Im Vorfeld der Delegiertenversammlung des VSJF und des SIGs eröffnet die CICAD ein neues Büro in Lausanne und positioniert sich in einer Diskussion vom letzten Jahr – Ralph Friedländer erwartet dennoch eine ruhige Versammlung.
Im Vorfeld der Delegiertenversammlung des Verbandes Schweizerischer Jüdischer Fürsorgen und des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG) manifestiert die Romandie mit der Eröffnung eines neuen Büros der Coordination Intercommunautaire contre l’Antisemitisme et la Diffamation (CICAD) in Lausanne zumindest ihre Sorge über die Schwäche einer effektiven Bekämpfung des Antisemitismus in der Region, wo es in der Schweiz gegenwärtig am schwierigsten scheint. Die Leiterin des neuen Büros Dalia Donath ist Tochter des ehemaligen Präsidenten Alfred Donath und wurde zur Koordinatorin für den Kanton Waadt ernannt.
Das politische Klima in Sachen Antisemitismus bleibt besorgniserregend. In diesem Zusammenhang veröffentlichte die CICAD am Dienstag eine Pressemitteilung, in der sie «die Banalisierung der Schoah und die Rückkehr antisemitischer Stereotype, die noch nie so offensichtlich waren», anprangerte. «Die Schweiz bleibt davon nicht verschont. Diese Trivialisierung des Grauens ist Teil eines allgemeinen Klimas der bewussten Verwirrung zwischen der Pflicht zur Erinnerung und politischem Aktivismus», verurteilt sie. Bei der Eröffnung des Lausanner Büros am Montag erwähnte der Lausanner Bürgermeister Gregoire Junod seine vorbehaltlose Verurteilung des Antisemitismus, ohne dabei, der Vollständigkeit halber, die Islamophobie zu erwähnen. Er zögerte nicht, den Anschlag vom 7. Oktober und «die Leiden der palästinensischen Bevölkerung» auf eine Stufe zu stellen, ohne die Hamas zu erwähnen, die heute von der Schweiz als terroristische Organisation eingestuft wird. Er verlor kein Wort über Israel und sein Existenzrecht, sondern würdigte lieber die Haltung kritischer französischer Juden wie der Rabbinerin Delphine Horvilleur oder Anne Sinclair. Diese Äusserungen sorgten bei vielen Anwesenden für eine gewisse Kühle. Es sei darauf hingewiesen, dass der Magistrat in einem Schreiben, das genau am selben Tag beim Präsidenten der Jüdischen Gemeinde Lausanne (CILV) eingegangen ist, in demselben Ton geantwortet hat. Elie Elkaim hatte vor zwei Monaten ein Schreiben verschickt, in dem er seine Besorgnis über die Nachlässigkeit der Stadtverwaltung bei der Genehmigung von Demonstrationen in der Gemeinde während des Frauenstreiks am 8. März zum Ausdruck brachte. Es sei daran erinnert, dass jüdische Frauen beleidigt und daran gehindert wurden, den Marsch fortzusetzen.
Ausweitung der Aktivitäten
Die CICAD hat ihre Aktivitäten verstärkt, was sich auch bei der Eröffnung zeigte. Dies ist notwendig, da die Lage in der Westschweiz recht besorgniserregend ist. Zwischen der CICAD und der CILV sind Spannungen hinsichtlich der Strategie zur Bekämpfung des Antisemitismus aufgetreten. Die Lektion scheint gelernt zu sein, denn die Verantwortlichen haben die Einführung eines «Arbeitsprotokolls» zwischen den beiden Einrichtungen vorgesehen, von dem man sich bessere Ergebnisse in der Zusammenarbeit erhofft. Neben anderen Gästen war auch SIG-Präsident Ralph Friedländer bei der Eröffnung anwesend. Er kann auf eine ruhige Versammlung von Sonntag blicken und betont auch gegenüber tachles: «Ich habe bewusst eine ruhigere Gangart mit mehr Zeit und Raum für das Gespräch gewählt. Die Herausforderungen der Gegenwart sind schon genügend hoch.» Die rund 110 Delegierten werden am Sonntag Gelegenheit haben, über die Herausforderungen zu diskutieren, mit denen die Juden in der Schweiz und die sie vertretenden Organisationen konfrontiert sind. Am Abend wird auch Bundesrat Beat Jans zu Gast sein. Ralph Friedländer wird an der Delegiertenversammlung in Zürich trotz des auch in der Schweiz insgesamt gedrückten Klimas, das durch einen Anstieg des Antisemitismus als Folge des Nahostkonflikts geprägt ist, eine positive Bilanz nach seinem ersten Präsidialjahr ziehen können.
