in eine Krise stürzen. "Ein Krieg wird nur mit einem klaren und realistischen strategischen Kompass gewonnen", sagte Gantz. Netanjahu warf seinem Koalitionspartner und politischen Rivalen daraufhin vor, dem Ministerpräsidenten Israels ein Ultimatum zu stellen - anstatt der islamistischen Hamas.

Proteste in Israel

Gantz' Erklärung erfolgte nur drei Tage, nachdem bereits Israels Verteidigungsminister Joav Galant öffentlich Netanjahus Kriegsführung angeprangert hatte. Es müsse eine politische Alternative zur Hamas in Gaza geschaffen werden. Sonst blieben nur eine Fortsetzung der Hamas-Herrschaft oder eine israelische Militärherrschaft, sagte Galant, der mit Gantz und Netanjahu das Kriegskabinett bildet. Am Abend, an dem Gantz sein Ultimatum gestellt hatte, gingen Tausende von Menschen in Tel Aviv auf die Strassen und forderten die Rückholung der Geiseln. Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, sagte dabei in einer Ansprache: "Wir müssen allen sagen, dass es nichts Wichtigeres gibt, als die Entführten nach Hause zu bringen. Das sollte das oberste Ziel sein", sagte er der "Times of Israel" zufolge.

Eine Woche nach dem Eurovision Song Contest (ESC) in Malmö sang die israelische Teilnehmerin Eden Golan bei der Grossdemonstration ihr Lied mit dem ursprünglichen Text, wie Medien meldeten. Beim ESC hatte Israel den Text mit dem Titel "October Rain" auf Druck der Veranstalter ändern müssen, weil er ihnen zu politisch erschien - wegen möglicher Hinweise auf die am 7. Oktober von der Hamas in Israel verübten Massaker. Derweil kam es laut Medien auch in Jerusalem zu Protesten gegen Netanjahu. Demonstranten forderten auch hier die Rückholung der noch immer mehr als 100 Geiseln. "Derjenige, der sie im Stich gelassen hat, muss sie zurückbringen!", hiess es. "Beendet den Krieg" stand auf Plakaten. Am selben Abend gab die Armee bekannt, die Leiche einer weiteren Geisel geborgen zu haben.

Leiche einer weiteren Geisel entdeckt

Der Mann sei bei dem Massaker der Hamas am 7. Oktober ermordet und seine Leiche in den Gazastreifen verschleppt worden, hiess es. Bereits am Freitag hatte die Armee mitgeteilt, drei Leichen von Geiseln geborgen zu haben, unter ihnen die der Deutsch-Israelin Shani Louk. Das Massaker war Auslöser des Krieges. Viele in Israel beanstanden, dass er selbst nach mehr als sieben Monaten keinen entscheidenden Sieg gebracht hat. Wichtige Entscheidungen der Führung, um den Sieg zu sichern, seien nicht getroffen worden, sagte Gantz. "Eine kleine Minderheit hat die Kommandobrücke des israelischen Staatsschiffes übernommen und steuert es auf die Klippen zu", sagte er mit Blick auf Netanjahus rechtsextreme Koalitionspartner, die zuletzt mit dem Ende der Regierung gedroht hatten.

Gantz fordert Pläne für Alternativregierung in Gaza

Gantz verlangte laut israelischen Medienberichten von Netanjahu bis zu dem genannten Datum einen Plan, um sechs "strategische Ziele" zu erreichen: dazu zählte er unter anderem die Festlegung einer Verwaltung unter Beteiligung der USA, Europas, der arabischen Staaten und der Palästinenser, die die zivilen Angelegenheiten des Gazastreifens regeln und die Grundlage für eine künftige alternative Regierung dort bilden soll. Keinesfalls könnten dies die Hamas oder Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sein. Zudem müssten die Geiseln aus dem Gazastreifen zurückkehren und die Beziehungen zu Saudi-Arabien normalisiert werden. Gantz rief zudem dazu auf, ein Konzept für den Militärdienst für alle Israelis zu verabschieden.

Netanjahu weist Forderungen zurück

Netanjahus Büro teilte Medienberichten zufolge daraufhin mit, die Forderungen von Gantz würden eine Niederlage für Israel, das Aufgeben der Mehrheit der Geiseln, das Verbleiben der Hamas an der Macht und die Schaffung eines palästinensischen Staates bedeuten. Netanjahu regiert seit Ende 2022 zusammen mit rechtsextremen und ultra-religiösen Parteien. Gantz war nach dem beispiellosen Angriff der Hamas und anderer Terrorgruppen am 7. Oktober als Minister ohne Ressort und Mitglied des Kriegskabinetts in Netanjahus Regierung eingetreten. Damit wollten die Beteiligten ein Zeichen der Geschlossenheit setzen.

Würde Gantz seine Drohung wahr machen und mit Mitgliedern seiner Partei die Regierung verlassen, würde das zwar nicht unmittelbar das Ende der Regierung bedeuten. Netanjahu wäre aber dem Druck und den Forderungen seiner extremistischen Koalitionspartner laut Beobachtern künftig noch stärker als bisher schon ausgesetzt. Diese fordern unter anderem die Errichtung jüdischer Siedlungen im Gazastreifen. Netanjahu, gegen den seit längerem ein Korruptionsprozess läuft, ist für sein politisches Überleben auf seine rechtsextremen Koalitionspartner angewiesen. Er hätte ohne Gantz und dessen Parteimitglieder nur noch eine knappe Mehrheit im Parlament. Sollte es zu einer Regierungskrise und in der Folge zu Neuwahlen kommen, würde Gantz laut jüngsten Umfragen neuer Regierungschef werden.

UNRWA-Chef: Rund 800 000 Menschen haben Rafah verlassen

Unterdessen haben seit Beginn des Militäreinsatzes in Rafah vor knapp zwei Wochen nach Angaben des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) rund 800 000 Menschen die Stadt im Süden Gazas verlassen. Erneut sei fast die Hälfte der Bevölkerung von Rafah auf der Strasse, beklagte UNRWA-Chef Philippe Lazzarini, am Samstagabend auf der Plattform X. In Rafah will die israelische Führung nach eigenen Angaben die letzten dort vermuteten Bataillone der Hamas zerschlagen. Verbündete wie die USA haben Israel wegen der vielen Binnenflüchtlinge wiederholt vor einem grossangelegten Angriff auf die Stadt an der Grenze zu Ägypten gewarnt. Israels Führung hält jedoch an ihren Angriffsplänen für Rafah fest.

Was am Sonntag wichtig wird

Der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan will in Israel mit Regierungschef Netanjahu, Verteidigungsminister Galant und anderen Beamten zusammentreffen, um über den umstrittenen Vorstoss des israelischen Militärs in Rafah sowie über Nachkriegspläne für den abgeriegelten Gazastreifen zu sprechen. Auch die US-Regierung erwartet von Netanjahus Regierung, sich aktiv an der Entwicklung eines konkreten Plans für die Zukunft des Gazastreifens zu beteiligen. Die USA befürworten keine Kontrolle durch die Hamas. Es dürfe aber auch keine Anarchie und kein Vakuum geben, das "wahrscheinlich durch Chaos" gefüllt werde, mahnte US-Aussenminister Antony Blinken kürzlich. Es müsse daher einen klaren Plan geben. Israel solle Ideen einbringen, forderte er.

Der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan will in Israel mit Regierungschef Netanjahu, Verteidigungsminister Galant und anderen Beamten zusammentreffen, um über den umstrittenen Vorstoss des israelischen Militärs in Rafah sowie über Nachkriegspläne für den abgeriegelten Gazastreifen zu sprechen. Auch die US-Regierung erwartet von Netanjahus Regierung, sich aktiv an der Entwicklung eines konkreten Plans für die Zukunft des Gazastreifens zu beteiligen. Die USA befürworten keine Kontrolle durch die Hamas. Es dürfe aber auch keine Anarchie und kein Vakuum geben, das "wahrscheinlich durch Chaos" gefüllt werde, mahnte US-Aussenminister Antony Blinken kürzlich. Es müsse daher einen klaren Plan geben. Israel solle Ideen einbringen, forderte er.

 

Tag 223: 16. Mai 2024

Vor Vertretern des UN-Sicherheitsrates in New York haben Angehörige an die noch in der Hand der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen verbliebenen Geiseln erinnert. Unter anderem erinnerte bei dem Treffen am Donnerstag Gili Roman, der auch deutscher Staatsbürger ist, an seine Schwägerin Carmel, die am 7. Oktober aus dem Kibbuz Beeri verschleppt worden war. "Wir wissen wenig über die Situation von Carmel", sagte Roman. "Wir hoffen, dass sie lebt. Aber wir wissen es nicht." Die anwesenden Vertreter des Sicherheitsrates und einiger anderer UN-Mitgliedsländer, darunter auch Deutschland, versprachen, sich weiter für eine Freilassung aller Geiseln einzusetzen. Die Hamas und ihre Unterstützer hatten bei ihrem Angriff am 7. Oktober nicht nur etwa 1200 Menschen ermordet, sondern auch etwa 230 Frauen, Männer und Kinder entführt. 105 von ihnen kamen nach einer Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas nach knapp zwei Monaten frei. Das Schicksal der übrigen Geiseln ist unklar. Etwa 100 von ihnen dürften nach israelischen Schätzungen noch am Leben sein.

 

Tag 222: 15. Mai 2024

18:00
Das israelische Militär hat am Mittwoch weitere Palästinenser im Norden des Gazastreifens aufgerufen, sich vor einem grösseren Militäreinsatz gegen die islamistische Hamas in Sicherheit zu bringen.

Ein Armeesprecher veröffentlichte auf der Plattform X eine Karte mit den Gebieten der Stadt Dschalabia, die sofort verlassen werden müssten. In diesen Bereichen feuerten die Hamas und andere Terrorgruppen Raketen auf israelische Städte ab, hiess es. Die Einwohner sollten in Schutzeinrichtungen im Westen der Stadt Gaza Zuflucht vor den bevorstehenden Militäroperationen suchen.

Ein Armeesprecher hatte am Vormittag von einer Intensivierung der Militäreinsätze im Gebiet von Dschabalia seit Dienstagnacht gesprochen. Es habe unter anderem Luftangriffe gegen Ziele gegeben, von denen am Dienstag die südisraelische Stadt Sderot beschossen worden sei. Auch am Mittwochmorgen wurden den Angaben zufolge Raketen aus dem Gebiet von Dschalabia abgefangen, ehe sie israelische Ziele erreichen konnten.

Bei dem beispiellosen Massaker der Hamas und anderer islamistischer Gruppen in Israel am 7. Oktober 2023 wurden rund 1200 Menschen getötet und 250 weitere als Geiseln genommen. Der Terrorangriff war Auslöser des derzeitigen Gazakriegs. Die Angehörigen der noch im Gazastreifen verbliebenen Geiseln bangen weiter um deren Rückkehr. Die Verhandlungen über einen Geisel-Deal waren zuletzt festgefahren.

 

 

12:00
Nach Erkenntnissen des israelischen Militärs befinden sich im Gebiet von Rafah im Süden des Gazastreifens israelische Geiseln. Das hätten Offiziere Generalstabschef Herzi Halevi bei dessen Truppenbesuch im östlichen Rafah am Dienstag berichtet, sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Abend. "Wir sind entschlossen zu tun, was immer nötig ist, um die Bedingungen zu schaffen, dass sie bald zu uns zurückkehren", sagte er.

Israelische Truppen waren nach Augenzeugenberichten tiefer in die Stadt Rafah vorgedrungen. Panzer bewegten sich demnach am Dienstag von Osten aus in weiter westlich gelegene Viertel.

Hagari ging auf diese Berichte nicht ein. Er sagte, seit Beginn der Rafah-Offensive in der vergangenen Woche seien mehr als 100 palästinensische Kämpfer getötet und zehn Tunnelanlagen der islamistischen Hamas entdeckt worden. Auch in anderen Teilen des Gazastreifens dauerten Militäraktionen an, etwa in Dschalabia im Norden des Gazastreifens.

Bei dem beispiellosen Massaker der Hamas und anderer islamistischer Gruppen in Israel am 7. Oktober 2023 wurden rund 1200 Menschen getötet und 250 weitere als Geiseln genommen. Der Terrorangriff war Auslöser des derzeitigen Gazakriegs. Die Angehörigen der noch im Gazastreifen verbliebenen Geiseln bangen weiter um deren Rückkehr. Die Verhandlungen über einen Geisel-Deal waren zuletzt festgefahren.

 

Tag 221: 14. Mai 2024

Die Bemühungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg sind dem Vermittlerstaat Katar zufolge nahezu zum "Stillstand" gekommen. Es gebe grundlegende Unstimmigkeiten zwischen der islamistischen Hamas und Israel, sagte der katarische Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani am Dienstag beim Wirtschaftsforum in der Hauptstadt Doha. Eine Seite wolle den Krieg beenden und dann über die Geiseln sprechen, die andere Seite wolle die Geiseln befreien und den Krieg fortsetzen. "Solange es keine Einigkeit bei diesen beiden Dingen gibt, werden wir zu keinem Ergebnis kommen", so Al Thani.

Sollten sich beide Parteien darüber einig werden, dass sowohl eine Feuerpause als auch eine Einigung über die Geiseln notwendig seien, könne es innerhalb weniger Tage zu einem Deal kommen.

Die Hamas forderte bis zuletzt einen umfassenden Waffenstillstand, einschliesslich eines vollständigen Abzugs der israelischen Armee aus dem Gazastreifen. Israel, das die komplette Zerschlagung der Hamas zum Ziel erklärt hat, lehnte dies bisher ab.

Zu einer möglichen Ausweisung der Hamas-Führung aus Katar sagte der Ministerpräsident: "Wir glauben, dass es in diesem Bereich nichts zu erwarten gibt, solange der Krieg andauert und Kommunikationsbedarf besteht." Die Präsenz der Hamas in Katar diene hauptsächlich der Kommunikation.

Die dadurch geschaffenen Kanäle zwischen der Hamas, Israel und den USA hätten sich in der Vergangenheit als nützlich erwiesen. So sei unter anderem die einwöchige Feuerpause im November vergangenen Jahres zustande gekommen. Dabei wurden auch rund 100 Geiseln im Gegenzug für 240 palästinensische Häftlinge freigelassen.

Israel und die Hamas verhandeln nicht direkt miteinander. Katar, Ägypten und die USA treten deshalb als Vermittler auf. Ziel der Gespräche ist es, die Freilassung von Geiseln in der Gewalt der Hamas im Austausch für palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen sowie eine Waffenpause zu erzielen.

Die bislang letzte Verhandlungsrunde in der ägyptischen Hauptstadt Kairo blieb ergebnislos. Der Schwerpunkt der Gespräche war zuletzt aus Katar nach Ägypten verlegt worden.

 

Tag 219: 12. Mai 2024

Auch im Norden des Gazastreifens liefern israelische Streitkräfte sich weiter heftige Gefechte mit bewaffneten Palästinensern. Der militärische Arm der Terrororganisation Hamas berichtete am Sonntag von schweren Zusammenstössen seiner Kämpfer mit israelischen Soldaten im Bereich von Dschabalia.

Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari hatte am Samstagabend gesagt, Kampfflugzeuge hätten Ziele in Dschabalia im Norden des Gazastreifens angegriffen, nachdem die Zivilbevölkerung dort evakuiert worden sei. Die "Times of Israel" berichtete am Sonntag, die Armee sei von der Präsenz von 100 000 bis 150 000 Palästinensern in dem Gebiet von Dschabalia ausgegangen, zu deren Räumung sie aufgerufen hatte. Das Palästinenserhilfswerk UNRWA hatte sich "äusserst besorgt" über die Evakuierungsaufrufe für Rafah im Süden und Dschabalia im Norden des Küstenstreifens geäussert.

Israels Armee müsse mangels einer politischen Strategie für die Zeit nach dem Krieg immer wieder an Orten im Gazastreifen wie jetzt in Dschabalia kämpfen, die sie eigentlich zuvor eingenommen und aus denen sie sich bereits wieder zurückgezogen hatte, beklagte Generalstabschef Herzi Halevi Medienberichten zufolge bei Sicherheitsberatungen mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Auch in anderen Orten im Norden des Gazastreifens sind israelische Soldaten nach Medienberichten weiter im Einsatz.

 

Tag 218: 11. Mai 2024

Bei wütenden Protesten in Israel haben Demonstranten erneut ein Ende der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und die Freilassung der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln gefordert. Die Zeitung "Haaretz" sprach am Samstagabend von Zehntausenden Teilnehmern der Protestkundgebungen. In der Küstenstadt Tel Aviv sei es zu Zusammenstössen mit der Polizei gekommen. Laut der "Times of Israel" gab es mehrere Festnahmen. "Solange Netanjahu an der Macht ist, werden die Geiseln nicht zurückkehren (...) Netanjahu führt Israel in den völligen Untergang", zitierten israelische Medien aus einer Erklärung von Angehörigen der Geiseln. Minister in Netanjahus Regierung seien aufgerufen worden, nicht mehr mit ihm zu kooperieren. "Netanjahu opfert das Land und schickt unsere Familien aus politischen Gründen in den Tod", lautete ein weiterer Vorwurf.

 

Tag 216: 9. Mai 2024

Israel ist mit der offenen Drohung eines Waffenstopps durch seinen Verbündeten USA für den Fall eines Einmarschs in Rafah weiter unter Druck geraten. Für eine umfassende Invasion in der mit Hunderttausenden von palästinensischen Flüchtlingen überfüllten Stadt im Süden des Gazastreifens werde sein Land nicht die Waffen liefern, sagte US-Präsident Joe Biden in einem Interview des Fernsehsenders CNN, das am Mittwochabend (Ortszeit) ausgestrahlt wurde. Die US-Regierung hatte wegen Israels Vorgehen in Rafah bereits eine Munitionslieferung zurückgehalten. Ranghohe israelische Beamte hätten darüber ihre "tiefe Frustration" zum Ausdruck gebracht und davor gewarnt, dass dies die indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe und Freilassung von Geiseln gefährden könne, sagten zwei informierte Quellen dem Nachrichtenportal "Axios".

Unterdessen setzt Israels Armee den Kampf gegen die islamistische Hamas im abgeriegelten Gazastreifen fort. Zur Stunde würden Stellungen der Hamas im mittleren Abschnitt des Küstengebiets angegriffen, teilte das israelische Militär in der Nacht zum Donnerstag mit. Israelische Soldaten waren in der Nacht zum Dienstag auch in Teile Rafahs an der Grenze zu Ägypten vorgerückt. Die Armee übernahm dort eigenen Angaben nach die Kontrolle des Grenzübergangs auf der palästinensischen Seite. "Die USA sagten, sie wollten, dass wir die Operation einschränken, dass wir uns mit einer grossangelegten Invasion zurückhalten. Und Israel hat das getan und wird immer noch bestraft", zitierte das "Wall Street Journal" in der Nacht zum Donnerstag Michael Oren, ehemals Botschafter Israels in Washington.

Er bezeichnete demnach Bidens Androhung eines Waffenlieferstopps im Falle einer Invasion in Rafah als "Präventivschlag" gegen jede israelische Massnahme zur Ausweitung des Einsatzes gegen die Hamas in der Stadt. Die USA hatten Israels Regierung in den vergangenen Tagen und Wochen immer wieder vor einer grossangelegten Bodenoffensive in Rafah gewarnt - Biden sprach von einer "roten Linie". Das "Wall Street Journal" zitierte israelische Analysten, wonach die Hamas mit dem Einsatz in Rafah unter Druck gesetzt werden soll, ein Abkommen zu akzeptieren, das hinter den Forderungen der Terrororganisation zurückbleibe. Die Hamas besteht weiterhin unter anderem auf einem Abzug der israelischen Truppen, was Israel jedoch strikt ablehnt.

Unterdessen kehrte William Burns, Chef des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, Medienberichten zufolge nach Kairo zu den Vermittlungsgesprächen zurück, nachdem er am Mittwoch in Israel mit Regierungschef Benjamin Netanjahu über den Stand der Verhandlungen über eine Feuerpause gesprochen hatte. Die Verhandlungen, bei denen Ägypten, Katar und die USA vermitteln, sollen in der ägyptischen Hauptstadt fortgesetzt werden, wie der arabische Fernsehsender Al-Dschasira am Donnerstagmorgen berichtete. Ziel der Gespräche ist es, die Freilassung von Geiseln in der Gewalt der Hamas im Austausch für palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen zu erzielen. Burns reist zwischen den verschiedenen Verhandlungsorten hin und her, um dabei Fortschritte zu erreichen.

Die einzige Möglichkeit, die Verhandlungen fortzusetzen, bestehe derzeit darin, weiter anzugreifen, zitierte das "Wall Street Journal" einen ehemaligen Leiter des Nationalen Sicherheitsrates in Israel. "Das ist unsere Art, sie dazu zu bringen, dass sie es ernst nehmen." Die Hamas warf dagegen Israel vor, die Verhandlungen als Vorwand für einen Einmarsch in Rafah zu nutzen. Israels Regierungschef Netanjahu versuche "Ausreden zu erfinden, um Verhandlungen zu vermeiden und die Schuld auf die Hamas und die Vermittler zu schieben", so Izzat al-Rischk, Mitglied des Hamas-Politbüros, in einer Stellungnahme auf Telegram.

Der Einsatz in Rafah zielt nach Angaben Netanjahus darauf ab, die verbliebenen Geiseln zu befreien und die letzten Bataillone der Hamas in der Stadt zu zerschlagen. US-Präsident Biden machte im CNN-Interview deutlich, das israelische Militär sei noch "nicht in die Bevölkerungszentren vorgerückt - was sie getan haben, ist direkt an der Grenze". Er habe Netanjahu und dessen Kriegskabinett klargemacht, dass sie nicht mit US-Unterstützung rechnen könnten, "wenn sie tatsächlich in diese Bevölkerungszentren gehen". Es sei "einfach falsch" - und die USA könnten dafür nicht die Waffen und Artillerie bereitstellen. Nach Aussagen der Vereinten Nationen halten sich gegenwärtig insgesamt 1,2 Millionen Menschen in Rafah auf, mehr als die Hälfte der gesamten Bevölkerung Gazas.

Auch Deutschland hat Israel wegen der vielen Zivilisten in Rafah immer wieder vor einem Einmarsch in der Stadt gewarnt. Das "Wall Street Journal" zitierte derweil Analysten, wonach Israel Armee in verschiedenen Teilen der Stadt in Wellen angreifen könnte. Die jeweils betroffenen Zivilisten sollten sich zuvor in Sicherheit bringen. Am Montag hatte Israel etwa 100 000 Palästinenser aufgefordert, den östlichen Teil Rafahs aus Sicherheitsgründen zu verlassen. Die Bewohner sollten sich in das Gebiet Al-Mawasi nahe der Küste begeben, ihre Versorgung mit Nahrungsmittel, Wasser und Medikamenten könne dort gewährleistet werden.

Der Grenzübergang Rafah bleibt indes weiter geschlossen. Zusammen mit Kerem Schalom ist er das Hauptnadelöhr für Hilfslieferungen in den südlichen Gazastreifen. Trotz der israelischen Ankündigung zur Öffnung von Kerem Schalom wurden nach Angaben der Vereinten Nationen bis zum Mittwochabend (Ortszeit) keine Hilfsgüter in den Gazastreifen geliefert. Dies sagte Sprecher Stéphane Dujarric in New York. Er ging auf Fragen, was die Lieferungen aufhalte, nicht im Detail ein. Auch über den Grenzübergang Rafah sei keine Hilfe in den Gazastreifen gekommen, wo vor allem Treibstoff dringend benötigt wird. Kerem Schalom war am Mittwoch nach mehrtägiger Schliessung gerade erst wieder geöffnet worden. Israel hatte ihn am Sonntag nach einem Raketenangriff der Hamas, bei dem vier israelische Soldaten getötet worden waren, für humanitäre Transporte geschlossen.

Hilfsorganisationen haben die Sorge geäussert, dass der israelische Militäreinsatz in Rafah sowie die Sperrung des dortigen Grenzübergangs nach Ägypten die Lage der Zivilbevölkerung im Gazastreifen weiter verschlechtern könnten. Seit Monaten werfen sie Israel vor, zu wenige Hilfslieferungen in das umkämpfte Gebiet zu lassen. Die wichtigste Geburtsklinik in Rafah stoppte nun die Aufnahme neuer Patientinnen, wie die Verwaltung des Emirati-Krankenhauses der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch telefonisch bestätigte. Als Gründe wurden die fortwährenden Angriffe der israelischen Armee auf die Hamas in der Stadt und die Treibstoffknappheit genannt.

 

 

Tag 214: 7. Mai 2024

In einem dramatischen Schritt sind israelische Truppen in der Nacht zum Dienstag in Teile der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen vorgerückt. Der einzige Grenzübergang nach Ägypten in Rafah sei nun auf der palästinensischen Seite unter israelischer Kontrolle, teilte ein ranghoher israelischer Militär mit.

Auch auf dem sogenannten Philadelphi-Korridor - einem Grenzstreifen zwischen Ägypten und dem Gazastreifen - wurden nach Angaben palästinensischer Augenzeugen israelische Truppen gesichtet.

Es ist das erste Mal seit dem israelischen Abzug aus dem Gazastreifen vor fast zwei Jahrzehnten, dass israelische Streitkräfte wieder in dieses Gebiet vordringen. Israel geht davon aus, dass über die Grenze zu Ägypten Waffen in den Gazastreifen gelangen. Auf Videoaufnahmen der Armee war zu sehen, wie Panzer in den Grenzbereich von Rafah einrollten. Auf einem der Panzer wehte eine grosse israelische Nationalflagge.

Der Einsatz befeuerte Sorgen vor einer folgenschweren Offensive in der mit Flüchtlingen überfüllen Stadt. Die meisten Zivilisten und Vertreter internationaler Hilfsorganisationen hätten nach Evakuierungsaufrufen der Armee am Montag das Gebiet bereits verlassen, teilte der Militär weiter mit.

Kurz vor dem Vorrücken der Truppen hatte die Hamas am Montagabend ihre Zustimmung zu einem Verhandlungsvorschlag über eine Feuerpause im Gaza-Krieg erklärt. Dieser Entwurf entspricht jedoch nicht den israelischen Forderungen. Der israelische Militär sagte, man prüfe den Vorschlag. Israel werde eine Delegation zu weiteren Verhandlungen nach Kairo schicken. Dort bemühen sich die Unterhändler Ägypten, Katar und die USA weiter um eine Waffenruhe, die Freilassung von Geiseln und Häftlingen sowie die ungehinderte Lieferung humanitärer Hilfsgüter in den Gazastreifen.

