Das Jüdische Logbuch 31. Jan 2020

Die Entzweiung

Paris, Januar 2020. Da entzweit sich etwas. Nationalismus wirft sich zwischen Jüdinnen und Juden. Tage voller Widersprüche und Kontraste. Mit Worten begann einst das Morden in Europa. Mit Worten beginnt zugleich Aufarbeitung und Versöhnung. Deutschlands Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier formulierte in den letzten Tagen in Jerusalem, Berlin und Auschwitz eindringlich eine Programmatik Europas nach der Schoah. Israels Präsident Reuven Rivlin zementierte diese und ruft die liberalen Werte als Basis friedlichen Zusammenlebens an. Historische, wichtige Momente – hinter die nicht mehr zurückgegangen werden kann. Europa schützt Jüdinnen und Juden. Europa hat von London, Paris bis Berlin und Brüssel den Kampf gegen Antisemitismus verstaatlicht und Judenhass verrechtlicht. Vieles ist noch zu tun. Das Fundament ist da. Rechtsextreme, nationalistische Bewegungen, Unwissen oder Rassismus werden es nicht einreissen können. Mit einer Ausstellung über Auschwitz ruft die UNESCO in Paris ein weltweites Programm für Aufklärung zu Holocaust sowie Antisemitismus Prävention ein. Reuven Rivlin vertritt die liberale und jüdische Gründergeneration Israels. In diesen Tagen steht sie einmal mehr der Fraktion jener entgegen, die das Liberale per se bekämpfen: Trump, Netanyahu, Orbán, Putin und andere. Doch die Sicherheit von Minderheiten basiert auf den Liberalen. Die Entzweiung einer mehrheitlich politisch liberalen jüdischen Gemeinschaft durch eine Art liberales jüdisches Oligarchiat wird zur innerjüdischen Herausforderung der Zukunft.

Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.

Yves Kugelmann