New York, Januar 2025. Am Vormittag ritualisierte Krokodilstränen im Deutschen Bundestag anlässlich der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. Am Nachmittag der Pakt mit dem rechtsextremen Teufel: Die Union stimmt im Bundestag für Asylrechtsverschärfungen – zusammen mit der rechtsextremen AfD. Es ist der Tabubruch. Am internationalen Holocaust-Gedenktag öffnen Demokraten Rassisten die Tür.
Einmal mehr überholt die Realität jede Satire – oder wie Kurt Tucholsky sagte: «Wegen ungünstiger Witterung fand die deutsche Revolution in der Musik statt.»
Zur gleichen Zeit berichten die amerikanischen Nachrichtensender live von «deportations» illegaler Einwanderer. Der Feldzug gegen Beamte, Zivilgesellschaft und Kultur eskaliert weiter. An diesem Tag ist es die Schliessung der Diversitätsprogramme. Noch belächeln viele das Trump-Amerika. Doch an diesem Abend sagt ein führender amerikanischer Journalist auf die Frage, ob man nach den ersten Tagen der neuen Regierung Analogien zu der Kampagne des republikanischen Senators Joseph McCarthy gegen die «Unterwanderung des Regierungsapparats durch Kommunisten und Homosexuelle» ziehen könne: «Nein. McCarthy war nie Präsident von Amerika. Jetzt ist es viel schlimmer.»
Willkür, Konspiration, Remigration, Hassrede – vieles, was der Rechtsstaat und die Aufklärung zu vermeiden suchten, ist binnen weniger Tage zurückgekehrt.
Die lokalen Sender berichten von Migranten, die Angst haben, wenn es an der Tür klopft. Sie verfolgen die Nachrichten und sehen die Bilder von Tausenden Menschen, die abgeschoben werden. Die «Einzelfälle» häufen sich. Gerichte stoppen noch die eine oder andere Massnahme.
Es braucht keine orwellsche Dystopie als Vergleich – die Science-Fiction-Welt von «Matrix» reicht bereits: «Die Matrix ist die Welt, die über deine Augen gestülpt wurde, damit du blind für die Wahrheit bist.» Der Kampf um Amerika ist längst im Gange, und die McCarthy-Ära kommt zurück. So, wie Philp Roth in seinem Roman «Plot agains America» eine neue faschistoide Ära skizzierte .
Die einen nennen es Show. Die anderen fürchten, was daraus werden könnte. Vor allem Europas Rechtspopulisten schauen genau hin. Denn Trump führt das Experiment vor, das vielen für Europa vorschwebt: Regierung abschaffen, Autokratie einführen, Verschwörungstheorien verbreiten. Die ernüchternden Gespräche mit Verlegern, NGO-Verantwortlichen, einer deutschen Emigrantin und Menschen in der U-Bahn zeigen die Sorge über die ersten Tage von Trump und das neue Chaos im Land. Alles Schwarzmalerei? Oder haben die Menschen Trumps Ankündigungen zugehört, die Vendettas, autokratische Visionen, den Sturm aufs Capitol mit den letztwöchigen Begnadigungen ernst genommen? Der amerikanische Journalist sagt an diesem Abend: «Hört den Rechten einfach zu. Denn sie tun, was sie ankündigen.» Mc Carthy ist zurück.
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.
das jüdische logbuch
31. Jan 2025
McCarthys Matrix
Yves Kugelmann