Jüdische Zustimmung muss Zohran Mamdani erst noch gewinnen. Nur ein Drittel der jüdischen Gemeinschaft hat den demokratischen Sozialisten als Bürgermeister von New York City unterstützt.
Mit einer kleinen, aber symbolisch bedeutsamen, absoluten Mehrheit der Stimmen – und dies bei einer ausserordentlich hohen Wahlbeteiligung – konnte Zohran Mamdani am Dienstag eine kreative, bürgernahe und von Enthusiasmus der Jungen und Minderheiten in New York City getragene Kampagne krönen. Aber die schwierigsten Herausforderungen hat der erste Muslim und Immigrant der ersten Generation als Bürgermeister der grössten Stadt Amerikas sicherlich noch vor sich. Neben einer Erfahrung als Manager dürften ihm Kenntnisse der ebenso komplexen wie gigantischen Bürokratie der City fehlen – um hier nur offensichtliche Probleme zu nennen. Dazu kommt, dass Trump ihm noch am Wahltag erneut den Kampf angesagt hat. Da die City angefangen bei der maroden Bahn-Infrastruktur auf Bundesmittel in Milliardenhöhe angewiesen ist, könnte der Präsident dem frisch gebackenen Stadtvater viele Steine in den Weg legen.
Mamdani hat gleichwohl bereits am Mittwochmorgen die weicheren Töne seiner letzten Wahlkampfwochen abgelegt und an einem Lunch mit der Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez betont, er habe nun ein Mandat und werde dementsprechend angefangen bei Steuererhöhungen für Reiche seine ambitionierte Agenda umsetzen. Zuletzt hatte er dabei Flexibilität signalisiert. Immerhin weiss Mamdani aber, dass er die Unterstützung der jüdischen Gemeinschaften und damit einem starken Zehntel der Bevölkerung von rund zehn Millionen Menschen erst noch gewinnen muss.
Denn laut ersten Analysen konnte er nur ein Drittel der jüdischen Stimmen gewinnen, die überwiegend den ex-Gouverneur Andrew Cuomo unterstützt haben. Mamdani gewann deutlich in Brooklyn und in jüngeren Wahlbezirken im Westen von Queens sowie in Teilen Manhattans. Cuomo konnte die orthodox geprägten und von Senioren bewohnten Viertel Borough Park und Riverdale für sich entscheiden.
Mamdani zog laut einer CNN-Befragung mit seiner Kritik an der Besatzungspolitik, dem «Völkermord» Israels in Gaza und dem Versprechen Gleichgesinnte an, den israelischen Premier Netanyahu bei einem Besuch am Hudson zu verhaften und an das Internationale Strafgericht in Den Haag zu überstellen. Eine knappe Hälfte seiner Wähler bezeichneten diese Haltung als Faktor für ihre Unterstützung. Im Juli hatte Cuomo seine Niederlage gegen Mamdani bei den demokratischen Vorwahlen nicht zuletzt mit dessen Stärke bei jüngeren, jüdischen und auch pro-palästinensischen Stimmbürgern erklärt.
Gleichzeitig konnte Mamdani daneben auch noch in letzter Minute eine Fraktion der Satmar-Chassidim gewinnen (Link). Ansonsten schlug Mamdani nach dem Wahlsieg von jüdischen Organisationen mitunter an Feindseligkeit grenzende Skepsis entgegen. So lancierte die Anti-Defamation League (ADL) einen «Mamdani Monitor», also eine Initiative zur «Überwachung» der Politik, der Personal- und der Haushaltsentscheidungen der kommenden Stadtverwaltung. Dazu soll eine Hotline zur Meldung von Antisemitismus-Vorfällen kommen. Die ADL will die Meldungen der Hotline für einen öffentlich zugänglichen Tracker von Massnahmen der Mamdani-Administration nutzen, welche die Sicherheit der jüdischen Gemeinde gefährden könnten – etwa bei der Bildungspolitik, Budgetprioritäten und Sicherheitsmassnahmen. So entdeckte Probleme sollen zur Mobilisierung der New Yorker Bevölkerung dienen und Gefahren für die jüdische Gemeinde vorbauen. Das Unterfangen mutet ambitioniert an und legt die Frage nahe, ob ein Mamdani-Monitor dringender geboten ist, als eine entsprechende «Beobachtung» der Trump-Regierung oder des wachsenden Einflusses von Rechtsextremisten in der MAGA-Basis des Präsidenten.