Der von der Hamas akzeptierte Entwurf zu einer Feuerpause umfasst nach Angaben der Islamisten drei jeweils 42-tägige Phasen. Die erste Phase sehe unter anderem die Freilassung von 33 Geiseln im Austausch für hunderte palästinensische Häftlinge vor. Nach Angaben der Hamas könnte es sich dabei aber sowohl um lebende als auch um bereits tote Geiseln handeln. Weiterhin seien eine vorläufige Einstellung der Kämpfe, ein schrittweiser Teilabzug israelischer Truppen aus dem Gazastreifen, Bewegungsfreiheit für unbewaffnete Palästinenser in dem Küstengebiet und die verstärkte Einfuhr von humanitärer Hilfe vorgesehen. Die zweite Phase laufe auf die Freilassung aller restlichen Geiseln, den Komplettabzug der israelischen Armee aus Gaza und einen dauerhaften Waffenstillstand hinaus. In der dritten Phase soll demnach ein auf drei bis fünf Jahre angelegter Prozess zum Wiederaufbau Gazas beginnen.

Israel stufte den Vorschlag rasch als Täuschungsmanöver der Hamas und Versuch ein, den Einsatz in Rafah zu stoppen. Es handelte sich offenbar um einen von Ägypten und Katar ausgearbeiteten Entwurf, dem Israel bislang nicht zugestimmt hatte. Der jüdische Staat fordert die Freilassung lebender Geiseln in der ersten Phase und hat bisher einem vollständigen Ende des Krieges nicht zugestimmt.

Israel will weiterhin die Hamas zerstören und die Herrschaft der Terrororganisation im Gazastreifen beenden. Rafah gilt als letzte Bastion der Hamas, dort werden die Führungsspitze der Organisation sowie Geiseln vermutet. Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit einer Offensive im Gazastreifen, bei der nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher 34 789 Palästinenser getötet und mehr als 78 000 weitere verletzt wurden.

Ägypten verurteilte das Vorrücken der israelischen Armee in Rafah am Dienstag scharf. Das Aussenministerium in Kairo sehe darin eine "gefährliche Eskalation, die das Leben von mehr als einer Million Palästinenser" bedrohe. Ägypten rufe die israelische Seite dazu auf, ein Höchstmass an Zurückhaltung zu üben und nicht mit dem Feuer zu spielen. Israels Nachbarstaat befürchtet unter anderem, es könnte bei einer grossangelegten Offensive in Rafah zu einem Ansturm von Palästinensern über die Grenze kommen.

In Rafah liegt der Grenzübergang vom Gazastreifen nach Ägypten, es ist auch ein wichtiges Tor für humanitäre Hilfslieferungen in den abgeriegelten Küstenstreifen. Sowohl der Grenzverkehr als auch die Einfuhr humanitärer Hilfe wurden vorerst eingestellt. Der militärische Hamas-Arm griff unterdessen am Dienstag erneut den israelischen Grenzübergang Kerem Schalom mit Raketen und Mörsergranaten an. Erst am Sonntag hatten die Kassam-Brigaden bei einem Raketenangriff auf Kerem Schalom vier israelische Soldaten getötet. Kerem Schalom, wichtigster Grenzübergang für die Lieferung von Hilfsgütern aus Israel in den Gazastreifen, wurde daraufhin ebenfalls vorerst geschlossen.

Israel: "Präziser Anti-Terror-Einsatz in sehr begrenztem Umfang"

Der israelische Militärvertreter sagte am Dienstag zu den aktuellen Entwicklungen, es handele sich um einen "präzisen Anti-Terror-Einsatz in sehr begrenztem Umfang". Spezialtruppen durchsuchten den Rafah-Übergang nach Terroristen. Es gebe Hinweise darauf, dass die Hamas die Gaza-Seite des Übergangs für Terrorzwecke missbraucht habe.

Das Nachrichtenportal "Axios" berichtete unter Berufung auf israelische Regierungsbeamte, der Einsatz von Panzern und Bodeneinheiten östlich von Rafah sei als erste Phase der Offensive zu verstehen. Die Übernahme des Grenzübergangs Rafah solle nicht nur den Machtverlust der Hamas im Gazastreifen demonstrieren. Anschliessend sollten Palästinenser ohne Verbindung zu den Islamisten an der Verteilung von Hilfsgütern beteiligt werden, die aus Ägypten in das abgeschottete Küstengebiet kommen.

Die humanitären Organisationen der Vereinten Nationen verurteilten Israels Vorrücken in Rafah. Für die Zivilbevölkerung gebe es keine sicheren Routen Richtung Norden und keine sicheren Zufluchtsorte mit ausreichend Sanitäranlagen und Nahrungsmittelversorgung. Dies seien Grundvoraussetzungen für Evakuierungen, sagte die Sprecherin des UN-Menschenrechtsbüros, Ravina Shamdasani, am Dienstag in Genf. Wenn diese nicht erfüllt seien, handele es sich um Zwangsumsiedlungen, die Kriegsverbrechen darstellen könnten.

Israel hatte am Montag etwa 100 000 Palästinenser aufgefordert, den östlichen Teil von Rafah aus Sicherheitsgründen zu verlassen. Die betroffenen Bewohner sollten sich in das Gebiet Al-Mawasi nahe der Küste begeben, ihre Versorgung mit Nahrungsmittel, Wasser und Medikamenten könne dort gewährleistet werden.

Die US-Regierung geht nach jetzigem Stand nicht davon aus, dass es sich um den Beginn einer grossangelegten Offensive des israelischen Militärs handelt. Das teilte ein US-Regierungsvertreter am Montagabend (Ortszeit) in Washington mit. An den ernsthaften Bedenken der amerikanischen Seite wegen einer solchen Militäroffensive in dem dicht besiedelten Gebiet habe sich aber nichts geändert.

Nach Aussagen der Vereinten Nationen halten sich gegenwärtig insgesamt 1,2 Millionen Menschen in Rafah auf, wo sonst nur etwa 250 000 Menschen lebten. In den vergangenen Tagen und Wochen haben die US-Regierung und andere Verbündete Israels immer wieder vor den Folgen eines Militäreinsatzes in Rafah gewarnt.

 

Tag 213: 6. Mai 2024

17:50:

Die Palästinenserorganisation Hamas hat bekannt gegeben, dass sie einen ägyptisch-katarischen Vorschlag für eine Waffenruhe im Gazastreifen akzeptiert. Details zu dem Vorschlag waren zunächst nicht bekannt. Auch eine Reaktion Israels steht aus.

07.30:

Vor einem erwarteten Militäreinsatz hat Israels Armee am Montag mit der Evakuierung der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen begonnen. Das Militär rief die Einwohner des östlichen Teils der Stadt an der Grenze zu Ägypten dazu auf, sich in das einige Kilometer nördlich gelegene Al-Mawasi-Lager am Mittelmeer zu begeben.

Indirekte Verhandlungen Israels mit der islamistischen Terrororganisation Hamas in Kairo über eine neue Feuerpause im Gaza-Krieg und die Freilassung von Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge waren zuvor ohne Ergebnis geblieben.

Israel will mit dem Militäreinsatz in Rafah die verbliebenen Bataillone der islamistischen Terrororganisation Hamas zerschlagen. Es werden auch Geiseln in der Stadt an der Grenze zu Ägypten vermutet.

Israels Verbündete hatten seit Monaten eindringlich vor einer solchen Offensive in Rafah gewarnt, weil sich dort Hunderttausende palästinensischer Binnenflüchtlinge drängen. Israel hält den Einsatz jedoch für unumgänglich, um eine Zerstörung der Kampffähigkeiten der Hamas sicherzustellen. Anderenfalls könne sie nach Kriegsende wiedererstarken.

Mitglieder des militärischen Hamas-Arms hatten am Sonntag Raketen auf den israelischen Grenzübergang Kerem Schalom gefeuert und dabei drei israelische Soldaten getötet. Kerem Schalom ist der wichtigste Grenzübergang für die Lieferung von Hilfsgütern aus Israel in den Gazastreifen. Die Armee schloss ihn nach dem Raketenangriff vorübergehend für humanitäre Transporte. Das Militär bombardierte im Anschluss nach eigenen Angaben im Gazastreifen den Ort in der Nähe des Grenzübergangs Rafah zu Ägypten, von dem der Angriff ausgegangen war.

Vor Kampfeinsätzen in Rafah will Israel die Stadt nach eigenen Angaben zunächst evakuieren. Es wird erwartet, dass dies mehrere Wochen dauern könnte. Die Hamas habe ihre Kämpfer in Rafah auf den Einsatz gegen Israel vorbereitet und sie mit Proviant und Waffen versorgt, hiess es aus Israel dazu. Auch die Zahl der Wächter für die Geiseln ist nach Medienberichten verstärkt worden.

Nach Informationen des "Wall Street Journal" will Israel seine Bodenoffensive in Rafah in Etappen durchführen. Das Blatt schrieb von zwei bis drei Wochen Evakuierung und sechs Wochen Offensive.

Ranghohe israelische Geheimdienst- und Militärbeamte waren im vergangenen Monat in Kairo unter anderem mit dem ägyptischen Geheimdienstchef zusammengetroffen, um Israels geplanten Einsatz seiner Armee in Rafah zu besprechen. Zuvor hatte der Vorsitzende des ägyptischen Staatsinformationsdiensts SIS, Diaa Raschwan, noch erklärt, man führe keine Gespräche mit Israel über dessen mögliche Militäroffensive in Rafah. Ägypten lehne Pläne für solch eine Offensive entschieden ab und habe diese Position auch mehrfach klargestellt. Die Stadt im Süden gilt als die einzige in dem abgeriegelten Küstenstreifen, die noch vergleichsweise intakt ist.

Ägypten befürchtet unter anderem, es könnte bei einem Einsatz Israels in Rafah zu einem Ansturm von Palästinensern über die Grenze kommen. In Rafah liegt der Grenzübergang vom Gazastreifen nach Ägypten, es ist auch ein wichtiges Tor für humanitäre Hilfslieferungen in den abgeriegelten Küstenstreifen. Heftige Kämpfe in Rafah könnten die Lieferungen von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Treibstofff weiter erschweren.

Tag 2011: 4. Mai 2024

Mehrere tausend Menschen haben am Samstagabend in der Innenstadt von Tel Aviv für eine Verhandlungslösung zur Freilassung der von der Terrororganisation Hamas auf dem Gazastreifen festgehaltenen Geiseln demonstriert. Dabei gab es auch laute Kritik am israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu und die Forderung nach Neuwahlen. "Verhandeln jetzt, zurücktreten später", stand auf Schildern und Transparenten. Der Vater einer der Geiseln sagte, der Regierung sei ihr eigenes Überleben wichtiger als die Geiseln. Er rief die Regierung auf, einer Waffenruhe im Austausch für eine Rückkehr der Geiseln zuzustimmen.

Wie der Fernsehsender Kan am Samstag unter Berufung auf einen Regierungsvertreter berichtete, schickt Israel anders als die islamistische Hamas vorerst kein Team zu den Verhandlungen in Kairo. Israel werde erst eine Delegation nach Ägypten entsenden, wenn die Hamas auf den Vorschlag für ein Abkommen geantwortet habe, so der Bericht.

"Netanjahu versucht einmal mehr, die einzige Chance zu torpedieren, die wir haben, um die Geiseln zu retten", hiess es in einer Stellungnahme der Angehörigen der Geiseln. Eine israelische Offensive in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens wäre das "Todesurteil" für die Geiseln, betonte der Bruder eines in Gaza festgehaltenen Mannes. Netanjahu könne nicht Regierungschef bleiben "mit dem Blut von 132 Geiseln an den Händen." Oppositionsführer Jair Lapid sagte, die Regierung sollte noch in der Nacht ein Verhandlungsteam nach Kairo schicken "und ihnen sagen, nicht ohne einen Deal zurückzukehren".

 

Tag 209: 2. Mai 2024

Die islamistische Hamas steht einem Verhandlungsangebot für einen Geisel-Deal im Gaza-Krieg Medienberichten zufolge ablehnend gegenüber, will die Gespräche aber fortsetzen. "Unsere Position zum aktuellen Verhandlungspapier ist negativ", sagte der im Libanon ansässige Hamas-Sprecher Osama Hamdan am Mittwochabend im libanesischen Fernsehen, wie die Zeitung "Times of Israel" berichtete. Die Pressestelle der Hamas habe die Äusserungen Hamdans danach jedoch präzisiert und erklärt, die Hamas-Führung werde zwar die aktuellen Vorschläge Israels nicht unverändert akzeptieren, sei aber bereit weiterzuverhandeln, schrieb dazu die "New York Times". Die ablehnende Haltung bedeute nicht, dass die Verhandlungen eingestellt wurden. Vielmehr gebe es "ein Hin und Her". In den kommenden Stunden könnte es eine Antwort geben, so die "Times of Israel".

Im Rahmen von Vermittlungsbemühungen in der ägyptischen Hauptstadt Kairo war der Hamas ein Vorschlag für eine Feuerpause im Gegenzug für die Freilassung von Geiseln unterbreitet worden. Nach Ansicht des Anführers der Islamistenorganisation im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, enthält der Vorschlag jedoch eine Reihe von Fallstricken. So gebe es keine Garantie dafür, dass der Krieg beendet wird, sagte eine dem Hamas-Anführer nahestehende Quelle dem israelischen Fernsehsender Channel 12 am Mittwochabend. Es handele sich nicht um ein Angebot der ägyptischen Vermittler, sondern um ein israelisches "in amerikanischem Gewand". Äusserungen von Hamas-Führern im Exil sollten nicht als offizielle Positionen der Hamas betrachtet werden, sagte der Vertraute Al-Sinwars dem israelischen TV-Sender.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe am Mittwoch US-Aussenminister Antony Blinken unter vier Augen gesagt, dass Israel mit einer Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens beginnen werde, sollte die Hamas weiterhin ein Geiselabkommen von der Beendigung des Krieges abhängig machen, berichtete das Nachrichtenportal "Axios" unter Berufung auf zwei israelische und amerikanische Beamte. Blinken hatte von einem "sehr, sehr grosszügigen" Vorschlag Israels für einen Deal gesprochen. Die Hamas bestand bislang auf einem Ende des Krieges, was Israel aber ablehnt.

Die israelische Regierung hat einen raschen Beginn der umstrittenen Offensive in Rafah an der Grenze zu Ägypten angekündigt, sollte es nicht zur Einigung kommen. In der Stadt haben Hunderttausende Zivilisten Schutz gesucht. Blinken sagte am Mittwoch in Tel Aviv: "Wir sind entschlossen, eine Waffenruhe zu erzielen, die die Geiseln nach Hause bringt, und zwar jetzt. Und der einzige Grund, warum dies nicht erzielt werden könnte, ist wegen der Hamas." Es liege ein Vorschlag auf dem Tisch. "Und wie wir gesagt haben, keine Verzögerungen, keine Ausreden." Dem Sender Channel 12 zufolge zögert der Hamas-Anführer in Gaza, Al-Sinwar, jedoch. Laut seinem Vertrauten nehme er für sich in Anspruch, alle Entscheidungen zum Gaza-Krieg allein zu treffen.

Israel vermutet, dass sich Al-Sinwar im Tunnelnetzwerk der Hamas unter dem Gazastreifen aufhält und sich zu seinem eigenen Schutz mit Geiseln umgeben hat. Das unterirdische System stellt in dem seit rund sieben Monaten andauernden Gaza-Krieg eine enorme Herausforderung für Israels Armee dar.

Israel betrachtet Al-Sinwar als einen der Architekten des Massakers vom 7. Oktober vergangenen Jahres im israelischen Grenzgebiet. Es war der Auslöser des Krieges. Israel will nun in Rafah die letzten dort verbliebenen Bataillone der Hamas zerschlagen. "Die Idee, dass wir den Krieg stoppen, bevor alle seine Ziele erreicht sind, kommt nicht infrage", sagte Regierungschef Netanjahu am Dienstag. Er steht unter starkem Druck seiner rechtsextremen Koalitionspartner, die jüngst mit einem Ende der Regierung gedroht hatten, sollte der jetzt vorgeschlagene Geisel-Deal umgesetzt und der geplante Einsatz in Rafah abgeblasen werden. Netanjahus politisches Überleben hängt von ihnen ab.

 

 

Tag 208: 1. Mai 2024

Israel hat bei den erneuten Verhandlungen im Gaza-Krieg Medienberichten zufolge weitgehende Zugeständnisse an die islamistische Hamas gemacht und unter anderem die Möglichkeit einer Feuerpause von bis zu einem Jahr angeboten. Wie das "Wall Street Journal" am Dienstag (Ortszeit) unter Berufung auf ägyptische Beamte berichtete, sieht der Vorschlag für ein Abkommen - an dessen Ausarbeitung Israel beteiligt gewesen sei, dem es aber noch zustimmen müsse - zwei Stufen vor. Die erste Stufe würde demnach die Freilassung von mindestens 20 Geiseln innerhalb einer Feuerpause von drei Wochen im Austausch gegen eine nicht näher bezeichnete Anzahl palästinensischer Häftlinge beinhalten. Die Dauer der Feuerpause könne für jede weitere Geisel um einen Tag verlängert werden, hiess es. Eine zweite Stufe würde eine zehnwöchige Waffenruhe umfassen, in der sich die Hamas und Israel auf eine umfangreichere Freilassung von Geiseln und eine längere Kampfpause einigen könnten, die bis zu einem Jahr dauern könnte.

Israel erwartet Antwort der Hamas

Die israelische Regierung erwarte am Mittwochabend eine Antwort der Hamas auf das jüngste Angebot, zitierte die Zeitung "Times of Israel" einen israelischen Beamten. Israel sei bereit, in den kommenden Tagen eine Delegation zu den indirekten Verhandlungen nach Kairo zu entsenden, zitierte das "Wall Street Journal" israelische und ägyptische Beamte. Der jüngste Vorschlag werde in Jerusalem als "letzte Chance" gesehen.

Denkbar wäre, dass Israel im Falle einer Einigung zunächst von der angekündigten Bodenoffensive in Rafah im Süden Gazas absieht, wo Hunderttausende Zivilisten Schutz gesucht haben. "Zeit ist von entscheidender Bedeutung, ich kann hier aber keine Frist setzen", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, am Dienstag.

Blinken erneut in Israel

Unterdessen traf US-Aussenminister Antony Blinken zu Gesprächen in Israel ein. Er werde am Mittwochmorgen in Tel Aviv zunächst mit Präsident Isaac Herzog zusammentreffen, berichtete die "Times of Israel" unter Berufung auf das Büro des Präsidenten. Anschliessend sei ein Treffen mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu in Jerusalem geplant. Der US-Spitzendiplomat werde zudem mit Verteidigungsminister Joav Galant und Israelsnationalem Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi zusammenkommen. Blinken hatte von einem "sehr, sehr grosszügigen" Vorschlag Israels für einen Deal mit der Hamas gesprochen.

"Israel hat sich mehr als nur flexibel gezeigt, um eine Einigung zu erzielen", zitierte die Zeitung "Times of Israel" einen israelischen Beamten. Man habe die Zahl der in einem ersten Schritt von der Hamas freizulassenden Geiseln gesenkt. Ausserdem sei die israelische Seite offen für die Möglichkeit, dass die vor den Kämpfen in den Süden des abgeriegelten Gazastreifens geflüchteten Palästinenser ohne israelischeSicherheitskontrollen in den Norden zurückkehren, hiess es. Eine der Möglichkeiten, die derzeit geprüft werde, sei, dass Ägypten die Sicherheitskontrollen übernehme.

UN-Generalsekretär: Ohne Deal droht Eskalation

Die Hamas sollte den Vorschlag annehmen, sagte Kirby. Auch Ägypten und Katar drängen die Islamistenorganisation Medienberichten zufolge dazu, die Bedingungen für eine Feuerpause nun zu akzeptieren. Die Hamas bestand bislang jedoch auf ein Ende des Krieges, was Israelablehnt. Beide Seiten verhandeln nicht direkt, sondern über die Vermittler Ägypten, Katar und USA. "Die Hoffnungen steigen und schwinden, und (...) wir werden einfach weiter am Ball bleiben und sehen, ob wir es schaffen können", sagte Kirby über die laufenden Verhandlungen.

"Im Interesse der Menschen in Gaza, im Interesse der Geiseln und ihrer Familien in Israelund im Interesse der Region und der ganzen Welt ermutige ich die Regierung Israels und die Hamas-Führung nachdrücklich, jetzt eine Einigung zu erzielen", sagte UN-Generalsekretär António Guterres am Dienstag in New York. Ohne Einigung könne sich der Krieg "mit all seinen Folgen vor allem im Gazastreifen und in der gesamten Region exponentiell verschlimmern". Ein Angriff Israels auf Rafah wäre "eine unerträgliche Eskalation", sagte der UN-Chef.

Die Nerven der Menschen in Rafah seien aus Angst vor Israels Militäroffensive bis aufs Äusserste gespannt, sagte der Chef des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini. Bis Dienstag habe das israelischeMilitär die Menschen dort noch nicht aufgefordert, das Gebiet zu verlassen, aber damit werde jeden Moment gerechnet, sagte er. Vieles hänge nun von den laufenden Verhandlungen in Karo über eine Feuerpause ab.

Netanjahu: Offensive in Rafah geht mit oder ohne Geisel-Deal voran

Israels Regierungschef Netanjahu stellte allerdings am selben Tag klar, dass die angekündigte Offensive auf Rafah in jedem Fall erfolgen werde. "Wir werden nach Rafah hineingehen und die Bataillone der Hamas dort zerschlagen - mit Deal oder ohne Deal", sagte Netanjahu nach Angaben seines Büros bei einem Treffen mit Angehörigen israelischer Geiseln und gefallener Soldaten. "Die Idee, dass wir den Krieg stoppen, bevor alle seine Ziele erreicht sind, kommt nicht in Frage." Sein rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich drohte mit einem Ende der Regierung, sollte der jetzt vorgeschlagene Geisel-Deal umgesetzt und der angekündigte Militäreinsatz in Rafah gestoppt werden. Netanjahus politisches Überleben hängt von seinen rechtsextremen Koalitionspartnern ab.

 

 

Tag 207: 30. April 2024

Bei einem Treffen mehrerer Aussenminister westlicher und arabischer Staaten in Riad soll an diesem Montag über Bemühungen für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und die Freilassung von Geiseln aus der Gewalt der Hamas gesprochen werden. US-Aussenminister Antony Blinken, der auf dem Rückweg eines Besuchs in China nach Saudi-Arabien reist, will nach Darstellung seines Büros mit regionalen Partnern über den Konflikt beraten. Erwartet werden unter anderem Bundesaussenministerin Annalena Baerbock und ihre Amtskollegen aus Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Die Minister treffen sich in Riad am Rande des Open Forums, einer Wirtschaftskonferenz des Weltwirtschaftsforums (WEF), bei der es unter anderem um Umwelt, Gesundheit und Finanzen geht. Israel sollte laut dem WEF-Präsidenten Børge Brende nicht teilnehmen.

Ebenfalls am Montag will voraussichtlich eine Delegation der Hamas nach Kairo reisen, um in der ägyptischen Hauptstadt über Details eines neuen Vorschlags für einen Kompromiss mit Israel zu sprechen, wie ein Hamas-Repräsentant der Deutschen Presse-Agentur sagte. Hoffnungen auf eine Einigung bei den indirekten Verhandlungen zwischen internationalen Vermittlern - Israels Regierung und die Hamas führen aus Prinzip keine direkten Gespräche - haben sich allerdings bisher immer wieder zerschlagen. Der Schwerpunkt der Gespräche war zuletzt aus Katar nach Ägypten verlegt worden.

Kann Offensive in Rafah noch abgewendet werden?

Ein hochrangiger Hamas-Funktionär kündigte bei Telegram an, die Islamistenorganisation werde einen israelischen Vorschlag prüfen und eine Antwort geben. Israels Regierung erwartet diese nach Angaben des israelischen Fernsehens bis Montag. Aussenminister Israel Katz erklärte demnach, Israel sei bereit, den Militäreinsatz in der Stadt Rafah zu verschieben, sollte ein Deal zur Freilassung von Geiseln in der Gewalt der Hamas zustande kommen.

Die USA haben die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wiederholt vor einer grossangelegten Offensive in Rafah gewarnt. Die Stadt an der Grenze zu Ägypten ist mit Hunderttausenden Flüchtlingen überfüllt. US-Präsident Biden habe seinen klaren Standpunkt in einem Gespräch mit Netanjahu bekräftigt, teilte das Weisse Haus am Sonntag mit.

Bei dem aktuellen Entwurf für einen Deal geht es israelischen Medien zufolge zunächst um ein begrenztes Abkommen, das erst einmal nur die Freilassung weiblicher, älterer und kranker Geiseln vorsehe. Die Hamas hat zuletzt einen dauerhaften Waffenstillstand gefordert, was Israel ablehnt. Es wird befürchtet, dass von den noch immer im Gazastreifen vermuteten 133 Geiseln inzwischen viele nicht mehr am Leben sind.

Israelischer Minister droht Ende der Regierung

Der israelische Generalstabschef Herzi Halevi hat nach Militärangaben Pläne zur Fortsetzung des Gaza-Kriegs mit den führenden Offizieren des Südkommandos erörtert und gebilligt. Weitere Einzelheiten wurden nicht genannt. Halevi hatte bereits zuvor weitere Schritte zur Fortsetzung des Gaza-Krieges genehmigt. Israelische Medien werteten die Entscheidung auch als Billigung der geplanten Offensive in Rafah.

Israels rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich hatte zuvor mit einem Koalitionsbruch gedroht, sollte ein Militäreinsatz in Rafah zugunsten eines Geisel-Deals gestoppt werden. Dies wäre eine "demütigende Kapitulation" und ein "Todesurteil für die Geiseln und unmittelbare existenzielle Gefahr für den Staat Israel", sagte Smotrich in einer Video-Botschaft an Netanjahu.

