schweiz 20. Jun 2025

Angespannt, aber nicht bedrohlich

Nach dem israelischen Angriff auf Iran sorgt sich auch die jüdische Gemeinschaft in der Schweiz um ihre Sicherheit – der Schweizerische Israelitische Gemeindebund hat eine Mail mit Sicherheitshinweisen an seine Mitgliedsgemeinden geschickt.

Ein Newsletter der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ) liess die Mitglieder der Gemeinde aufhorchen. Darin wird aus aktuellem Anlass auf die Sicherheitsrichtlinien verwiesen. Nach dem Angriff Israels auf Iran in die Lage angespannt. Zur Sicherheitslage in der ICZ möchte deren Präsident Jacques Lande aber keine Auskunft geben, denn: «Mitteilungen im Newsletter richten sich ausschliesslich an die Gemeindemitglieder.» Auch die Präsidentin der Israelitischen Gemeinde Basel, Steffi Bollag, sagt: «Wir bleiben unserem Grundsatz treu, medial zu Sicherheitsfragen keine Stellung zu nehmen.»

Angespannte Sicherheitslage
Wie aber steht es um die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft in der Schweiz? Eine Unsicherheit ist vorhanden, das ist spätestens seit einer Mail klar, die der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) an seine Mitgliedsgemeinden versendet hat. «Die Sicherheitslage in Europa bleibt angespannt, insbesondere angesichts von Hinweisen auf Aktivitäten von Akteuren mit Verbindungen zum Iran in gewissen Ländern», sagt SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner. Auch wenn dem SIG derzeit keine konkrete Bedrohungslage für jüdische Einrichtungen in der Schweiz bekannt sei, empfahl er angesichts der aktuellen Lage erhöhte Wachsamkeit. Kreutner ergänzt: «Auch wenn es gerade im Moment nicht danach aussieht, dass der Iran fähig oder willens wäre, Ziele ausserhalb Israels anzugreifen, ist Vorsicht immer noch die beste Option.»

Die Sicherheit beschäftigt auch die Gemeinden, die nicht Mitglied im SIG sind. Susi Saitowitz, Generalsekretärin der Jüdischen liberalen Gemeinde Or Chadasch (JLG) in Zürich, sagt: «Sicherheit ist natürlich immer ein Thema.» Die JLG aber habe keine neuen Hinweise betreffend Sicherheit an ihre Gemeindemitglieder gesendet. «Aber selbstverständlich sind die ICZ und die JLG weder in Bezug auf die Räumlichkeiten noch auf die Anzahl der Mitglieder zu vergleichen», so Saitowitz. Die Gemeinde habe aber immer wieder feststellen können, dass das Sicherheitsbewusstsein ihrer Mitglieder hoch sei. Dennoch: «Sollte sich die Lage verschärfen, werden wir natürlich die nötigen Informationsmassnahmen ergreifen.»

Bei den Kantonen nachgefragt, erfährt man, dass sie die aktuelle Situation nicht als bedrohlich ansehen. So sagt Roger Bonetti, Mediensprecher der Kantonspolizei Zürich: «Die Kantonspolizei Zürich verfolgt die Lage aufmerksam. Wir sind mit verschiedenen Partnerorganisationen im Austausch, in der Stadt Zürich natürlich vor allem mit der Stadtpolizei. Zur Zeit sind keine direkten Bedrohungen erkennbar.» Zu Schutzmassnahmen kann er allerdings keine Angaben machen. Adrian Plachesi, Leiter Abteilung Kommunikation im Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt, betont, dass Kantonspolizei Basel-Stadt grossen Wert auf die Sicherheit der jüdischen Gemeinde in Basel legt. Er sagt: «Es ist verständlich, dass im Rahmen des Krieges mit dem Iran auch die Sorgen der hiesigen Jüdinnen und Juden zunehmen, die Kantonspolizei stellt auch einen entsprechend höheren Gesprächsbedarf mit unserer polizeilichen Kontaktperson für die jüdische Gemeinde fest.» Es gebe allerdings keine Hinweise auf eine konkrete Bedrohung der jüdischen Gemeinde, auch nicht aufgrund des Krieges mit Iran. Ganz allgemein jedoch erachte der Nachrichtendienst des Bundes die allgemeine Terrorbedrohung in der Schweiz schon seit längerer Zeit als erhöht. «Diese Lageeinschätzung fliesst natürlich in die konkreten Massnahmen der Polizei ein, über die wir aus taktischen Gründen nicht kommunizieren», so Plachesi.

