abstimmung 21. Nov 2025

Rechte und Pflichten für Frauen und Männer

Für Eugénie Pollak ist nicht einsehbar, warum nur die Hälfte der Schweizer Bevölkerung eine Ausbildung und die notwendigen Informationen über die Sicherheitspolitik erhalten soll. Eine allgemeine…

Eugénie Pollak, ehemalige Chefin der Frauen in der Schweizer Armee, setzt sich seit vielen Jahren für eine allgemeine Dienstpflicht ein und hofft auf ein «Ja» bei der Abstimmung über den «Service Citoyen» am 30. November.

Für Eugénie Pollak gab es gar keine Frage, welchen Weg sie einschlagen wollte. Ihre Grossmutter und ihre Mutter kämpften intensiv für das Frauenstimmrecht. Die Mutter schloss sich dem militärischen Frauen-Hilfsdienst an, wie er damals noch hiess, und die Tochter meldete sich für diesen bereits 1968, drei Jahre vor der Einführung des Frauenstimmrechts. «Nun musste ich mir nicht mehr anhören, ich solle doch zuerst den Militärdienst absolvieren, bevor ich mich für das Frauenstimmrecht einsetze», sagt sie noch heute. Es dauerte noch einige Jahre, bis sie, mittlerweile Kommandantin einer Frauen-Rekrutenschule, als Chefin der Frauen in der Schweizer Armee vorgeschlagen und gewählt wurde.

Eigentlich bekleidete sie damit den Rang eines Waffenchefs. Und obwohl jeder Waffenchef in der Schweizer Armee zum Zwei-Sterne–General ernannt worden war, war die Chefin der freiwilligen Frauen in der Armee lediglich gut genug für einen einzelnen Stern, den Grad eines Brigadiers. Das hat Pollak allerdings nie gestört. Sie stellte ihren Grad hinter die Autorität, die sie ohnehin schon mitbrachte. «Ich hatte nie Probleme mit starken Männern, weder in der Armee noch im Zivilen, höchstens mit Schwächlingen», lacht sie rückblickend.

Für eine allgemeine Dienstpflicht
Es ist Brigadier Pollak gelungen, dass Frauen in der Armee nicht mehr als freiwillige Hilfsdienstleistende betrachtet werden, sondern dass sie als reguläre Soldatinnen und Offiziere eingliedert werden. Sie hatte sich eingehend mit ausländischen Armeen abgesprochen, vor allem mit der israelischen. Damals war sie noch dagegen, dass Schweizer Frauen in kombattante Einheiten eingefügt wurden; diese Meinung hat sie längst geändert. Am meisten freut es sie heute noch, dass die Schweiz über militärische Pilotinnen verfügte, bevor es solche in der berühmten israelischen Luftwaffe gab.

Trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer hohen Position in der Schweizer Armee setzte sich die Chefin des Militärischen Frauendienstes stets für eine allgemeine Dienstpflicht ein. Sie trug diese Frage innerhalb und ausserhalb ihrer zehn Jahre als Kommandantin bei Bundesbehörden, in Kantonen und bei Parteien vor. Allerdings stets vergeblich. «Ich vernahm lediglich Argumente, die ich als Ausreden einstufe», erinnert sich Pollak. Die Ausreden lauteten meist übereinstimmend, ihr Ansinnen verursache Kosten, eine Verfassungsänderung und Personalaufwand. Denn wer solle die zusätzlichen jungen Frauen ausbilden?

Für Eugénie Pollak war und ist nicht einsehbar, weshalb nur die Hälfte der Schweizer Bevölkerung eine Ausbildung und die notwendigen Informationen über die Sicherheitspolitik erhält. Nur informierte Bürger verstehen diese Politik und vor allem die Verteidigungsmöglichkeiten unseres Landes.

Eine Frage der Gleichberechtigung?
Die Argumente gegen die Initiative des «Service Citoyen» («Bürgerdienstes») lauten heute recht ähnlich, obwohl sich die Zeiten drastisch verändert haben. Ein Hauptargument lautet, dass die Armee genügend Soldaten habe. Dabei wird vergessen, dass eine allgemeine Dienstpflicht auch für Frauen gar nicht nur Militärdienst bedeutet. Ein weiteres Hauptargument der Gegner: Frauen würden jetzt schon freiwillig sehr viel für die Zivilgesellschaft arbeiten. Obwohl dieses Argument positive Konnotationen mit sich bringt, schiesst es am Ziel vorbei. Die Kritiker vergessen dabei, dass vor Jahren abgelehnt wurde, den Frauen für ihre freiwilligen Dienste eine Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) anzurechnen. Und damit, so Eugénie Pollak, erhalten diese Dienste auch nicht die nötige Anerkennung.

Die Argumente von Brigadier Pollak zu Gunsten einer allgemeinen Dienstpflicht für Frauen wie für Männer lauten ganz anders. «Frauen sind seit 1981 auch in der Verfassung gleichberechtigt», sagt sie. «Aber wir Frauen sind keineswegs gleichgestellt.» Es würde aus diesem Grund Sinn machen, auch angesichts der geopolitischen Lage, wenn auch Frauen eine professionelle Ausbildung für Krisensituationen bekämen. «Der Klimawandel verursacht Umweltkatastrophen, und es melden sich immer weniger Menschen, vor allem junge Leute, bei den Sicherheitskräften», stellt sie fest. Zufrieden ist sie mit der Idee der Landesregierung, den jährlichen Orientierungstag über Armee und Zivilschutz nicht nur für die jungen Männer, sondern auch für die jungen Frauen als obligatorisch zu erklären. «Das ist noch gar nicht sicher und vor allem Zukunftsmusik, aber es ist bereits ein Schritt in die richtige Richtung. Hoffen wir.»

Zunächst aber hofft Eugénie Pollak, dass die Abstimmung von Ende November positiv ausfällt und damit ihr jahrzehntelanger Einsatz für eine allgemeine Dienstpflicht Früchte tragen kann. Vor allem hofft sie, dass die Diskussionen zur Abstimmung eine Veränderung in der Akzeptanz der Leistungen von Frauen bringen werden.

Gisela Blau