Der israelische Ministerpräsident befürchtet Medienberichten zufolge, der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag könnte Haftbefehle gegen ihn und andere israelische Führungspersönlichkeiten erlassen. Die Regierung gehe davon aus, dass Chefankläger Karim Khan noch in dieser Woche internationale Haftbefehle für Netanjahu, Verteidigungsminister Joav Galant und Generalstabschef Herzi Halevi ausstellen könnte, berichteten israelische Medien. Aus Den Haag gab es dazu keine Stellungnahme.

Der Strafgerichtshof ermittelt bereits seit 2021 gegen die Hamas und Israel wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Auch zu Gewalt israelischer Siedler im Westjordanland laufen Untersuchungen.

Israels Aussenminister Katz wies am Sonntag im Zusammenhang mit den Berichten über mögliche Haftbefehle alle israelischen Auslandsvertretungen an, sich sofort auf eine "schlimme antisemitische, antijüdische und antiisraelische Welle auf der Welt vorzubereiten". Auch Sicherheitsmassnahmen rund um jüdische Einrichtungen sollten erhöht werden, so ein Sprecher des Ministeriums zu der Anweisung an die Botschaften.

Israels Armee greift weiter Ziele im Gazastreifen an

Die israelische Armee flog am Wochenende weitere Luftangriffe gegen die Hamas im Gazastreifen. Im zentralen Teil des Küstengebiets sei ein Fahrzeug mit acht Hamas-Terroristen getroffen worden, teilte die Armee am Samstag mit. Ausserdem seien Terror-Infrastruktur, Beobachtungsposten und Raketen-Abschussrampen angegriffen worden.

Auslöser des Krieges war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde gab die Zahl der seit Kriegsbeginn getöteten Menschen im Gazastreifen am Sonntag mit 34 454 an. Die von ihr veröffentlichten Zahlen machen keinen Unterschied zwischen Zivilisten und Bewaffneten und lassen sich unabhängig kaum überprüfen.

Humanitäre Hilfe

Israels Armeesprecher Daniel Hagari kündigte am Sonntagabend eine Ausweitung der Hilfslieferungen nach Gaza an. Hierzu sollten unter anderem die Öffnung des israelischen Hafens Aschdod und ein neuer Übergang für humanitäre Transporte im Norden des Gazastreifens beitragen, sagte er am Sonntagabend. Zusammen mit dem US-Militär werde auch an einem vorübergehenden Pier gearbeitet, um Hilfslieferungen von Schiffen an Land bringen zu können. "Es ist eine Top-Priorität, Hilfe zu den Menschen in Gaza zu bringen, denn unser Krieg ist gegen die Hamas, nicht gegen die Menschen in Gaza", sagte Hagari.

Kritiker werfen Israel seit Monaten vor, Hilfslieferungen gezielt zu behindern und damit eine Verschärfung der humanitären Notlage im Gazastreifen billigend in Kauf zu nehmen. US-Präsident Biden habe in seinem Telefonat mit Netanjahu betont, dass die jüngsten Fortschritte bei den Hilfslieferungen in voller Abstimmung mit den humanitären Organisationen fortgesetzt und verstärkt werden müssten, teilte das Weisse Haus am Sonntag mit.

Die Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) will ihre Arbeit in Gaza am Montag wieder aufnehmen. Anfang April waren sieben Helfer bei einem Luftangriff getötet worden, als ihr Konvoi aus drei Fahrzeugen ein Warenlager in Deir al-Balah im Zentrum des Gazastreifens verliess. Die israelische Armee bezeichnete den Angriff später als "schweren Fehler", die Fahrzeuge seien nicht korrekt identifiziert worden.

 

Tag 206: 29. April 2024

Washington und Jerusalem wollen Haftbefehle für Binyamin Netanyahu und Mitglieder seines Kabinetts verhindern. Gegen Sonntagabend amerikanischer Zeit mehren sich Hinweise in Medien über Pläne des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag, Haftbefehle gegen Binyamin Netanyahu, Verteidigungsminister Yoav Gallant und andere Mitglieder des israelischen Kabinetts auszustellen. Grund sollen vorgebliche Kriegsverbrechen und Verstösse gegen das Völkerrecht sein. Demnach soll Netanyahu persönlich unter erheblichem Stress stehen und Unterstützung in Washington gegen eine solche Massnahme suchen, die mit einem erheblichen Stigma behaftet ist und ihn auf eine Stufe mit dem sudanesischen Machthaber Omar al-Bashir oder Vladimir Putin stellen würde. Aber auch der Status Israels weltweit würde leiden. Laut dem Haaretz-Analyst Amos Harel geht die israelische Regierung davon aus, dass ICC-Ankläger Karim Khan diese Woche Haftbefehle gegen Netanyahu, Verteidigungsminister Yoav Gallant und IDF-Stabschef Herzi Halevi ausstellen könnte. Die USA sind wie Israel nicht unter den 124 Ländern gehören, die ICC-Statut unterzeichnet haben und sind laut Harel bereits aktiv bei einer Blockade derartiger Haftbefehle.  Netanyahu hatte am Freitag zu allfälligen ICC-Plänen von Haftbefehlen gegen ihn und Kabinettsmitglieder erklärt: «Wir werden nie aufhören, uns zu verteidigen. Auch wenn die Entscheidungen des Gerichts in Den Haag keinen Einfluss auf das Vorgehen Israels haben werden, wäre dies ein gefährlicher Präzedenzfall für die Soldaten und Beamten jeder Demokratie, die gegen kriminellen Terrorismus und Aggression kämpfen» 

 

 

Tag 203: 26. April 2024

Kurz vor Israelserwarteter Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens gibt es Medienberichten zufolge neue Anzeichen für Bewegung bei den festgefahrenen Verhandlungen über eine Feuerpause. Israels Regierung ist demnach bereit, von ihrer ursprünglichen Forderung nach Freilassung von 40 lebenden Geiseln durch die islamistische Hamas als Gegenleistung für eine vorübergehende Waffenruhe abzurücken. Israelische Medien berichteten am Donnerstagabend, Israel sei willens, in einer ersten Phase eines Abkommens die Freilassung von lediglich 20 Geiseln - laut einem ranghohen Beamten 33 Geiseln - zu akzeptieren. Dabei gehe es um israelische Frauen, Männer über 50 Jahre und schwer Erkrankte, hiess es. An diesem Freitag seien dazu Gespräche zwischen einem israelischen Verhandlungsteam und einer ägyptischen Delegation in Israel geplant. Ägypten wolle eine Einigung erreichen, um Israels Militäreinsatz in Rafah noch abzuwenden.

Unterdessen sind vor der Küste des umkämpften Gazastreifens US-amerikanische Schiffe im Einsatz, um dort eine provisorische Hafenanlage für die Versorgung der Not leidenden Bevölkerung mit Hilfsgütern zu bauen. Das US-Militär habe mit den Arbeiten begonnen und sei mit Schiffen im Einsatz, teilte Pentagon-Sprecher Pat Ryder am Donnerstag (Ortszeit) mit. Die US-Regierung rechnet damit, dass die vor der nördlichen Küste des Kriegsgebiets entstehende Anlage Anfang Mai einsatzfähig sein wird. Erneut warnte die US-Regierung eindringlich vor einer drohenden Hungersnot in Gaza. Währenddessen protestierten in Israel Angehörige der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln vor IsraelsMilitärhauptquartier in Tel Aviv und forderten lautstark ihre Rückholung, während drinnen das Kriegskabinett tagte.

Die USA, Deutschland und 16 weiterer Länder hatten zuvor die Hamas zur sofortigen Freilassung aller Geiseln aufgerufen, die seit mehr als 200 Tagen im Gazastreifen festgehalten werden. "Das Schicksal der Geiseln und der Zivilbevölkerung in Gaza, die unter dem Schutz des Völkerrechts steht, ist von internationaler Bedeutung", hiess es in einer gemeinsamen Erklärung. Die islamistische Terrororganisation hatte unlängst einen Kompromissvorschlag der Vermittlerstaaten, der die Freilassung von 40 Geiseln gegen 900 palästinensische Häftlinge während einer sechswöchigen Waffenruhe vorsah, abgelehnt.

Demnach hätte die Hamas Frauen, Soldatinnen, Männer über 50 Jahren sowie Männern unter 50 Jahren mit schweren Erkrankungen freilassen sollen. Die Hamas hatte jedoch laut Berichten erklärt, sie habe keine 40 lebenden Geiseln aus diesen Kategorien, woraufhin Israelvorgeschlagen habe, die Lücke mit Soldaten oder Männern unter 50 Jahren zu schliessen. Eine Einigung gelang aber nicht. Israel war bis vor einigen Wochen davon ausgegangen, dass knapp 100 der rund 130 in Gaza verbliebenen Geiseln noch am Leben sind. Inzwischen wird befürchtet, dass deutlich mehr von ihnen bereits tot sein könnten.

Nun ist Israel den Berichten vom Donnerstagabend zufolge bereit, sich flexibel zu zeigen. Aus den Berichten ging jedoch nicht hervor, wie lange eine Waffenruhe im Gegenzug für die Freilassung von 20 oder 33 Geiseln dauern würde. Unklar ist auch, ob und in welchem Umfang palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen würden. Auf ein Ende des Krieges, wie es die Hamas fordert, werde sich Israel aber nicht einlassen, hiess es.

Israel und die Hamas verhandeln seit Monaten indirekt über eine Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln, die Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres nach Gaza entführt hatten. Ägypten, die USA und Katar treten dabei als Vermittler auf. Ägypten ist besorgt, dass Palästinenser bei einem Angriff Israels auf Rafah in grossen Zahlen aus Gaza über die Grenze kommen.

Israel hält eine Offensive in Rafah jedoch für unumgänglich, um die dort verbliebenen Bataillone der Hamas zu zerschlagen. Es werden ausserdem auch Geiseln dort vermutet. Mehr als eine Million Menschen hatte in Rafah nach Angaben von Hilfsorganisationen Zuflucht vor den Kämpfen im übrigen Gazastreifen gesucht. Inzwischen hätten jedoch angesichts der drohenden Offensive 150 000 bis 200 000 palästinensische Zivilisten Rafah teils Richtung der zuvor umkämpften Stadt Chan Junis verlassen, meldete die "Jerusalem Post" am Donnerstag unter Berufung auf die Armee. Israels Militär hofft demnach darauf, dass weitere Zivilisten dem Beispiel folgen und in neu errichtete Zeltstädte im Süden sowie im Zentrum Gazas ziehen. Das Militär wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Bericht äussern.

"Die humanitäre Lage in Gaza ist unglaublich schlimm", sagte eine Vertreterin der US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID). Fast 30 Prozent der Kinder im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens zeigten Anzeichen schwerer Unterernährung. Im Süden sei fast ein Viertel der Bevölkerung mit "katastrophaler Ernährungsunsicherheit" konfrontiert. Die US-Regierung hatte bereits Anfang März den Bau des temporären Hafens angekündigt, um Lebensmittel, Wasser und Medikamente in das Kriegsgebiet zu bringen. Israels Armee will bei der Logistik und Sicherheit helfen. An dem Projekt sind laut US-Regierungsvertretern rund tausend US-Soldaten beteiligt, die jedoch das Kriegsgebiet nicht betreten.

Die Hilfslieferungen würden zunächst über Zypern erfolgen, hiess es. Handelsschiffe sollen sie von dort zu der mehrere Kilometer vor der Küste Gazas liegenden schwimmenden Anlage bringen. Auf der Plattform würden die Lieferungen dann in kleinere Schiffe umgeladen. Von dort aus sollen die Hilfsgüter mit kleineren Schiffen, die mit Lastern beladen sind, zu einem provisorischen schwimmenden Landungssteg am Gazastreifen gebracht werden. Im Gazastreifen selbst würden die Güter an einem sicheren Ort abgeladen, von US-Partnern schliesslich abgeholt und an die Not leidenden Zivilisten im Kriegsgebiet verteilt, hiess es.

Auslöser des Krieges war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. Mehr als 250 Menschen wurden nach Gaza verschleppt. Israel reagierte dort mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sind seit Kriegsbeginn mehr als 34 200 Menschen im Gazastreifen getötet und mehr als 77 200 weitere verletzt worden. Die Zahlen, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen, der flächenmässig etwa so gross ist wie München, geriet Israel international stark in die Kritik.

 

Tag 200: 23. April 2024

Auch 200 Tage nach Beginn des Gaza-Kriegs feuern militante Palästinenser im Gazastreifen weiter Raketen auf israelische Grenzorte. In der Grenzstadt Sderot und anderen Orten am Rande des Palästinensergebiets am Mittelmeer heulten am Dienstag erneut die Warnsirenen.

Nach Angaben von Sanitätern gab es zunächst keine Berichte über Verletzte. Vier Raketen seien von der Raketenabwehr abgefangen worden, berichteten israelische Medien. Ein Lagerhaus in Sderot sei von Raketenteilen getroffen worden und in Flammen aufgegangen. Die israelische Armee habe die Orte, von denen aus geschossen wurde, mit Artilleriefeuer belegt.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober haben die islamistische Terrororganisation Hamas und andere extremistische Gruppierungen laut israelischen Angaben mehr als 16 000 Raketen auf Israel abgefeuert. Ein Teil davon schlug den Angaben zufolge im Gazastreifen selbst ein und verursachte dort auch Opfer.

Die israelische Armee teilte mit, die Luftwaffe habe auf Basis von Geheimdienstinformationen in der Nacht zu Dienstag mehrere Raketenabschussrampen der Hamas im Süden des Gazastreifens angegriffen. Diese seien "geladen" gewesen, aber noch vor Angriffen auf Israel getroffen worden. Diese Informationen bezogen sich auf den Zeitraum vor den neuen Angriffen.

Binnen 24 Stunden habe die Luftwaffe "rund 25 Terror-Ziele im gesamten Gazastreifen angegriffen, darunter Militärinfrastruktur, Beobachtungsposten, Terroristen und Abschussrampen.". Mehrere Terroristen seien durch Scharfschützen getötet worden.

Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sind seit Beginn des Gaza-Kriegs 34 183 Menschen im Gazastreifen getötet und mehr als 77 000 weitere verletzt worden. Die Zahlen, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und der katastrophalen Lage im Gazastreifen ist Israel international in die Kritik geraten.

Tag 199: 22. April 2024

An Israels Grenze zum Libanon ist es am Sonntag erneut zu Gefechten gekommen. Die israelische Armee teilte mit, zwei Geschosse seien in Richtung der Ortschaft Rosch Hanikra im Norden Israels am Mittelmeer abgefeuert worden. Die israelische Armee habe die Orte angegriffen, von denen aus geschossen wurde. Ausserdem hätten israelischeKampfflugzeuge Terror-Infrastruktur nordöstlich von Nabatia angegriffen. Zuvor hätten Kampfjets auch Ziele der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah beschossen.

Sowohl die Hisbollah als auch der militärische Arm der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas reklamierten am Sonntag Angriffe auf Israel für sich.

Seit dem 8. Oktober schiesst die proiranische Hisbollah aus dem Libanon mit Raketen, Artillerie- und Panzerabwehrgranaten auf den Norden Israels - aus "Solidarität" mit der Hamas im Gazastreifen, wie sie vorgibt. Israel bekämpft mit Luft- und Artillerieangriffen die Stellungen der Hisbollah, die nach einem UN-Sicherheitsratsbeschluss gar nicht so nahe an der Grenze sein dürften.

60 000 Bewohner aus dem Norden hat IsraelsRegierung seit Beginn des Gaza-Kriegs und der Gefechte im Norden ins Landesinnere evakuiert. Im Südlibanon verliessen 90 000 Menschen die Kampfzone.

Der Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, Aharon Haliva, hat seinen Rücktritt erklärt. Dies teilte die israelische Armee mit. Dies wegen der Versäumnisse im Zusammenhang mit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel. Ausserdem fordert er die Einrichtung eines staatlichen Untersuchungsausschusses. Er sagte kurz nach dem Angriff im Oktober, dass er die Schuld dafür trage, den Angriff nicht verhindert zu haben.


198: 21. April 2024

Die israelischeArmee und Grenzpolizisten haben bei einem grösseren Militäreinsatz im Westjordanland eigenen Angaben nach mindestens zehn Bewaffnete getötet. Bei Gefechten in dem Flüchtlingslager Nur Schams in Tulkarem seien auch acht israelische Soldaten und ein Mitglied der verdeckt operierenden Jamas-Sondereinheit der Grenzpolizei Magaw verletzt worden, teilte ein Armeesprecher am Samstag weiter mit. Die Einsatzkräfte seien beschossen und mit Sprengsätzen angegriffen worden.

Das Gesundheitsministerium im Westjordanland meldete 14 Tote bei dem zweitägigen Militäreinsatz, darunter ein 16 Jahre alter Jugendlicher. Allerdings gebe es kaum Informationen aus der abgeriegelten Stadt, in der auch das Internet abgestellt sei, meldete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa am Samstag. Die Angaben beider Seiten liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Nach Angaben der Armee wurden acht gesuchte Verdächtige festgenommen, Sprengsätze entschärft und zahlreiche Gebäude durchsucht. Zudem seien eine Sprengstoffwerkstatt zerstört und zahlreiche Waffen beschlagnahmt worden, darunter auch Pistolen und M16-Sturmgewehre.

Nach zunächst nicht offiziell bestätigten Berichten palästinensischer Medien soll unter den Getöteten auch der örtliche Kommandeur der palästinensischen Terrororganisation Islamischer Dschihad, Mohammed Dschaber, sein. Palästinensische Medien berichteten, die Armee habe bei ihrem Einsatz schwere Schäden an Strassen, Wasser- und Stromleitungen angerichtet sowie zahlreiche Wohnhäuser zerstört. Berichten zufolge verliess die Armee Nur Schams nach 50 Stunden.

Die Lage im Westjordanland hat sich seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der islamistischen Hamas im Gazastreifen am 7. Oktober noch einmal deutlich verschärft. 460 Palästinenser wurden seither nach Angaben des Gesundheitsministeriums allein im Westjordanland getötet. Sie starben ganz überwiegend bei israelischen Militäreinsätzen. Einige wurden auch bei eigenen Anschlägen auf Israelis getötet.

Israel hatte im Sechstagekrieg 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen eigenen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.

Auch im Gazastreifen setzte die israelischeArmee ihren Kampf gegen die islamistische Hamas fort. Nach einem Raketenangriff Richtung der israelischen Stadt Sderot am Freitag sei die Abschussrampe in der Ortschaft Beit Hanun im Gazastreifen bombardiert worden, teilte die Armee am Samstag mit. Auch in anderen Teilen des Gazastreifens seien Dutzende Luftangriffe auf Terrorziele geflogen worden. Im Norden Israels an der Grenze zum Libanon habe es mehrmals Luftalarm gegeben, was auf einen möglichen Angriff der mit dem Iran verbündeten Schiiten-Miliz Hisbollah hindeutete

 

 

197: 19. April 2024

Am Himmel über der iranischen Provinz Isfahan sind Staatsmedien zufolge mehrere kleine Flugobjekte beschossen worden. Zuvor war in der Nacht zu Freitag über eine Explosion nahe der gleichnamigen Millionenstadt Isfahan berichtet worden, die laut den Staatsmedien von der Luftabwehr ausgelöst wurde. Israelische Medien berichten von Angriffen Israels im Iran.

In Isfahan befinden sich wichtige Einrichtungen der iranischen Rüstungsindustrie. Auch das grösste nukleare Forschungszentrum des Landes ist in der Kulturstadt angesiedelt. Laut dem Rundfunk bestand für die dortigen Atomeinrichtungen keine Gefahr.

Der Iran hatte in der Nacht zum Sonntag Israel mit Hunderten Drohnen, Marschflugkörpern und Raketen angegriffen. Hintergrund war ein mutmasslich von Israel geführter Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus, bei dem Anfang April zwei Generäle der iranischen Revolutionsgarden getötet wurden. Israel hatte angekündigt, auf den iranischen Vergeltungsangriff reagieren zu wollen.

 

196: 18. April 2024

Eine Resolution für die Vollmitgliedschaft eines palästinensischen Staats bei den Vereinten Nationen ist im UN-Sicherheitsrat an einem Veto der USA gescheitert. Zwölf Mitgliedsländer stimmten am Donnerstag in New York für die Resolution, die Schweiz und Grossbritannien enthielten sich. Aufgrund des Vetos der USA, die permanentes Mitglied des mächtigsten UN-Gremiums sind, scheiterte die Annahme der Beschlussvorlage.

Der palästinensische UN-Botschafter Mansour hatte vor einigen Wochen in einem Brief an UN-Chef António Guterres darum gebeten, den 2011 schon einmal eingebrachten Antrag erneut dem Sicherheitsrat vorzulegen. Ein zuständiges Gremium des Sicherheitsrats hatte den Antrag geprüft, sich aber nicht auf eine einheitliche Reaktion einigen können. Algerien hatte die Resolution dann trotzdem zur Abstimmung gebracht.

Für einen Erfolg hätten mindestens neun der 15 Sicherheitsratsmitglieder dafür stimmen müssen, zudem hätte es kein Veto der fünf permanenten Ratsmitglieder - China, Frankreich, Russland, Grossbritannien und die USA - geben dürfen. Im Erfolgsfall hätte der Antrag noch zur Abstimmung an die UN-Vollversammlung überwiesen werden müssen, dort wäre dann eine Zweidrittelmehrheit nötig gewesen.

Die US-Regierung vertritt die Haltung, dass eine Einigung mit Israel auf eine Zweistaatenlösung eine Voraussetzung für die Anerkennung einer UN-Vollmitgliedschaft Palästinas ist. UN-Botschafter Mansour hatte noch am Donnerstagvormittag (Ortszeit) bei einer Sitzung des Sicherheitsrats eindringlich für die Annahme der Resolution geworben, sein israelischerAmtskollege Gilad Erdan hingegen scharf davor gewarnt.

Unmittelbar nach der Abstimmung lobte der israelische Aussenminister Israel Katz das US-Veto. Eine Anerkennung eines palästinensischen Staats ein halbes Jahr nach dem Massaker vom 7. Oktober wäre eine Belohnung für den Terrorismus der Hamas, schrieb er auf der Plattform X (vormals Twitter).

Im November 2011 war der Antrag auf UN-Vollmitgliedschaft schon einmal am Sicherheitsrat gescheitert. Ein Jahr später räumten die Vereinten Nationen den Palästinensern gegen den Widerstand der USA einen Beobachterstatus ein. Von 193 UN-Mitgliedsstaaten haben bisher 139 Palästina als unabhängigen Staat anerkannt. Deutschland gehört nicht dazu.

 

 

Tag 196: 18. April 2024

Das Golfemirat Katar will seine Rolle als Vermittler zwischen der israelischen Regierung und der islamistischen Hamas überdenken. Katars Rolle sei in gewissem Masse für politische Zwecke missbraucht worden, sagte Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Doha. Wen und was er dabei konkret meinte, führte er nicht aus. "Dies hat Katar dazu veranlasst, seine Rolle völlig neu zu bewerten und wir befinden uns derzeit in dieser Phase", sagte der Ministerpräsident, der auch Aussenminister des Golfstaats ist, weiter. "Wir bekennen uns zu unserer Rolle aus einem humanitären Kontext heraus, aber dieser Rolle sind Grenzen gesetzt." Israel und die Hamas verhandeln indirekt seit Monaten über eine Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln, die bei dem Überfall islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober in den Gazastreifen verschleppt worden waren. Katar, die USA und Ägypten treten dabei als Vermittler auf. Ein Durchbruch bei den Verhandlungen ist derzeit nicht absehbar.

 

Tag 193: 16. April 2024

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hat einem Bericht des Rundfunksenders Kan zufolge bei einem privaten Treffen mit Ministern seiner Likud-Partei betont, auf den Raketenangriff des Irans müsse eine kluge Reaktion folgen. Der Iran solle nervös warten müssen, wann die Gegenreaktion erfolge, so wie es Israel vor dem Angriff am späten Samstagabend ergangen sei. Der Sender berichtete unter Berufung auf einen hochrangigen Beamten, Israel habe zugesichert, die USA vor einem Gegenschlag zu informieren. Damit solle US-Truppen in der Region Zeit gegeben werden, sich auf iranische Vergeltungsmassnahmen vorzubereiten.

 

Tag 192: 15. April 2024

Nach dem beispiellosen Angriff des Irans auf Israel behält sich der jüdische Staat eine militärische Reaktion vor. Der Iran habe "jede rote Linie überschritten", sagte Israels Vertreter bei den Vereinten Nationen, Gilad Erdan, bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats am Sonntag in New York. Sein Land habe nun wiederum das Recht, Vergeltung zu üben. Eine Entscheidung darüber habe das israelische Kriegskabinett bei mehr als dreistündigen Beratungen am Nachmittag aber noch nicht gefällt, berichtete die Zeitung "Times of Israel". In den kommenden Tagen sollten weitere Gespräche geführt werden, meldete auch das Nachrichtenportal "Axios" unter Berufung auf einen israelischen Beamten. Bei der Sitzung seien mehrere Optionen für einen möglichen Vergeltungsschlag erörtern worden.

Warnungen vor Flächenbrand in Nahost

UN-Generalsekretär António Guterres rief zur dringenden Deeskalation auf. "Der Nahe Osten steht am Rande des Abgrunds", sagte Guterres bei der Sicherheitsratssitzung. "Die Menschen in der Region stehen vor der realen Gefahr eines verheerenden grossen Konflikts. Jetzt ist die Zeit, zu entschärfen und zu deeskalieren. Jetzt ist die Zeit für maximale Zurückhaltung", sagte er. "Weder die Region noch die Welt können sich mehr Krieg leisten."

Die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden demokratischen Industriestaaten (G7) verurteilten den iranischen Grossangriff aufs Schärfste und bekräftigten ihre volle Unterstützung für Israels Sicherheit. "Mit seinem Vorgehen hat der Iran einen weiteren Schritt zur Destabilisierung der Region getan und riskiert, eine unkontrollierbare regionale Eskalation zu provozieren", hiess es in einer gemeinsamen Erklärung nach einer von der italienischen Präsidentschaft einberufenen Videoschalte der G7-Gruppe am Sonntagabend.

Der Iran hatte in der Nacht zum Sonntag erstmals in der Geschichte der Islamischen Republik seinen erklärten Erzfeind Israel direkt angegriffen. Israels Armee berichtete von rund 300 Raketen, Drohnen und Marschflugkörpern, die fast alle abgefangen worden seien. Der Iran stellte den Angriff als Vergeltungsschlag für die Tötung hochrangiger Offiziere in Syrien dar. Am 1. April waren bei einem mutmasslich von Israel geführten Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände in Syriens Hauptstadt Damaskus zwei Brigadegeneräle getötet worden.