Eine gewisse Verunsicherung
Er verweist darauf, dass der Staat Israel aufgrund des Krieges allen Jüdinnen und Juden weltweit gewisse Verhaltens- und Sicherheitsempfehlungen abgegeben hat und diese auch zu einer gewissen Verunsicherung in Basel beigetragen haben könnten: «Allerdings sollte man beachten, dass diese Empfehlungen in gewissen Ländern sicher Sinn machen, aber nicht unbedingt 1:1 auf die Schweiz oder die lokale Situation in Basel übertragbar sind», sagt er.

Auch in Bern nimmt die Polizei das Thema Sicherheit ernst. Cindy Schneider, Mediensprecherin der Kantonspolizei, sagt: «Bern ist eine sichere Stadt, in der wir erfreulicherweise nur wenige Vorfälle diesbezüglich verzeichnen.» Es sei unbestritten, dass Israel aktuell in verschiedene Konflikte involviert ist, was in der Bevölkerung zu Emotionen führen könne. Je nach individueller Betroffenheit könnten sich daraus auch Spannungen ergeben. «Wir beobachten die Lage deshalb mit der gebotenen Wachsamkeit und Aufmerksamkeit.

Die Sicherheit der Bevölkerung hat für uns oberste Priorität. Wir möchten jedoch betonen, dass die aktuelle Empfehlung zur erhöhten Wachsamkeit von Seiten des SIG ausgesprochen wurde und nicht von der Kantonspolizei Bern ausgeht», so Schneider.

Wie aber schätzt der Nachrichtendienst des Bundes die aktuelle Lage ein? Dessen stellvertretender Chef Kommunikation und Mediensprecher Christoph Gnägi sagt auf Nachfrage, für eine öffentliche Einschätzung sei es noch zu früh. Und er erklärt: «In der Schweiz ist Sicherheit eine Verbundaufgabe verschiedenster Behörden von Bund und Kantonen. Zuständig für den Schutz diplomatischer Einrichtungen sowie völkerrechtlich geschützter Personen in der Schweiz ist fedpol zusammen mit den jeweiligen Kantonspolizeien; für private oder öffentliche Einrichtungen und Massnahmen im öffentlichen Raum sind es die Kantonspolizeien.»

Noch keine Einordnung
Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) leiste als sicherheitspolitisches Instrument einen zentralen Beitrag. Er stehe generell und auch in Bezug auf die aktuellen Ereignisse im engen Austausch mit diesen Stellen und beschaffe laufend Informationen, er analysiere diese und erstelle Beurteilungen zur Bedrohungslage. Gnägi sagt: «Der NDB verfolgt die Lageentwicklung im Nahen und Mittleren Osten rund um die Uhr und stellt seine Erkenntnisse den politischen Entscheidträgern und den Sicherheitsbehörden zur Verfügung. Dies sind vorab der Bundesrat und die sicherheitspolitischen Gremien; ebenso zählen andere Bundesbehörden sowie die Kantonspolizeien dazu.» Denn diese Stellen müssen fundierte Entscheidungen treffen können, um die Schweiz und die hier lebenden Menschen sowie Schweizer Staatsangehörige und Schweizer Interessen im Ausland zu schützen. Der NBD ist also dran, kann aufgrund der aktuellen Geschehnisse aber noch keine Einordnung kommunizieren. Es scheint aber klar: Die Lage ist angespannt, sie wird von den Kantonspolizeien aber aktuell nicht als bedrohlich für die jüdische Gemeinschaft in der Schweiz empfunden.
 

Valerie Wendenburg