Themen und Diskussionen
Der SIG hat sich neben der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus auch stark dafür eingesetzt, dass die Hamas vom Bund als terroristische Organisation eingestuft wird. Auch wenn dies sehr spät erscheint, ist dieses Verbot am 15. Mai in Kraft getreten. Darüber hinaus befand sich der Gesetzesentwurf zum Verbot von Nazi-Symbolen bis Ende März 2025 in der Vernehmlassung und wird dem Parlament zu gegebener Zeit in aktualisierter Form erneut vorgelegt. Der SIG unterstützt den Entwurf, spricht sich jedoch dafür aus, die offene Definition durch eine kurze und klare Liste der zu verbietenden Symbole zu ersetzen. Damit soll vermieden werden, dass in der Bevölkerung Unsicherheit darüber besteht, was verboten ist und was nicht. Ausserdem kann es bei unklaren Symbolen Jahre dauern, bis das Bundesgericht eine endgültige Entscheidung trifft.
Ralph Friedländer wird auf die nach wie vor hohe Zahl antisemitischer Vorfälle hinweisen, die in diesem Jahr stark zugenommen hat und seit den Terroranschlägen gegen Israel am 7. Oktober 2023 explosionsartig angestiegen ist (tachles berichtete). Wie die CICAD in der Westschweiz kann sich auch der SIG trotz dieses traurigen Bildes darüber freuen, dass seine Expertise in vielen Kantonen und Grossstädten anerkannt ist.
Am 27. Januar, dem internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, jährte sich zum 80. Mal die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. In der Schweiz beteiligten sich zahlreiche Städte, Gemeinden und Institutionen an der vom SIG organisierten Gedenkaktion und beleuchteten an diesem Abend ihre Rathäuser und andere repräsentative Gebäude zum Gedenken an die Opfer der Schoah. Ralph Friedländer reiste zusammen mit Bundespräsidentin Karin Keller-Suter und zwei Schweizer Überlebenden nach Polen, um an der offiziellen Gedenkfeier in Auschwitz teilzunehmen.
Bessere Finanzen
Ein weiterer Grund zur Zufriedenheit ist die finanzielle Lage der Dachorganisation. Die Jahresrechnung des SIG für 2024 weist einen Gewinn von über 1,5 Millionen Franken aus, während im Budget ein Verlust von über 400 000 Franken veranschlagt war. Drei Gründe erklären dieses Ergebnis: erstens eine Erbschaft, zweitens ein aufgrund der Börsenlage deutlich über dem Budget liegendes Anlageergebnis und drittens zweckgebundene Spendeneingänge. Eine dem SIG in Form von Wertpapieren und liquiden Mitteln zugeflossene Erbschaft belief sich auf rund 1,8 Millionen Franken und wurde als ausserordentlicher Ertrag verbucht. Eine weitere Schenkung in Form einer Unternehmensbeteiligung wurde der Stiftung für die Zukunft des SIG zugewiesen. Gemäss dem Willen des Erblassers wird das Vermögen als Fonds verwaltet, dessen Erträge zur Finanzierung von Projekten des SIG beitragen. Der SIG musste allerdings Sparmassnahmen ergreifen, nachdem er im letzten Jahr zwei Millionen Franken Verluste schrieb.