Der iranische UN-Botschafter Amir Saeid Iravani sagte bei der Sondersitzung des mächtigsten UN-Gremiums, die Islamische Republik habe ihr Recht auf Selbstverteidigung ausgeübt: "Diese Aktionen waren notwendig und verhältnismässig." Israels Vertreter Erdan hielt dagegen: "Wir sind kein Frosch im kochenden Wasser. Wir sind ein Land der Löwen. Nach so einer massiven und direkten Attacke auf Israel darf die ganze Welt - und Israel am allermeisten - nicht tatenlos bleiben. Wir werden unsere Zukunft verteidigen."

USA: Müssen sorgfältig über Risiken einer Eskalation nachdenken

US-Präsident Joe Biden hielt den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nach Darstellung aus Washington dazu an, einen möglichen Vergeltungsschlag gegen den Iran und dessen Folgen sorgfältig abzuwägen. Biden habe Netanjahu in einem Telefonat am Samstagabend (Ortszeit) "sehr deutlich" gemacht, dass man "sorgfältig und strategisch über die Risiken einer Eskalation nachdenken" müsse, sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter am Sonntag in Washington. Die USA als Israels wichtigster Verbündeter hatten dabei geholfen, Irans Grossangriff gegen Israel abzuwehren.

Iran warnt vor Gegenangriff

Irans Nationaler Sicherheitsrat warnte Israel vor einer militärischen Antwort. "Wenn das zionistische Regime weiterhin Bösartigkeiten gegen den Iran fortsetzen will, wird es eine Antwort erhalten, die mindestens zehnmal grösser ist als der jüngste Angriff", zitierte das Portal "Nur News" aus einer Mitteilung des Rats. Iran habe die geringste Form der Bestrafung für Israel gewählt und lediglich Militäreinrichtungen attackiert.

Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari bezeichnete den Drohnen- und Raketenangriff auf Israel indes als beispiellosen Angriff, der auf eine ebenso beispiellose Verteidigung gestossen sei. Israel hatte dabei Unterstützung der USA, Grossbritanniens, Frankreichs und Jordaniens. Allein die US-Streitkräfte hätten mehr als 80 Drohnen und mindestens sechs ballistische Raketen zerstört, mit denen Israel attackiert werden sollte, teilte das US-Regionalkommando Centcom am Montagmorgen auf der Plattform X (vormals Twitter) mit.

"Wir sind weiterhin in höchster Alarmbereitschaft und beurteilen die Lage", betonte Hagari. "In den letzten Stunden haben wir Einsatzpläne für Angriffs- und Verteidigungsmassnahmen genehmigt." Vor der Sitzung des Kriegskabinetts hatte der israelische Aussenminister Israel Katz in einem Interview des Armeesenders erklärt: "Wir haben gesagt: Wenn der Iran Israel angreift, werden wir im Iran angreifen. Und dieses Bekenntnis ist immer noch gültig."

Bericht: Hamas legt Gegenvorschlag für Geisel-Deal vor

Hagari sagte weiter, Israel habe nicht seine Mission im Gazastreifen aus den Augen verloren, "unsere Geiseln aus den Händen des iranischen Stellvertreters Hamas zu befreien". Die Hamas habe einen Kompromissvorschlag der Vermittler für einen Geisel-Deal abgelehnt. Die Islamistenorganisation und der Iran wollten den Nahen Osten in Aufruhr versetzen, so Hagari.

Unterdessen berichtete die israelische Zeitung "Haaretz" in der Nacht zum Montag, die Hamas habe den Vermittlern einen Gegenvorschlag für ein Geisel-Abkommen vorgelegt. Dieser sehe erst nach Ablauf einer 42-tägigen Feuerpause die Freilassung israelischer Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen sowie einen schrittweisen Rückzug der israelischen Truppen aus Gaza vor, schrieb die Zeitung unter Berufung auf palästinensische und arabische Quellen. Das israelische Militär würde demnach in einer ersten sechswöchigen Phase die Kämpfe einstellen und sich aus den städtischen Zentren an die Peripherie des abgeriegelten Küstengebiets zurückziehen.

Zugleich würde palästinensischen Vertriebenen die Rückkehr in den nördlichen Gazastreifen ermöglicht, hiess es. Während dieser Zeit wolle die Hamas nach allen Geiseln in dem umkämpften Gebiet suchen und herausfinden, in welchem Zustand sie sind. In einer zweiten Phase müsste sich Israels Armee auf israelisches Gebiet zurückziehen. Erst dann würde der Austausch von israelischen Geiseln gegen palästinensische Häftlinge beginnen, hiess es.

Israels Führung war bisher davon ausgegangen, dass noch knapp 100 der rund 130 in Gaza verbliebenen Geiseln am Leben sind. Nun wird aber befürchtet, dass deutlich mehr tot sein könnten. Israel will sich die Möglichkeit offenhalten, die Kämpfe nach einer Feuerpause fortzusetzen.

 

 

 

Tag 191: 14: April 2024

Der Iran hat den Angriff auf Israel als angemessene Reaktion für die Attacke auf seine Botschaft in Syrien dargestellt und Israel vor einem erneuten Gegenschlag gewarnt. "Die Angelegenheit kann als abgeschlossen betrachtet werden. Sollte das israelische Regime jedoch einen weiteren Fehler begehen, wird die Reaktion Irans deutlich härter ausfallen", teilte die iranische Vertretung bei den Vereinten Nationen am Samstag (Ortszeit) in New York auf der Plattform X mit. Die USA wiederum müssten sich aus dem Konflikt heraushalten, wurde in der Botschaft betont.

Erstmals in der Geschichte der Islamischen Republik hatte der Iran seinen Erzfeind Israel in der Nacht zum Sonntag direkt angegriffen. Die Revolutionsgarden feuerten nach eigenen Angaben Dutzende Drohnen und Raketen ab. Die Operation mit dem Titel "Aufrichtiges Versprechen" wurde als Vergeltungsschlag für die Tötung hochrangiger Offiziere in Syrien dargestellt. Am 1. April waren bei einem mutmasslich israelischen Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus zwei Brigadegeneräle getötet worden.

 

Hisbollah feuert Raketen aus Libanon in Richtung Israel ab

Die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah hat nach eigenen Angaben Raketen auf die von Israel besetzten Golanhöhen abgefeuert. Man habe am späten Samstagabend israelische Kasernen in dem Gebiet mit Raketen vom Typ Katjuscha ins Visier genommen, teilte die Milz mit.

Der Iran hatte zuvor einen Angriff gegen Israel mit Drohnen und Raketen gestartet. Seit Beginn des Gaza-Krieges nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober in Israel kommt es fast täglich zu gegenseitigen Angriffen zwischen der mit der Hamas verbündeten Hisbollah und Israels Militär, üblicherweise konzentriert auf die Grenzregion.


 

"Beispiellose Eskalation": EU-Chefdiplomat verurteilt Angriff Irans

EU-Chefdiplomat Josep Borrell hat den "inakzeptablen iranischen Angriff gegen Israel" im Namen der Staatengemeinschaft scharf verurteilt. "Dies ist eine beispiellose Eskalation und eine ernste Bedrohung für die regionale Sicherheit", schrieb der EU-Aussenbeauftragte in der Nacht zum Sonntag auf der Plattform X (ehemals Twitter).

Auch EU-Ratspräsident Charles Michel verurteilte den Angriff des Irans. Es müsse alles getan werden, um eine weitere regionale Eskalation zu verhindern, schrieb der belgische Spitzenpolitiker auf X. "Ein weiteres Blutvergiessen muss vermieden werden. Wir werden die Situation gemeinsam mit unseren Partnern weiterhin aufmerksam verfolgen."

 

Tag 190: 13. April 2024

Der Iran hat nach israelischen Angaben einen Drohnenangriff gegen Israel gestartet. Dies bestätigte Armeesprecher Daniel Hagari am Samstagabend. Es werde mehrere Stunden dauern, bis die Drohnen israelisches Gebiet erreichen könnten.

Das Militär sei in höchster Alarmbereitschaft und überwache die Situation, hiess es in einer Mitteilung, die die Armee über Telegram versendete. Das Luftabwehrsystem sei in höchster Alarmbereitschaft ebenso wie Kampfjets und Marineschiffe. Sprecher Hagari betonte, die Armee beobachte die Lage und alle Abwehrsysteme seien bereit. Zudem werde der GPS-Empfang in verschiedenen Landesteilen unterdrückt.

Israel hatte angesichts der angespannten Sicherheitslage kurz vor dem Angriff die Alarmbereitschaft weiter erhöht: Die Armee gab neue Schutzanweisungen für die Zivilbevölkerung heraus, die zunächst von Samstagabend bis Montagabend gelten sollten. US-Präsident Joe Biden wurde im Weissen Haus erwartet, um mit seinem Sicherheitsteam über die Angriffe zu beraten.

Die militärischen Spannungen im Nahen Osten hatten sich extrem verschärft, nachdem bei einem mutmasslich israelischen Luftangriff auf das Botschaftsgelände des Irans in Syrien am 1. April zwei iranische Brigadegeneräle getötet worden waren.

Biden hatten Israel angesichts des befürchteten Angriffs des Irans die volle Unterstützung der USA zugesichert. Am Samstag erneuerte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin diese Zusicherung.

 

 

 

Tag 188: 11. April 2024

Die USA haben Israel angesichts von Drohungen des Irans ihren Beistand zugesichert. Wie er Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu gesagt habe, sei das Bekenntnis der USA für die Sicherheit Israels "gegen diese Bedrohungen durch den Iran und seine Stellvertreter eisern", sagte US-Präsident Joe Biden am Mittwoch. "Lassen Sie es mich noch einmal sagen: eisern". Auch sein Aussenminister Antony Blinken bekräftigte in einem Gespräch mit dem israelischen Verteidigungsminister Joav Galant, dass die USA ihrem Verbündeten Israel bei "jeglichen Bedrohungen durch den Iran und seinen Stellvertretern" zur Seite stehen würden, teilte der Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller, am späten Mittwochabend (Ortszeit) mit. US-Geheimdienstberichte zeigten, dass ein Angriff auf israelische Einrichtungen durch den Iran oder seine Stellvertreter unmittelbar bevorstehen könnte, berichtete am selben Tag das "Wall Street Journal" unter Berufung auf US-Beamte.

Nach dem mutmasslich israelischen Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in Syrien hatte Irans Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei am Mittwoch seine Drohung gegen Israel bekräftigt. Der Angriff sei wie ein Angriff auf iranisches Territorium gewesen. "Das boshafte Regime (Israel) hat einen Fehler gemacht, in diesem Fall muss es bestraft werden, und wird bestraft werden", sagte der Religionsführer. Anfang April waren bei einem Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände zwei Brigadegeneräle und fünf weitere Mitglieder der mächtigen iranischen Revolutionsgarden (IRGC) getötet worden. Mehrfach hat Irans Führung seither mit Vergeltung gedroht - es besteht Sorge vor einer Eskalation. Wie und wann der Iran reagiert, ist jedoch völlig offen. Biden sagte bei einer Pressekonferenz mit Japans Ministerpräsidenten Fumio Kishida am Mittwoch, dass der Iran "mit einem bedeutenden Angriff auf Israel droht". "Wir werden alles tun, was wir können, um die Sicherheit Israels zu schützen", versprach er.

Bei einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen waren am selben Tag nach Angaben der islamistischen Hamas drei Söhne und vier Enkelkinder des Hamas-Auslandschefs Ismail Hanija getötet worden. Israels Armee teilte mit, es seien drei Mitglieder des militärischen Hamas-Arms bei Terroraktivitäten im Gazastreifen durch den Angriff eines Kampfjets "ausgeschaltet" worden. Das Militär bestätigte, dass es sich dabei um die Söhne Hanijas handelte. Für den Tod der Enkelkinder gab es keine Bestätigung. "Ich danke Gott für diese Ehre, die er uns mit dem Märtyrertod meiner drei Söhne und einiger Enkelkinder erwiesen hat", zitierte der katarische Fernsehsender Al-Dschasira den Hamas-Chef. Laut dem "Wall Street Journal" soll er noch zehn weitere Kinder haben. Hanija sagte, der Angriff sei ein Beweis für Israels "Versagen" und werde die Positionen der Hamas bei den indirekten Verhandlungen über eine Feuerpause und Freilassung weiterer Geiseln nicht beeinflussen.

Die Hamas bestehe weiterhin auf einem dauerhaften Waffenstillstand im Gaza-Krieg, berichtete Al-Dschasira weiter. Hanija, Vorsitzender des Hamas-Politbüros, führt Berichten zufolge mit einem Teil seiner Familie seit Jahren ein Luxusleben in Katar. Er gilt als "übergreifender" Chef der islamistischen Hamas, während Jihia al-Sinwar Chef im Gazastreifen ist. Das Politbüro gilt als oberste Entscheidungsinstanz und hat 15 Mitglieder. Es sei unklar, ob die Tötung von Hanijas Kindern die Dynamik bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe wesentlich verändern werde, da sich die Entscheidungsfindung eher auf al-Sinwar und den militärischen Hamas-Flügel konzentriert habe, so das "Wall Street Journal".

Bericht: Hamas lehnt US-Vorschlag zu Waffenruhe ab

Einen von den USA vorgebrachten Kompromissvorschlag bei den indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe wurde weitgehend von der Hamas abgelehnt, wie das "Wall Street Journal" am Mittwoch unter Berufung auf nicht näher genannte Vermittler berichtete. Die Terrororganisation plane stattdessen, einen eigenen Gegenvorschlag einzubringen. Aus Hamas-Kreisen in der libanesischen Hauptstadt Beirut hiess es unterdessen, die Verhandlungen verblieben im Status quo. Israel lehnt ein dauerhaftes Ende des Krieges ohne einen entscheidenden Sieg über die Hamas ab. Offizielle Angaben zum gegenwärtigen Verhandlungsstand gibt es derzeit nicht. Nach Gesprächen in Kairo hatten Vertreter der Hamas die ägyptische Hauptstadt am Montag für Beratungen mit ihrer Spitze verlassen.

Unterdessen wird der Kommandeur der US-Truppen in der Region, General Michael Erik Kurilla, dem "Wall Street Journal" zufolge in dieser Woche in Israel erwartet. Er habe schon vor dem Angriff in Damaskus geplant, nach Israel zu reisen, um in erster Linie die Logistik für den Bau einer provisorischen Schiffsanlegestelle vor der Küste Gazas zu besprechen, mit dem Ziel, die humanitären Hilfslieferungen auszuweiten. Nun werde erwartet, dass auch die iranischen Drohungen gegen Israel und die Frage, wie die USA darauf reagieren könnten, Thema bei Kurillas Gesprächen sein werden, hiess es. Dem Bericht zufolge wird Kurilla voraussichtlich auch mit Israels Verteidigungsminister Galant zusammentreffen.

Die Lufthansa hatte aufgrund der gegenwärtigen Lage in Nahost entschieden, die Flüge von und in die iranische Hauptstadt Teheran bis zu diesem Donnerstag auszusetzen. "Wir beobachten permanent die Lage im Nahen Osten und stehen im engen Kontakt mit den Behörden", hiess es. Die Entscheidung war am 6. April bekannt gegeben worden.

Israels Verteidigungsminister kündigt Öffnung neuen Gaza-Übergangs an

Galant hatte am Mittwoch die Öffnung eines neuen Übergangs im Norden des Gazastreifens angekündigt. Dies sei einer von mehreren Schritten, der die Lieferung von deutlich mehr Hilfsgütern in das umkämpfte Palästinensergebiet erleichtern solle, sagte er vor Journalisten in Tel Aviv. Ziel sei, Güter auch über den Hafen von Aschdod rascher in den Gazastreifen zu bringen und die Sicherheitskontrollen zu erleichtern. Durch den neuen Zugang im Norden solle der Druck auf den bestehenden Übergang Kerem Schalom im Süden verringert werden.

"Wir wollen Gaza mit Hilfslieferungen überschwemmen, und wir erwarten, 500 Lastwagen am Tag zu erreichen", sagte Galant. Israel steht während des Kriegs gegen die Hamas im Gazastreifen zunehmend unter Druck, mehr humanitäre Hilfslieferungen in das Gebiet zu lassen. Hilfsorganisationen warnen vor einer Hungersnot. Nach einer deutlichen Warnung von Biden hatte Israel am Freitag angekündigt, den Hafen Aschdod und den Grenzübergang Erez für Hilfstransporte öffnen zu wollen. Bislang ist Erez im Norden aber geschlossen. Galant bezog sich aber nun offenbar auf einen alternativen Übergang näher am Mittelmeer.

US-Präsident Biden forderte Israels Ministerpräsidenten Netanjahu auf, seine Zusagen zur Verbesserung der humanitären Versorgung in Gaza einzuhalten. Was an Hilfsgütern in das Küstengebiet gelange, sei noch nicht genug und müsse mehr werden, sagte Biden am Mittwoch. Er reagierte bei der Pressekonferenz mit Kishida in Washington auf die Frage, welche Konsequenzen er ziehen werde, wenn Netanjahu seinen Kurs nicht ändere, und ob er erwäge, weitere Waffenlieferungen an Israel im Zweifel an Bedingungen zu knüpfen. Der Demokrat sagte dazu: "Wir werden sehen, was er tut, um die Zusagen einzuhalten, die er mir gegenüber gemacht hat." Biden hatte Netanjahu zuletzt mehrfach auch öffentlich scharf kritisiert und ihm unter anderem vorgeworfen, sein Vorgehen in Gaza sei ein "Fehler".

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Tag 187: 10: April 2024

Unterdessen strahlte der spanischsprachige Sender Univision ein bereits vergangene Woche aufgezeichnetes Interview mit US-Präsident Joe Biden aus, in dem dieser das Vorgehen von Netanjahu in Gaza scharf kritisiert und auf einen Waffenstillstand drängt. "Ich denke, was er tut, ist ein Fehler", sagte Biden. Er antwortete auf die Frage, ob Netanjahu mehr um sein politisches Überleben als um die nationalen Interessen Israels besorgt sei. Biden sagte weiter: "Was ich also fordere, ist, dass die Israelis nun zu einem Waffenstillstand aufrufen, um die nächsten sechs, acht Wochen den vollständigen Zugang zu allen Nahrungsmitteln und Medikamenten (...) zu ermöglichen." Einige Medien deuteten diese Aussage als eine Art Kurswechsel, da Biden nicht betonte, die Verantwortung für eine Waffenruhe bei der islamistischen Hamas zu sehen. Das Weisse Haus stellte klar, dass dies nicht der Fall sei.

"Unsere Position ändert sich nicht. Der Präsident bekräftigte unsere Position: Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand, der mindestens sechs Wochen im Rahmen eines Geiselabkommens dauern würde", zitierte die "Times of Israel" einen Sprecher des Weissen Hauses. Biden betonte in dem Interview weiter: "Ich denke, es gibt keine Entschuldigung, nicht für die medizinischen Bedürfnisse und die Nahrungsmittelbedürfnisse dieser Menschen zu sorgen. Das sollte jetzt geschehen." Biden hatte einen Tag nach der Aufzeichnung des Interviews mit Netanjahu telefoniert. In dem Gespräch hatte Biden dem Weissen Haus zufolge Netanjahu mit Konsequenzen gedroht, sollte Israel den Schutz von Zivilisten nicht erhöhen.

Israels Verteidigungsminister Galant habe in einem Telefonat mit Austin gesagt, Israel sei noch dabei, Pläne für die Evakuierung der Zivilisten in Rafah fertigzustellen, berichteten die israelischen Zeitungen "Haaretz", "The Times of Israel" und das Nachrichtenportal "Axios" am Dienstagabend. Die US-Regierung will Israel von einem grossangelegten Einsatz in Rafah abhalten. US-Aussenminister Antony Blinken erwartet von Israel vorerst Stillhalten. Für die kommende Woche sei ein Treffen mit einer israelischen Delegation geplant, um über die Bedenken der US-Seite gegen einen solchen Einsatz zu sprechen, sagte Blinken am Dienstag in Washington. "Ich gehe nicht davon aus, dass vor diesen Gesprächen irgendwelche Massnahmen ergriffen werden", betonte er. Man sei nach wie der Überzeugung, dass ein grösserer Einsatz in Rafah extrem gefährlich für die Zivilisten wäre." Die israelische Seite habe der US-Regierung auch keinen Termin für eine Rafah-Offensive genannt, sagte Blinken.

Israel hat aus Sicht der US-Regierung weiter keinen überzeugenden Plan zum Schutz der dortigen Zivilbevölkerung im Fall einer Bodenoffensive vorgelegt. Er habe noch keinen "glaubwürdigen und durchführbaren" Plan für die Umsiedlung der Menschen in Rafah gesehen, der detailliert darlege, wie die Zivilisten untergebracht und medizinisch versorgt werden könnten, sagte der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Dienstag in Washington. "So bleiben unsere Bedenken bestehen, und wir müssen nun abwarten, was passiert, und die Vereinigten Staaten werden entsprechend reagieren." Sullivan betonte, dass es Kommunikationskanäle mit der israelischen Regierung gebe.

Die US-Regierung reagiert ausserdem abwartend auf Israels Zusagen zur Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen. "Was zählt, sind Ergebnisse - und zwar nachhaltige Ergebnisse", sagte Blinken am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit seinem britischen Amtskollegen David Cameron in Washington. "Und darauf werden wir in den kommenden Tagen sehr genau achten", betonte Blinken. Nach Darstellung Israels sind in den vergangenen Tagen deutlich mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen gelangt. 468 Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern seien am Dienstag inspiziert worden und nach Gaza gefahren, schrieb die für Kontakte mit den Palästinensern und humanitäre Hilfe zuständige Cogat-Behörde auf der Plattform X (vormals Twitter). "Dies ist die höchste Zahl von Lastwagen mit Hilfsgütern, die seit Beginn des Krieges an einem Tag in den Gazastreifen gefahren sind."

Mit Blick auf die laufenden Gespräche über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln sagte Sullivan, dass öffentliche Erklärungen der Hamas "nicht gerade ermutigend" seien. Allerdings gebe es noch keine Antwort der Hamas auf einen Vorschlag, der aktuell auf dem Tisch liege, sagte Sullivan. Er habe mit den Verhandlungspartnern in Katar gesprochen und diese gedrängt, sich um eine Antwort der Hamas zu bemühen. Aus Hamas-Kreisen in der libanesischen Hauptstadt Beirut hiess es, die Verhandlungen liefen derzeit "nicht gut". Die Israelis seien nur am "Geisel-Thema" interessiert, nicht aber an einer Waffenruhe. Offizielle Angaben zum Verhandlungsstand gibt es nicht. Nach Gesprächen in Kairo hatten Vertreter der Hamas die ägyptische Hauptstadt am Montag für Beratungen mit ihrer Spitze verlassen.

 

Tag 180: 4. April 2024

Israel will vor dem Hintergrund ernster Drohungen aus dem Iran seine Luftverteidigung verstärken. Nach einer Lagebeurteilung sei beschlossen worden, die Personalstärke zu erhöhen und Reservisten der Raketenabwehr einzuberufen, teilte das israelische Militär am Mittwochabend mit. Gründe dafür nannte die Armee nicht explizit. Israelische Medien berichteten aber, Hintergrund seien die Drohungen aus Teheran. Nach dem mutmasslich israelischen Luftangriff auf ein Gebäude der iranischen Botschaft in Syriens Hauptstadt Damaskus mit mehreren Toten hatte der iranische Präsident Ebrahim Raisi gesagt, die Attacke werde "nicht unbeantwortet bleiben". Auch Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei drohte mit Vergeltung.

Bei dem Angriff am Montag waren zwei Brigadegeneräle und fünf weitere Mitglieder der mächtigen iranischen Revolutionsgarden getötet worden. Zudem kamen nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur Tasnim sechs syrische Staatsbürger ums Leben. Die Revolutionsgarden sind Irans Elitestreitmacht, sie werden mächtiger eingeschätzt als die konventionellen Streitkräfte des Landes. Das iranische Aussenministerium geht davon aus, dass der Erzfeind Israel den Angriff ausgeführt hat. Auch nach Einschätzung der US-Regierung war Israel dafür verantwortlich. Von israelischer Seite wurde der Vorfall nicht kommentiert.

Unterdessen sieht sich Israel weiter mit den Folgen seines tödlichen Luftangriffs auf ausländische Helfer der Organisation World Center Kitchen im umkämpften Gazastreifen konfrontiert. Israels wichtigster Verbündete USA zeigte sich über das Vorgehen der israelischen Armee offen frustriert. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, sagte am Mittwoch, der Vorfall markiere "den Höhepunkt ähnlicher Ereignisse" und US-Präsident Joe Biden habe "seine Empörung, seine Frustration" darüber zum Ausdruck gebracht. Es sei nicht das erste Mal, dass so etwas passiert sei, so Kirby. "Und ja, wir sind darüber frustriert."

Sieben Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Central Kitchen waren am Montagabend im Gazastreifen durch einen Luftangriff des israelischen Militärs getötet worden. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und die Armee sprachen von einem unabsichtlichen Treffer und einem schweren Fehler. Biden machte Israel daraufhin schwere Vorhaltungen. "Das ist kein Einzelfall", beklagte Biden am Dienstagabend (Ortszeit) in einer schriftlichen Stellungnahme. "Dieser Konflikt ist einer der schlimmsten in jüngerer Zeit, was die Zahl der getöteten Mitarbeiter von Hilfsorganisationen angeht."

Kirby machte mit Blick auf die Israelis deutlich: "Wir unterstützen nach wie vor ihr Recht, sich zu verteidigen. Und das werden wir auch weiterhin tun." Dennoch sei die US-Regierung besorgt über das Vorgehen Israels. Jeden Tag spreche man über die Art und Weise der Kriegsführung.

USA halten an Plänen für temporären Hafen vor Gaza fest

Trotz des Todes der Helfer halten die USA an den Plänen für einen temporären Hafen im Meer vor dem Gazastreifen fest. Der Vorfall habe keinen Einfluss auf die Bemühungen, den Pier zu errichten, um Hilfsgüter über den Seeweg nach Gaza zu liefern, sagte der Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller, am Mittwoch. Man wolle mit dem Vorhaben so schnell wie möglich vorankommen.

