Der Iran-Krieg betrifft auch viele Schweizer in Israel, die beklagen ausbleibende Hilfe – eine Übersicht.
Die Sicherheitslage in Israel hat sich seit dem Beginn der Operation «Rising Lion» am 13. Juni drastisch verschärft. Auslöser war die israelische Luftoffensive auf iranische Nuklear- und Militäreinrichtungen, bei der über 200 Kampfjets und Drohnen zum Einsatz kamen. Als Reaktion startete Iran die Operation «True Promise 3» und griff mit Hunderten Raketen und Drohnen israelische Städte an. Während ein Grossteil abgefangen wurde, schlugen mehrere Geschosse in Wohngebieten und sogar ein Krankenhaus ein – mit Dutzenden Toten und Hunderten Verletzten als Folge. In den Städten Israels herrscht Ausnahmezustand, der Luftraum ist seither gesperrt, Passagierflugzeuge wurden evakuiert und alle internationalen Flüge vorerst gestrichen.
Schweizer in Israel
Trotz der angespannten Lage befinden sich derzeit immer noch rund 25 000 Schweizer Staatsangehörige in Israel. Viele von ihnen sind Doppelbürger oder seit Langem in Israel ansässig und haben dort ihre Lebensmittelpunkte. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) sowie die Schweizer Botschaft in Israel stehen mit ihnen in Kontakt, doch die Haltung der Schweiz unterscheidet sich deutlich von der anderer europäischer Länder. Deutschland, Polen und die Slowakei zum Beispiel bieten Ausreiseflüge via Jordanien für ihre Staatsangehörigen an, und die USA organisiert seit zwei Tagen eigene Flüge für amerikanische Bürger, darunter sind auch Militärflüge für Zivilisten ab dem Flughafen Ben Gurion geplant. Besonders sticht ein eigens eingerichteter Haustier-Flug hervor, mit dem US-Bürger gemeinsam mit ihren Tieren ausgeflogen werden können. Dabei ist gerade bei den US-Flügen ausdrücklich von «Ausreiseflügen» und nicht von «Evakuierungen» die Rede, um den freiwilligen Charakter zu betonen und zu signalisieren, dass die US-Behörden die Lage zwar als ernst, aber nicht als akuten Notfall einstufen. Im Gegenteil dazu plant die Schweiz keine organisierte Ausreise. Begründet wird dies damit, dass die Krise in der Region nicht neu sei und dass das EDA bereits seit dem 7. Oktober 2023 von allen touristischen und nicht dringenden Reisen nach Israel abrate. Personen, die trotzdem in diese Region reisen, handeln laut EDA fahrlässig. Die Eigenverantwortung der Bürger und das «subsidiäre Handeln des Bundes» seien im Auslandschweizergesetz festgeschrieben, das keine organisierte Ausreise aus Krisenregionen vorsehe. Dies bedeutet, dass Schweizer Staatsangehörige, die sich in Israel aufhalten, auf sich allein gestellt sind, wenn es darum geht, das Land zu verlassen.
Nach Anhaben von EDA-Sprecher Pierre-Alain Eltschinger hat die Helpline des EDA bislang rund 350 Anfragen im Zusammenhang mit den jüngsten Ereignissen im Nahen Osten beantwortet. Zudem habe das EDA Kenntnis von rund 120 Personen, die aus Israel ausreisen möchten, wobei davon ausgegangen werden müsse, dass einige von ihnen inzwischen bereits selbstständig ausgereist seien. Eltschinger betont ausserdem, dass Schweizer Bürgerinnen und Bürger in Israel weiterhin das Dienstleistungsangebot des EDA in Anspruch nehmen können. Die Schweiz stehe zudem in regelmässigem Kontakt mit Partnerstaaten und könne, je nach Lageentwicklung und operativen Möglichkeiten, bei Bedarf mit Drittstaaten oder Partnern zusammenarbeiten.
