Der Journalist und Intellektuelle wurde 95 Jahre alt.
Seine ideologische Wandlung vom Linken zum Neocon gilt als paratypisch für eine ganze Generation jüdischer Denkern und Autoren in New York, die ihren Weg in der Grossen Depression häufig am gebührenfreien City College in Disputen über Trotzki und Stalin begannen und im Lauf der 1960er Jahre einen «Neokonservatismus» entwickelten. Diese Richtung baute auf Amerika als Bollwerk von Freiheit und Demokratie weltweit – dies im Schulterschluss mit einem starken und selbstbewussten Israel. Mit dem am Dienstag verstorbenen Norman Podhoretz hat die einflussreiche Denkschule eine zentrale Figur verloren. Er wurde 95 Jahre alt.
Podhoretz war ab 1960 über 35 Jahre lang Herausgeber des vom American Jewish Committee gegründeten Magazins «Commentary». Zunächst setzte Podhoretz die liberale Tradition des Magazins fort, kritisierte aber bald den im Zug des Vietnamkrieges aufbrandenden Radikalismus an amerikanischen Universitäten. Er wandte sich auch gegen die zunehmende Kritik an Israel und dessen Besetzung palästinensischer Gebiete auf der Linken nach dem Sechstagekrieg von 1967.
Sein Freund und intellektueller Verbündeter Irving Kristol hat ihn in einem bekannten Zitat als «Liberalen, der von der Realität eingeholt wurde» charakterisiert. Unter seiner Ägide wurde «Commentary» Plattform für Debatten um Bürgerrechte in den USA, aber auch immer wieder um die Bedrohung durch den Sowjet-Kommunismus. Podhoretz agitierte gegen die Entspannungspolitik der USA gegenüber Russland nach dem Kollaps der Sowjetunion und für militärische Interventionen nicht zuletzt im Irak 2003.
Israel war ein zentrales Thema für den praktizierenden Juden, der über Jahrzehnte der Gemeinde Or Zarua in Manhattan verbunden war. Podhoretz war überzeugt, dass Israel sowohl für die Sicherheit der Juden als auch für die Interessen der USA unerlässlich sei und argumentierte für dessen militärische Operationen. Hoffnungen auf eine friedliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts gab er früh auf.
Podhoretz hat 2016 früh die Präsidentschaftskandidatur von Donald Trump unterstützt und brach so auch mit der Mehrheit der damaligen Konservativen . Das von Barack Obama 2015 ausgehandelte Atomabkommens mit dem Iran war für ihn «eine der katastrophalsten Handlungen, die je ein amerikanischer Präsident begangen hat».
Bis zu seinem Rücktritt als Herausgeber von Commentary im Jahr 1995 hatte Podhoretz auch in einer Reihe von gesellschaftlichen Fragen konservative Ansichten vertreten und sich gegen Abtreibung und die Rechte von Homosexuellen ausgesprochen. Er distanzierte sich auch von seinen früheren liberalen Ansichten zur Einwanderung und sagte 2019, dass die heutigen Einwanderer nicht die gleiche Assimilation anstrebten wie die Generation seiner Eltern.
Podhoretz wurde 1930 in Brooklyn als Sohn jüdischer Immigranten aus Galizien geboren, die Eltern sprachen jiddisch und der Vater war als Milchmann tätig. Der Verfasser zahlreicher Bücher hinterlässt vier Kinder, 13 Enkel und 16 Urenkel. Seine Frau, die Kommentatorin und Feminismus-Kritikerin Midge Decter Podhoretz, ist 2022 verstorben (Link).