JUDENTUM 28. Nov 2025

Psalmen verbinden Judentum und Christentum

Christian Rutishauser, Pinchas Goldschmidt, Kurt Koch und Jehoshua Ahrens (v. l.).

Die Erklärung «Nostra Aetate» setzte einem alten Konflikt ein Ende – 60 Jahre danach haben Katholiken und Juden gemeinsam daran erinnert.

Die Schweizer Bischofskonferenz und der Schweizerische Israelitische Gemeindebund haben am vergangenen Sonntag im Rahmen einer Feier anlässlich des 60-Jahr-Jubiläums der Konzilserklärung «Nostra Aetate» in die Paulusakademie Zürich zu einem öffentlichen Diskurs zwischen hochkarätigen Vertretungen beider Traditionen eingeladen (tachles online berichtete). Jaron Treyer setzte mit den Psalmen 121, 104 und 92 den Ton für die Begegnung. Christian Rutishauser (Luzern) und Rabbiner Jehoshua Ahrens (Bern) begrüssten als Co-Präsidenten der jüdisch/römisch-katholischen Gesprächskommission. Bischof Joseph Maria Bonnemain (Chur) und Ralph Friedländer (Bern) überbrachten die Grüsse der Bischofskonferenz und des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes.

Beide betonten in ihren Voten, wie sich der Lernprozess der beiden doch recht unterschiedlich strukturierten Glaubensgemeinschaften in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. In einer immer säkularer werdenden Gesellschaft sei es wichtig, die anderen besser kennenzulernen und für die verbindende Glaubensgrundlage klar und deutlich einzustehen. Das 50-Jahre-Gedenken mit Rabbiner David Rosen und Kardinal Kurt Koch in der Basler Synagoge sei unvergessen. Damals haben sie im Gespräch mit Gabriel Strenger an die auf Weltebene absolut bahnbrechende Konzilserklärung von 1965 erinnert, die bis heute ein Meilenstein für das neue Verhältnis von Katholiken und Juden ist. Dass es nach fast 2000 Jahren des Gegeneinanders zu einem bewussten Miteinander gekommen sei, das im International Jewish Committee on Interreligious Consultations (IJCIC) die verschiedenen jüdischen Strömungen von liberal bis orthodox in einer Gesprächsgruppe zusammengebracht hat, ist ebenfalls ein bleibendes Erbe von «Nostra Aetate». Nach Jahren des ausschliesslichen Gesprächs zwischen Juden und Katholiken dient das IJCIC heute auch als Gefäss für den Dialog mit der breiten christlichen Ökumene.

Verweis auf Paulus
Pinchas Goldschmidt, früher Oberrabbiner von Moskau, Vorsitzender der Europäischen Rabbinerkonferenz, schlüsselte anhand biblischer und rabbinischer Texte die Bedeutung der Begegnung von Menschen und Religionen auf. Kardinal Kurt Koch, Präsident Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen nahm die Anwesenden mit dem Bild vom Ölbaum auf eine biblische Erkundung im Römerbrief des Paulus.

Das Gespräch vertiefen
Der Professor und der Rabbiner liessen den seit Jahren im vertrauten Raum gepflegten Dialog zwischen Oberrabbiner und Kardinal für einmal öffentlich werden. Die Spannungen, die seit dem 7. Oktober 2023 auch da öffentlich wurden, fordern erst recht dazu heraus, das Gespräch nicht abzubrechen, sondern zu vertiefen. Der Wunsch nach Brückenbauern ist gross, und Goldschmidt verwies darauf, dass gerade die römisch-katholische Kirche mit ihren Repräsentanten in Israel und Palästina mithelfen kann (und soll), die nötigen Gespräche zwischen den Vertretern vor Ort nach dem Gaza-Krieg in Gang zu bringen. Eindeutig bleibt noch viel Gesprächsbedarf, so beide Theologen, bei der Frage nach Land, (zwei) Staaten und Grenzen.

Zum Schluss des Festreigens haben Jehoshua Ahrens und Christian Rutishauser die auf diesen Tag hin formulierte «Erklärung der Jüdisch/Röm.-kath. Gesprächskommission der Schweizerischen Bischofskonferenz des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes 60 Jahre nach Nostra aetate» erstmals öffentlich gelesen. Der Wunsch aller Beteiligten ist, dass das Wissen und das Verständnis für die je andere Gruppe vertieft und das gemeinsame Lernen weitergeführt werden muss. Ganz klar gilt: «Keine christliche Identität ohne Judentum» und «Keine christliche Praxis ohne Bezug zum Judentum». Nicht nur beim Singen von Psalmen, mit und ohne trinitarischen Abschluss. Dass ein gemeinsamer Fokus auf die Überwindung und Bekämpfung des Antisemitismus gelegt werden muss, steht ausser Zweifel. Ebenso die Frage nach dem Einbezug des Islam in den Dialog.

Den gemeinsamen Weg weiterführen
Das Fazit des Textes gilt nicht nur für die römisch-katholische Kirche der Schweiz, für die die Bischofskonferenz einsteht, sondern für alle Christinnen und Christen:

«Worauf wir hoffen: ‹Unwiderruflich sind die Gnadengaben und die Berufung Gottes› (Röm 11,29). Als Geschwister sind wir einander anvertraut. Vertrauen hat denn auch den Dialog durch die Irritationen und Krisen der letzten 60 Jahre getragen. Freundschaften sind gewachsen. Partner sind wir geworden. An uns ist es nicht, Dinge zu vollenden, doch wir sind gehalten, sie zu beginnen und beharrlich weiterzuverfolgen.»

Christoph Knoch