Auch Unterstützung durch Informationen wird angeboten, die regelmässig über verschiedene Kanäle wie die Travel-Admin-App, den Kurznachrichtendienst X und eine rund um die Uhr besetzte telefonische Helpline bereitgestellt werden. Trotzdem äussern sich viele Schweizer auf den sozialen Medien, insbesondere auf Facebook, über die wahrgenommene mangelnde Unterstützung der Schweizer Botschaft und der Schweiz allgemein frustriert. Eine Nutzerin auf Facebook äusserte sich empört dazu: «Die Schweiz scheint sich nicht um ihre eigene Bevölkerung zu kümmern – das ist einfach unfassbar!» Die Schweizer Botschaft hat sich bisher noch nicht dazu geäussert.
Möglichkeiten, Israel trotzdem zu verlassen
Schweizer Staatsbürger sind daher darauf angewiesen, alternative Möglichkeiten zur Ausreise zu finden, sofern sie das Land verlassen möchten. Am häufigsten genutzt wird der Landweg über Jordanien: Drei Grenzübergänge stehen zur Verfügung, von dort gelangt man per Taxi zum Flughafen Amman. Trotz zahlreicher reibungsloser Ausreisen kam es vereinzelt zu Schikanen an der Grenze und kurzfristigen Flugabsagen wegen Raketen über jordanischem Gebiet. Eine alternative Route führt über den Grenzübergang Taba nach Ägypten, von wo aus man in rund dreieinhalb Stunden den Flughafen Sharm el-Sheikh erreicht. Auch die Ausreise per Schiff ist theoretisch möglich: So organisierte etwa Taglit am 18. Juni für rund 1500 Personen eine Fahrt von Ashdod nach Larnaca auf Zypern. Auch Privatpersonen und Segelclubs bieten diese Möglichkeit an. Allerdings sind solche Überfahrten teuer, teils unsicher, und es gab Berichte über Betrug und verweigerte Anlegeerlaubnisse. Kommerzielle Rückflüge ab Israel sind vorerst keine Option, da israelische Airlines bisher nur Rückholflüge für Staatsbürger durchführen und der Flughafen nicht für allgemeine Ausreisen geöffnet wird. Selbst organisierte Transfers zu den Grenzen sind oft überteuert und nicht immer sicher – vor Angeboten mit fragwürdigen Versprechungen wird gewarnt und die israelische Regierung rät wegen Sicherheitsbedenken davon ab.
Ausreise auf eigene Faust
Laut EDA-Sprecher Pierre-Alain Eltschinger «hat die Botschaft Kenntnis von einigen Schweizer Staatsangehörigen, die das Land via Ägypten oder Jordanien verlassen haben.» Eine davon ist Sara Fritz, Strafrichterin und Gemeinderätin aus Birsfelden. Sie reiste über Ägypten aus – eine Entscheidung, die sie bewusst traf, «weil im Süden Israels weniger Raketen einschlugen» und der ägyptische Luftraum, anders als der jordanische, nie gesperrt war. Am frühen Montagmorgen nahm sie den Bus von Ashdod nach Eilat, von dort ein Taxi zur Grenze in Taba. Der israelische Grenzübertritt verlief zügig, auf ägyptischer Seite sei es chaotischer gewesen, berichtet sie, mit Visaformalitäten, Gebühren und fehlender Infrastruktur. Gemeinsam mit einem Mitreisenden, der im Voraus ein Taxi organisiert hatte, gelangte sie bis Sharm el-Sheikh. Ihr Flug nach Basel via Istanbul startete erst am nächsten Morgen – nach rund 30 Stunden war sie zurück in der Schweiz.