ADL-Chef Jonathan Greenblatt erklärte den Monitor indes damit, dass Mamdani während seines gesamten Wahlkampfs «antisemitische Narrative verbreitet hat, die mit Personen in Verbindung stehen, die eine antisemitische Geschichte haben und eine intensive Feindseligkeit gegenüber dem jüdischen Staat an den Tag legen, die den Ansichten der überwältigenden Mehrheit der jüdischen New Yorker widerspricht» (Link).
Allerdings sahen neben der ADL auch das American Jewish Committee und der Gemeindeverband Jewish Community Relations Council von einer offiziellen Gratulation an Mamdani für seinen Sieg ab und erklärten stattdessen gemeinsam: «Die New Yorker haben gesprochen und Zohran Mamdani zum nächsten Bürgermeister gewählt. Wir verstehen, dass die Wähler von einer Reihe von Themen bewegt werden, aber wir können nicht ignorieren, dass der designierte Bürgermeister Kernüberzeugungen vertritt, die fundamental im Widerspruch zu den tiefsten Überzeugungen und den wichtigsten Werten unserer Gemeinde stehen.» Dennoch wolle man mit allen Regierungsebenen zusammenarbeiten, um die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft zu gewährleisten.
Überraschend versöhnlich gab sich mit Bill Ackman indes ein entschiedener Gegner Mamdanis. Der Finanzier hatte sich stark für einen Sieg Cuomos engagiert, erklärte aber schon in der Wahlnacht: «@zohranmamdani, herzlichen Glückwunsch zum Sieg. Jetzt tragen Sie eine grosse Verantwortung. Wenn ich New York City helfen kann, lassen Sie es mich einfach wissen.» Auch die Die landesweite «Democratic Majority for Israel» gratulierte Mamdani, fügte aber hinzu: «Wir appellieren an ihn, der Erfüllung seiner Wahlversprechen zur Kostensenkung Priorität einzuräumen und nicht aussenpolitischen Themen, die für den Alltag der meisten New Yorker irrelevant sind.»
Harscher fielen Reaktionen pro-israelischer Influencer auf Social Media aus. So schrieb Yehuda Teitelbaum auf X: «Das stärkste Gefühl, das ich im Moment empfinde, ist Verrat» und der durch seine Antisemitismus-Klage gegen Harald bekannt gewordene Shabbos Kestenbaum griff gleich zum Hamas-Hammer und tönt ironisch: «Laut dem Gesundheitsministerium in Gaza hat Zohran Mamdani gerade mit sage und schreibe 312 % der Stimmen gewonnen.» Laut dem «Forward» lösen derlei Töne jedoch Kontra aus. So hielt der ehemalige Tablet-Autor Zack Schrieber dagegen: «Das ist genau die Art von absolutem Wahnsinn, der den Zionismus weiter an den Rand der amerikanischen Politik drängen wird. Er ist nicht nur kontraproduktiv, sondern geradezu zerstörerisch für die langfristigen Interessen des jüdischen Volkes.»
Ob die diese Aufregung um Mamdani zu oder abnimmt, wird natürlich am Schluss von seiner Politik und seinen Prioritäten als Bürgermeister abhängen. Dann sollte auch erkennbar werden, ob die von Mamdani-Gegnern heraufbeschworene «Massenflucht der Juden aus New York City» Realität geworden ist. Darauf stellt sich der prominente Rabbiner Marc Schneier als Leiter der orthodoxen Hampton Synagogue ein. Er will für Mamdani-Flüchtlinge in diesem exklusiven Terrain im Osten von Long Island eine erste, jüdischen Tagesschule gründen: «Dies geschieht in Erwartung der Tausenden jüdischen Familien, die in die Hamptons und den weiteren Bezirk von Suffolk County auf Long Island strömen werden, um dem antisemitischen Klima in Mamdanis New York City zu entfliehen.»