Köln, Oktober 2023. Die Innenstadt ist voller Menschen an diesem Nachmittag nach dem Tag der deutschen Einheit. Viele junge Menschen, eine diverse Gesellschaft mit orientalischen Einflüssen. Dies zeigt sich auch in der Vielfalt von Einkaufsgeschäften mit Produkten, die man sonst selten in Innenstädten findet. Da Strassenzüge mit türkischen Geschäften, Bars und Restaurant, dort persische, koreanische, vietnamesische Restaurants und Geschäfte. Keine Parallelgesellschaften, sondern integraler Teil Kölns. Die Rheinstadt, die natürlich auch herausgefordert ist durch multikulturelles Leben, Zuwanderung, Migration, Asyl. Die tobende, verbissene und verhärtete politische Debatte in Deutschland bleibt dennoch weit entfernt von der Lebensrealität auf den Strassen. Vor den Wahlen in Deutschland wird Migration und Asyl Thema Nummer eins in einem Land, das dringend Zuwanderung benötigt für eine funktionierende Wirtschaft. In Brüssel geht derweil der Streit über die europäische Asylreform zu Ende. Die neue Krisenverordnung sieht für Fälle einer drohenden Überlastung der Mitgliedsstaaten verschärfte Massnahmen vor. In Deutschland fragt man sich beim Blick auf die Schlagzeilen: Wann wird Zuwanderung nicht mehr stigmatisiert, sondern als Selbstverständnis betrachtet, über das man vernünftig und respektvoll debattieren könnte, zu Fragen von Regulierungen, Quoten und Umsetzung? Die Kölner Gelassenheit würde wohl der Republik und vielleicht Europa gut anstehen bei einem Thema, bei dem Realität und Wahrnehmung in zu starkem Widerspruch stehen.
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.
das jüdische logbuch
06. Okt 2023
Das Fremde als Stigma
Yves Kugelmann