Unterdessen wurden sechs der sieben Leichen der Helfer nach Ägypten überführt. Das berichtete der staatsnahe Fernsehsender Al-Kahira News am Mittwoch. Krankenwagen hätten die Leichen über den Übergang Rafah nach Ägypten gebracht. Die getöteten Helfer stammen aus Grossbritannien, Polen und Australien, eines der Opfer hatte zudem die kanadische und amerikanische Staatsbürgerschaft. Ihre Leichen sollten in die jeweiligen Heimatländer überführt werden. Die Leiche des palästinensischen Fahrers wurde an dessen Familie zur Bestattung in Gaza übergeben.

US-Regierung: Zweistaatenlösung muss durch Verhandlungen geschehen

Washington hält unterdessen weiter an einer Verhandlungslösung für einen unabhängigen Palästinenserstaat fest. Das erklärte Aussenamtssprecher Miller am Mittwoch in Washington. Die palästinensische UN-Mission hatte am Vortag mitgeteilt, sich erneut um eine Vollmitgliedschaft bei den Vereinten Nationen bemühen zu wollen - 2011 war dieses Anliegen gescheitert. Die Veto-Macht USA und andere wollten damals, dass die Palästinenser zuvor mit Israel Frieden schliessen. Im November 2012 räumten die Vereinten Nationen den Palästinensern gegen den Widerstand der USA einen Beobachterstatus ein.

Von 193 UN-Mitgliedsstaaten haben bisher 139 Palästina als unabhängigen Staat anerkannt. Die USA und Deutschland gehören nicht dazu. In einem Brief an UN-Generalsekretär António Guterres bat der palästinensische UN-Botschafter Riad Mansur nun darum, dem Sicherheitsrat den Antrag von 2011 erneut vorzulegen. Auf die Frage, ob die USA dieses Mal ein Veto einlegen würden, sagte Miller: "Ich spekuliere nicht darüber, was in Zukunft passieren könnte." Gleichzeitig betonte er, die US-Regierung habe immer deutlich gemacht, dass sie zwar die Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates mit Sicherheitsgarantien für Israel unterstütze. Dies müsse jedoch durch direkte Verhandlungen zwischen den betroffenen Parteien geschehen, "und nicht bei den Vereinten Nationen".

Die islamistische Hamas im Gazastreifen und Israels Ministerpräsident Netanjahu lehnen eine Zweistaatenlösung ab. Damit ist gemeint, dass ein unabhängiger, demokratischer und friedlicher Palästinenserstaat an der Seite von Israel existiert.

Netanjahu schlägt derweil im eigenen Land starker Gegenwind entgegen. In den vergangenen Tagen kam es erneut zu Massenprotesten gegen seine Regierung. Der frühere Verteidigungsminister Benny Gantz, Mitglied in Netanjahus Kriegskabinett, rief am Mittwoch zu Neuwahlen im September auf. Dies werde Israel international Unterstützung verschaffen und die Spaltung innerhalb der Gesellschaft verringern, sagte Gantz bei einer Pressekonferenz.

Konsequenzen haben seine Forderungen zunächst allerdings nicht. Netanjahus konservative Likud-Partei lehnte Gantz' Ansinnen ab. Die Regierung werde so lange weitermachen, bis alle Kriegsziele erreicht seien, teilte die Partei mit. Eine vorgezogene Wahl würde zu einer Lähmung des Landes und zur Spaltung der Gesellschaft führen sowie die Chance auf einen Deal zur Freilassung der Geiseln zunichtemachen, hiess es.

Käme es zu Neuwahlen, dürfte Gantz nach jüngsten Umfragen neuer Regierungschef werden. Offiziell steht die nächste Parlamentswahl erst im Oktober 2026 an.

 

Tag 179: 3. April 2024

Der Tod von ausländischen Helfern im Gazastreifen bei einem israelischen Luftangriff droht den jüdischen Staat weiter zu isolieren und sorgt für zusätzliche Spannungen mit seinem wichtigsten Verbündeten USA. US-Präsident Joe Biden machte Israel am Dienstagabend (Ortszeit) schwere Vorhaltungen: "Israel hat nicht genug getan, um die Helfer zu schützen, die versuchen, die Zivilbevölkerung mit dringend benötigter Hilfe zu versorgen." Dies sei einer der Hauptgründe, warum die Verteilung humanitärer Hilfe im Gazastreifen so schwierig sei, beklagte Biden in einer schriftlichen Stellungnahme. Israels Generalstabschef Herzi Halevi bezeichnete den Luftangriff, bei dem mehrere Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) getötet wurden, als "schweren Fehler".

"Der Angriff wurde nicht in der Absicht durchgeführt, den WCK-Helfern zu schaden. Es war ein Fehler, der auf eine falsche Identifizierung folgte - in der Nacht während eines Krieges unter sehr komplexen Bedingungen. Das hätte nicht passieren dürfen", sagte Halevi in der Nacht zum Mittwoch in einer Videostellungnahme. Dies habe eine vorläufige Untersuchung ergeben. Ein unabhängiges Gremium werde den Vorfall gründlich untersuchen und "in den nächsten Tagen" abschliessen. Die Armee werde aus den Schlussfolgerungen lernen "und sie sofort umsetzen", sagte der israelische Generalstabschef und drückte sein Bedauern aus.

"Das ist kein Einzelfall", beklagte Biden. "Dieser Konflikt ist einer der schlimmsten in jüngerer Zeit, was die Zahl der getöteten Mitarbeiter von Hilfsorganisationen angeht." Israel habe auch nicht genug getan, um die Zivilbevölkerung in Gaza zu schützen. Sieben Mitarbeiter von World Central Kitchen waren durch den israelischen Luftschlag getötet worden. Israels Präsident Izchak Herzog entschuldigte sich beim Gründer der Hilfsorganisation, José Andrés. Er habe ihm sein tiefes Bedauern über den "tragischen Verlust der Leben der WCK-Mitarbeiter" ausgedrückt, schrieb Herzog auf der Plattform X (vormals Twitter). Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach in einer Videobotschaft von einem "tragischen Fall eines unabsichtlichen Treffers unserer Streitkräfte gegen Unschuldige im Gazastreifen".

"Jeder fühlt sich jetzt bedroht", zitierte die "New York Times" am Dienstag (Ortszeit) Michael Capponi, Gründer der Hilfsorganisation Global Empowerment Mission. Es müsse der internationalen Gemeinschaft von Nichtregierungsorganisationen "garantiert werden, dass wir bei unserer Arbeit, die so wichtig ist, sicher sind", forderte Capponi. Die Organisation World Central Kitchen (WCK) will angesichts des Tods ihrer Mitarbeiter ihren Einsatz in der Region sofort stoppen und bald Entscheidungen "über die Zukunft unserer Arbeit treffen".

Israel wolle, dass das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA, dem es Unterstützung der islamistischen Hamas vorwirft, durch Organisationen wie World Central Kitchen im Gazastreifen ersetzt wird, schrieb das "Wall Street Journal". Der Tod der WCK-Mitarbeiter könne dieses Bestreben jetzt zum Scheitern bringen. Israel riskiere, am Ende ohne Partner für die Bereitstellung und Lieferung humanitärer Hilfe in den Gazastreifen dazustehen, zitierte die Zeitung "Times of Israel" einen Beamten der US-Regierung. Das UN-Hilfswerk UNRWA war stark in die Kritik geraten. Einigen Mitarbeitern wurde vorgeworfen, am Massaker der Hamas vom 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel beteiligt gewesen zu sein.

Auch die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt, fordert einen besseren Schutz für humanitäre Einsatzkräfte. "Wir brauchen dringend Sicherheitsgarantien für Helferinnen und Helfer", sagte Hasselfeldt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) (Mittwochsausgabe). Anders sei die Unterstützung der Menschen in Gaza und der Schutz der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr zu gewährleisten. Sie forderte zudem kontinuierlichen Zugang für humanitäre Hilfe in Gaza. "Wir tun mit unseren Partnern aus der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung alles, um weiter bedarfsgerecht Hilfe für die Menschen in Not zu leisten", sagte sie, "aber es wird immer schwieriger und die Situation vor Ort ist für die Helferinnen und Helfer sehr gefährlich."

Tess Ingram, Sprecherin des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef), sagte der "New York Times", sie hoffe, dass der Tod der Mitarbeiter von WCK "die Welt dazu bringen wird, zu erkennen, dass das, was hier passiert, nicht in Ordnung ist". "Die Nachricht von dem Angriff ist entsetzlich - ein wahr gewordener Albtraum für uns", sagte Soraya Ali, Sprecherin der Organisation Save the Children, der Zeitung. "Mehr als 200 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden in diesem Konflikt getötet, der damit zu einem der schlimmsten Konflikte für Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in der jüngeren Geschichte zählt", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, am Dienstag.

Israel ist nach Einschätzung der US-Regierung auch für den Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus verantwortlich. Das machte die stellvertretende Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh bei einer Pressekonferenz in Washington deutlich. Singh war gefragt worden, ob die USA an dem Luftangriff am Montag beteiligt gewesen seien. Darauf antwortete sie: "Die USA haben keinen Angriff in Damaskus durchgeführt. Ich möchte Sie auf die Israelis verweisen, um mit ihnen über ihren Angriff zu sprechen." Die Nachfrage, ob es die offizielle Einschätzung der US-Regierung sei, dass Israel für den Schlag verantwortlich sei, bejahte Singh: "Das ist unsere Einschätzung."

Bei dem Angriff wurden zwei Brigadegeneräle und fünf weitere Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden (IRGC) getötet. Die IRGC sind Irans Elitestreitmacht und werden als mächtiger eingeschätzt als die konventionellen Streitkräfte des Iran. Das Land verurteilte die Attacke scharf und drohte dem Erzfeind Israel mit Vergeltung. Ein israelischer Militärsprecher sagte auf Anfrage, man kommentiere keine Berichte in ausländischen Medien. Unterdessen protestierten erneut Tausende Israelis am Dienstagabend den vierten Tag in Folge gegen die Regierung und für ein Abkommen zur Freilassung der in Gaza weiter festgehaltenen Geiseln.

 

Tag 177: 1. April 2024

Zehntausende von Menschen haben am Sonntag in Israel den zweiten Tag in Folge gegen die Regierung des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu demonstriert. Demonstranten und Demonstrantinnen forderten bei wütenden Protesten in der Nähe des Parlaments in Jerusalem einen Rücktritt der Regierung, eine Neuwahl sowie einen raschen Deal zur Freilassung der Geiseln in der Gewalt der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas. Oppositionsführer Jair Lapid kritisierte Netanjahu bei der Demonstration scharf. Der Regierungschef zerstöre Israels Beziehungen zu den USA und überlasse die Hamas-Geiseln ihrem Schicksal, sagte er unter anderem. "Alles für die Politik, nichts für das Land." Netanjahu wies die Kritik an seiner Verhandlungsführung und die Forderungen nach einer Neuwahl entschieden zurück. "Die Rufe nach einer Wahl jetzt, auf dem Höhepunkt des Krieges, einen Moment vor dem Sieg, werden Israel für mindestens ein halbes Jahr lähmen, meiner Einschätzung nach sogar acht Monate", sagte er am Sonntag. Eine Neuwahl würde ausserdem die Verhandlungen über eine Freilassung weiterer Geiseln im Gegenzug für eine Feuerpause im Gaza-Krieg sowie die Freilassung palästinensischer Häftlinge lähmen, sagte Netanjahu. Dies würde "ein Ende des Krieges herbeiführen, bevor die Ziele erreicht sind" und damit vor allem der Hamas in die Hände spielen. Er sei verpflichtet, alle Geiseln heimzuholen, betonte er. "Ich werde niemanden zurücklassen."

 

Tag 174: 29. März 2024

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sieht im militärischen Vorgehen gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen weiter die einzige Möglichkeit, die in dem Küstengebiet festgehaltenen Geiseln zurück nach Israel zu holen. "Nur die Fortsetzung des kraftvollen militärischen Drucks, den wir ausgeübt haben und noch ausüben werden, wird unsere Geiseln zurückbringen", sagte Netanjahu am Donnerstagabend nach Angaben seines Büros bei einem Treffen mit Angehörigen verschleppter Soldaten. "Ich weiss, dass jeder Tag, der vergeht, für Sie die Hölle ist." Er wolle keine Geisel zurücklassen.  Israelischen Schätzungen zufolge sind noch knapp 100 Verschleppte am Leben. Auslöser des Krieges war die Terrorattacke der Hamas und anderer palästinensischer Extremisten auf Israel vom 7. Oktober. Die Angreifer ermordeten dabei im israelischen Grenzgebiet mehr als 1200 Menschen und verschleppten 250 weitere Menschen in den Gazastreifen. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive, die ihrerseits Tausende Menschen das Leben kosteten.  Verhandlungen kommen nicht voran  Die Verhandlungen der Vermittlerstaaten Katar, Ägypten und USA über eine Feuerpause in dem Krieg und die Freilassung der Geiseln kommen derzeit nicht voran. Nachdem die Hamas kürzlich einen neuen Kompromissvorschlag ablehnte, kehrte das israelische Verhandlungsteam Anfang der Woche von den indirekten Gesprächen in Katar zurück. Nach Informationen des "Wall Street Journal" sollen die Gespräche jedoch voraussichtlich nächste Woche in Kairo weitergehen. Israel hält Netanjahu zufolge weiter die Kontrolle über den nördlichen Gazastreifen und die Stadt Chan Junis. Zudem bereite sich die Armee weiterhin darauf vor, in Rafah ganz im Süden Gazas einzumarschieren, bekräftigte Israels Regierungschef.

Tag 172: 27. März 2024

Im Gaza-Krieg sind die Fronten auch nach der Forderung des Weltsicherheitsrats nach einer "sofortigen Waffenruhe" per Resolution weiter verhärtet. Während UN-Generalsekretär António Guterres mit Nachdruck eine Umsetzung der Resolution verlangte, bekräftigte die islamistische Hamas ihre Forderung eines dauerhaften Waffenstillstands - und gab Israel am Montagabend die Schuld, dass es bisher keine Einigung über ein Abkommen für eine Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln gibt. Zwischen Israel und dem wichtigen Verbündeten USA wiederum kam es zu grösseren Verstimmungen: Aus Ärger, dass die Amerikaner der Resolution zum Erfolg verhalfen, sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu eine Delegationsreise nach Washington in letzter Minute ab. Die US-Regierung reagierte irritiert und bemühte sich gleichzeitig darum, die Israelis zu besänftigen und die Bedeutung der Sicherheitsrats-Resolution herunterzuspielen.

"Es handelt sich um eine nicht bindende Resolution, die keinerlei Auswirkungen auf Israel und dessen Fähigkeit hat, weiterhin gegen die Hamas vorzugehen", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby. Dabei sind Resolutionen des Weltsicherheitsrats sehr wohl völkerrechtlich bindend. Generalsekretär Guterres forderte denn auch, die Resolution müsse umgesetzt werden. "Ein Scheitern wäre nicht zu verzeihen", mahnte er am Montag auf der Plattform X, vormals Twitter.

Diverse Nachfragen, ob die Beziehung zwischen Israel und den USA - und konkret zwischen Netanjahu und US-Präsident Joe Biden - an einem Tiefpunkt angelangt sei, wiegelte Kirby am Montag ab. Das sei nicht der Fall. "Israel ist nach wie vor ein enger Verbündeter und ein Freund", betonte der Kommunikationsdirektor, schob jedoch nach: "Das bedeutet nicht, dass wir in allem übereinstimmen, und meine Güte, das tun wir nicht."

Baerbock lobt Palästinenser-Beitrag

Bundesaussenministerin Annalena Baerbock lobte unterdessen nach einem Gespräch mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) und Abbas persönlich für deren Beitrag zur UN-Resolution. Mit der klaren Verurteilung der Gewaltverbrechen der Hamas an Zivilisten am 7. Oktober in Israel habe die von Abbas geführte PA "einen wichtigen Beitrag" zur Entscheidung in New York geleistet, sagte Baerbock in Ramallah. Dem Aufruf an die Hamas, die Waffen niederzulegen, könne sie sich nur anschliessen.

Hamas schaltet in Verhandlungen auf stur

Die Hamas liess am Montagabend jedoch wissen, den Vermittlern sei mitgeteilt worden, dass man an der ursprünglichen Position festhalte. Diese sehe neben einem "umfassenden Waffenstillstand" auch den Rückzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen, die Rückkehr der Vertriebenen und einen "echten" Gefangenenaustausch vor. Grund sei, dass Israel "auf keine der grundlegenden Forderungen unseres Volkes und unseres Widerstands eingegangen ist". Israels Ministerpräsident Netanjahu "und seine extremistische Regierung tragen die volle Verantwortung dafür, dass sie alle Verhandlungsbemühungen vereitelt und eine Einigung bisher verhindert haben", hiess es.

Israel hat die Forderung nach einem vollständigen Rückzug der Truppen und einem dauerhaften Waffenstillstand stets zurückgewiesen. Die Hamas wiederum macht jede weitere Geiselfreilassung von einer israelischen Verpflichtung zur Beendigung des Krieges abhängig. Netanjahu hat diese Forderung wiederholt als illusorisch bezeichnet und darauf bestanden, dass der Krieg mit dem Ziel einer Zerschlagung der Hamas wieder aufgenommen wird, sobald ein Abkommen zur Geiselbefreiung umgesetzt ist. Am Montag hatte es in mehreren Medienberichten geheissen, dass sich Israel bei den Verhandlungen der Vermittlerstaaten Katar, Ägypten und USA bereiterklärt habe, auf die Hamas zuzugehen und im Austausch für 40 israelische Geiseln einige hundert palästinensische Häftlinge mehr freizulassen als bisher zugestanden worden war.

Vor ihrem erneuten Besuch in Israel an diesem Dienstag warnte Bundesaussenministerin Baerbock Israel angesichts der humanitären Lage eindringlich vor der geplanten Bodenoffensive in Rafah. "Eine Grossoffensive auf Rafah darf es nicht geben", sagte sie mit Blick auf das Schicksal der vielen Zivilisten in der Stadt, in der viele Kriegsflüchtlinge Schutz gesucht haben. "Menschen können sich nicht in Luft auflösen."

Auch die US-Regierung warnte Israel einmal mehr vor einer grossangelegten Bodenoffensive in der an Ägypten grenzenden Stadt im Süden des abgeriegelten Gazastreifens. Das US-Aussenministerium teilte am Montagabend nach einem Treffen von Ressortchef Antony Blinken mit dem israelischen Verteidigungsminister Joav Galant mit, Blinken habe sich bei den Beratungen erneut gegen eine grössere Bodenoffensive in Rafah ausgesprochen, die das Wohlergehen der mehr als 1,4 Millionen Palästinenser dort weiter gefährden würde.

Israels Minister für strategische Angelegenheiten, Ron Dermer, und der nationale Sicherheitsberater Zachi Hanegbi hätten eigentlich am Montag in die USA fliegen sollen, um dort Alternativen zu der geplanten Bodenoffensive aufgezeigt zu bekommen. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Kirby, sagte, es gebe keine Anzeichen dafür, "dass die Israelis sich unmittelbar darauf vorbereiten, eine Bodenoperation in Rafah durchzuführen" oder dass dies in den kommenden Tagen passieren könnte. "Es scheint, dass sie noch weit davon entfernt sind, in Rafah einzumarschieren." Netanjahu zufolge hat Israels Armee Pläne ausgearbeitet, um die Zivilisten in Sicherheit zu bringen.

Die diplomatische Vertretung Israels bei den Vereinten Nationen in Genf hat unterdessen den Bericht einer UN-Menschenrechtsexpertin zum Gaza-Krieg als Schande für den Menschenrechtsrat bezeichnet. "Der Bericht ist daher eine obszöne Umkehrung der Realität, bei der eine sogenannte Expertin ungeheuerliche Anschuldigungen erheben kann, je extremer, desto besser", schrieb die Vertretung am Montag auf der Plattform X (vormals Twitter). Die UN-Menschenrechtsexpertin Francesca Albanese hatte zuvor laut Medienberichten in einer noch vorläufigen Version Israel vorgeworfen, Völkermord im Gazastreifen zu begehen und die Gründung des jüdischen Staates als "siedlungskolonialistisches Projekt" bezeichnet. Die italienische Juristin ist Berichterstatterin des UN-Menschenrechtsrats über die Lage der Menschenrechte in den besetzten Palästinensergebieten, spricht aber nicht für die UN.

 

Tag 171:  26. März 2024

Der internationale Druck auf Israel steigt: Mit einer völkerrechtlich bindenden Resolution hat der Weltsicherheitsrat fast sechs Monate nach Kriegsbeginn erstmals eine "sofortige Waffenruhe" im Gazastreifen gefordert. Zudem verlangt das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen die umgehende und bedingungslose Freilassung aller von der islamistischen Hamas festgehaltenen Geiseln. Die Vetomacht USA enthielt sich bei der Abstimmung am Montag und ermöglichte damit die Annahme der Resolution. Die 14 übrigen Mitglieder des Gremiums stimmten dafür. Damit steigt der internationale Druck auf die Konfliktparteien. Es ist jedoch fraglich, ob oder inwieweit die Resolution Einfluss auf ihre Entscheidungen zum weiteren Kriegsverlauf haben wird.

Der Beschluss des Sicherheitsrats verdeutlicht die zunehmenden Spannungen zwischen Israel und den USA, dem wichtigsten diplomatischen und militärischen Verbündeten des jüdischen Staats. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte nach der Abstimmung umgehend und sagte eine geplante und - ursprünglich von der US-Seite eingeforderte - Reise einer israelischen Delegation nach Washington kurzfristig ab.

Der Minister für strategische Angelegenheiten, Ron Dermer, und der nationale Sicherheitsberater Zachi Hanegbi hätten noch am Montag in die USA fliegen sollen, um sich mit hochrangigen Regierungsvertretern zu treffen. Diese wollten den Israelis unter anderem Alternativen zu der von Israel geplanten Bodenoffensive in Rafah im Gazastreifen vorlegen. Der Plan wird von vielen Verbündeten, darunter auch Deutschland, abgelehnt. In der südlichen Stadt an der ägyptischen Grenze haben Hunderttausende Palästinenser Schutz vor den Kämpfen gesucht. Bei den Gesprächen sollte es auch um die Ausweitung der humanitären Hilfe für die Not leidende Zivilbevölkerung im Gazastreifen gehen. "Wir sind sehr enttäuscht, dass sie nicht nach Washington kommen werden", sagte John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, in Washington. Es gebe aber auch weitere Gesprächskanäle.

Bemühungen um eine Forderung des Weltsicherheitsrats nach einer Waffenruhe waren bislang vor allem am Widerstand der Vetomacht USA gescheitert. Seit Kriegsbeginn im Oktober vergangenen Jahres hatte Washington sich gegen eine Waffenruhe gewandt und drei Vetos gegen entsprechende Resolutionen eingesetzt.

Angesichts der steigenden Zahl ziviler Opfer und einer drohenden Hungersnot in Teilen des abgeriegelten Küstenstreifens verstärkten die USA zuletzt aber auf mehreren Kanälen den Druck auf Israel. Auch US-Präsident Joe Biden äusserte sich zunehmend kritisch, etwa auch mit Blick auf Rafah. Am Freitag vollzog Washington die Kehrtwende und forderte in einer Resolution erstmals "eine sofortige und dauerhafte Waffenruhe" im Gaza-Krieg. Doch Russland und China legten ihr Veto ein. Die Beschlussvorlage ging Moskau und Peking nicht weit genug - in ihren Augen war der Text unter anderem zu proisraelisch und stellenweise nicht ausreichend verbindlich.

Der nun angenommene knappe Resolutionstext konzentriert sich auf die Forderung nach "einer von allen Seiten respektierten sofortigen Waffenruhe für den (islamischen Fastenmonat) Ramadan". Dies solle zu einer "dauerhaften und nachhaltigen Waffenruhe" führen, heisst es in dem Text. Zudem fordert die Beschlussvorlage die Freilassung aller Geiseln und betont die "grosse Sorge angesichts der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen". Die Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung müssten ausgebaut werden.

"Es hätte schon vor Monaten eine Waffenruhe geben können, wenn Hamas willens gewesen wäre, Geiseln freizulassen", sagte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield. "Hamas steht einem Frieden weiter im Weg", betonte sie. Die Botschafterin ergänzte, die USA hätten sich bei der Abstimmung über die Resolution enthalten, weil der Text keine Verurteilung der Hamas beinhalte.

Bundesaussenministerin Annalena Baerbock begrüsste die Forderung des Weltsicherheitsrats nach einer sofortigen Waffenruhe. Sie sei "erleichtert über die Verabschiedung der Resolution, weil es auf jeden Tag ankommt", sagte die Grünen-Politikerin am Montag am Rande eines Besuchs in Jerusalem. Dies gelte sowohl für die hungernden Menschen in Gaza als auch für die weiterhin in der Gefangenschaft der Hamas befindlichen Geiseln.

Israels UN-Botschafter Gilad Erdan nannte es hingegen "eine Schande", dass der Text der Resolution nicht die Taten der Hamas verurteile. Das Massaker der Hamas vom 7. Oktober sei für den Krieg verantwortlich. So lange sich die Hamas weigere, die Geiseln freizulassen, bleibe Israel nur das militärische Vorgehen, betonte er. Die Forderung einer bedingungslosen Waffenruhe gefährde in der Tat die Geiseln, es handle sich um eine "schändliche Resolution".

Die Resolution war von nichtständigen Mitgliedern des UN-Gremiums eingebracht worden. Eine Resolution im Weltsicherheitsrat braucht die Stimmen von mindestens 9 der 15 Mitgliedsstaaten. Zudem darf es kein Veto der ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Frankreich oder Grossbritannien geben. Beschlüsse des Sicherheitsrats sind völkerrechtlich bindend. Wenn ein betroffener Staat sie ignoriert, kann das Gremium Sanktionen verhängen - was im Falle Israels wegen der Vetomacht der USA nicht als wahrscheinlich gesehen wird.

Der Ramadan hatte um den 10. März begonnen. Hoffnungen, es könne bis zum Beginn des Fastenmonats dank Vermittlungsbemühungen durch Katar, die USA und andere ein Abkommen der Konfliktparteien zu einer Feuerpause und der weiteren Freilassung von Geiseln geben, erfüllten sich nicht.

