Die US-Strafzölle von 39 Prozent haben schon jetzt massive Konsequenzen auch für jüdische Unternehmen wie Mondaine Watch und Camille Bloch – Einblicke ins Krisenmanagement.
Schweizer Unternehmen, die ihre Ware in die USA exportieren, stehen unsichere Zeiten bevor. Seit dem 7. April müssen sie 39 Prozent Zoll auf Produkte zahlen, die sie in die Vereinigten Staaten exportieren. Die Frage ist, wie die hohen Kosten kompensiert werden können, ohne die hohen Kosten an die Kunden weiterzugeben oder Personal abzubauen. Der Zollhammer stellt zudem einen klaren Wettbewerbsnachteil für Schweizer Firmen dar, weil die EU-Partner deutlich geringere Zollgebühren zahlen muss. Der starke Schweizer Franken verstärkt die Belastung der Exporteure zusätzlich.
Der Bundesrat steht unter Druck. Bundespräsidentin Karin Keller‑Sutter reagierte mit «grossem Bedauern» auf den Entscheid der USA, betonte aber, dass weiterhin Verhandlungsspielraum bestehe. Die USA hätten unilaterale Zölle verhängt, obwohl konstruktive Gespräche stattgefunden hätten. Bis zum heutigen Tag ist ungewiss, ob eine Einigung zur Reduktion der Zölle realistisch ist. Der Ball liegt bei den US-Behörden: Sie müssen entscheiden, ob sie in Nachverhandlungen eintreten – oder zumindest Zollsenkungen in Aussicht stellen. Andererseits wird über Ausgleichsmassnahmen für hiesige Unternehmen verhandelt, um Worst‑Case-Szenarien abzufedern.
Betroffen vom 39-Prozent-Zoll der USA ist auch die Schweizer Uhrenbranche. Knapp 17 Prozent der Uhrenexporte gingen 2024 in die USA, mit einem Volumen von über 4,4 Milliarden Franken, schreibt Reuters und mahnt, dass der Zollschock erhebliche Exporteinbussen verursachen könnte.
Lieferungen in die USA gestoppt
So ist auch die Mondaine-Gruppe mit Sitz in Pfäffikon im Kanton Schwyz (SZ) stark betroffen von den zusätzlichen Zöllen, da die USA ein sehr wichtiger Markt für ihre Uhren sind. Miteigentümer Ronnie Bernheim sagt zu tachles: «Wir diskutieren intensiv, wie wir diese unsägliche, in Form und Ausmass rational nicht nachvollziehbare Belastung von 39 Prozent zusätzlichem Zoll für unsere Kunden und unsere Unternehmungen in den USA und in der Schweiz irgendwie erträglich gestalten können.» Preisanpassungen gegenüber den amerikanischen Uhrenfachgeschäften und im Online-Verkauf seien unvermeidlich. Umfang und Zeitpunkt müssten aber sorgfältig abgewägt werden, damit die Marken Luminox und Mondaine im Budget der Kundschaft in den USA bleiben. «Wir haben per sofort Lieferungen in die USA stoppen müssen, bis die Lage übersichtlicher wird. Dies hat Auswirkungen auf unsere Fabrik im Kanton Solothurn. Dank dem Instrument der hoffentlich bewilligbaren Kurzarbeit für die Fabrik und den Hausputz in Pfäffikon SZ denken wir aus heutiger Sicht nicht an Entlassungen», so Bernheim. Er und sein Bruder André Bernheim gehen zurzeit davon aus, dass sie in den kommenden Wochen mehr über den Zollsatz und das Ausmass der Überbürdung der Zusatzkosten an die Kunden wissen werden. Die Herausforderungen aber sind gross: «Da unsere Distributionsfirma in Amerika den enormen Zoll bereits beim Import in die USA zahlen muss, den Erlös aus diesen Waren aber erst nach Zahlung ihrer Kunden erhält, wird die Liquidität zu einem kritischen Faktor», sagt Ronnie Bernheim.
