Propalästinensische Proteste dominierten die Bilder bei der Eröffnung des Eurovision Song Contest in Basel – vor dem Finale von morgen hat der Regierungsrat Stellung bezogen.
Im Vorfeld wurde viel darüber diskutiert, ob ein Musikwettbewerb wie der Eurovision Song Contest politisch sei oder nicht. «United by music» lautet der Slogan, der in Basel am Rande der musikalischen Grossanlässe nicht immer Wirkung zeigt. Dies wurde bereits während der Eröffnungszeremonie am Sonntag deutlich, als ein Meer an Palästina-Flaggen auf dem Markplatz zu sehen war und auf Plakaten ein Boykott Israels gefordert wurde.
Eskalation vermeiden
Die rund 150 Aktivisten waren nicht nur auf dem Marktplatz präsent, es gelang ihnen, ihre Kundgebung bis zum Messeplatz fortzuführen. Wenige Tage später nun musste der Regierungsrat Stellung bereits Stellung nehmen. Denn FDP-Grossrat Johannes Barth wollte in einer Interpellation wissen, wie der Regierungsrat die Tatsache bewerte, dass Demonstrierende das offizielle Tram der Delegation über eine längere Strecke mit Drohgesten, provokativen Rufen und einschüchternder Präsenz habe begleiten können. Laut Barth sei das Recht auf freie Meinungsäusserung und Demonstration ein zentrales Grundrecht. «Es endet jedoch dort, wo gezielte Einschüchterung beginnt.» Weiter fragt Barth nach möglichen rechtlichen Konsequenzen für Demoteilnehmer «etwa im Hinblick auf gezielte Drohung, Nötigung und Stalking».
Stephanie Eymann sagte in ihrer Antwort am Mittwochnachmittag, sie könne nachvollziehen, dass dieses Vorkommnis bei den Betroffenen wie auch den Zuschauenden Besorgnis und Irritation ausgelöst habe. Die Reaktion der Polizeikräfte erfolgte aber nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Zudem habe keine Gewaltanwendung vorgelegen, die ein sofortiges polizeiliches Einschreiten rechtlich gerechtfertigt hätte. Für die Sicherheitsbehörden sei es oberste Priorität, die Sicherheit der Teilnehmenden und Tausenden von Besuchenden zu gewährleisten und ein polizeiliches Einschreiten hätte zu einer Eskalation führen können. Eymann betonte, dass der Vorfall umgehend gemeinsam mit der israelischen Delegationsleitung und deren Sicherheitsteam aufgearbeitet wurde und alle sich darüber einig gewesen seien, dass die Delegation zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen sei.
Lösung gefunden
In einer weiteren Interpellation wollte GLP-Grossrat Tobias Christ wissen, aus welchem Grund eine spontane Standkundgebung gegen «Antisemitismus rund um den ESC» vom Kanton keine Bewilligung erhalten habe. Stephanie Eymann stellte zunächst klar, dass die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit zu den tragenden Pfeilern unserer Demokratie zählen. Deshalb würden auch während des ESC grundsätzlich die üblichen Regelungen für Kundgebungen gelten. Im Fall der Kundgebung hätte die nötige Sicherheit am gewünschten Ort und Zeitpunkt kurzfristig nicht gewährleistet werden können. Sie merkte auch an, dass der Kanton grundsätzlich keine inhaltliche Bewertung der Anliegen von Gesuchstellern vornehme. Nach ersten Irritationen und sofortigen Gesprächen konnte kurzfristig eine Kundgebung auf dem Münsterplatz bewilligt werden, die am Donnerstag stattfand.
Das Sicherheitsdispositiv ist vor allem wegen der Kontroverse über die Teilnahme Israels am ESC gross. Die Politik ist gefordert, denn morgen Samstag ist eine weitere Pro-Palästina-Demo während des ESC-Finales angekündigt. Es muss ihr gelingen, das Recht auf Meinungsäusserung und Versammlungsfreiheit ebenso wie die Sicherheit der Zehntausenden Besucher in der Stadt zu garantieren. Regierungspräsident Conradin Cramer hat bereits im Vorfeld des ESC gegenüber tachles klar geäussert, dass Feindlichkeiten und Gewalt generell, aber auch Rassismus und insbesondere Antisemitismus in Basel keinen Platz haben (vgl. tachles 19/25).