Beim neunten Jahrestreffen der Memory Studies Association, das unter dem Titel «Beyond Crises: Resilience and (In)Stability» in Prag stattfand, beleuchtete Catrina Langenegger vom Zentrum für Jüdische Studien der Universität Basel in einem Vortrag ein wenig bekanntes Kapitel der schweizerischen Erinnerungskultur. Unter dem Titel «Zwischen Mystifizierung und Anklage. Der Tod von Joseph Schmidt in einem Schweizer Flüchtlingslager und seine Rezeption in der Geschichte» widmete sie sich dem Schicksal des jüdischen Opernsängers Joseph Schmidt und seiner erinnerungskulturellen Verarbeitung. Schmidt, einer der bekanntesten Tenöre seiner Zeit, war 1942 auf der Flucht vor den Nationalsozialisten in die Schweiz gelangt. Trotz seiner Berühmtheit wurde ihm die Einreise zunächst verweigert. Er starb im November 1942 weitgehend mittellos im Internierungslager Girenbad im Kanton Zürich. Langenegger analysierte die widersprüchliche Rezeption von Schmidts Tod: Während er teils verklärt als tragischer Held dargestellt wird, wird gleichzeitig die Verantwortung der damaligen Schweizer Flüchtlingspolitik oft ausgeblendet. Der Vortrag bot einen kritischen Blick auf die Rolle der Schweiz im Umgang mit jüdischen Flüchtlingen und regte zur Auseinandersetzung mit nationalen Erinnerungslücken an.
Prag
25. Jul 2025
Mystifizierung und Anklage

Emily Langloh