Frankreich, Juni 2020. Die Vögel zwitschern lauter als sonst. Überall. Doch die Kriege gehen weiter. Während die geballte Kraft der Welt Corona bekämpft, bleiben Kriege, Verfolgungen, Unrecht allenthalben vergessen. Die Schreie der geschlagenen Kinder bleiben ungehört, die weinenden Frauen bleiben vergessen, die Ausgegrenzten und Verfolgten sind aus dem Bewusstsein. Doch die Vögel zwitschern mehr als sonst im Frühsommer. Die Konflikte, die Naturkatastrophen auf dem Planeten sind verdrängt von Corona und aus dem Gedächtnis verbannt. Die Schreie der Kinder bleiben ungehört, die Botschafterinnen und Botschafter der Armen, Geschändeten und Vernachlässigten dringen nicht mehr durch. Wie viel Selbstgefälligkeit, Überhöhung dieser westlichen Gesellschaft und Egoismus in diesen Monaten ohne Blick auf die Bedürftigen etabliert wurde, werden dereinst die Vergessenen in Erinnerung rufen. Der schönste Frühling seit Jahren wird für viele einer der Schrecklichsten werden für lange Zeit. Hier und dort.
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.
das jüdische logbuch
26. Jun 2020
Die Schreie der Kinder
Yves Kugelmann