das jüdische logbuch 03. Jul 2020

Mit dem offenen Wort

Berlin, Juni 2020. «Wenn man als Jude angegriffen wird, muss man sich als Jude verteidigen» steht programmatisch zum Auftakt der Ausstellung über Hannah Arendt im Deutschen Historischen Museum in Berlin (tachles berichtete). Das Zitat zeigt ein Selbstbewusstsein einer jüdischen Denkerin ebenso wie der Ausstellungsmacher, die offene Debatte selbstbewusst zu führen. Hannah Arendt hat sich als Jüdin mit Artikeln, Schriften, Reden in die Debatten eingebracht. Sie hat gefordert, verteidigt, angegriffen, interveniert. Ausgangspunkt ihrer Argumentation waren vernunftsbasierter Humanismus, die eigene Geschichte, Vertreibung und Flucht. In Berlin ist die Ausstellung im Gespräch und Arendts Wirken und Einfluss diskutiert – ihre Leistungen, Haltungen, Irrtümer. Arendt war ein Leuchtturm des Denkens im 20. Jahrhundert, ihr Werk und Denken wirkt bis heute in die Debatten. Sie wirkt mitunter stärker als jene, die heute die Stimme erheben, zur Feder greifen oder intervenieren müssten gegen Unrecht, Antisemitismus und Diskriminierung; ohne Schutz von Funktion und Institution, sondern nur durch die Wirkung des besseren Arguments. Doch, wo bleiben diese – jüdischen – Stimmen?

Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.

Yves Kugelmann