im Gespräch 18. Jul 2025

Iran zerstörte Schweizer Institut – wie weiter?

Eric Stupp engagiert sich für den Wiederaufbau in Rehovot.

Eric Stupp über massive Zerstörungen im Weizmann-Institut in Rehovot nach iranischen Angriffen und die resultierende Zerstörung von erfolgreichen Schweizer Projekten.

tachles: Im Jahr 2016 wurde das Swiss Society Center for Cancer Prevention Research eingeweiht. Dieses Center, welches von Schweizer Donatoren finanziert wurde und die Früherkennung von Krebskrankheiten zum Ziel hat, ist Teil des Moross Integrated Cancer Research Institute am Weizmann-Institute of Science in Rehovot. Nun ist das Gebäude im Israel-Iran-Krieg von einer iranischen Rakete zerstört und damit Jahre der Forschung vernichtet worden. Alleine die Schäden an den betroffenen Gebäuden belaufen sich auf eine halbe Milliarde Dollar. Wie ist die Situation?
Eric Stupp: Zwei Gebäude, welche direkt von einer ballistischen iranischen Rakete getroffen wurden, sind praktisch vollständig zerstört. Forschungsdaten gingen zum Glück nicht verloren, aber die sogenannte Tumorbank, wo die zu untersuchenden Gewebematerialien aufbewahrt wurden, wurde massiv beschädigt. Mehr als 50 Labore wurden schwer beschädigt und müssen entweder vollständig neu aufgebaut oder umfassend renoviert werden. Zwar konnten in einigen Fällen Geräte, Materialien und Forschungsproben gerettet werden, doch vieles ging verloren – insbesondere in den Krebsforschungslaboren.

Es kamen keine Menschen zu Schaden. Doch das schweizer Institut ist wie das gesamte Moross Integrated Cancer Research Center zerstört. Sie haben damals für die Etablierung des Swiss Society Center rund 10 Millionen Schweizer Franken zur Verfügung gestellt. Was sind Ihre Pläne für das Institut?
Wir sind natürlich sehr betroffen, sind aber sehr froh, dass keine Menschenleben zu beklagen sind. Wir haben zusammen mit dem Weizmann-Institut eine sogenannte Recovery Fund Initiative lanciert, um möglichst rasch finanzielle Mittel für den Wiederaufbau bereitzustellen. Das Schweizer Institut ist ein integraler Teil des Krebsforschungszentrums am Weizmann-Institut und steht als solches im Zentrum der momentanen Bemühungen.

Kurz nach seiner Eröffnung war auch die Arbeit des Instituts durch die Ereignisse des 7. Oktober 2023 betroffen. Der ordentliche Betrieb war nur eingeschränkt möglich, da die Raketenbedrohung aus dem Gazastreifen den Gang in die Schutzräume zur Alltagsroutine werden liess. Zudem wurden zahlreiche Mitarbeiter des Instituts in den Militärdienst einberufen.
Nach den Ereignissen vom 7. Oktober gelang es dem Weizmann-Institut, bereits im Januar 2024 wieder vollständig funktionsfähig zu sein. Diese schnelle Rückkehr zur vollen Leistungsfähigkeit war entscheidend, um die Wettbewerbsfähigkeit in der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft zu wahren – ein besonders wichtiger Aspekt für ein Institut mit Sitz in Israel.

