Wachsende Kritik in und ausserhalb des jüdischen Staates an der Kriegsführung der Netanyahu-Regierung.
In einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der italienischen Zeitung «La Repubblica» hat der israelische Schriftsteller David Grossman Israel einen «Völkermord» in Gaza vorgeworfen. Der prominente Autor und Friedensaktivist schliesst sich damit einer wachsenden Zahl jüdischer Stimmen und Organisationen, die in den letzten Wochen immer lauter Kritik an der Kriegsführung der Netanyahu-Regierung erheben.
Grossman hat seinen Sohn 2006 während seines Dienstes in der israelischen Armee im Libanon verloren. In dem Interview erklärt er, der Vorwurf sei ihm nur mit «grossem Schmerz und gebrochenem Herzen» über die Lippen gekommen: «Jahrelang habe ich mich geweigert, dieses Wort zu verwenden. Aber jetzt, nach den Bildern und Informationen, die ich gesehen, gelesen und von Menschen gehört habe, die dort waren, muss ich es verwenden.»
Der Vorwurf sei besonders brisant, wenn er auf den jüdischen Staat angewendet werde. Israel sei nach dem Holocaust entstanden, für den der Begriff «Völkermord» geprägt wurde: «Allein das Wort `Völkermord´ in Bezug auf Israel, auf das jüdische Volk auszusprechen, allein die Tatsache, dass diese Verbindung überhaupt hergestellt werden kann, sollte uns zeigen, dass mit uns etwas ganz Schlimmes passiert.»
Es bleibt abzuwarten, ob Grossmans Kommentare die Diskussion in Israel verändern. Er hat bereits 2010 erklärt, seine Kritik an der Besetzung der West Bank sei nach dem Tod seines Sohnes missverstanden worden: «Es gab Leute, die mich für einen naiven Linken hielten, der seine eigenen Kinder niemals zur Armee schicken würde… Diese Leute mussten erkennen, dass man Israel gegenüber sehr kritisch und dennoch ein integraler Bestandteil des Landes sein kann» (https://www.jta.org/2025/08/01/israel/novelist-david-grossman-says-israeli-is-committing-genocide-in-gaza-joining-a-rising-chorus).