Pro-palästinensischer Widerstand gegen den Eurovision Song Contest von Basel versetzt Jüdinnen und Juden in Alarmbereitschaft
Auf sozialen Medien rufen pro-palästinensische Gruppen zu Protesten gegen die israelische Teilnahme am European Songcontest (ESC) von Mitte Mai auf – und zur gezielten «Eskalation für Gaza». Unter dem Namen «ESC.alate4Palestine» wurden ein Instagram- und ein Telegram-Kanal eingerichtet, über die Aktionen gegen den Grossevent koordiniert und zum Boykott aufgerufen wird. Im Fokus der Aktivisten steht die Teilnahme Israels am Wettbewerb.
In einem Aufruf der Gruppe heisst es: «Die Teilnahme Israels ist inakzeptabel. Der ESC und Basel unterstützen und legitimieren Völkermord, Apartheid und Besatzung.» Für die Woche vom 11. bis 17. Mai ist eine umfassende «Aktionswoche gegen den ESC» angekündigt – mit Protesten beim Basler Rathaus während der Eröffnung, Demonstrationen vor der St. Jakobshalle während dem Halbfinale mit israelischer Beteiligung sowie einer gros-sen Kundgebung am Barfüsserplatz parallel zum Finale. Auch soll die Stadt mit Palästina-Fahnen, Bannern, Stickern und Graffiti sichtbar markiert werden. «Zeigen wir die ganze Woche Präsenz und Widerstand. Freiheit und Solidarität für Palästina – Israel ist in Basel nicht willkommen», heisst es in den Aufrufen, die öffentlich einsehbar sind. Dass Basel eine besondere Bedeutung zukommt, zeigt ein Blick auf andere Eurovision-Veranstaltungen dieses Jahr: In Oslo, Amsterdam, Manchester, London und Madrid kam es zu keinen nennenswerten Zwischenfällen.
Verpolitisierung des Wettbewerbs
Brisant ist die persönliche Geschichte der israelischen ESC-Vertreterin Yuval Raphael. Sie überlebte den Hamas-Überfall auf das Nova-Musikfestival am 7. Oktober 2023, indem sie sich stundenlang unter Leichen versteckte – ein Aspekt, der in den Protestaufrufen unerwähnt bleibt.
Angesichts der angespannten Stimmung warnt die Organisation NAIN (Never Again Is Now – Nie wieder ist jetzt) Switzerland, die sich gegen Antisemitismus einsetzt, nun in einem offenen Brief an die Basler Regierung vor Bedrohungen für Künstlerinnen und Künstler sowie für die Besucherinnen und Besucher des Eurovisions. Besonders die israelische Delegation müsse geschützt werden, heisst es. Man verweist auf die Erfahrungen von Malmö im Jahr zuvor, wo die Proteste gegen die israelische Teilnehmerin Eden Golan teils bedrohliche Ausmasse angenommen hatten. In Basel müsse es nun oberste Priorität haben, präventive Massnahmen zu treffen, um Störungen zu verhindern und allen Gästen ein sicheres, unbeschwertes Fest zu garantieren. «Unser Ziel ist es, dass Basel ein fröhliches, unbeschwertes und apolitisches Musikfest ausrichtet – ein Fest, bei dem die Freude an der Musik im Vordergrund steht und Menschen aus aller Welt ihre Begeisterung ohne Angst ausdrücken können», heisst es in dem offenen Brief. Die Behörden werden aufgefordert, «mit der nötigen Sorgfalt, Entschlossenheit und Weitsicht» zu handeln, um die Sicherheit zu gewährleisten.
Polizei zurückhaltend
Die Kantonspolizei Basel-Stadt nimmt die Lage äusserst ernst und verfolgt die Entwicklungen aufmerksam, wie sie auf Anfrage von tachles mitteilt. Eine kontinuierliche Lagebeurteilung der Sicherheit im Zusammenhang mit dem ESC sei im Gang, so der Mediensprecher des Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt. In diesem Rahmen wurden auch die Aufrufe der Gruppe «ESC.alate4Palestine» registriert. Bislang seien aber keine Bewilligungsgesuche für diese Protestaktionen eingegangen, weshalb eine Einschätzung zu möglichen Entwicklungen und Szenarien deshalb nicht vorweggenommen werde. Was sich hinter dieser formalen Anfrage verbirgt, bleibt indessen unklar. Denn die Organisatoren haben mit der Stadt-Basel frühzeitig angekündigt, dass sie Zustände wie am ESC von Malmö im letzten Jahr nicht zulassen werden. Damals wurden neben massiven Protesten die israelischen Künstler an Leib und Leben bedroht. Gleichzeitig betont die Polizei, dass die Sicherheit der Bevölkerung und aller Beteiligten oberste Priorität habe. Man setze alles daran, ein Höchstmass an Schutz zu gewährleisten – bei möglichst geringem Eingriff in die persönlichen Freiheiten. Das Recht auf freie Meinungsäusserung müsse gewahrt bleiben, ebenso die körperliche Unversehrtheit aller Gäste und Teilnehmer.
Wie sich die Situation in Basel entwickelt, bleibt abzuwarten. Klar ist: Der ESC 2025 wird für die Stadt zur Bewährungsprobe – und zum Test, ob Hass und Gewalt der verbindenden Kraft der Musik weichen können.