US-Botschafterin Thomas-Greenfield erklärte, man sei einem Abkommen nahe. Hamas müsse das aktuelle Angebot akzeptieren, forderte sie. "Eine Waffenruhe kann mit der Freilassung der ersten Geisel beginnen. Daher müssen wir jetzt Druck auf die Hamas ausüben, das auch zu tun", sagte sie weiter.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten.

 

Tag 170: 25. März 2024

Während es im Gaza-Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas nach monatelangem Gezerre um eine Feuerpause Anzeichen für eine Annäherung gibt, gerät der jüdische Staat wegen seiner Kriegsführung immer mehr unter Druck. Medienberichten vom Sonntag zufolge soll sich Israel bei den indirekten Verhandlungen in Katar bereiterklärt haben, auf die Hamas zuzugehen und im Austausch für 40 israelische Geiseln Hunderte mehr palästinensische Häftlinge freizulassen als bisher zugestanden worden war. Die Rede ist nun von 700 und gar bis zu 800 Häftlingen. Während eine Antwort der Hamas in den nächsten beiden Tagen erwartet wird, will der UN-Sicherheitsrat an diesem Montag über einen Resolutionsentwurf abstimmen, der eine "von allen Seiten respektierte sofortige Waffenruhe" fordern würde. Am selben Tag beginnt Bundesaussenministerin Annalena Baerbock in Ägypten neuerliche Krisengespräche, anschliessend geht es weiter nach Israel.

Die US-Regierung schliesst Konsequenzen nicht aus, sollte Israels Armee im Zuge einer Bodenoffensive tatsächlich in die zurzeit mit Hunderttausenden palästinensischen Flüchtlingen überfüllte Stadt Rafah an der Grenze zu Ägypten einmarschieren. "Ich schliesse nichts aus", entgegnete US-Vizepräsidentin Kamala Harris in einem am Sonntag ausgestrahlten TV-Interview auf eine entsprechende Frage. "Wir haben in mehreren Gesprächen und in jeder Hinsicht deutlich gemacht, dass jede grössere Militäroperation in Rafah ein grosser Fehler wäre." Details zu möglichen Konsequenzen nannte sie nicht.

Unterdessen brach Israels Verteidigungsminister Joav Galant in die USA auf, wo er unter anderem seinen Amtskollegen Lloyd Austin treffen will. Zeitgleich wird eine weitere israelische Delegation in Washington erwartet. Die US-Regierung will den Besuchern Wege aufzeigen, wie die Hamas auch ohne eine Rafah-Offensive bezwungen werden kann.

Auch Baerbock hatte am Donnerstag im Bundestag ihre Bedenken gegen den vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu angekündigten Angriff auf Rafah bekräftigt. Sie äusserte Zweifel, ob bei einer möglichen Offensive der Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten überhaupt ermöglicht werden könne. Schliesslich könnten sich 1,5 Millionen Menschen "nicht einfach in Luft auflösen", betonte sie. Baerbock will am Montag nach Gesprächen in Ägypten die Palästinensischen Gebiete besuchen und in Ramallah Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und Aussenminister Riad Malki treffen. Am Dienstagvormittag trifft sie ihren israelischen Amtskollegen Israel Katz. Sie verlangte von Israel und der Hamas ein Einlenken bei den in Katar geführten Verhandlungen. "Nur eine sofortige humanitäre Feuerpause, die zu einem dauerhaften Waffenstillstand führt, hält die Hoffnung auf Frieden am Leben – für Palästinenserinnen und Palästinenser wie Israelis", sagte Baerbock.

Bei der Sitzung des UN-Sicherheitsrats zur Lage im Nahen Osten soll am Montag über eine Resolution abgestimmt werden, die angesichts des islamischen Fastenmonats Ramadan eine sofortige Feuerpause fordert und die zu einer "dauerhaften und nachhaltigen Waffenruhe" führen soll, wie es in der am Freitag bekannt gewordenen Beschlussvorlage heisst. Zudem wird darin die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln gefordert und die Notwendigkeit betont, die Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen auszubauen. Die Resolution wird von nichtständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats vorangetrieben. Ein Diplomat erklärte am Sonntag, es gebe Hoffnung, dass die aktuellste Version des Textes nach intensiven Verhandlungen, besonders mit der Vetomacht USA, tatsächlich Erfolg haben könnte.

Unterdessen gibt es bei den seit mehreren Monaten andauernden schwierigen Verhandlungen der Vermittler laut Medienberichten neue Bewegung. Israel sei bereit, auf Forderungen der Hamas teilweise einzugehen, schrieb der gewöhnlich gut unterrichtete israelische Journalist Barak Ravid am Sonntagabend im Nachrichtenportal "Walla" sowie auf der Plattform X, vormals Twitter. So würde der jüdische Staat nunmehr 700 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freilassen, wenn die Hamas 40 von rund 100 noch lebenden israelischen Geiseln freigibt. Unter den freizulassenden Palästinensern wären 100 Gefangene, die wegen terroristischer Straftaten zu lebenslangen Strafen verurteilt wurden.

Die indirekten Verhandlungen laufen derzeit in der katarischen Hauptstadt Doha unter Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars. Sie zielen auf eine Vereinbarung in mehreren Phasen ab. Der erste Schritt würde eine sechs Wochen lange Waffenruhe und die Freilassung von 40 Geiseln aus der Gewalt der Hamas vorsehen. Der ursprüngliche Vorschlag, den Israel akzeptiert hatte, hätte die Freilassung von 400 palästinensischen Strafgefangenen beinhaltet, unter ihnen 25 mit lebenslangen Strafen. Dies war der Hamas nicht weit genug gegangen. Die neue Formel wurde von Katar vorgeschlagen und von Israel zunächst abgelehnt. Israel habe sich aber in den vergangenen Tagen auf Drängen des eigens nach Doha gereisten CIA-Chefs William Burns umstimmen lassen, schrieb Ravid weiter.

Israels Armee droht derweil mangels einer ersichtlichen Strategie von der Hamas in einen endlosen Guerilla-Krieg verwickelt zu werden, wie das "Wall Street Journal" schreibt. Die israelischen Streitkräfte kämpften an immer mehr Orten im Gazastreifen, die sie eigentlich zuvor eingenommen und aus denen sie sich zurückgezogen hätten, berichtete die US-Zeitung am Sonntag. Dies zeige, wie sehr Israel darum kämpfe, die Hamas auszuschalten und das palästinensische Küstengebiet unter seine Kontrolle zu bringen.

Die israelische Armee hatte nach eigenen Angaben am Sonntag einen neuen Militäreinsatz in Chan Junis im Süden des Gazastreifens begonnen. Bei einem weiteren Einsatz im Schifa-Krankenhaus in der Stadt Gaza im Norden wurde demnach ein israelischer Soldat getötet. Die Armee war an diesen Orten bereits in den vergangenen Monaten in Gefechte verwickelt und hatte erklärt, die Hamas-Verbände in diesen Gebieten seien besiegt und aufgelöst worden.

Auch US-Aussenminister Antony Blinken warnte Israel einem Medienbericht zufolge davor, den Krieg ohne ersichtliche Strategie fortzuführen. Israel brauche einen schlüssigen Plan, ansonsten verheddere es sich in einem Aufstand, den es nicht in den Griff bekommen werde, habe Blinken vergangene Woche bei einem Treffen mit Netanjahu und dessen Kriegskabinett gesagt, berichtete das Nachrichtenportal "Axios". Verlaufe der Krieg weiter wie bisher, würde die Hamas die Kontrolle im Gazastreifen behalten oder es würde Anarchie ausbrechen, die noch mehr Terror zur Folge hätte. Netanjahu habe geantwortet, dass "wir auf Jahrzehnte alle Hände voll zu tun haben werden", berichtete das Nachrichtenportal.

 

Tag 166: 21. März 2024

Die zähen indirekten Verhandlungen über eine vorübergehende Waffenruhe und Freilassung von Geiseln im Gaza-Krieg kommen nach Darstellung der USA voran. Man komme einem Deal "immer näher", sagte US-Aussenminister Antony Blinken in einem Interview des saudi-arabischen TV-Senders Al Hadath bei seinem Besuch in der saudi-arabischen Hafenstadt Dschidda am Mittwoch. Die Differenzen zwischen den Verhandlungspartnern würden kleiner. "Ich denke, dass eine Einigung sehr gut möglich ist", sagte Blinken. Er wollte danach nach Ägypten und am Freitag nach Israel weiterreisen.

Seit Wochen vermitteln die USA, Katar und Ägypten zwischen Israel und der islamistischen Hamas. Ziel sind eine Feuerpause und der Austausch von Geiseln gegen palästinensische Häftlinge. Es liege ein "sehr starker Vorschlag" auf dem Tisch, sagte Blinken. Nun müsse man sehen, ob die Hamas diesem zustimme. Auslöser des Krieges war das beispiellose Massaker, dass Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübten.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin forderte unterdessen seinen israelischen Amtskollegen Joav Galant auf, Alternativen zu einer Bodenoffensive in der mit Flüchtlingen überfüllten Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens zu prüfen. Austin habe in einem Telefonat mit Galant am Mittwoch auf die Notwendigkeit hingewiesen, andere Handlungsoptionen als eine grosse Bodenoperation in Rafah zu erwägen, teilte das Verteidigungsministerium in Washington mit. In dem Gespräch ging es den Angaben zufolge auch um dringenden Bedarf, mehr für den Schutz der Zivilbevölkerung zu tun und den Transport von Hilfsgütern in den abgeriegelten Gazastreifen auf dem Landweg auszuweiten.

In der kommenden Woche wird Galant in Washington erwartet. Dann werde man die Gespräche fortsetzen, hiess es aus dem Pentagon. Zudem soll eine israelische Delegation in die US-Hauptstadt reisen, um mit Vertretern der US-Regierung über deren Bedenken wegen der geplanten Bodenoffensive in Rafah zu sprechen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Mittwoch deutlich gemacht, dass die Vorbereitungen auf eine solche Offensive noch etwas Zeit bräuchten. Er wolle aber daran festhalten. Netanjahu wiederholte, er habe den Einsatzplan der Armee für Rafah bereits genehmigt, "und bald werden wir auch den Plan zur Evakuierung der Zivilbevölkerung aus den Kampfgebieten genehmigen".

Israel steht international unter Druck, von einer Bodenoffensive in Rafah abzusehen. Auch die USA wollen ihren Verbündeten davon abbringen. Der Ton Washingtons gegenüber Netanjahu und seiner Regierung hat sich angesichts der katastrophalen humanitären Lage in Gaza und der vielen zivilen Opfer in den vergangenen Wochen deutlich verschärft. Zugleich aber verstehen sich die als USA als Israels Schutzmacht und unterstützen das Land weiterhin mit milliardenschwerer Militärhilfe. Ein Sprecher des US-Aussenministeriums bekräftigte, dass sich an Washingtons Unterstützung für Israel nichts geändert habe.

USA wollen Israel weiter unterstützen

Der Ministeriumssprecher war am Mittwoch nach einer Reaktion auf die Ankündigung Kanadas gefragt worden, vorerst keine neuen Waffenexporte nach Israel zu genehmigen. Dies sei eine souveräne Entscheidung der Kanadier. US-Präsident Joe Biden habe deutlich gemacht, dass die USA Israel und sein Selbstverteidigungsrecht weiterhin unterstützten - und gleichzeitig Israel das Leben von Zivilisten schützen müsse. US-Aussenminister Blinken drückte im Interview mit dem saudi-arabischen Fernsehen seine Hoffnung aus, dass die von den USA im Weltsicherheitsrat eingereichte Resolution für eine sofortige Waffenruhe in Gaza in Verbindung mit der Freilassung der Geiseln von den Mitgliedsländern unterstützt werde.

"Ich denke, das wäre eine starke Botschaft, ein starkes Signal", sagte Blinken auf die Frage, wie Druck auf Israel für eine entsprechende Vereinbarung ausgeübt werden könne. "Aber natürlich stehen wir zu Israel und seinem Recht, sich selbst zu verteidigen und dafür zu sorgen, dass sich der 7. Oktober nicht wiederholt", sagte er. Ihm geht es bei seinen erneuten Gesprächen in Nahost auch um eine Vision für einen dauerhaften Frieden in der Region. "Wir wollen, dass der Konflikt so schnell wie möglich beendet wird, wobei die Fähigkeit Israels, sich zu verteidigen, gewahrt bleiben muss", sagte Blinken in dem Interview weiter.

Bericht über geheime Pläne in Israel für Gaza-Verwaltung

Israelische Sicherheitsbeamte arbeiten einem Medienbericht zufolge im Geheimen an einem Plan zur Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen durch unbelastete Palästinenser. Wie das "Wall Street Journal" am Donnerstag unter Berufung auf israelische und arabische Beamte berichtete, könnte dies zu Schaffung einer palästinensisch geführten Regierungsbehörde in dem umkämpften Küstenstreifen führen. Die Idee sei, palästinensische Führungskräfte und Geschäftsleute, die keine Verbindungen zur islamistischen Hamas haben, für die Verteilung von Hilfsgütern zu gewinnen. Ein ranghoher israelischer Verteidigungsbeamter habe Gespräche mit Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Jordanien geführt, um regionale Unterstützung für solche Bemühungen zu gewinnen. Es seien die ersten Bemühungen auf israelischer Seite, das Machtvakuum zu füllen, das durch Israels Einmarsch im Gazastreifen nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober entstanden sei.

Die USA wollen, dass die im Westjordanland regierende und von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas geführte Palästinensische Autonomiebehörde (PA) umgestaltet wird und dann auch im Gazastreifen wieder die Kontrolle übernimmt. Darauf wies Blinken in dem Interview noch einmal hin. Damit will Washington auch eine Zweistaatenlösung als umfassenden Ansatz zur Befriedung des Nahen Ostens vorantreiben. Mit so einer Lösung ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existiert. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt das jedoch genauso ab wie die Hamas. Diese hatte die PA 2007 gewaltsam aus Gaza vertrieben. Netanjahu sagte wiederholt, dass Israel nach dem Krieg die volle Sicherheitskontrolle über Gaza beanspruche.

Viele ehemalige israelische Sicherheitsbeamte seien sich einig, dass es Netanjahu an einem praktikablen Plan für die Verwaltung des dicht besiedelten Küstengebiets mangele und es so unmöglich sei, einen Weg in eine stabilere Zukunft zu finden, schrieb die "New York Times" am Mittwoch. Einige seien überzeugt, dass Netanjahu jetzt im Norden von Gaza und in anderen Gebieten, aus denen sich die Armee ebenfalls zurückgezogen hat, eine Verwaltung einrichten müsse. Es müsse verhindert werden, dass sich Chaos und Anarchie weiter ausbreiten. Die Hamas müsse zudem gehindert werden, sich neu aufzustellen. Ohne einen Plan würden Israels Soldaten in einen langwierigen Zermürbungskrieg verwickelt, hiess es.

Unterdessen hat die israelische Luftwaffe nach eigenen Angaben am Mittwoch einen weiteren Anti-Terror-Einsatz im besetzten Westjordanland durchgeführt. Ein Kampfflugzeug habe im Flüchtlingslager Nur Schams in Tulkarem zwei Bewaffnete angegriffen, "die eine unmittelbare Bedrohung für die Truppen darstellten", teilte die israelische Armee am späten Abend mit. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden, auch gab es zunächst keine weiteren Einzelheiten. Es war der zweite Luftangriff der Israelis im Westjordanland an dem Tag. Zuvor hatte die Luftwaffe in der Stadt Dschenin ein palästinensisches Fahrzeug gezielt angegriffen. Der Angriff habe zwei ranghohen Mitgliedern der Terrororganisation Islamischer Dschihad gegolten, hiess es. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Ramallah wurden drei Menschen getötet.

 

Tag 165: 20. März 2024

Die Vorbereitungen auf eine Offensive in der Stadt Rafah im Gazastreifen werden nach Worten des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu "noch etwas Zeit brauchen". In einer Video-Ansprache sagte der Regierungschef am Mittwoch, er habe dem US-Präsidenten Joe Biden bei ihrem letzten Telefonat gesagt: "Es ist unmöglich, den Sieg zu vollenden, ohne dass die israelische Armee nach Rafah eindringt, um die Überreste der Bataillone der Hamas auszuschalten." Netanjahu wiederholte, er habe den Einsatzplan der Armee für Rafah bereits genehmigt, "und bald werden wir auch den Plan zur Evakuierung der Zivilbevölkerung aus den Kampfgebieten genehmigen", sagte er.

Zu seinem Verhältnis mit Biden sagte Netanjahu: "Am Anfang waren wir uns einig, dass die Hamas zerstört werden muss. Aber während des Krieges - das ist kein Geheimnis - gab es Meinungsverschiedenheiten zwischen uns über den besten Weg, dieses Ziel zu erreichen."

Er hatte in dem Gespräch mit Biden dessen Aufforderung zugestimmt, eine Delegation in den kommenden Tagen nach Washington zu schicken. Dort beabsichtigen die USA Medienberichten zufolge Alternativen zu einer Bodenoffensive aufzuzeigen. Der Präsident habe darum gebeten, "uns Vorschläge seiner Seite im humanitären Bereich und auch zu anderen Themen vorzustellen", sagte Netanjahu. Die USA sind gegen einen Einsatz Israels in Rafah.

Manchmal sei Israel sich mit seinen Verbündeten einig und manchmal nicht, sagte der Regierungschef. "Am Ende haben wir immer das getan, was für unsere Sicherheit essenziell wichtig ist, und das werden wir auch diesmal tun."

In Rafah suchen Schätzungen zufolge derzeit 1,5 Millionen der 2,2 Millionen Bewohner Gazas auf engstem Raum Schutz vor den Kämpfen in den anderen Teilen des Küstengebiets. In Rafah befindet sich auch der Grenzübergang zu Ägypten, über den Hilfslieferungen in den Gazastreifen gelangen. Hilfsorganisationen warnten vor schwerwiegenden Folgen.

 

Tag 163: 18. März 2024

Bei einem erneuten Einsatz der israelischen Armee im Bereich des Schifa-Krankenhauses im umkämpften Gazastreifen ist es nach eigenen Angaben zu Feuergefechten mit Terroristen der islamistischen Hamas gekommen. Während des "präzisen" Einsatzes hätten Terroristen das Feuer auf die israelischen Soldaten aus dem Krankenhaus heraus eröffnet, teilte die Armee in der Nacht zum Montag mit. Die Truppen hätten das Feuer erwidert und "Treffer festgestellt". Der Einsatz der Armee und der Luftwaffe auf dem Gelände des grössten Krankenhauses des abgeriegelten Küstengebiets in der Stadt Gaza gehe weiter, Terroristen würden festgenommen, teilte die Armee mit.

Nachrichtendienstliche Informationen hätten ergeben, dass das Krankenhaus von ranghohen Mitgliedern der Hamas zur Durchführung terroristischer Aktivitäten genutzt werde, hiess es. Man wisse, dass sich die Islamisten dort neu gruppiert hätten, um Angriffe gegen Israel zu befehligen, sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Die Soldaten seien angewiesen worden, "vorsichtig" vorzugehen und Massnahmen zu treffen, Schäden an Patienten, Zivilisten, medizinischem Personal und medizinischer Ausrüstung zu vermeiden. Für die Patienten und das medizinische Personal bestehe keine Verpflichtung, das Krankenhaus zu verlassen. Man habe ihnen aber dafür Möglichkeiten geschaffen.

Israel wird derweil erstmals seit zwei Wochen wieder an den indirekten Verhandlungen über eine vorläufige Waffenruhe und Freilassung der Geiseln im Gaza-Krieg teilnehmen. Das israelische Sicherheitskabinett habe am späten Sonntagabend die Abreise einer Delegation unter Leitung des Chefs des Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, an diesem Montag nach Katar genehmigt, berichteten israelische Medien. In der dortigen Hauptstadt Doha bemühen sich die Vermittler Katar, Ägypten und die USA, die zuletzt ins Stocken geratenen Gespräche über eine vorläufige Waffenruhe und einen Austausch von israelischen Geiseln gegen palästinensische Häftlinge voranzubringen. Israels Sicherheitskabinett habe der Delegation aber nur ein allgemeines Mandat erteilt, schrieb der gut vernetzte israelische Journalist Barak Ravid vom Nachrichtenportal "Axios" auf der Plattform X (vormals Twitter).

Die Drohung mit einer unmittelbar bevorstehenden Offensive in Rafah im Süden des abgeriegelten Gazastreifens sei nach Ansicht israelischer Beamter und Analysten ein wichtiges Druckmittel Israels bei den Gesprächen, berichtete das "Wall Street Journal". In Rafah suchen derzeit nach Schätzungen 1,5 Millionen Palästinenser auf engstem Raum und unter elenden Bedingungen Schutz. Hilfsorganisationen warnen vor vielen weiteren zivilen Todesopfern. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte vor seinem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Sonntag nochmals klargemacht, dass er an einem Militäreinsatz in Rafah festhalte und ein Ende des Gaza-Krieges vor Erreichen aller israelischen Ziele entschieden ablehne.

Israel habe aber noch keine Truppen für den Einmarsch in die an Ägypten grenzende Stadt in Stellung gebracht, berichtete das "Wall Street Journal". Netanjahus Regierung stecke in einer Zwickmühle, zitierte die Zeitung einen Militäranalysten des Instituts für Nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv. Netanjahu könne keine Truppen nach Rafah beordern, bevor er nicht einen klaren Evakuierungsplan für die Menschen dort aufgestellt habe. Man werde in Rafah vorgehen, sagte Netanjahu am Sonntag zu Beginn einer Kabinettssitzung. Das werde einige Wochen dauern, aber es werde passieren. Unklar war, ob er damit meinte, dass der Einsatz in Rafah in einigen Wochen stattfinden oder mehrere Wochen dauern würde.

Einige in der internationalen Gemeinschaft versuchten, den Krieg zu beenden, bevor alle Ziele erreicht seien, zitierte die "Jerusalem Post" Netanjahu weiter. "Sie tun dies, indem sie falsche Anschuldigungen gegen die israelischen Streitkräfte, gegen die israelische Regierung und gegen den israelischen Ministerpräsidenten erheben", fügte Netanjahu demnach hinzu. "Sie tun dies, indem sie versuchen, jetzt, mitten im Krieg, Wahlen herbeizuführen. Und sie tun dies, weil sie wissen, dass Wahlen jetzt den Krieg beenden und das Land für mindestens sechs Monate lähmen würden", zitierte die Zeitung Netanjahu.

US-Präsident Joe Biden machte unterdessen erneut deutlich, dass er eine Aufstockung der humanitären Hilfe für die Menschen im Gazastreifen und eine Verständigung über eine Feuerpause für dringend notwendig hält. Man müsse ausserdem vorankommen mit einer Zweistaatenlösung, die der "einzige Weg" zu dauerhaftem Frieden und Sicherheit sei. Damit ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existiert. Netanjahu lehnt eine solche Zweistaatenlösung genauso ab wie die Hamas.

Israel macht derweil weiter Jagd auf die Anführer der Hamas im Gazastreifen. Man werde weiter im Einklang mit dem Völkerrecht gegen die Hamas vorgehen, die systematisch Krankenhäuser und zivile Infrastruktur benutze, erklärte die Armee bei der Bekanntgabe über einen erneuten Einsatz im Schifa-Krankenhaus. Auch die US-Regierung hatte Israels Darstellung gestützt, wonach die Hamas das grösste Krankenhaus im Gazastreifen als Kommandozentrum und Waffenlager benutzt haben soll. Das israelische Militär war bereits Mitte November trotz massiver internationaler Kritik in das Schifa-Krankenhaus eingedrungen. Dort fand die Armee nach eigenen Angaben einen Tunnelkomplex der Hamas.

Die Zerstörung der weitverzweigten unterirdischen Tunnel der Islamisten könnte nach Ansicht der israelischen Militärexpertin Miri Eisin noch das ganze Jahr über dauern, berichtete das "Wall Street Journal". "Alles, was es braucht, ist ein offener Tunnel, von dem wir nichts wussten, damit die Hamas-Kämpfer vom Süden in den Norden kommen können", sagte die frühere Offizierin der israelischen Streitkräfte der US-Zeitung. Die andauernden Kämpfe liessen erahnen, wie schwierig es sein könnte, die Hamas zu unterwerfen, schrieb die Zeitung. Die Hamas habe zwar die Kontrolle über einen Grossteil des Gazastreifens verloren, setze aber den Kampf von den Tunneln aus fort. Die Kämpfe würden dabei sporadischer.

Die Hamas hatte den Vermittlern kürzlich einen neuen Vorschlag vorgelegt. Darin verlangt die Hamas nicht mehr, dass Israel den Krieg beendet, bevor die ersten Geiseln gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen ausgetauscht werden. Dem Vorschlag zufolge würden die Islamisten die Einstellung der Kampfhandlungen durch Israel erst zur Voraussetzung für eine zweite Phase der Geiselfreilassungen machen. Damit näherte sich die Hamas den Inhalten eines mehrstufigen Plans an, den die Vermittler vor mehreren Wochen vorgelegt hatten und den Israel akzeptiert hatte. Weil sich die Hamas nun bewegt hat, ist Israel bereit, erstmals seit zwei Wochen wieder an den indirekt geführten Vermittlungsgesprächen in Katar teilzunehmen. Direkt verhandeln Israel und die Hamas nicht.

Am 7. Oktober vergangenen Jahres hatten Terroristen der Hamas und anderer Gruppierungen im Zuge eines Massakers in Israel rund 250 Menschen verschleppt. Während einer Feuerpause Ende November kamen 105 Geiseln frei. Laut Israels Regierung sind noch rund 100 Geiseln am Leben. Das Massaker war der Auslöser des Krieges im Gazastreifen.

 

Tag 161: 15. März 2024

Die radikal-islamische Hamas hat nach eigenen Angaben den Vermittlern einen Vorschlag für eine Waffenruhe vorgelegt. Er umfasse unter anderem ein Ende der israelischen "Aggression" gegen die Palästinenser im Gazastreifen, die Bereitstellung von Hilfen und den Abzug der israelischen Streitkräfte, heißt es in einer Erklärung. Zudem werde darin auch die Haltung der Hamas zu einem Austausch der israelischen Geiseln gegen palästinensische Gefangene festgehalten. Einzelheiten zu diesem Punkt werden nicht genannt. Eine Stellungnahme Israels liegt nicht vor.

