das jüdische logbuch 03. Sep 2021

Schmita als Symbol und Chance

Blumenfeld in einem Kibbutz im Süden Israels.

Basel, September 2021. Was ist eigentlich ein Anfang? Und was ist ein Ende? Die Liturgie der Jamim Noraim stellt die menschliche Existenz in den Kontext von Anfang, Neubeginn und Ende. Das bedeutet jährlich im Kontext der Gegenwart etwas anders. 2021 bzw. für 5782 drängt sich der Schöpfungsgedanke, für den Rosch Haschana steht, in ganz neuer Weise auf. Diese Schöpfung mit dem Menschen darin steht zur Disposition angesichts der bedrohten Natur. Klimawandel und Pandemie rücken die menschliche Existenz vermehrt in die naturgegebene Umgebung. Anders als in anderen Jahren stehen Gesundheit und Natur weiter oben auf der Prioritätenliste. Und mit einem Male bekommen Passagen, wie jene lyrische Passage «Haben Yakir li Ephraim» (Jeremia 31) im Mussaf-Gebet eine ganz andere Evidenz. Musikalisch gehört die Passage ohnehin zum besonderen Teil der Liturgie an den hohen Feiertagen. Inhaltlich mag das Ringen um den verlorenen oder entschwindenden Sohn in seiner Deutungsvielfalt die existentielle, jene des menschlichen Verlusts, hinzu bekommen. Symbolisch steht damit verbunden aber auch ein Auftrag an die Religionsgemeinschaften, die sich auf göttliche Schöpfungsgeschichten berufen, Natur- und Klimaschutz mit jenem von Menschen zu verbinden. Mit Rosch Haschana 5782 beginnt das nächste Schmittajahr.

Das Schabbat-, das Siebenjahr, ist das siebte Jahr des siebenjährigen landwirtschaftlichen Zyklus, das unter anderem ein Ruhejahr für bewirtschaftete Felder bedeutet. Im Kontext der aktuellen weltweiten Herausforderungen steht das säkulare Schmitta für einen Neuanfang der modernen Gesellschaften im Umgang mit der Natur – für die Religionsgemeinschaften als neues Primat der Prioritätensetzung – und der anderen Nächstenliebe.

 

Yves Kugelmann