Über Jahrzehnte war die «jüdische Präsenz» in der National Hockey League nur bei Fachleuten ein Thema, doch heute gibt es nicht nur eine steigende Anzahl jüdischer Eishockeyprofis – viele von ihnen sind sogar absolute Superstars.
Mehr als fünfzehn Stammspieler mit jüdischem Hintergrund stehen in dieser Saison 2025/26 bei Franchises der National Hockey League (NHL) unter Vertrag. Mehrere Dutzend Top-Talente bewegen sich zudem in der American Hockey League (AHL) und National Collegiate Athletic Association und werden bald auf NHL-Niveau zu Stammspielern reifen. Dazu kommen Trainer, Manager und Besitzer, die die Liga strukturell und sportlich mitprägen.
Die Etablierten
An dieser Stelle hat tachles bereits regelmässig über jüdische NHL-Topstars berichtet (vgl. tachles 25/2024). So zum Beispiel über Zach Hyman, einen der produktivsten Stürmer der Liga. Der Edmonton-Oilers-Flügelstürmer schaffte es zuletzt zweimal bis ins Stanley-Cup-Final und zementierte seinen Status als kompletter «Top-Six-Forward» («Top-Sechs-Stürmer») mit Führungsqualitäten. Hyman war beide Male ein mitentscheidender Faktor als sogenannter «Secondary Scorer». Bei den Fans ist er beliebt aufgrund seiner Arbeitsethik auf und neben dem Eis. Hyman ist aber auch eine Person, die offen und auch öffentlich Haltung zeigt: gegen Antisemitismus und Israelhass.
Bei den New York Rangers ist Adam Fox der Schlüsselspieler unter den Verteidigern. Der Gewinner der James-Norris-Trophäe von 2021 ist in der Liga einer der Elegantesten mit dem Puck und in der Spielauslösung unverzichtbar. Der Verteidiger Jakob Chychrun von den Washington Capitals liefert seit vielen Jahren konstant Höchstleistungen, und auch er ist einer der jüdischen Schlüsselspieler in seinem jeweiligen NHL-Team. Es gibt noch viele weitere zu benennen: Den erfahrenen Jason Zucker von den Buffalo Sabres, der wie ein Mentor von seinen Teamkameraden geschätzt wird, oder Cody Glass von den New Jersey Devils. Interessant ist auch Jordan Harris, der in Columbus bei den Blue Jackets spielt. Er ist einer der wenigen afro-jüdischen Spieler in der Ligageschichte.
Die Liste ist lang – jedoch dürfen auf keinen Fall die drei «Hughes-Brothers», die Söhne der früheren US-Nationalspielerin Ellen Weinberg-Hughes, vergessen werden: Alle drei gehören zu den dominierenden Stars in der NHL. Quinn Hughes, Captain der Vancouver Canucks, verkörpert den modernen Offensivverteidiger wie kaum ein anderer. Luke Hughes hat sich in New Jersey in kürzester Zeit zum integralen Bestandteil der Devils-Abwehr entwickelt, und Jack Hughes ist mit seinem Spielwitz und herausragenden läuferischen und technischen Fähigkeiten bereits ein Megastar der Szene – und diese Einschätzung ist keinesfalls übertrieben.
Ebenfalls fällt die Dichte an starken jüdischen Torhütern auf höchstem Niveau auf: Devon Levi ist einer der besten AHL-Torhüter und gilt als Zukunfts-Stammhüter der Buffalo Sabres. Er wurde auch 2023 als Nationalkeeper Kanadas mit einem WM-Titel gekrönt. Jeremy Swayman der Boston Bruins ist ein weiterer WM-Held. Er führte die USA 2025 in Stockholm zum ersten Weltmeistertitel seit 1960 – seine Ruhe und Technik machten ihn zum überragenden Torhüter des Turniers. Hinter ihm klopft Yaniv Perets von den Lehigh Valley Phantoms an die NHL an. Wie sein enger Freund Devon Levi kommt auch er aus der Provinz Québec.
Die neuen Stars
Dies ist nur ein kurzer Überblick über die etablierten jüdischen NHL-Stars – aber es kommt noch besser: Bei den besten Nachwuchsspielern folgen noch viele mehr. Allen voran Zeev Buium von Minnesota Wild. Der israelisch-amerikanische Verteidiger hatte seinen Durchbruch 2025 bei der Play-off-Teilnahme und gewann zudem dieses Jahr auch WM-Gold mit dem USA-Team. Er hat das Talent, in Minnesota langfristig eine «Top-Four»-Rolle zu übernehmen. Sein Bruder Shai Buium bei Tampa Bay steht auch kurz vor dem NHL-Debüt. Der Erfolg der Buium-Brüder symbolisiert, dass jüdisches Eishockeytalent längst nicht mehr die Ausnahme darstellt.
Weitere junge NHL-Spieler im Fokus: Max Sasson der Vancouver Canucks – er debütierte 2024 in der NHL und überzeugt mit seinem Drive und Instinkt. Ozzy Wiesblatt der Nashville Predators und Cole Guttman bei Los Angeles und Ontario Reign wurden ebenfalls neu zu NHL-Stammspielern und entwickeln sich immer weiter zu Weltelitenspielern. Diese Aufzählung ist bloss ein Streiflicht, wie stark sich Eishockey auf höchstem Niveau in der jüdischen Community in Nordamerika entwickelt.
Jüdischer Einfluss von dem Eis und in der Chefetage
Es gibt aber auch eine starke jüdische Komponente bei den Coaches und in der Liga-Führung: Seit über drei Jahrzehnten steht Gary Bettman an der Spitze der NHL. Der New Yorker, 2016 in die International Jewish Sports Hall of Fame aufgenommen, hat die Liga wie keiner vor ihm globalisiert und wirtschaftlich erfolgreich gemacht sowie eine grosse Expansion mit neuem Team in neuen Märkten bewirkt. Auch in den Besitzerstrukturen sind Namen wie Henry und Susan Samueli (Anaheim Ducks), Larry Tanenbaum (Toronto Maple Leafs), Stan Kasten (Los Angeles Kings), Jeffrey Solomon (New York Rangers) und Scott D. Malkin (New York Islanders) feste Grössen. Sie repräsentieren den wirtschaftlichen Rückhalt und die medienstrategische Kompetenz der heutigen NHL.
Betreffend Coaching war Ryan Warsofsky, Trainer der San Jose Sharks, der erste jüdische Cheftrainer in der Liga in den 1990ern, und er führte die USA 2025 als Cheftrainer zum WM-Gold – ein Meilenstein für amerikanisches Coaching. Somit waren mit dem Coach und Swayman sowie Buium gleich drei Juden im WM-Siegerteam. Die USA gewannen im Finalspiel gegen die Schweiz 1:0 nach Verlängerung. Das war der erste WM-Titel seit 60 Jahren! Der Schlüssel zum Erfolg: das strategische und sehr geschickte taktische Spielsystem von Ryan Warsofsky gegen die läuferisch starken Schweizer. Sein Bruder David, Assistenzcoach in Washington, folgt demselben Weg. Historisch führte Cecil Hart die Montreal Canadiens in den 1930ern zu zwei Stanley Cups; die nach ihm benannte «Hart Trophy» ist bis heute eine der wichtigsten Auszeichnungen für Individuen in der Liga – ein permanenter Verweis auf die jüdische Eishockeygeschichte.
Joël Wüthrich publiziert über die NHL in führenden Fachpublikationen und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Er leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player’s Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Joël Wüthrich analysiert seit 35 Jahren als Autor/Chefredaktor in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein Teil seiner Verwandtschaft wohnt.