Was bedeutet dies konkret?
Trotz aller Widrigkeiten konnten beeindruckende Fortschritte bei der Forschung erzielt werden. Was die Krebsforschung betrifft, so wurden im Swiss Society Center for Cancer Prevention Research des Instituts im Jahr 2024 sehr bedeutende Fortschritte erzielt: Diese spiegeln sowohl die hohe Qualität der dort tätigen Wissenschaftler als auch die entscheidende Rolle philanthropischer Unterstützung wider. Zu den Errungenschaften zählt die Entwicklung einer neuartigen Einzelzelltechnologie, mit der sich verfolgen lässt, wie T-Zellen im Zeitverlauf Tumore angreifen – ein Durchbruch, der entscheidende Einblicke für zukünftige immunbasierte Krebstherapien bietet.
In einem weiteren Projekt nutzte ein Wissenschaftler Deep Learning, um einen räumlichen Atlas der Zellpopulationen zu erstellen, die an der schweren Graft-versus-Host-Erkrankung beteiligt sind – einer schweren Komplikation, die nach einer Stammzelltransplantation bei Blutkrebspatienten auftreten kann. In einer Studie mit hohem therapeutischem Potenzial für das besonders aggressive triple-negative Mammakarzinom entwickelte ein Team am Weizmann-Institut einen synthetischen Antikörper, der das Tumorwachstum im Mausmodell deutlich verlangsamte – in einigen Fällen konnte sogar eine vollständige Genesung erzielt werden.

Trotzdem brauchen solche Rückschläge ja viel Zeit. Was steht jetzt an?
Nach dem jüngsten Angriff durch den Iran ist das Institut dabei, sich zu erholen, sich neu aufzubauen und wieder zu starten – getragen von seiner grundlegenden Mission: das Leben zu bewahren und zu fördern. Dieses Prinzip steht im Zentrum der israelischen Wissenschaft und Technologie – und letztlich auch der israelischen Gesellschaft. Dies steht in starkem Gegensatz zur wissenschaftlichen Agenda des derzeitigen iranischen Regimes.

Dazu sind wir natürlich sehr froh, dass das jüngste Schweizer Projekt am Weizmann-Institut, das Swiss Center for the Research of Perception and Action of the Human Brain, bereits erfolgreiche Forschungsergebnisse vorweisen kann. Ein wunderbares Beispiel ist die Arbeit von Ivo Spiegel, der ursprünglich aus Basel stammt: Seine Forschung könnte unser Verständnis der sensorischen Informationsverarbeitung unseres Gehirns ganz neu ausrichten.

Was sind die wichtigen grossen Themen für die nähere Zukunft im Forschungsbereich?
Trotz aller Herausforderungen wird die gesamte Forschung am Weizmann-Institut weitergehen, um ihre lebensrettende Arbeit auf den Gebieten Krebsforschung, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, Immunologie und Stammzellenforschung fortzusetzen und weiterhin bahnbrechende Nanomaterialien zu entwickeln, die unsere Lebensqualität verbessern. Im Bereich der Erd- und Planetenwissenschaften wird weiterhin unermüdlich daran gearbeitet, Lösungen für den Klimawandel zu finden und die Bewohnbarkeit unserer Erde zu sichern.

Wird es auch Hilfe von Schweizer Kooperationspartnern oder etwa den Behörden in der Schweiz geben – beispielsweise von Deza?
Wir erwarten nicht, dass wir von Schweizer Behörden direkt Hilfe erhalten werden. Ich empfinde einzig die geringe Anteilnahme von Schweizer Forschungsinstitutionen nach dem iranischen Raketenangriff als dürftig, dies im Gegensatz zur Reaktion, die wir von anderen Universitäten in Europa und den USA erhalten haben.

Rund 30 000 Gebäude wurden im Krieg zerstört. Über die Zerstörung kritischer Infrastruktur weiss man wenig, bis auf die Angriffe auf das Weizmann-Institut und die Raffinerien in Haifa. Was wissen Sie über den Angriff auf das Institut. Zufall oder Plan?
Gemäss iranischen Verlautbarungen war dies eine gezielte Attacke als Retorsion für die gezielten Schläge der israelischen Armee gegen die iranische Atomforschungspläne. Getroffen wurde die Krebsforschung, ein universelles Anliegen zum Vorteil aller Menschen. Die Absurdität dieses kriegerischen Akts könnte nicht grösser sein.

Yves Kugelmann