Es soll nächste Woche eine riesige Feier werden, wie sie die Schweiz so noch nicht gesehen hat. Bis zu 500 000 Eurovision-Fans werden vom 10. bis zum 17. Mai für den Eurovision Song Contest (ESC) in Basel erwartet.
Die Stadt am Rhein sieht dies als eine riesige Chance, sich vor einem globalen Publikum zu inszenieren und positiv darzustellen. Die Augen der ganzen Welt richten sich nächste Woche auf den ESC und damit nach Basel – Spannungen zwischen ESC-Fans, Fussballfans und Pro-Palästina-Aktivisten sind zu erwarten (tachles berichtete).
Begrüsst werden die Besucher mit Fan-Meilen, einem Eurovision Village, Public Viewing und einem reichhaltigen Programm auf dem Barfüsserplatz, dem «Barfi», der für eine Woche zum «Eurovision Square» wird.
Die zahlreichen Besucher stellen die Behörden vor eine echte Sicherheitsherausforderung, da zeitgleich auch noch andere Events stattfinden sollen. So etwa kann zurzeit als sicher gelten, dass eine FCB-Meisterfeier, die traditionell auch auf dem Barfi stattfindet, durchgeführt wird. Mindestens 20 000 Fussballfans werden dazu erwartet, jedoch dürften es eher mehr sein. Die Basler Behörden nehmen die Menschenmassen gelassen. Schliesslich ziehe auch die Fasnacht Menschenmassen an, Jahr für Jahr, meist ohne gröbere Zwischenfälle oder grössere Einschränkungen. Trotzdem: Man bereitete sich auf die ESC-Woche vor. Da die Basler Polizei notorisch unterbesetzt ist, kommen auch Polizeikräfte aus anderen Kantonen zum Einsatz. Die Armee leistet mit 40 Soldaten Hilfestellung. Auch Polizistinnen und Polizisten aus dem grenznahen Frankreich und aus Deutschland werden in Basel aktiv sein. Abgesagt hat einzig die Kantonspolizei Zürich, die keine Polizeikräfte nach Basel entsenden wird. Man brauche diese selbst, begründet die Zürcher Sicherheitsdirektion gegenüber der NZZ die Absage. Der Kanton Zürich sei stark vom Anlass betroffen. So rechne man «mit erhöhtem Reiseverkehr und damit auch mit steigender Kriminalität» etwa im Umfeld des Hauptbahnhofs. Aber auch als Zentrum des jüdischen Lebens in der Schweiz sei Zürich stark gefordert, so die Sicherheitsdirektion in der NZZ. Jüdische Institutionen müssten besonders geschützt werden.
Offenbar rechnen die Zürcher in der ESC-Woche mit einer erhöhten Gefährdung jüdischer Institutionen und mit möglichen antijüdischen und antiisraelischen Ausschreitungen, wie sie den letzten ESC in Malmö überschattet haben. Zürich will deshalb offenbar seine Ressourcen auf die eigene Stadt konzentrieren.
Nun, es scheint sich tatsächlich was zusammenzubrauen, wie eine Ankündigung von Pro-Palästina- und Pro-Hamas-Aktivisten vorletzte Woche erahnen lässt. Unter dem Motto «ESCalate Palestine» wurden für die ESC-Woche in Basel mehrere Aktionen angekündigt, so etwa ein Protest vor dem ESC-Austragungsort, der St. Jakobshalle» während des Finales am 17. Mai. Ebenfalls an diesem Tag ist als «Höhepunkt» eine Palästina-Demo auf dem Barfüsserplatz geplant, wo sich zu diesem Zeitpunkt bereits Zehntausende ESC-Fans zum Feiern versammeln werden.
Nur mit Schaudern vergegenwärtigt man sich die möglichen Sicherheitsprobleme, die sich aus dieser Konstellation ergeben, zumal, wie gesagt, die Möglichkeit besteht, dass auch Tausende von FCB-Fans auf den Barfüsserplatz zur ersten Meisterfeier seit Jahren strömen werden.
Keine einzige der Pro-Palästina-Aktionen ist im Übrigen behördlich angemeldet und bewilligt. Darüber hat die Basler Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann letzte Woche an einem Podium der «Basler Zeitung» und der Helvetia-Versicherung ihren Unwillen kundgetan. Dabei ist in Basel, einer Stadt in der es dauernd unbewilligte Demonstrationen gibt, damit immer zu rechnen.
Mit einem Verbot der Demonstrationen ist aber nicht zu rechnen, da Basel-Stadt das Demonstrationsrecht auch während des ESC hochhält und höher gewichtet als gewisse Sicherheitsüberlegungen und als die Gefahr der Eskalation.
Nun aber bietet der ESC – wie Malmö zeigte – den antijüdischen und antiisraelischen Agitatoren eine perfekte Plattform. Die Augen der ganzen Welt richten sich nächste Woche auf den ESC und damit nach Basel. Was am Rheinknie geschieht, ereignet sich live vor den Augen von bis zu 200 Millionen Fernsehzuschauerinnen und -zuschauern, die Zahl der Konsumenten in den sozialen Medien nicht eingerechnet.
Es könne nicht sein, dass «Jüdinnen und Juden in Basel, Heimat einer der ältesten jüdischen Gemeinden der Schweiz, seit dem 7. Oktober Angst haben müssten», kommentierte Sicherheitsdirektorin Eymann am BaZ-Podium die aktuelle jüdische Befindlichkeit in der Stadt. Nun wäre wohl eher Besorgnis das richtige Wort und nicht Angst. Sorgen machen sich im Augenblick viele.
Es ist aber zu hoffen, dass die ESC-Woche ruhig und friedlich über die Bühne geht und die Behörden die Sache im Griff haben. Damit es in Basel nicht wie in Malmö zu einer antisemitischen Eskalation kommt.
Simon Erlanger ist Historiker und Journalist und lebt in Basel.
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09. Mai 2025
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Simon Erlanger