romandie 25. Jul 2025

Gegen Israel, aber nicht gegen Russland

Das Kino Bio will das jüdische Filmfestival verbannen.

Die Absage an das jüdische Filmfestival im Bio-Kino im Genfer Carouge sorgt für Aufruhr – mit offenem Ausgang.

Vor zwei Wochen berichtete tachles, dass der Direktor des Kinos Bio in Carouge, Genf, das traditionelle jüdische Filmfestival in Genf nicht zulassen möchte. Seitdem gab es verworrene Erklärungen und Empörung. Die CICAD arbeitet an einer Strafanzeige.

Die schriftliche Absage des Festivals das Geneva International Jewish Film Festival (GIJFF) argumentiert mit Äusserungen des Direktors des Kinos Bio, wonach «das Verhalten der israelischen Führung einen schwarzen Schleier über alle Tugenden der jüdischen Kultur wirft». Die CICIAD reagierte und sagte: «Diese Argumentation – auch wenn sie später mit Bedauern geäussert wurde – stellt einen direkten Zusammenhang zwischen einem internationalen Konflikt und der Legitimität einer Minderheitenkultur in der Schweiz her.» Dies sei eine offensichtliche Verquickung, die sie unverblümt anprangern müsse, heisst es in ihrer Pressemitteilung weiter.

Wahlkampf
Unter Druck gesetzt, kritisiert und sichtlich überrascht von dieser Kontroverse, versuchte der Direktor des Bio, sich zu entschuldigen, ohne jedoch seine Entscheidung zurückzunehmen. Politiker mischten sich ein, darunter Nicolas Walder. Auf der Website Watson legte der Grünen-Nationalrat und voraussichtlich gewählte Kandidat für den Genfer Staatsrat noch einmal nach: «Ich sage es gleich vorweg: Ich bin gegen Zensur und Selbstzensur. Es ist wichtig, jede Form von Antisemitismus zu bekämpfen. Jüdische Kulturen müssen sich ausdrücken können», und weiter: «Andererseits muss man die Empfindlichkeit der Einwohner von Carouge berücksichtigen, die entsetzt sind über die nach internationalem Recht potenziell völkermörderischen Handlungen der israelischen Armee in Gaza. In dieser Zeit würden sie es vielleicht nicht verstehen, wenn man die jüdische Kultur positiv darstellt, die heute leider von vielen mit der Politik Netanjahus gleichgesetzt wird.»

«Bedauerliche Äusserungen», nannte dies Irma Danon, Organisatorin des Festivals, die bereits überrascht war, dass kein Genfer Politiker sich über diese schädliche Verwirrung aufgeregt hat. «Das gibt es nur in der Westschweiz. In der Deutschschweiz stehen die Politiker geschlossen auf, um dies zu verurteilen», bedauert sie weiterhin auf Watson.

Der für Kultur zuständige Verwaltungsrat der Stadt Carouge, Patrick Mützenberg, erklärte, er nehme die Angelegenheit sehr ernst. Diese Verquickung habe ihn schockiert. Er wolle erst alle Seiten anhören, bevor er sich zu den Fakten und dem weiteren Vorgehen äussere. Ein Termin mit dem Bio sei bereits für Anfang August vereinbart. Er möchte auch mit der Festivalleitung und der CICAD zusammentreffen. Das Thema wird dann an den Stiftungsrat weitergeleitet. Die Subventionen der Stadt Carouge können unter keinen Umständen Entscheidungen unterstützen, die Ausgrenzung oder Diskriminierung bedeuten.

Jüdische Kultur ist Kafka
Elie Elkaim, Präsident der Israelitischen Gemeinde von Lausanne und des Kantons Waadt, reagierte in der «Tribune de Genève»: «In Genf hat das Bio-Kino beschlossen, das jüdische Kulturfestival, das es seit Jahren programmiert hatte, nicht zu veranstalten. Der Grund? Der Krieg in Gaza und das Verhalten der israelischen Regierung, das als unvereinbar mit dem Image des Ortes angesehen wird. Diese Geste, die moralisch sein soll, verwechselt eine jahrtausendealte Kultur – geprägt von Denken, Schaffen und Dissidenz, oft entstanden aus Leid – mit der Politik eines Staates. Diese Verwechslung ist keineswegs harmlos: Es handelt sich um einen Akt der Ausgrenzung und eine Form des Antisemitismus.

Die jüdische Kultur ist nicht die israelische Regierung. Sie ist Kafka, dessen Erzählungen viel mehr von universeller Entfremdung handeln als von Geopolitik. Sie ist Leonard Bernstein, der Mahler in tranceähnlicher Ekstase dirigiert, in einer Musik, die alle Grenzen überschreitet. Sie ist Amos Oz, ein klarer Kritiker der israelischen Politik, dessen Bücher von den Zerrissenheiten eines Landes auf der Suche nach seiner Seele erzählen. Sie ist Hannah Arendt, deren rigoroses Denken über die Banalität des Bösen hilft, die Auswüchse der Macht zu verstehen …

Zur jüdischen Kultur gehören auch Filmemacher, die die Welt im Bann gezogen haben: Steven Spielberg, Stanley Kubrick, die Coen-Brüder, Barbra Streisand, Mel Brooks – Namen, die das Genfer Kino zweifellos noch immer projiziert, es sei denn … Es ist Philip Roth, der weit mehr über Sexualität, Schuld und die amerikanische Identität schrieb als über Israel. Es ist George Gershwin, der Jazz und klassische Musik wie kein anderer verschmolzen hat. Es ist Leonard Cohen, der in einer Poesie, die sich viele Völker zu eigen gemacht haben, von Liebe, Verlust und Gnade gesungen hat.»

Russische Filme sind nicht verboten
Weiter schreibt Elkaim, «Das Kino Bio bezieht keine Stellung gegen einen Krieg. Es entscheidet sich dafür, Stimmen zu löschen, Akzente zu übertönen, Nuancen auszublenden. Keine andere Kultur wird so aufgefordert, für die Handlungen einer Regierung Grade zu stehen. Russische Filme wurden nicht verboten. Der iranische Film wird trotz der Hinrichtungen von Frauen und Kindern auf den Plätzen von Teheran weiterhin gefeiert.»

In einer Erklärung, in der «Tribune de Genève» dankt das GIJFF «allen, ob öffentlich oder nicht, die das Festival unterstützten und ihre Weigerung bekundet haben, eine solche Tat zu akzeptieren. Die Mission des Internationalen Festivals der jüdischen Kulturen in Genf ist ausschließlich kultureller Natur, und wir werden uns daran halten. Wir bereiten uns mit Begeisterung auf die Ausgabe 2026 vor und konzentrieren uns nun voll und ganz auf dieses eine und einzige Ziel.»

Edgar Bloch