Zu den zahlreichen Fronten, an denen Israel in den letzten anderthalb Jahren gekämpft hat – sieben, acht, vielleicht sogar mehr – ist gerade in den letzten zwei Wochen eine neue Front hinzugekommen: der Eurovision Song Contest.
Das Ausmass der Berichterstattung über die Ereignisse in Basel, Schweiz, wird nur noch von der Berichterstattung über die schwer fassbare Operation «Gideons Streitwagen» in Gaza übertroffen, die parallel zu Trumps Besuch in Saudi-Arabien und den erneuten Bemühungen um eine Geiselbefreiung und ein Waffenstillstandsabkommen stattfindet – oder vielleicht auch nicht.
Der Eurovision Song Contest war schon immer das Schaufenster Israels für die Welt, ein Potemkinsches Dorf, in dem das Land all das präsentierte, als das es gerne gesehen werden wollte, es aber nie war.
1974 schickte Israel die populäre Band Kaveret mit dem Lied «Natati La Khayay» («Ich habe ihr mein Leben gegeben»), das es wagte, laut zu sagen, dass «genug Platz für einen Staat oder zwei ist», als ob wir das wirklich glaubten.
Später in diesem Jahrzehnt, als die meisten Mizrachi-Sänger im Allgemeinen und die jemenitischen Sänger im Besonderen um institutionelle Anerkennung und Repräsentation kämpften, gewannen zwei jemenitische Sänger unter ihrer Flagge, einer nach dem anderen, und erweckten die Illusion, dass mizrachische Juden eine Quelle des Stolzes für das Land seien.
1998 gewann eine Transgender-Frau für Israel (die österreichische Sängerin Conchita war kaum zehn Jahre alt), und 2018 eroberte eine israelische Sängerin, die vom klassischen Schönheitsmodell abwich, Europa im Sturm. Wahrlich, eine Nation wie alle Nationen, ein Licht für die Völker und natürlich ein auserwähltes Volk. Und diejenigen, die nicht für uns gestimmt haben? Offensichtlich Antisemiten.
Im vergangenen Jahr war die Teilnahme Israels an dem Wettbewerb aufgrund des Krieges in Gaza politisch brisanter denn je. Die weltweite Empathie nach dem Massaker vom 7. Oktober, die Israel in einem langen, brutalen und wahllosen Krieg vergeudet hat, verpuffte in den wenigen Monaten zwischen dem Massaker und dem Wettbewerb.
Eden Golan war gezwungen, die Bühne zu betreten – wahrscheinlich der berufliche Höhepunkt ihres Lebens im Alter von nur 20 Jahren – und wurde dabei von wütenden Buhrufen begleitet (und das, nachdem das Lied geändert, korrigiert und noch einmal geändert und eine symbolische gelbe Schleife auf dem Kleid streng verboten worden waren). Die talentierte Golan tat ihr Bestes, aber es gab keine Diva, die auf dieser Bühne hätte gewinnen können.
Israel seinerseits hat die Lektion nicht gelernt – seine Aktionen in Gaza waren das Problem, nicht das Lied – und beschloss, noch mehr in die Aufrechterhaltung der Illusion zu investieren: nicht nur ein rührendes Lied über den «Oktoberregen», sondern eine Sängerin, die das Nova-Massaker am 7. Oktober überlebt hat, nicht weniger. Mal sehen, ob es jemand wagt, jetzt nicht für sie zu stimmen!
Aber der Song ist mittelmässig, die schrecklichen Bilder aus Gaza überschwemmen weiterhin die Bildschirme auf der ganzen Welt, Raphael muss sich mit Drohgebärden und erhöhten Sicherheitsvorkehrungen auseinandersetzen, und das öffentliche Interesse an dem Wettbewerb hat nachgelassen. Wen interessiert das überhaupt noch, um Himmels willen? Es ist ja nicht so, dass sie gewinnen wird. Auch ist es unwahrscheinlich, dass Israel den Wettbewerb im nächsten Jahr (oder überhaupt jemals) ausrichten wird.
Was ist also die Lösung? Ein endloser Strom von Medienberichten. Welches Kleid sie trug, wie sie auf die Geste des Kehlkopfdurchschneidens reagierte, wer ihr Haar und Make-up machen wird, was sie am Vorabend essen wird.
Für Israel sind die Operation Eurovision und die Operation «Gideons Streitwagen» zwei Fronten desselben Krieges. Die 24-jährige Sängerin Yuval Raphael wird am Donnerstag im zweiten Halbfinale auf der Bühne stehen. Wie so viele ihrer Altersgenossen in ihrer Heimat wurde sie einfach zum Reservedienst eingezogen. Keiner fragt, was sie erreichen wollen, wie sie es erreichen wollen und ob das Ziel realistisch ist.
Aber auch hier gilt, wie bei jeder Militäroperation in Israel, dass der Lärm wichtiger ist als die Substanz, die Berichterstattung wichtiger als die Aktion, das Bellen wichtiger als der Biss.
Anat Kamm ist Journalistin und lebt in Tel Aviv.
zur lage in israel
16. Mai 2025
Israels neueste Front Eurovision
Anat Kamm