zur lage in israel 05. Sep 2025

Zwei Staaten, ein Land?

Der Siedlungsblock E1 soll, ähnlich wie die Strategie der ethnischen Säuberung, den palästinensischen Nationalismus und die Befreiung Palästinas verhindern. Wenn wir jedoch unsere Annahmen über die Teilung zwischen Israelis und Palästinensern überdenken und das Prinzip der Gleichberechtigung wieder aufgreifen, können wir neu darüber nachdenken, wie eine Zwestaatenlösung aussehen könnte.

Fast zwei Jahre sind seit Beginn des Krieges am 7. Oktober vergangen. Israels Kriegskabinett hat es erneut vermieden, auch nur über ein Waffenstillstandsabkommen zu diskutieren, das zur Freilassung von Geiseln führen könnte, und lässt stattdessen die Vernichtung Gazas und die Aushungerung seiner Zivilbevölkerung weiter zu. Unterdessen führen Siedlermilizen, geschützt durch die Armee, täglich Angriffe gegen palästinensische Gemeinden im Westjordanland durch – eine Kampagne der ethnischen Säuberung, die nur dem Namen nach keine ist.

Gleichzeitig entwickeln sich zwei widersprüchliche Strömungen. Einerseits wächst die Dynamik für die internationale Anerkennung Palästinas: 147 Uno-Mitglieder erkennen es bereits an, zuletzt auch westliche Mächte. Andererseits festigt Israel seine Kontrolle über das gesamte Gebiet zwischen Fluss und Meer. Die Regierung genehmigte nun den lange blockierten Siedlungsplan E1 – ein strategisch gelegenes Viertel östlich von Jerusalem, das das Westjordanland teilen würde. Mit E1 könnte die Tür zu einem palästinensischen Staat endgültig verschlossen werden.

Die Bedrohung durch E1 steht im Einklang mit dem Siedlungsprojekt und Finanzminister Bezalel Smotrichs «Entscheidungsplan» von 2017, der offen Enteignung und Unterwerfung der Palästinenser vorsah. Mit der aktuellen Koalition wird er systematisch vorangetrieben.

Und doch ist trotz Verwüstung die Option, das Land in zwei Staaten zu teilen, nicht verschwunden. Sie bleibt möglich – wenn wir bereit sind, Grundannahmen zu überdenken. Seit Oslo hat Israel die Vorstellung einer Verhandlungslösung mit der Idee der Trennung verschmolzen: «Wir hier, sie dort.» Aber diese Verschmelzung ist irreführend – und hat in eine Sackgasse geführt.

Historisch bedeutete Teilung politische Grenzen und Minderheitenschutz. Der Uno-Teilungsplan 1947 sah zwei Staaten in einer Wirtschaftsunion vor und Jerusalem unter Sonderregime, wobei Juden und Araber als Minderheiten in den Staaten des anderen leben würden. Trennung hingegen tauchte erst später auf – von Rabins «demografischer Bedrohung» bis Sharons «Rückzug» – und bedeutete physische Entflechtung. Doch Trennung war Fantasie. Juden und Palästinenser sind tief verflochten: in Jerusalem, im Westjordanland, innerhalb Israels.

Durch die Verschmelzung von Teilung und Trennung schuf der «Oslo-Ansatz» eine irreführende Version der Zweistaatenlösung. Was gescheitert ist, ist Trennung, nicht die Möglichkeit der Teilung zweier souveräner, aber abhängiger Staaten.

Wenn Teilung Sinn machen soll, muss sie neu gedacht werden. Schlüssel ist Gleichheit. Der Plan von 1947 sah nicht nur Grenzen, sondern auch Garantien: Gleichberechtigung der Minderheiten, Parität der Völker, gemeinsame Wirtschaftsunion. Dieses Prinzip wurde nach Oslo aufgegeben. Israel nutzte asymmetrische Macht aus, machte Palästinenser zu Untertanen, während Siedlungen wuchsen.

Gleichheit ist moralische Verpflichtung und praktische Notwendigkeit. Künftige Zwei-Staaten-Modelle bedeuten Israelis unter palästinensischer Souveränität und Palästinenser unter israelischer. In Jerusalem überschneiden sich Hauptstädte. Ohne Gleichheit führen gemischte Realitäten zu erneuter Katastrophe. Parität zwischen den Kollektiven ist Bedingung für nachhaltigen Frieden.

Souveränität und Gleichheit würden ermöglichen, dass beide Völker als Minderheiten mit vollen Rechten leben können. Dann verlieren Siedlungen ihre monopolistische Bedeutung. Grenzziehung bliebe wichtig, aber nicht als Mauer, sondern als Rahmen für Kooperation.

Jerusalem könnte offene Stadt und Doppelhauptstadt sein, mit gemeinsamer Verwaltung heiliger Stätten, Infrastruktur und Diensten. Minderheitenrechte beider Seiten würden durch Abkommen und internationale Garantien gesichert. Gemeinsame Institutionen könnten Wasser, Umwelt und Wirtschaft verwalten. Interdependenz wäre Grundlage für Frieden, nicht Problem.

Diese Vision ist nicht utopisch, sondern durch Erfahrungen anderer Regionen wie Nordirland und Bosnien gestützt. Israelis und Palästinenser können einander nicht entkommen. Die Wahl besteht zwischen Herrschaft und Partnerschaft.

E1 soll palästinensischen Nationalismus verhindern. Doch wenn wir Teilung neu denken und Gleichheit wieder aufnehmen, zeigt sich: Es ist weder unvermeidlich noch unumkehrbar. Die Zweistaatenlösung ist nicht tot. Was stirbt, ist die Illusion der Trennung. Was bleibt, ist Teilung – neu gedacht, getragen von Gleichheit und Partnerschaft.

Limor Yehuda ist Gründungsdirektorin des Shemesh Center for Partnership-Based Peace am Van Leer Jerusalem Institute, Autorin von «Collective Equality» und Co-Vorsitzende von «A Land for All».

Limor Yehuda