Tag 160: 14. März 2024

Israels Armee treibt die Pläne für eine umstrittene Militäroffensive gegen die islamistische Hamas in Rafah im Süden des Gazastreifens voran. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Politico" vom Mittwoch drängen die USA als Israels wichtigster Verbündeter jedoch darauf, dass der jüdische Staat von einer befürchteten Grossinvasion auf die an Ägypten grenzende Stadt absieht. Dort suchen derzeit geschätzt 1,5 Millionen Menschen auf engstem Raum Schutz vor dem Krieg.

Ranghohe US-Beamte hätten ihren israelischen Amtskollegen mitgeteilt, dass die Regierung von US-Präsident Joe Biden es unterstützen würde, wenn Israel dort gezielte Schläge gegen die Hamas vornimmt, solange von einer grossangelegten Invasion abgesehen wird, berichtete "Politico". Derweil deutete Israels Verteidigungsminister Yoav Galant bei einem Truppenbesuch in Gaza einen baldigen Beginn der geplanten Militäroffensive in Rafah an. "Es gibt keinen sicheren Hafen für Terroristen in Gaza", sagte er am Mittwoch laut einer Mitteilung der israelischen Regierung.

US-Aussenminister Antony Blinken appellierte unterdessen erneut an Israel, die humanitäre Situation in dem abgeriegelten Küstenstreifen zu verbessern und den Schutz der Zivilbevölkerung sicherzustellen. US-Präsident Biden habe bereits deutlich gemacht, dass dies Priorität haben müsse, sagte Blinken am Mittwoch in Washington. Dies dürfe keine zweitrangige Überlegung sein. "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg", sagte Blinken. Die USA versuchten mit allen Mitteln, die humanitäre Hilfe zu verstärken. Dennoch sei der "effektivste Weg" eine Feuerpause. "Es liegt gerade ein sehr guter Vorschlag auf dem Tisch. Die Frage ist, ob die Hamas diesen Vorschlag annehmen wird", sagte Blinken. Man tausche sich intensiv mit den anderen Vermittlerstaaten Katar und Ägypten aus, um zu sehen, wie man einen Deal erreichen könnte.

Israels Streitkräfte erklärten unterdessen laut der Zeitung "Times of Israel" am Mittwoch, dass ein grosser Teil der Menschen in Rafah, der südlichsten Stadt in Gaza, vor einer Militäroperation auf "humanitäre Inseln" im Zentrum des abgeriegelten Küstengebiets gebracht würde. Ihre Umsiedlung in ausgewiesene Gebiete werde in Abstimmung mit internationalen Akteuren erfolgen, wurde Armeesprecher Daniel Hagari zitiert. Wann die Evakuierung stattfinden soll und wann die Offensive auf die Stadt beginnen werde, sagte er demnach nicht. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte sich kürzlich entschlossen gezeigt, die Offensive in Rafah trotz internationaler Warnungen bald zu beginnen. "Wir sind einem Sieg sehr nahe", sagte er in einem von "Bild", Welt TV und "Politico" geführten Interview.

"Selbst diejenigen, die denken, dass wir verzögern, werden bald sehen, dass wir jede Region erreichen werden", sagte Verteidigungsminister Galant. Zwar erwähnte er Rafah nicht namentlich, die "Times of Israel" wertete seine Äusserung aber als Hinweis auf die geplante Offensive. Galant könnte sich dabei auf Berichte bezogen haben, wonach Verbündete Israel gedrängt haben, eine Invasion in Rafah aufzuschieben, schrieb dazu die "New York Times". Israel will in Rafah die letzten vier verbliebenen Bataillone der Hamas in Gaza zerschlagen.

Die USA wollen laut "Politico" jedoch vermeiden, dass Israels Streitkräfte die Stadt dabei in Schutt und Asche legen und viele der Zivilisten getötet werden. Eine grossangelegte Kampagne sei für Biden inakzeptabel. Der US-Präsident hatte am Wochenende in diesem Zusammenhang von einer "roten Linie" gesprochen. Er fordert ein glaubwürdiges Konzept zum Schutz der Zivilisten. Ranghohe US-Beamte hätten Israel signalisiert, dass sie einen Plan unterstützen könnten, der eher mit gezielten Antiterror-Einsätzen vergleichbar sei, schrieb "Politico". Biden hatte gemahnt, es dürfe nicht zugelassen werden, dass als Konsequenz aus dem Vorgehen gegen die Hamas weitere 30 000 Palästinenser ums Leben kämen. Bei Netanjahu stiess das auf Verärgerung.

 

Tag 159: 13. März 2024

Israel steht angesichts der katastrophalen Lage der Menschen im umkämpften Gazastreifen international unter wachsendem Druck, mehr Hilfslieferungen auf dem Landweg zuzulassen. Auf Anweisung der Regierung in Jerusalem wurde nun ein Konvoi aus sechs Lastwagen mit Hilfsgütern des Welternährungsprogramms (WFP) über eine neue Strasse des israelischen Militärs in den Norden des abgeriegelten Küstenstreifens gelassen, wie die Armee am Dienstagabend auf Telegram bestätigte. Es habe sich um ein Pilotprojekt gehandelt, um zu verhindern, dass die Hilfsgüter in die Hände der islamistischen Hamas fallen. Die Ergebnisse würden jetzt der Regierung vorgelegt, teilte die Armee mit. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell beklagte derweil vor dem Weltsicherheitsrat eine Blockade von Hilfslieferungen. Ohne Israel beim Namen zu nennen, sagte er am Dienstag vor dem höchsten UN-Gremium in New York: "Hunger wird als Kriegswaffe eingesetzt."

Auch die Vereinten Nationen drängten zuletzt darauf, die Hilfslieferungen per Lastwagen auszuweiten und den Transport der Güter auch über Grenzübergänge zum besonders betroffenen Norden des Palästinensergebiets zuzulassen. Mit dem jetzt ersten erfolgreichen Konvoi in den Norden seit dem 20. Februar habe man in der Nacht zum Dienstag auf der neuen Militärstrasse Lebensmittel für 25 000 Menschen in die Stadt Gaza liefern können, teilte das Welternährungsprogramm mit. Die Route verläuft von der Mittelmeerküste bis zur israelischen Grenze nahe dem Kibbuz Beeri, das am 7. Oktober bei dem von Terroristen der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Gruppen in Israel angerichteten Massakers überfallen worden war. Das Massaker war der Auslöser des Krieges im Gazastreifen.

Da die Menschen im Norden des kleinen Küstengebiets am Rande einer Hungersnot stünden, brauche es aber jeden Tag Lieferungen, erklärte das WFP am Dienstag. Am selben Tag war das Schiff "Open Arms" von Zypern in Richtung Gaza in See gestochen. Es zieht eine Plattform mit rund 200 Tonnen Trinkwasser, Medikamenten und Lebensmittel. Wo und wie es vor dem Gazastreifen die Fracht abladen soll und wie die Verteilung erfolgt, ist noch unklar. Seetransporte von Hilfsgütern in den Gazastreifen können laut einem Sprecher der Vereinten Nationen jedoch nicht den Mangel an dringend benötigten Lkw-Lieferungen wettmachen.

Daran ändern auch die jüngsten Abwürfe von Hilfsgütern aus der Luft nichts. Die Bundesregierung bereitet dennoch einen Einsatz der Luftwaffe für den Abwurf von dringend benötigter Hilfe über Gaza vor. Das Auswärtige Amt habe eine entsprechende formale Bitte an das Verteidigungsministerium gestellt, meldete der "Spiegel" am Dienstag. Aus dem Militär wurden entsprechende Vorbereitungen bestätigt, bei denen in Frankreich stationierte C130-Transportflugzeuge der Bundeswehr eingesetzt werden könnten.

Israel wehrt sich gegen Kritik wegen der katastrophalen Versorgungslage im Gazastreifen. Derzeit kämen sogar mehr Hilfsgüter in den abgeriegelten Küstenstreifen als vor Beginn des Krieges, erklärte die Regierung. Ein Sprecher der Vereinten Nationen sagte, es reiche nicht, die Lastwagen zu zählen, die Grenzposten überquerten. UN-Angaben zufolge liegt das Problem bei der Verteilung der Güter innerhalb des Kriegsgebiets. Laut dem UN-Nothilfebüro Ocha erreichten etwa im Februar nur die Hälfte aller geplanten Hilfskonvois die Gebiete, für die sie bestimmt waren. Bei den übrigen Lieferungen habe die israelische Unterstützung gefehlt. Die Verteilung erfordere Koordination mit dem israelischen Militär.

 

Tag 158: 12. März 2024

Israels Armee hat im gefährlichen Grenzkonflikt mit der libanesischen Hisbollah nach eigenen Angaben nun auch Stellungen der Schiiten-Miliz in der Tiefe des Nachbarlandes angegriffen. Die Luftwaffe habe zwei Stellungen der proiranischen Hisbollah in der Bekaa-Ebene im Nordosten des Libanons attackiert, teilte Israels Militär am Montagabend mit und bestätigte damit libanesische Berichte. Es sei erst das zweite Mal seit Beginn des Krieges gegen die mit der Hisbollah verbündete islamistische Hamas im Gazastreifen vor gut fünf Monaten, dass Israels Militär das etwa 100 Kilometer nördlich der Landesgrenze gelegene Gebiet angegriffen habe, berichtete die israelische Nachrichtenseite "Ynet" am Abend.

Seit Beginn des Gaza-Krieges nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober in Israel kommt es fast täglich zu gegenseitigen Angriffen, konzentriert auf die Grenzregion. Israel will erreichen, dass sich die Hisbollah wieder hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es eine UN-Resolution aus dem Jahr 2006 vorsieht.

Die Attacken auf Standorte der Luftstreitkräfte der Hisbollah im Nordosten Libanons seien eine Vergeltung für deren jüngste Luftangriffe, die die Golanhöhen zum Ziel gehabt hätten, teilte Israels Militär mit. Laut libanesischen Sicherheitskreisen gab es bei den israelischen Angriffen Opfer. Weder die israelischen, noch die libanesischen Angaben konnten unabhängig überprüft werden.

Die Hisbollah, die von Deutschland und vielen anderen Ländern als Terrororganisation eingestuft wird, kontrolliert vor allem den Süden an der Grenze zu Israel, von Schiiten bewohnte Viertel der Hauptstadt Beirut und die Bekaa-Ebene. Israels Verteidigungsminister Yoav Galant kündigte kürzlich an, den militärischen Druck auf die Hisbollah als Reaktion auf deren tägliche Angriffe auf Israel zu erhöhen, bis sie sich von der Grenze zurückgezogen habe. Nach libanesischen Angaben soll es während des am Montag begonnenen muslimischen Fastenmonats Ramadan indirekte Gespräche über eine diplomatische Lösung geben. Ein Krieg erscheint mit jedem Tag ohne eine solche Lösung wahrscheinlicher.

Unterdessen ist Israels Armee im Gazastreifen nach eigenen Angaben Marwan Issa auf die Spur gekommen - dem dritthöchsten Hamas-Funktionär in dem abgeriegelten Küstengebiet. Man habe ihn möglicherweise getötet, sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Montagabend. Die Luftwaffe habe in der Nacht zum Sonntag unterirdische Anlagen im Flüchtlingslager Nuseirat bombardiert. Issa habe den Tunnel genutzt, sagte Hagari. Man prüfe noch, ob die Nummer Drei der Hamas tatsächlich unter den Opfern des Luftangriffs war. Als Nummer Eins und Zwei bezeichnet Israel den Führer der Hamas im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, und den Chef der Kassam-Brigaden der Islamisten, Mohammed Deif. "Sie alle sind tote Männer, wir werden sie alle kriegen", sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und bekräftigte seine Absicht, sein Land zum "absoluten Sieg" führen zu wollen.

Bericht: Vollständige Vernichtung der Hamas schwer zu erreichen

Nach Einschätzung der US-Geheimdienste dürfte es für Israel jedoch schwierig sein, das Ziel einer vollständigen Eliminierung der Hamas zu erreichen, wie die US-Zeitung "Wall Street Journal" am Montag berichtete. Sie zitierte aus dem jüngsten Bericht der US-Geheimdienste mit dem Titel "Annual Threat Assessment" (Jährliche Bewertung der Bedrohung). Darin heisse es, Israel werde wahrscheinlich noch jahrelang mit dem bewaffneten Widerstand der Hamas konfrontiert sein. Israels Militär werde Schwierigkeiten haben, die unterirdische Infrastruktur der Hamas zu zerstören, die es den Aufständischen ermögliche, sich zu verstecken, neue Kräfte zu sammeln und die israelischen Streitkräfte zu überraschen.

Israels Aussenminister Israel Katz hat unterdessen den Weltsicherheitsrat dazu aufgefordert, äussersten Druck auf die Hamas zu machen und so die Freilassung von Geiseln zu ermöglichen. "Ich fordere vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, so viel Druck wie möglich auf die Hamas-Organisation auszuüben", sagte Katz am Montag bei einer Sitzung des mächtigsten UN-Gremiums in New York. Der Weltsicherheitsrat war zusammengekommen, um über einen vor einer Woche vorgestellten Bericht zu diskutieren, in dem die UN die israelischen Vorwürfe über sexualisierte Gewalt während des Massakers von Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel als glaubwürdig einstufen.

Bundesfrauenministerin Lisa Paus begrüsste das Treffen des Weltsicherheitsrates. Es brauche aber "mehr Aufklärung, damit diese abscheulichen Verbrechen und der Terror der Hamas vor Gericht kommen", sagte Paus der Deutschen Presse-Agentur am Montag in New York.

Die UN-Sonderbeauftragte für sexualisierte Gewalt in Konflikten wies einen Vorwurf Israels zurück, die Vereinten Nationen hätten den Bericht zu sexualisierter Gewalt von Hamas-Terroristen unterdrücken wollen. "Der Generalsekretär hat keinen Versuch unternommen, meinen Bericht oder seine Erkenntnisse zu unterdrücken", sagte Pramila Patten am Montag. Sie reagierte damit auf den Vorwurf von Israels Aussenminister Katz, die UN hätten die Verbrechen der Hamas "unter den Teppich kehren" wollen.

Mit einer ungewöhnlichen Initiative versucht nun auch die Frau von Ministerpräsident Netanjahu eine Freilassung der Geiseln zu erreichen. Sara Netanjahu wandte sich in einem am Montagabend veröffentlichten Brief an die Mutter des Emirs von Katar, Scheich Mosa Nasser Al Missned. "Ich bitte Sie dringend, im Geiste des Ramadans, Ihren grossen Einfluss geltend zu machen, um auf die Freilassung der israelischen Geiseln hinzuwirken", schrieb Sara Netanjahu in dem Brief, der auf dem Account ihres Mannes auf der Plattform X (vormals Twitter) veröffentlicht wurde.

Katar vermittelt zusammen mit Ägypten und den USA seit Wochen zwischen der Hamas und Israel. Die Vermittler hatten vergeblich gehofft, bis zum Ramadan eine Einigung über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln zu erzielen. Israels Regierung geht davon aus, dass die palästinensischen Extremisten im Gazastreifen derzeit noch rund 100 lebende Geiseln in ihrer Gewalt haben.

 

 

 

Tag  155: 9. März 2024

Die Hamas im Gazastreifen ist nach Einschätzung des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad derzeit an keiner Waffenruhe im Gaza-Krieg interessiert. Vielmehr sei die islamistische Organisation bestrebt, "die (Nahost-)Region im (muslimischen Fastenmonat) Ramadan in Brand zu setzen", sagte Mossad-Chef David Barnea in einer Erklärung, die das Ministerpräsidentenamt am Samstagabend veröffentlichte. Zugleich bleibe Israel mit den Vermittlern USA, Katar und Ägypten in Verbindung und kooperiere mit ihnen, hielt die Erklärung fest.

Seit mehreren Wochen verhandeln Israel und die Hamas in indirekt geführten Gesprächen über eine befristete Waffenruhe. Ziel ist auch ein Austausch der von der Hamas festgehaltenen israelischen Geiseln gegen Palästinenser in israelischen Gefängnissen. Barnea leitet die israelische Delegation. Ein von den Vermittlern vorgeschlagenes und von Israel akzeptiertes Abkommen scheiterte jedoch bislang aus israelischer und amerikanischer Sicht an der unnachgiebigen Haltung der Hamas. Barneas Verhandlungsteam erschien deshalb schon seit fast einer Woche nicht mehr zu den indirekten Gesprächen in Kairo.

Wichtigster Konfliktpunkt ist, dass die Hamas auf einer verbindlichen Zusage Israels besteht, den Krieg zu beenden und seine Truppen aus dem Gazastreifen abzuziehen. Der Vermittlervorschlag sieht jedoch nur eine sechswöchige Waffenruhe und eine erste Phase des Austausches von Geiseln gegen palästinensische Häftlinge vor. Während der Waffenruhe sollen dann die Seiten über einen dauerhaften Waffenstillstand und die Modalitäten der Freilassung aller übrigen Geiseln verhandeln. Israel zeigt seinerseits keine Bereitschaft, von diesem Stufenplan abzurücken.

Die USA hatten ursprünglich darauf gedrängt, eine Einigung bis zum Beginn des Ramadan unter Dach und Fach zu bringen. Der Fastenmonat, eine den Muslimen besonders heilige Zeit, beginnt voraussichtlich am Sonntagabend. Dass bis dahin noch ein Deal erzielt wird, gilt als unwahrscheinlich. Islamisten und radikale Muslime schreiben dem Ramadan auch eine besondere Rolle für den Dschihad, den heiligen Krieg, zu. In Israel rechnet man deshalb mit gesteigerten Spannungen und Konflikten im besetzten Westjordanland und rund um die heiligen Stätten in der Altstadt von Jerusalem.

Am Freitag hatte der Hamas-Sprecher Abu Obaida in einer Video-Botschaft die Palästinenser dazu aufgerufen, im Fastenmonat zur Al-Aksa-Moschee auf dem Jerusalemer Tempelberg zu marschieren. "Möge der gesegnete Monat Ramadan (...) sich zur maximalen Flutwelle auf den Strassen und Fronten innerhalb und ausserhalb Palästinas auswachsen", sagte er. Den Überfall auf Israel am 7. Oktober, der den Gaza-Krieg auslöste, nennt die Hamas "Al-Aksa-Flutwelle".

 

Tag 151: 5. März 2024 

Die Gespräche in Kairo über eine vorübergehende Waffenruhe im Gaza-Krieg sind nach Angaben ägyptischer Sicherheitskreise nicht gescheitert und werden fortgesetzt. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag. Demnach habe es keinen Rückzug der Hamas oder anderer Beteiligter gegeben, so die Quelle. Zuvor hatte es Medienberichte gegeben, wonach die islamistische Palästinenserorganisation die Verhandlungen als gescheitert erklärt haben soll. Das hatten jedoch auch Hamas-Vertreter auf dpa-Anfrage nicht bestätigt.

Den dpa-Informationen zufolge sollen die Gespräche sogar in einem fortgeschrittenen Stadium sein. Sie könnten innerhalb von Tagen eine Waffenruhe sowie den Austausch von israelischen Geiseln gegen palästinensische Häftlinge bringen, hiess es. Der Darstellung zufolge liegt es an einem "internen israelischen Disput", dass es noch keinen Durchbruch gab. Die verbliebenen Hindernisse seien aber "marginal".

In den vergangenen beiden Tagen hätte die Hamas sich positiv mit den Vorschlägen aus Katar und Ägypten auseinandergesetzt, sagte ein ranghoher Hamas-Funktionär am Dienstagabend bei einer Pressekonferenz in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Dabei bestärkte er erneut die Position der Hamas: "Die Sicherheit unseres Volkes kann nur durch die Beendigung der Aggression, einen Waffenstillstand und den Rückzug der Besatzungstruppen aus Gaza erreicht werden."

Israel lehnt einen umfassenden Waffenstillstand bisher ab und strebt weiterhin eine Zerstörung der Hamas an. Aus israelischer Sicht ist daher im Rahmen einer Vereinbarung nur eine vorübergehende Feuerpause denkbar.

US-Aussenminister Antony Blinken betonte am Rande eines Treffens mit dem katarischen Ministerpräsidenten Mohammed bin Abdulrahman Al Thani in Washington, es liege an der Hamas, sich auf eine Waffenruhe einzulassen. Die Lage der Menschen in Gaza "im von der Hamas ausgelösten Kreuzfeuer" bezeichnete Blinken als "inakzeptabel und unhaltbar". Israel müsse "alle möglichen Mittel und Methoden maximieren, um denjenigen Menschen Hilfe zukommen zu lassen, die sie brauchen".

In Kairo verhandeln Vertreter aus den Vermittlerstaaten USA, Katar und Ägypten mit der Hamas über eine vorübergehende Waffenruhe. Israel nimmt nicht direkt an den Gesprächen teil. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu fordert von der Terrororganisation unter anderem, eine Liste mit den Namen der noch lebenden Geiseln in ihrer Gewalt vorzulegen. Hamas-Vertreter gaben jedoch an, wegen der israelischen Angriffe nicht sagen zu können, welche der aus Israel entführten Geiseln noch am Leben sind.

 

Tag 149: 3. März 2024

Nach dem Tod Dutzender Palästinenser bei der Ankunft von Hilfslieferungen im Gazastreifen hat ein israelischer Armeesprecher eine gründliche Untersuchung des Vorfalls angekündigt. Das Militär habe alle Beweismittel sichergestellt, um den Sachverhalt aufzuklären, sagte Konteradmiral Daniel Hagari am Samstagabend auf einer Pressekonferenz. Die Armee werde die Ergebnisse vorlegen. "Die Behauptung, wir hätten den Konvoi vorsätzlich angegriffen und Menschen vorsätzlich Schaden zugefügt, entbehrt jeder Grundlage", fügte er hinzu.

Die genauen Umstände des Vorfalls am Donnerstag bei der Ankunft eines Hilfskonvois in der Stadt Gaza sind bislang unklar. Als gesichert gilt, dass eine grosse Zahl verzweifelter Menschen versucht hatte, sich mit Hilfsgütern zu versorgen. Mehr als hundert sollen nach Angaben der von der islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde dabei gestorben sein. Über 700 wurden demnach verletzt. Viele der Opfer hätten Schussverletzungen aufgewiesen, die nur von israelischen Soldaten verursacht worden sein könnten, berichteten Augenzeugen.

Das israelische Militär machte hingegen in ersten Erklärungen das Chaos und Gedränge rund um die Lkws des Konvois für die Toten verantwortlich. Zwar seien Schüsse gefallen, aber dadurch habe es nur wenige Verletzte gegeben, so die israelische Darstellung. Eine Menge habe sich den israelischen Soldaten genähert, die den Konvoi sicherten, was diese als Bedrohung aufgefasst hätten.

 

Tag 147: 1. März 2024

Nach dem Tod Dutzender Menschen bei der Ankunft von Hilfsgütern im Gazastreifen hat Israels Armeesprecher erklärt, Soldaten hätten keine Menschen gezielt angegriffen. Vielmehr sei es bei der Ankunft der Lastwagen zu einem chaotischen Gedränge gekommen, das die Soldaten vor Ort mit Warnschüssen auflösen wollten, sagte Daniel Hagari am Abend bei einer Pressekonferenz. "Unser Krieg richtet sich gegen die Hamas, nicht gegen die Menschen in Gaza." 

Die israelische Armee hatte Hagari zufolge am Morgen einen Lastwagenkonvoi mit humanitären Hilfsgütern koordiniert, der Bewohner im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens erreichen sollte. Bei der Ankunft der humanitären Hilfsgüter seien zahlreiche Menschen auf die Lastwagen gestürmt und es sei zu einem chaotischen Gedränge gekommen. "Einige fingen an, andere gewaltsam zu schubsen und zu Tode zu trampeln und plünderten die humanitären Hilfsgüter", sagte Hagari weiter. Um die große Menschenmenge auseinanderzubringen, hätten die israelischen Soldaten Warnschüsse abgegeben. "Es gab keinen Angriff des israelischen Militärs auf den Hilfskonvoi", sagte Hagari. Die Truppen vor Ort hätten sich daraufhin zurückgezogen.

 

Tag 146: 29. Februar 2024

Vor der erwarteten israelischen Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens hat die israelische Armee einen Plan für eine Evakuierung von Zivilisten aus Kampfgebieten vorgelegt. Das Militär unterbreitete dem israelischen Kriegskabinett "einen Plan für die Evakuierung der Bevölkerung aus Kampfgebieten im Gazastreifen und den weiteren Einsatzplan", wie das Büro von Regierungschef Netanyahu mitteilte. Außerdem sei ein Plan für die Bereitstellung von Hilfsgütern für den Gazastreifen gebilligt worden, "der die Plünderungen im Nordstreifen und in anderen Gebieten verhindern soll", hieß es. Einzelheiten wurden in der kurzen Mitteilung nicht genannt.

Tag 145: 28. Februar 2024

EU-Kommissar Janez Lenarcic hat auf eine weitere Finanzierung des in die Kritik geratenen Palästinenserhilfswerks der Vereinten Nationen (UNRWA) gedrängt. "Wir müssen die Risikoumgebung, in der UNRWA tätig ist, anerkennen und dürfen nicht zu kollektiver Bestrafung greifen oder zum weiteren humanitären Zusammenbruch im Gazastreifen beitragen", sagte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement am Dienstag im EU-Parlament in Strassburg. Das Hilfswerk sei "buchstäblich lebenswichtig" für die Menschen im Gazastreifen und für die Stabilität in der Region unerlässlich. Daher bleibe es von entscheidender Bedeutung, dem Hilfswerk angemessene Mittel zur Verfügung zu stellen, betonte er. "Eine Finanzierungslücke hätte katastrophale Folgen. Es gibt einfach keinen Ersatz für UNRWA." 16 Länder hatten zuletzt ihre Zahlungen an UNRWA eingefroren. Vorausgegangen waren israelische Vorwürfe, wonach einige Mitarbeiter der Organisation an den Massakern in Israel am 7. Oktober beteiligt gewesen sein sollen. Die EU arbeite konstruktiv mit dem Hilfswerk daran, interne Kontrollen zu stärken und das Personal zu überprüfen, sagte Lenarcic. UNRWA wurde 1949 von der UN-Generalversammlung ins Leben gerufen und kümmert sich seitdem speziell um die Belange palästinensischer Flüchtlinge und betreibt unter anderem Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen. Insgesamt arbeiten mehr als 30 000 Menschen für die Organisation, etwa 13 000 allein im Gazastreifen.

