Litauen kippt Pläne für jüdische Gedenkstätte.
Eine Entscheidung der litauischen Regierung sorgt international für scharfe Kritik: Ministerpräsident Gintautas Paluckas hat angekündigt, den sowjetischen Sportpalast in Vilnius künftig als Konferenzzentrum zu nutzen – und damit langjährige Pläne jüdischer Organisationen zunichtegemacht, das Gelände als würdige Gedenkstätte für den historischen Snipiskes-Jüdischen Friedhof zu gestalten.
Der Sportpalast steht auf dem Gelände eines der ältesten und bedeutendsten jüdischen Friedhöfe Osteuropas, wo bis zur Zerstörung durch die Sowjetmacht nach dem Zweiten Weltkrieg zahlreiche jüdische Gelehrte ihre letzte Ruhestätte hatten. Zu ihnen zählte auch der berühmte 18. Jahrhundert-Rabbiner Vilna Gaon, dessen Gebeine bereits 1949 umgebettet wurden.
Internationale jüdische Gruppen – darunter das American Jewish Committee (AJC) – hatten gemeinsam mit Litauens früherer Regierung ein Konzept erarbeitet, das die Umwidmung des Gebäudes in ein jüdisches Kultur- und Bildungszentrum vorsah. Die überraschende Kehrtwende der neuen Regierung bezeichnet der AJC nun als „Verstoß gegen zuvor international abgestimmte Vereinbarungen“. Man kritisiert, dass die jüdische Geschichte des Ortes künftig allenfalls durch eine symbolische Erwähnung berücksichtigt werden solle.
«Dies käme einer Entweihung gleich und wird als Affront gegenüber der jüdischen Gemeinde weltweit empfunden», sagte AJC-Direktor Rabbi Andrew Baker. Er hoffe auf ein Umdenken und kündigte Gespräche mit internationalen Partnern an, darunter auch der US-Botschaft in Litauen.
Die Entscheidung belastet das ohnehin sensible Verhältnis Litauens zur jüdischen Erinnerungskultur und wirft Fragen zur Aufarbeitung der Holocaust-Vergangenheit des Landes auf.