Der Austritt des ehemaligen Kantonsrat Hartmut Attenhofer aus der SP, über den tachles online am Mittwoch berichtete, wirft unmittelbar vor dem Parteitag von Samstag einmal mehr einen Fokus der ungeklärten Nahostdebatten auf die Partei. Diese hat inzwischen reagiert.
Im engeren Umfeld des Kantons Zürich und des Stadtkreises 11 der Metropole war Hartmuth Attenhofer eines der prominentesten Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP). Vor 20 Jahren begann er sein elfjähriges Präsidium der Zürcher Sektion der Gesellschaft Schweiz-Israel und als Kantonspräsident verlegte er den feierlichen Auftakt der Sitzungen unter seinem Präsidium, nicht wie üblich, in eine der protestantischen Kirchen der Stadt Zürich, sondern in die Synagoge Löwenstrasse. Er zögerte nie, seine Partei darauf hinzuweisen, sie solle Israel und das Judentum verteidigen und diese nicht mit unüberlegten Aussagen diffamieren. In seinem Austrittsschreiben vom 20. Oktober, das tachles vorliegt, hat Attenhofer seinem Kanton und damit auch der Bundeshausfraktion und der Schweizer SP in deutlichen Worten vorgehalten, was ihn so lange gestört hat.
Auf die Frage von tachles, wie er sich nach beinahe 50 Jahren Mitgliedschaft in seiner Partei nun fühle, antwortet er: «Ich fühle mich erleichtert und entlastet». Es komme für ihn nun eine «schöne Zeit», da er die Zeitung aufschlagen könne, ohne sich für den Ärger über die SP wappnen zu müssen. Und das nach so vielen Jahren, in denen er die «ganze Ochsentour» für die SP gesteckt hat. Immerhin war er auch sechs Jahre lang Statthalter der Metropole Zürich.
Auf Anfrage von tachles zum Austritt und der Kritik von Attenhofer teilt die Pressestelle der SP mit: «Herr Attenhofer listet zahlreiche Themen auf, bei denen er nicht mit der SP einverstanden ist. Es sieht so aus, als habe er sich stark von der SP entfremdet. Diese Entwicklung ist nicht neu und hat sich beispielweise bereits gezeigt, als sich Herr Attenhofer von der Zürcher SVP für deren Anti-Gender-Initiative einspannen liess, die zum einzigen Ziel hatte, Ausgrenzung und Spaltung zu fördern.» Und weiter heisst es: «Antisemitische Äusserungen werden in der SP nicht geduldet.»
Laut Attenhofer habe die Parteileitung nach dem 7. Oktober 2023 die Opfer explizit zu den Tätern gemacht. Als eine junge Kurdin von iranischen Schergen in der Haft totgeschlagen wurde, weil sie angeblich ihr Kopftuch nicht korrekt getragen hatte, hätte die Partei drei Wochen lang geschwiegen. Dass die Hamas 20 Jahre lang beinahe täglich Raketen auf Israel abgefeuert hatte, habe die Bundeshausfraktion niemals veranlasst, eine Sondersession zu verlangen, obwohl jede Rakete nach Kriegsrecht einen Kriegsgrund darstellte. Keiner der gegenwärtig weltweit zerstörerisch wirkenden Kriege und Konflikte beeinflusse die negative Fantasie der SP Schweiz so stark, wie der Konflikt im Nahen Osten. Er habe seine eigene Partei und jene der Schweiz häufig auf unangemessene Aussagen einzelner Mitglieder aufmerksam gemacht, doch dies habe nie Konsequenzen zur Folge gehabt. Die Haltung der SP Schweiz zu Israel war nicht die einzige Kritik, die Attenhofer an seiner ehemaligen Partei äusserte. Im Allgemeinen sei die Partei für ihn «kaum mehr zu erkennen». Auch die Ablehnung zusätzlicher Rüstungsausgaben im Kontext des Ukraine-Kriegs hatte er als «dümmliche Verlautbarung» abgetan.
«Manchmal geht es einfach nicht mehr weiter», sagte Attenhofer gegenüber tachles. Deshalb habe er am vergangenen Montag nach langem Nachdenken seinen Parteiaustritt beschlossen und bekannt gegeben. Nun müsse er seine Mitgliedschaft in der SP nicht mehr verleugnen, wenn er mit anderen Menschen zusammensitze und diskutiere. Er sei nicht mehr verantwortlich für alles, was andere Leute der Partei vorwerfen, und fühle sich auch nicht mehr so. Dass ihm jemand versuchen würde, auszureden, die SP zu verlassen, hatte er auch nicht erwartet.