geschichte 21. Nov 2025

Das älteste jüdische Museum im deutschsprachigen Raum

Seit seiner Gründung in 1966 zeigt das Jüdische Museum der Schweiz religiöse und kulturelle Artefakte der jüdischen Gemeinschaft in der Schweiz.

Seit 1966 bewahrt das Jüdische Museum der Schweiz in Basel das kulturelle Erbe Schweizer jüdischer Gemeinden – heute soll es zu einem lebendigen Zentrum für Bildung, Kunst und Dialog werden.

Das Jüdische Museum der Schweiz in Basel wurde 1966 gegründet und ist somit das älteste jüdische Museum im deutschsprachigen Raum, das nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde. Es entstand in einer Zeit, in der das Interesse an der jüdischen Geschichte und Kultur in Europa erst langsam wieder zunahm, nachdem die meisten jüdischen Gemeinden Europas und viele Kulturgüter während der Schoah zerstört worden waren.

Die Gründung
Die Initiative zur Gründung ging von engagierten Mitgliedern der jüdischen Gemeinde Basel (IGB) und des IGB-nahen, 1866 gegründeten jüdischen Vereins Espérance aus, der die gegenseitige Hilfe und Unterstützung bei Todesfällen und Beerdigungen in der Gemeinde als Vereinszweck hatte. Die Espérance-Vereinsmitglieder hatten bei einem Besuch der Ausstellung «Monumenta Judaica» in Köln 1963/64 zahlreiche jüdische Kultgegenstände aus Basel vorgefunden, die vom Basler Museum für Volkskunde zur Verfügung gestellt worden waren. Nach dem Ende der Ausstellung seien die Basler Gegenstände wieder im Museum für Volkskunde magaziniert worden, erinnert sich Espérance-Präsident Raymond Cahen am 4. Dezember 1966 in einer Rede aus Anlass des 100. Geburtstags des Vereins. Die Mitglieder von Espérance waren aber der Meinung, dass die Gegenstände weiter öffentlich zu sehen sein müssten, und entschieden deshalb, sich für die Schaffung eines jüdischen Museums einzusetzen. «Die Idee der Gründung eines jüdischen Museums in Basel stammt von unserem Kommissionsmitglied Herrn Peter Wyler» erinnert sich Raymond Cahen. «Er machte den Vorschlag, zu prüfen, ob der Verein Espérance den schon früher in Zürich unternommenen Versuch, ein jüdisches Museum zu gründen, verwirklichen könnte.» Das sei nicht einfach gewesen, erinnert sich Cahen. «Es ist hinreichend bekannt, welche Schwierigkeiten sich uns zu Beginn unserer Bemühungen und der Schaffung eines jüdischen Museums entgegenstellten. In umsichtiger Weise wurden die Verhandlungen durch unsere Mitglieder Ludwig Kahn, Peter Wyler, Jacques Bloch und mir selbst nach allen Seiten hin geführt. Zum grossen Dank sind wir Herrn Alfred Goetschel verpflichtet, der unser Anliegen im Schosse des Gemeindebundes vertrat, ohne dessen finanzielle Hilfe unser Projekt undurchführbar gewesen wäre. Auch Frau Hetty Bodenheimer hat uns als Vertreterin der Gemeinde Basel in der Kulturkommission des Gemeindebundes nach bestem Vermögen unterstützt.» Mit dem Jüdischen Museum der Schweiz sei ein Werk von beachtenswerter kultureller Bedeutung entstanden.

Massiv unterstützt wurde die Museumsgründung durch den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG). Es ging darum, das reiche sachkulturelle Erbe der jüdischen Schweiz zu sichern und es, nicht zuletzt auch gegenüber der nichtjüdischen Schweiz, sichtbar zu machen. Entsprechend bilden auch viele historische Objekte der jüdischen Gemeinden und der Synagogen der beiden Surbtaler Judendörfer Endingen und Lengnau Teile der Basler Sammlung, ebenso das Interieur der Synagoge von Solothurn, die in Zukunft am neuen Standort des Jüdischen Museums an der Vesalgasse zu sehen sein werden.

Grundstock der Sammlung blieben aber die jüdischen Objekte des Basler Museums für Völkerkunde, die der Philologe und Volkskundler Eduard Hoffmann-Krayer (1864–1936) in den 1910er und 20er Jahren zusammengetragen hatte. Nach der Eröffnung der vorerst zwei Ausstellungsräume an der Kornhausgasse 8 im Sommer 1966 wurden in der Presse die Objektpräsentation und die Eleganz des neuen Museums gewürdigt. Gründungsdirektorin des Jüdischen Museums der Schweiz war Katja Guth-Dreyfus (1926–2021), die das Museum 44 Jahre lang ehrenamtlich leitete, prägte und stetig weiterentwickelte. Im Jahr 2010 wurde Katja Guth-Dreyfus von Gaby Knoch-Mund abgelöst. 2015 übernahm Naomi Lubrich die Leitung. Präsidentin des Jüdischen Museums der Schweiz ist Nadia Guth Biasini.

In den Jahrzehnten seit der Gründung wuchs die Sammlung kontinuierlich. Sie umfasst heute Kultgegenstände, historische Dokumente, Bücher, Kunstwerke und Fotografien, die das religiöse, kulturelle und gesellschaftliche Leben der Juden in der Schweiz und Europa dokumentieren, sowie ein reichhaltiges Archiv. Besonders hervorzuheben sind der römische Menora-Ring aus Augusta Raurica, die mittelalterlichen Grabsteine vom Friedhof der ersten, 1349 vernichteten Basler jüdischen Gemeinde, Thoravorhänge aus Endingen und Lengnau, Silberarbeiten aus dem süddeutsch-elsässischen und dem zentraleuropäischen Raum und Basler hebräische Drucke sowie persönliche Zeugnisse aus der Zeit des Nationalsozialismus, die die Sammlung komplettieren.

Neben der Dauerausstellung widmete sich das Museum zunehmend auch Wechselausstellungen, die Themen wie jüdische Identität, Migration, Religion oder zeitgenössische jüdische Kunst behandelten.

Neuausrichtung und Umzug
Seit den 2010er-Jahren verfolgt das Museum eine umfassende Modernisierung und Neupositionierung. Es öffnet sich verstärkt einem breiteren Publikum, arbeitet mit Schulen und Universitäten zusammen und nutzt digitale Vermittlungsformen. Im Jahr 2021 wurde bekanntgegeben, dass das Museum an einen neuen Standort in einer ehemaligen Tabakfabrik an der Basler Innenstadt umziehen soll, um mehr Raum für Ausstellungen, Veranstaltungen und Bildungsprogramme zu schaffen. Im umgebauten und renovierten Haus soll auch die wachsende Bedeutung des Museums als Ort des Dialogs und der Begegnung unterstrichen werden. So will das Jüdische Museum der Schweiz heute nicht nur ein Ort der Bewahrung und der pädagogischen Vermittlung sein, sondern auch ein lebendiges Kulturzentrum, das jüdisches Leben in der Schweiz sichtbar machen soll.

Simon Erlanger