Zürich, August 2025. Zürich liegt jährlich ganz vorne im Ranking von Kokain-Konsum, wie Abwasser-Messungen zeigen. Der Handel und Konsum von Kokain ist gemäss Betäubungsmittelgesetz in der Schweiz nach wie vor illegal. Man stelle sich vor: Der Zürcher Stadtrat bewilligt rund 15 Millionen Franken für die Errichtung öffentlicher Messstellen, damit Konsumenten von Kokain anonym die Qualität ihres Stoffes prüfen und weitere Gesundheitsschäden reduzieren können. Ein Aufschrei der Empörung würde durch die Zwingli-Stadt gehen – die zwar gerne konsumiert, aber nicht wirklich dazu stehen möchte. Doch um solche Millionen geht’s inzwischen beim fortdauernden Eiertanz des Stadtrats um das goldene Bührle-Kalb, was in den Comics von Asterix und Obelix viel lustvoller und offensichtlicher dargestellt wird. Aber dazu später mehr.
Am Mittwoch hat der Zürcher Stadtrat in der leidigen Causa beim Gemeinderat weitere 3 Millionen Franken für ein fünfjähriges, umfassendes Forschungsprojekt zur Herkunft der rund 200 im Kunsthaus gezeigten Werke der Sammlung Bührle beantragt. Die Gesamtprojektkosten belaufen sich auf rund 5,2 Millionen Franken. Dabei handelt es sich um eine Arbeit, die vor der Übernahme der Sammlung eigentlich auf Kosten der Milliardärsfamilie Bührle hätte erfolgen müssen. Zürich hat bereits 8 Millionen Franken Entschädigung an Zwangsarbeiter in den Bührle-Betrieben gezahlt, damit Bührle-Erbe Gratian Anda öffentlichkeitswirksam ehemalige Zwangsarbeiterinnen besuchen konnte. Anda, der mit seiner Familie kaum einen Cent zur Aufarbeitung der einst im Jahre 2008 aus dem Bührle-Museum gestohlenen Sammlung beitragen will, hat im Kunsthaus eine verlässliche Instanz gefunden, die die Sammlung konserviert, aufarbeitet, versichert und verteidigt. Er gibt sein Geld lieber für teure Kommunikationsberatungen, aber sicher nicht für Opfer aus.
Bei Asterix und Obelix wird all dies ohne zu viele politisch inkorrekte Umwege beschrieben: Die aufmüpfigen Gallier machen den Römern das Leben schwer. Sie lassen sich nicht unterwerfen, die römische Grossmacht scheitert regelmässig bei der Eroberung des gallischen Dorfes. Die Gallier machen die übermächtige römische Bürokratie, Rituale, Gesetze und Selbstgefälligkeit lächerlich, was Obelix zum Credo «Die spinnen, die Römer!» veranlasst.
Dass ein paar abtrünnige gallische Funktionärsjuden reflexartig solchen römisch-zürcherischen Deals noch den Koscher-Stempel aufdrücken, wie in dieser Woche wieder einmal der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) mit der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ), gehört zur guten Dramaturgie einer Realsatire – wie die erfolglosen Abtrünnigen bei Asterix und Obelix. Wenn etwa der gallische Gastwirt Orthopädix mit seiner Taverne lieber Geschäfte mit den Römern macht, deren Kultur hofiert und schliesslich mit anderen korrupten Galliern im Kupferkessel gekocht wird. Galliens Verräter und Opportunisten, Händler, Dorfvorsteher oder Gastwirte biedern sich den Römern an – aus Machtinteresse, Geldgier oder Sehnsucht nach einer assimilierten Lebensweise. Aber wie sagte schon Obelix: «Ein Wildschwein bleibt eben trejfe.»
Die integren Gallier waren nie zu Selbstaufgabe bereit. Sie blieben, was sie waren und standen aufrecht dazu. In den Augen der Römer blieben sie allerdings aufmüpfig, unangenehm und widerspenstig. Doch sollte der römische Massstab wirklich der Parameter für Realität werden? Assimilation ist nicht der vordergründige Umgang mit gemischten Beziehungen oder unkoscherem Essen, sondern die geistige Selbstaufgabe. – Corine Mauch hat die Stadt Zürich mit der Causa Zürich bald weit über 15 Millionen Franken für ihren Eiertanz, ihre runden Tische, das Gemurkse rund um die Bührle-Familie – Projekt- und andere Kosten sind da nicht eingerechnet – gekostet und riskiert, das Zürichs Kunsthaus weiterhin internationale Lachnummer statt einst angekündigten «führenden Kunstmuseum Europas» wird. Die Lokalsatire unter Weltniveau dauert nun schon Jahre an und lässt keine nächste falsche Wendung aus.
Indessen kündigt das Kunsthaus Zürich nun eine geplante Ausstellung zu jüdischen Sammlerinnen und Sammlern an. Sie soll im Rahmen der «vertiefenden Kontextualisierung» rund um die Bührle-Sammlung umgesetzt werden, zusammen mit weiteren «Präsentationskonzepten», die in den nächsten fünf Jahren realisiert werden sollen. Viel mehr Antisemitismus geht nicht, wenn jüdische Sammler – ganz abgesehen von den unterschiedlichen Konnotationen all dieser Fälle im Kontext belasteter Kunst – als Alibi für eine «Kontextuierung» der Bührle Sammlung herhalten müssen.
Weitere drei Millionen aus der öffentlichen Hand? Weitere öffentliche Millionen, nachdem das Kunsthaus gerade eine Spende von 30 Millionen erhalten hat? Weitere Millionen, die nicht die Familie Bührle bezahlt, die ihre Blut-Milliarden durch Waffenhandel mit dem Regime der Nationalsozialisten verdient hat und deren milliardenschwere Kunstsammlung toxisch und schwer belastet ist? Was für ein Skandal - in der Sache! Nicht zu reden von Hunderten belasteter Bilder, die noch in den Häusern der Familie Bührle hängen und von der Provenienzforschung ausgenommen sind.
Aber wie sagte schon der weise rabbinische Miraculix: «Gegen Dummheit hilft kein Zaubertrank.» Oder zwinglianischer formuliert in einem Zitat von Jean Calvin aus dem Jahre 1559: «Reichtum ist nicht dazu bestimmt, in Überfluss und Verschwendung verprasst zu werden, sondern in rechter Haushalterschaft gebraucht zu werden.»
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.
das jüdische logbuch
22. Aug 2025
«Die spinnen, die Zürcher!»
Yves Kugelmann