Die Unterstützung durch das EDA empfand sie aber als enttäuschend: Als sie am Sonntagmittag die 24-Stunden Helpline kontaktierte, um zu fragen ob die Ausreise über die ägyptische Grenze möglich sei habe sie lediglich eine Standardantwort erhalten, in der sie belehrt wurde, dass Reisen nach Israel seit Monaten nicht empfohlen würden. «Dass man mir nicht einmal auf meine konkrete Frage zur Grenze antwortete, fand ich unverschämt.» Am Nachmittag folgte eine generelle E-Mail an alle über Travel Admin registrierten Schweizerinnen und Schweizer. Auch darin gab es keine konkreten Hilfsangebote. Wer ausreisen wolle, müsse sich selbst kümmern, inklusive Organisation, Kosten und Informationsbeschaffung. «Es wurde lediglich angedeutet, man könne vielleicht über Jordanien raus – aber ob die Übergänge offen sind, müsse man natürlich selbst herausfinden.» Auch technische Details seien nicht durchdacht gewesen, etwa der Hinweis auf Skype als Kontaktmöglichkeit, obwohl der Dienst seit Mai nicht mehr operativ ist. Den Weg nach Hause habe sie sich letztlich selbst organisiert, mit Unterstützung einer Freundin und Informationen aus israelischen Quellen.
Obwohl die Lage angespannt war, habe sie sich in Israel nie wirklich gefürchtet, sagt Sara Fritz. Stattdessen habe sie die Widerstandskraft der israelischen Bevölkerung tief beeindruckt: «Wie schnell die Menschen nach einem Raketenalarm wieder zur Tagesordnung übergehen – das wollte ich mir auch ein Stück weit aneignen.» Erst zurück in der Schweiz merke sie, dass die Ereignisse Spuren hinterlassen haben: «Manche alltäglichen Geräusche lösen plötzlich Erinnerungen an die Sirenen aus.»
Während also einige Schweizer Staatsangehörige Israel in den vergangenen Tagen auf eigene Faust verlassen haben, bleibt ein grosser Teil weiterhin im Land. Jacqueline Jahn aus Basel, die sich für drei Monate in Israel aufhält und sich gegen eine Rückreise entschieden hat, bringt es so auf den Punkt: «Persönlich stresst mich die komplizierte Ausreise mehr als die Sirenenalarme in der Nacht.» Für viele von ihnen, insbesondere Doppelbürger und langjährig in Israel Ansässige, ist Israel aber auch nicht nur Aufenthaltsort, sondern Lebensmittelpunkt. Sie sind fest in die Gesellschaft integriert und empfinden keine Notwendigkeit, das Land zu verlassen. Laut dem EDA wollen zahlreiche Schweizer Bürger gar nicht ausreisen, sondern die aktuelle Situation bewusst vor Ort durchleben und mittragen.
Rückkehrwunsch von Israelis in der Schweiz
Die aktuelle Lage führt aber auch zu einer umgekehrten Herausforderung: Zahlreiche Israelis befinden sich derzeit in der Schweiz oder in umliegenden europäischen Ländern und möchten eigentlich nach Hause zurückkehren. Doch aufgrund des gesperrten Luftraums, gestrichener Flüge und eingeschränkten Reisemöglichkeiten ist die Rückreise oft nicht möglich. Sie sind auf die wenigen verfügbaren Rückholflüge der israelischen Airlines angewiesen, die oft nur von einer Handvoll Destinationen aus operieren. Die Unsicherheit und Belastung für die Betroffenen ist entsprechend hoch. Verschiedene zivilgesellschaftliche Initiativen und jüdische Organisationen versuchen in dieser Zeit Unterstützung zu bieten. So wurde unter anderem ein Hilfsprojekt von NAIN Switzerland und Collectif 7 Suisse ins Leben gerufen, bei dem sich Gestrandete registrieren können, um vorübergehend Unterkunft oder praktische Hilfe zu erhalten. Auch jüdische Gemeinden wie die ICZ in Zürich oder Beit Chabad koordinieren Unterstützungsangebote und vermitteln Gastfamilien, die vorübergehend Wohnraum anbieten.
Es bleibt die Hoffnung, dass sich die Lage bald beruhigt und alle, die ausreisen möchten, dies sicher tun können. Ob das EDA und die Schweizer Botschaft angesichts der anhaltenden Eskalation noch zusätzliche Massnahmen ergreifen werden, um den Bedürfnissen der Schweizer Bevölkerung in Israel besser gerecht zu werden, ist bislang offen.