Unkonventionelle Ideen entwickeln
Eine zweckbestimmte Kreditvergabe mit Hilfe der Eidgenossenschaft – wie bei Corona rasch und unkompliziert und mit dem gleichen Vergabemechanismus – wäre aus seiner Sicht ein wichtiges Instrument in dieser schweren Zeit. Der Zusatzbedarf an Geld sei mit den Zollrechnungen einfach feststellbar. Der Bundesrat und die anderen Verhandlungspartner sollten nebst den im normalen Verhandlungsprozess üblichen Instrumenten einschliesslich Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit in den USA unbedingt auch «überraschende und unkonventionelle Ideen entwickeln, die der Persönlichkeit von Präsident Donald Trump zugänglicher sind als facts and figures, mit denen wir Schweizer üblicherweise argumentieren». Denn eine Auflistung aller in Schweizer Entscheidungsmacht liegenden Massnahmen (ohne Drohgebärde) dürfte aus Sicht der Brüder Bernheim grössere Chancen haben, einen Deal zu erreichen: «Denn die gepflegte Diplomatie alleine sitzt bei Machtpokern leider und erwiesenermassen am kürzeren Hebel.»
Koscherproduktion gefährdet?
Die hohen Zölle beschäftigen auch das Unternehmen Chocolats Camille Bloch SA mit Sitz in Courtelary. Dies, obgleich der Hauptmarkt die Schweiz ist, wie Chocolatier Daniel Bloch zu tachles sagt. «In die USA exportieren wir vor allem Schokolade für den koscheren Markt. Rund die Hälfte unserer Koscherproduktion geht derzeit in den US-Markt.» Damit seien rund zwei Prozent des Gesamtumsatzes direkt betroffen. Da die Schokoladen – insbesondere im Vergleich zur europäischen Konkurrenz, die «nur» 15 Prozent Zoll zahlt – deutlich teurer werden, könnte der Importeur auf weitere Bestellungen verzichten, so Bloch. «Das würde die gesamte Koscherproduktion gefährden, da der grösste Teil davon in die USA geht und die verbleibende Menge für eine wirtschaftliche Produktion zu klein wäre.» Koscher ist für Camille Bloch ein zentraler Pfeiler der Exportstrategie und macht insgesamt ungefähr fünf Prozent des Gesamtumsatzes aus. «Dieser Geschäftszweig verschafft uns Zugang zu spezifischen Märkten und Kundengruppen, in denen wir eine stärkere Ausgangsposition haben als im allgemeinen ausländischen Detailhandel» so Bloch.
Auf die Frage, ob die Kosten nun steigen werden, sagt er: «Wenn die Kosten steigen, dann hat das immer einen Effekt auf die Preise. Momentan haben wir eine Kumulation von vielen Faktoren: vor allem der hohe Kakaopreis, dazu der starke Franken und nun auch die US-Zolltarife.»
Wiedereinführung des «Schoggigesetzes»?
Gemeinsam mit dem Importeur suche das Unternehmen nun nach «fairen und tragfähigen Lösungen», um weiterhin im US-Koschermarkt präsent zu bleiben. Zudem suche Chocolats Camille Bloch stets nach Lösungen, um Stellen zu erhalten. Das sei bereits Anfang der 1970er Jahre während der Erdölkrise der Fall gewesen, als der Umsatz um 20 Prozent zurückging. Damals blieben alle Mitarbeitenden beschäftigt. «Auch während der Corona-Pandemie mussten wir Umsatzeinbussen hinnehmen, hielten aber an allen Arbeitsplätzen fest. Selbst in der aktuellen, unsicheren Wirtschaftslage bleiben wir diesem Grundsatz treu» sagt Bloch. Vom Bundesrat wünscht er sich die Wiedereinführung des von 1974 bis 2019 geltenden «Schoggigesetzes», anstatt auf Kurzarbeit zu setzen oder auf eine schnelle Wende in den Verhandlungen mit den USA zu hoffen. Es sei ein «sinnvolles Instrument», da es den Export von Schweizer Schokolade unterstützt, indem es den Kostenunterschied zu ausländischen Produkten teilweise ausgleicht. Bloch führt aus: «Wir schlagen vor, in Anlehnung an dieses Instrument, die Zolltarifdifferenz zur EU auszugleichen. Mit dieser erprobten Massnahme blieben unsere Produkte gegenüber der europäischen Konkurrenz wettbewerbsfähig, unser Platz im US-Markt gesichert und Arbeitsplätze sowie Know-how in der Schweiz erhalten.» Wenn der Bund die Zolldiskrepanz zur EU übernehme, so könnten Schweizer Produkte weiterhin produziert und in den USA vermarktet werden. Die beiden Unternehmer Bernheim und Bloch haben also Ideen, wie hiesigen Firmen in der aktuellen Situation unter die Arme gegriffen werden könnte. Die Hoffnung bleibt, dass der willkürliche Steuersatz von 39 Prozent nicht in Stein gemeisselt ist.