 

 

Tag 143: 26. Februar 2024

Das UN-Menschenrechtsbüro verlangt eine Aufarbeitung aller Menschenrechtsverletzungen in den Palästinensergebieten und Israel. "Die jahrzehntelange Straflosigkeit, über die unser Büro berichtet hat, darf nicht fortbestehen", teilte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, in Genf mit. Alle Seiten müssten für Verstöße zur Rechenschaft gezogen werden. "Gerechtigkeit ist eine Voraussetzung dafür, dass der Kreislauf der Gewalt beendet wird und dass Palästinenser und Israelis sinnvolle Schritte in Richtung Frieden unternehmen können." Alle Seiten müssten für ihr Handeln seit der israelischen Besetzung der palästinensischen Gebiete nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 zur Rechenschaft gezogen werden - "und bis heute", betonte Türk. Aufgeführt werden Tötungen, Geiselnahmen, Zerstörung ziviler Einrichtungen, kollektive Bestrafung und vieles mehr. Alles Handlungen, die nach dem humanitären Völkerrecht verboten sind.

 

Tag 141: 24. Februar 2024

18.00
Bei den Verhandlungen über eine Feuerpause im Gaza-Krieg und über die Freilassung weiterer Geiseln sind Berichten zufolge "bedeutende Fortschritte" erzielt worden. Die Gespräche zwischen Vermittlern aus Katar, Ägypten und den Vereinigten Staaten sowie einer Delegation aus Israel in Paris seien "sehr gut" gelaufen, meldete die israelische Zeitung "Haaretz" am Samstag unter Berufung auf nicht näher genannte Personen, die mit den Einzelheiten des Treffens vertraut sein sollen. Noch vor Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan könne eine Einigung erzielt werden, zitierte die Zeitung einen ausländischen Diplomaten. Der Ramadan beginnt in diesem Jahr um den 10. März.

Eine israelische Delegation hat am Freitagabend in Paris die Vertreter Ägyptens, Katars und der USA getroffen. Dabei sei eine aktualisierte Fassung für ein mögliches Abkommen über eine Feuerpause und die Freilassung von Geiseln erarbeitet worden, meldeten mehrere israelische Medien. Laut der "Jerusalem Post" soll diese nun dem Kriegskabinett in Israel vorgelegt werden.

Die erzielten Fortschritte erlaubten jetzt Verhandlungen über Einzelheiten des Deals, schrieb das Blatt ebenfalls unter Berufung auf mit den Gesprächen vertraute Personen. Gemeint ist demnach etwa die Anzahl der palästinensischen Häftlinge, die im Gegenzug für die aus Israel entführten Geiseln freigelassen werden könnten. Zunächst müssten die Vermittler aber die Hamas dazu bringen, dem neuen Gerüst für einen Deal zuzustimmen, hiess es weiter.

Die indirekten Verhandlungen verliefen in den vergangenen Wochen schleppend. Israel sprach beispielsweise von Maximalforderungen der Hamas wie einen dauerhaften Waffenstillstand und weigerte sich, darauf einzugehen. Die Islamisten sollen Berichten zufolge aber zuletzt ihre Forderungen heruntergeschraubt haben.

"Eine Einigung steht nicht bevor", zitierte der israelische Fernsehsender Channel 12 am Freitagabend einen namentlich nicht genannten Regierungsbeamten nach der Verhandlungsrunde in Paris. "Das Ziel ist es, eine solche vor dem Beginn des Monats Ramadan zu erzielen."

 

 

 

 

11:00
Die heftigen Kämpfe im Gazastreifen gehen israelischen Armeeangaben zufolge weiter. "Im Laufe des vergangenen Tages seien mehrere Terroristen bei Luftangriffen und Zusammenstössen am Boden getötet worden", teilte das Militär am Samstag mit. Truppen hätten zudem zahlreiche Waffen und Dokumente der Hamas sichergestellt. Intensive Kämpfe gab es den Angaben nach etwa in Chan Junis, der grössten Stadt im Süden des Küstengebiets. Soldaten hätten dort am Freitag "zahlreiche Terroristen mit präzisem Scharfschützenfeuer getötet". In Al-Saitun, einem Viertel der Stadt Gaza, habe eine Gruppe versucht, eine Rakete auf die israelischen Soldaten zu feuern, teilte das Militär weiter mit. Ein "Fluggerät zielte auf die Terroristen und tötete sie." Die Truppen setzten ihre Aktivitäten in dem Gebiet fort, hiess es weiter. Die Angaben des Militärs konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden. Auslöser des Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels. Terroristen der islamistischen Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen ermordeten am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel mehr als 1200 Menschen und verschleppten 250 weitere in den Küstenstreifen. Ziel der israelischen Militäroffensive sind die Zerstörung der Hamas und die Befreiung der verbliebenen Geiseln, von denen nach israelischen Informationen höchstens noch rund 100 am Leben sind. Bei israelischen Angriffen und Kämpfen sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher fast 30 000 Menschen im Gazastreifen getötet und weitere rund 70 000 verletzt worden. Die Angaben, bei denen nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterschieden wird, können derzeit nicht unabhängig überprüft werden. Wegen der vielen zivilen Opfer und massiven Zerstörungen steht Israel stark in der Kritik.

 

Tag 137: 20. Februar 2024

Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Schtaje hat die internationale Gemeinschaft zu einem Aufbauprogramm für den schwer zerstörten Gazastreifen aufgerufen. "Wir brauchen einen Marshallplan für den Gazastreifen", sagte Schtaje der Nachrichtenagentur DPA am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Dieser Plan müsse aus drei Komponenten bestehen: Nothilfe, Rekonstruktion und einer Wiederbelebung der Wirtschaft.

 

Tag 136: 19. Februar 2024

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat Forderungen nach einer Beendigung der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen zum wiederholten Mal zurückgewiesen. Er kündigte an, den "Job zu beenden". Ein Mitglied des israelischen Kriegskabinetts, der frühere General Benny Gantz, kündigte indessen an, die Offensive werde auf die südliche Stadt Rafah ausgeweitet, wenn die in dem Küstengebiet verbliebenen israelischen Geiseln nicht bis zum Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan freigelassen seien.  "Wenn bis zum Ramadan unsere Geiseln nicht zu Hause sind, werden sich die Kämpfe bis in die Gegend von Rafah fortsetzen", sagte Gantz. Die israelische Regierung hat sich nicht öffentlich zu einem Zeitplan für eine Bodenoffensive in Rafah geäußert.

 

Tag 135: 18. Februar 2024

Israels Regierung lehnt eine von internationalen Parteien aufgezwungene Friedensregelung mit den Palästinensern ab. Das Kabinett des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu billigte am Sonntag einstimmig eine entsprechende Erklärung. Eine Friedensregelung sei nur als Ergebnis direkter Verhandlungen beider Seiten ohne Vorbedingungen denkbar, hiess es darin weiter. "Israel lehnt die einseitige Anerkennung eines palästinensischen Staates weiter ab", lautete die Regierungsentscheidung zudem. "Eine solche Anerkennung nach dem Massaker am 7. Oktober wäre ein riesiger Preis für den beispiellosen Terror und würde jede künftige Friedensregelung verhindern." Die Regierung folgte mit den Entscheidungen Vorgaben des Ministerpräsidenten. Netanjahu reagierte damit auf Medienberichte, denen zufolge die USA und andere Bündnispartner auch ohne israelische Zustimmung einen palästinensischen Staat anerkennen könnten. Netanjahu sprach vor der Abstimmung von "Gesprächen, die zuletzt in der internationalen Gemeinschaft zu hören sind, über den Versuch, Israel einseitig einen palästinensischen Staat aufzuzwingen". Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute inmitten drei Millionen Palästinensern rund 700 000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Die Vereinten Nationen hatten Palästina 2012 den Status als Beobachterstaat eingeräumt. Von 193 UN-Mitgliedsstaaten haben bisher 139 Palästina als unabhängigen Staat anerkannt. Deutschland und die USA gehören nicht dazu. Sie hatten bisher immer betont, ein palästinensischer Staat müsse im Rahmen von Friedensverhandlungen mit Israel vereinbart werden. Diese liegen allerdings schon seit einem Jahrzehnt brach.

 

Tag 133: 15. Februar 2024

Aussenministerin Annalena Baerbock hat während ihres Besuchs in Israel gefordert, dass vor Angriffen auf Rafah im Süden des Gazastreifens Schutzkorridore für die Zivilbevölkerung in den Norden eingerichtet werden. Ihr sei es wichtig, dass die internationale Gemeinschaft alles dafür tue, dass die eine Million Menschen in der Stadt in Sicherheit gebracht werden, sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag. Baerbock forderte auch die Länder der Region auf, Druck auf die Islamistenorganisation Hamas auszuüben, damit diese sich ergebe und die Geiseln freilasse. Auslöser des Gaza-Krieges war der Terrorangriff der Hamas und anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober auf Israel. Sie töteten dabei 1200 Menschen und verschleppten etwa 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen. Israels Armee begann nach eigenen Angaben am Donnerstag einen Einsatz in einer Klinik in Chan Junis im Süden des Gazastreifens. Soldaten drangen in das Nasser-Krankenhaus ein, um Leichen von Geiseln zu bergen, wie das Militär mitteilte. Es seien Dutzende Tatverdächtige festgenommen worden, sagte der israelische Militärsprecher Daniel Hagari am Donnerstagabend. Einige seien am Massaker in Israel beteiligt gewesen. Aus Verhören mit den Verdächtigen sowie dank Aussagen der freigelassenen Geiseln könne die Armee bestätigen, dass aus Israel entführte Menschen auf dem Gelände der Klinik festgehalten wurden. Es lägen zudem Information vor, dass sich dort auch Leichen von Geiseln befinden. Die Hamas nutze Kliniken als Terrorstützpunkte, Mitglieder der Islamistenorganisation versteckten sich dort inmitten von 400 Patienten und Tausenden Schutzsuchenden, so Hagari weiter. "Wir betreten Krankenhäuser nicht ohne Grund." Spezialeinheiten durchsuchten derzeit die Klinik. Zuvor hatte Hagari von einem "präzisen und begrenzten Einsatz" gesprochen. Die Angaben liessen sich allesamt zunächst nicht überprüfen. Das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen erhob nach dem Einsatz Vorwürfe gegen Israel. "Die Operation scheint Teil eines Musters zu sein: Israelische Streitkräfte greifen lebenswichtige zivile Infrastruktur an, insbesondere Krankenhäuser", sagte UN-Menschenrechtssprecherin Ravina Shamdasani am Donnerstagabend in Genf. Selbst wenn Israel argumentiere, eine Klinik sei vom Feind genutzt worden, müsse das Militär laut internationalem Recht vorsichtig und verhältnismässig vorgehen. Israels Armeesprecher Hagari betonte, das Militär sei bei allen Einsätzen in Krankenhäusern im Gazastreifen im Einklang mit dem Völkerrecht vorgegangen und werde dies auch weiterhin tun. "Wir haben nicht die Absicht, den Betrieb des Krankenhauses zu stören." Baerbock bezeichnete die Hamas als "Grundübel" der gegenwärtigen Situation. Hamas-Mitglieder hätten am 7. Oktober in Israel Frauen vergewaltigt und "kleine Kinder auf brutalste Art ermordet". Die Terroristen hätten zudem auch viel Leid über Kinder und Familien im Gazastreifen gebracht. 17 000 Kinder seien derzeit ohne Eltern in dem Palästinensergebiet. Das Leid müsse beendet werden, so die Aussenministerin. "Das ist unsere menschliche Aufgabe." Baerbock sprach sich auch für deutlich mehr Hilfslieferungen in das Palästinensergebiet aus - konkret 500 Lastwagen am Tag. So viel Lkw mit humanitären Gütern fuhren vor Kriegsbeginn täglich in das Gebiet. Sie forderte dafür auch für die Öffnung weiterer Grenzübergänge. Die Grünen-Politikerin traf am Donnerstag auch den israelischen Staatspräsidenten Izchak Herzog, den Minister im israelischen Kriegskabinett Benny Gantz sowie Angehörige der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln. Derzeit befinden sich noch 134 Menschen in der Gewalt der Hamas, von denen aber nach israelischer Schätzung mindestens 30 nicht mehr am Leben sein dürften. Bei Verhandlungen in Kairo über eine Freilassung weiterer Geiseln im Gegenzug für eine Feuerpause im Gaza-Krieg sowie die Entlassung palästinensischer Häftlinge aus israelischenGefängnissen hat es bislang keinen Durchbruch gegeben. Israel verlangt vor weiteren Verhandlungen, dass die Hamas einlenkt. Sein Land werde den "wahnhaften Forderungen" der islamistischen Organisation nicht nachgeben, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Laut israelischen Medien weigert er sich, eine Delegation zurück nach Kairo zu schicken, wo die Gespräche der internationalen Vermittler weitergehen sollten. Angehörige reagierten fassungslos und sprachen von einem "Todesurteil" für die Geiseln. Die Lage im Norden Israels an der Grenze zum Libanon spitzt sich weiter zu. Nachdem am Mittwoch eine 20 Jahre alte Soldatin bei einem Raketeneinschlag in einer Militärbasis in Safed im Norden des Landes getötet worden war, griff IsraelArmee in der Nacht zu Donnerstag Ziele im Libanon an. Bei einem Angriff auf ein Gebäude in Nabatäa kamen zehn Menschen ums Leben. Darunter sollen nach Angaben des örtlichen Krankenhauses sieben Zivilisten sein. Das israelischeMilitär erklärte, einen hochrangigen Kommandeur der Eliteeinheit der Hisbollah, seinen Stellvertreter sowie ein weiteres Mitglied der Schiitenmiliz getötet zu haben.

 

 

Tag 132: 14. Februar 2024

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kommt zur Münchner Sicherheitskonferenz und trifft dort auch US-Vizepräsidentin Kamala Harris. Das Gespräch der beiden an diesem Samstag kündigte das Weisse Haus am Mittwochabend (Ortszeit) im offiziellen Programm der Vizepräsidentin für ihren Deutschlandbesuch an. Harris wird auch den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz in München treffen. Die Teilnahme Selenskyjs an der Konferenz war zwar seit einiger Zeit erwartet worden, bisher aber nicht offiziell bestätigt. Der ukrainische Präsident hatte das wichtigste Politiker- und Expertentreffen zur Sicherheitspolitik im vergangenen Jahr per Videoansprache eröffnet. Jetzt nimmt er erstmals seit der russischen Invasion vor fast genau zwei Jahren wieder persönlich teil. Es ist der zweite Deutschlandbesuch Selenskyjs seit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Bei seinem ersten Aufenthalt war er im Mai vergangenen Jahres in Berlin und Aachen. Damals war die Verleihung des Karlspreises an ihn in Aachen der Anlass. Zu der Sicherheitskonferenz im Hotel Bayerischer Hof werden von Freitag bis Sonntag rund 50 Staats- und Regierungschefs sowie mehr als 100 Minister aus aller Welt erwartet. Darunter sind Scholz, US-Vizepräsidentin Kamala Harris und der israelische Präsident Izchak Herzog. Die Regierungen von Russland und des Irans sind nicht eingeladen.

 

Tag 131: 14. Februar 2024

Vor dem Hintergrund schwerer Terror-Vorwürfe beginnt an diesem Mittwoch die Überprüfung des UN–Palästinenserhilfswerks UNRWA durch eine unabhängige Expertengruppe.

Unter Leitung der ehemaligen französischen Aussenministerin Catherine Colonna soll beurteilt werden, inwiefern UNRWA Massnahmen zur Wahrung der Neutralität eingehalten oder verletzt hat. Die Gruppe kann auch Vorschläge für verbesserte Schutzmassnahmen und Veränderungen bei der Organisation machen. Ein Zwischenbericht ist für Ende März geplant.

UNRWA ist seit einigen Wochen in den Schlagzeilen, weil Israel einem Dutzend seiner Mitarbeiter vorwirft, an den Terrorakten der islamistischen Hamas vom 7. Oktober beteiligt gewesen zu sein. Zudem behauptet Israel, das Hilfswerk sei komplett von der Hamas unterwandert. Mehrere westliche Länder haben wegen der Anschuldigungen die Zahlungen an UNRWA eingefroren, darunter die beiden grössten Geldgeber, die USA und Deutschland. UN-Generalsekretär António Guterres versprach umfassende Aufklärung. Die Zusammenarbeit mit mehreren Angestellten sei sofort beendet worden.

Auf Nachfrage teilte das Gremium zunächst keine Einzelheiten dazu mit, wie und wo seine Arbeit beginnt. Die 67-jährige Colonna wird mit Fachleuten vom Raoul-Wallenberg-Institut in Schweden, dem Michelsen-Institut in Norwegen und dem Dänischen Institut für Menschenrechte zusammenarbeiten.

Das UNRWA kümmert sich bereits seit Jahrzehnten speziell um die Belange palästinensischer Flüchtlinge und betreibt unter anderem Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen. Insgesamt arbeiten mehr als 30 000 Menschen für die Organisation, etwa 13 000 allein im Gazastreifen. Dort gilt UNRWA für die humanitäre Versorgung von mehr als zwei Millionen Zivilisten, die unter den Folgen des Gaza-Krieges leiden, momentan als alternativlos.

Zeitgleich mit der unabhängigen Prüfung findet eine zweite, interne Untersuchung durch die Vereinten Nationen statt. Diese beschäftigt sich mit den individuellen Terror-Vorwürfen gegen zwölf Mitarbeiter des UN-Hilfswerks und soll dem Vernehmen nach mehrere Wochen dauern.

Tag 130: 12. Februar 2024

Israels Militär hat nach eigenen Angaben zwei Geiseln im Gazastreifen gerettet. Die beiden Männer seien bei dem Massaker der islamistischen Hamas am 7. Oktober in das Küstengebiet entführt worden, gab das israelische Militär am frühen Montagmorgen bekannt. Beide befänden sich in einem guten Gesundheitszustand und seien zur medizinischen Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht worden. Die beiden 60 und 70 Jahre alten Geiseln seien während eines gemeinsamen Einsatzes des Militärs, des Sicherheitsdienstes und der israelischen Polizei in der Nacht in Rafah im Süden des Gazastreifens gerettet worden. Israels Militär hatte zuvor eine Serie von Angriffen in dem Gebiet bekannt gegeben.

 

Tag 127: 11. Februar 2024

Angehörige der in den Gazastreifen entführten israelischen Geiseln wollen Medienberichten zufolge vor dem Internationalen Strafgerichtshof Anklage gegen die Anführer der islamistischen Terrororganisation Hamas erheben. Wie die israelische Nachrichtenseite "Ynet" und die "Jerusalem Post" berichteten, will eine Delegation des Forums der Geiselfamilien zu diesem Zweck am Mittwoch zum Sitz des Strafgerichtshofs nach Den Haag reisen. Ziel ihrer Klage sei es, Haftbefehle gegen die Anführer der Hamas zu erwirken. Auf diese Weise wolle man den Druck erhöhen, eine Freilassung der Geiseln zu erwirken

 

Tag 126: 10. Februar 2024

Israelische Soldaten haben nach eigenen Angaben einen Hamas-Tunnel unter dem früheren Hauptquartier des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) im Gazastreifen entdeckt. Der Gang habe als wichtige Einrichtung des Militärgeheimdienstes der Hamas-Terrormiliz gedient, hieß es. In dem - von der UNRWA in der Anfangsphase des Krieges verlassenen - Hauptquartier der UN-Organisation will die Armee in den vergangenen zwei Wochen zudem große Mengen von Waffen und Sprengstoff gefunden haben. Weiter würden Indizien darauf hindeuten, dass Büros und Räumlichkeiten von Hamas-Terroristen genutzt worden seien. Es gab keine Angaben dazu, wann genau diese Nutzung erfolgt sei, ob vor oder nach Kriegsbeginn. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.  UNRWA-Chef Philippe Lazzarini erklärte zu den Berichten über die Entdeckung des Tunnels, dass das Hilfswerk keine Kenntnis davon gehabt habe. Das Personal der UNRWA habe das Hauptquartier auf Anordnung des israelischen Militärs bereits am 12. Oktober geräumt. Wann immer in der Vergangenheit ein verdächtiger Hohlraum in der Nähe oder unter dem UNRWA-Gelände gefunden worden sei, habe man umgehend Protestbriefe an die Konfliktparteien gerichtet.

Tag 125: 9. Februar 2024

In Israel hat es Demonstrationen für und gegen ein mögliches Geisel-Abkommen mit der Hamas gegeben. In Jerusalem protestierten Tausende gegen Verhandlungen mit Israels Feinden und für eine Fortsetzung des Gaza-Kriegs, wie mehrere israelische Medien berichteten. 

In Tel Aviv protestierten demnach zur gleichen Zeit Hunderte Menschen für einen Deal, um die Freilassung der noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln zu erreichen. Medien zufolge blockierten die Demonstranten in Israels Küstenmetropole zeitweise auch Straßen.

 

Tag 123: 7. Februar 2024

Nach dem jüngsten Vorschlag internationaler Vermittler für eine befristete Waffenruhe im Gazastreifen hat die islamistische Hamas nach Angaben der Regierung Katars positive Signale gesendet. "Wir haben von der Hamas eine positive Antwort erhalten, sie beinhaltet mehrere Vorbehalte, aber ist im allgemeinen positiv", sagte der katarische Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani am Dienstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit US-Aussenminister Antony Blinken in Doha. Die Hamas selbst teilte mit, sie und ihre Verbündeten seien mit dem Vermittlungsvorschlag "in positivem Geiste" umgegangen. Die Vereinbarung müsse aber zu einem vollständigen und umfassenden Waffenstillstand, einer Beendigung der Blockade des Gazastreifens, dem Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Küstengebiets und der vollständigen Freilassung palästinensischer Gefangener führen. US-Präsident Joe Biden kommentierte die Entwicklung am Dienstag in Washington mit den Worten: "Es gibt etwas Bewegung." Es habe eine Reaktion von der Hamas gegeben, sie scheine aber "ein wenig übertrieben zu sein". Katar, Ägypten und die USA bemühen sich seit mehreren Wochen intensiv darum, eine Waffenruhe herbeizuführen und die Freilassung von mehr als 130 israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas zu erreichen. Bei dem Vorschlag der Vermittler handelt es sich nach Medienberichten um ein mehrstufiges Rahmenabkommen, das eine längere Feuerpause vorsieht, aber mehrere wichtige Einzelheiten offen lässt. In der ersten Phase soll die Hamas drei Dutzend weibliche, ältere männliche und verletzte Geiseln freilassen. Während der Waffenruhe sollen dann Israel und die Hamas über die Vermittler weiter verhandeln, um die Freilassung aller Geiseln in der Gewalt der Hamas zu erreichen. Im Laufe der bisher einzigen Vereinbarung dieser Art hatte Israel im November 240 palästinensische Gefangene, allesamt Frauen und Jugendliche, im Gegenzug für 105 Geiseln der Hamas, unter ihnen 14 deutsche Staatsbürger, freigelassen. Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt hatten.

 

Tag 122: 5. Februar 2024

Während Israels Armee im Gazastreifen weiter die islamistische Hamas bekämpft, gibt es auch an der Nordgrenze zum Libanon erhöhte Spannungen. Israels Militär gab am späten Sonntagabend bekannt, Kampfflugzeuge hätten erneut eine Kommandozentrale der mit der Hamas verbündeten Hisbollah-Miliz im Süden Libanons attackiert. Zudem sei ein Beobachtungsposten der vom Iran unterstützten Miliz angegriffen worden. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden. Am Abend beriet Israels Verteidigungsminister Yoav Galant in Tel Aviv mit Amos Hochstein, einem Berater von US-Präsident Biden, über die gefährliche Lage in dem Grenzgebiet. Man sei zu einer diplomatischen Lösung der Krise bereit, aber zugleich auf "jedes andere Szenario" vorbereitet, sagte Galant nach Angaben seines Ministeriums bei dem Treffen.

Israel verlegt Divisionen an die Grenze zum Libanon: Nach Auskunft des israelischen Armee-Sprechers Daniel Hagari wurden drei Truppendivisionen an die nördliche Grenze verlegt. Er sprach am Wochenende eine deutliche Warnung an die Hisbollah aus: Ein Krieg sei nicht Israels erste Priorität, "aber wir sind auf jeden Fall vorbereitet".

Seit Beginn des Gaza-Krieges nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober in Israel kommt es in der israelisch-libanesischen Grenzregion fast täglich zu gegenseitigen Angriffen. Auch am Sonntag gab es dort erneut Gefechte. Die Hisbollah schoss nach Angaben des israelischen Militärs mehrere Raketen auf den Norden Israels ab. Als Antwort bombardierten israelische Kampfjets eine Raketenstellung sowie Beobachtungsposten der Hisbollah in zwei Ortschaften im Süden des Libanons.

Keine Einigung auf Feuerpause im Gaza-Krieg; Unterdessen gibt es bei den Verhandlungen im Gaza-Krieg über eine erneute Feuerpause und Freilassung weiterer Geiseln weiterhin keine Einigung. Der Hamas liegt ein von den Vermittlern USA, Ägypten und Katar kürzlich in Paris ausgehandelter Vorschlag vor, der die stufenweise Freilassung der Geiseln im Gegenzug für eine längere Feuerpause sowie für die Freilassung palästinensischer Strafgefangener vorsieht. Ein Vertreter kündigte am Sonntag an, man werde bald dazu Stellung nehmen, es werde aber intern noch diskutiert. Israels Verhandlungsführer sollen den Rahmenentwurf dagegen bereits akzeptiert haben.

Die Hamas und andere extremistische Gruppen hatten am 7. Oktober den Süden Israels überfallen, 1200 Menschen getötet und rund 250 Geiseln entführt. Auf das schlimmste Massaker in seiner Geschichte reagierte Israel mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive im Gazastreifen. 105 Geiseln wurden während der bisher einzigen Feuerpause im November gegen 240 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen ausgetauscht. Derzeit werden in dem Küstengebiet laut Israel noch 136 Geiseln festgehalten. Israel geht davon aus, dass knapp 30 von ihnen nicht mehr am Leben sind.

Tausende Hisbollah-Stellungen angegriffen: Derweil will Israel durch militärischen und diplomatischen Druck erreichen, dass sich die mit der Hamas verbündete Hisbollah-Miliz im Süden Libanons wieder hinter den 30 Kilometer