Das Jüdische Logbuch 06. Sep 2019

Verpasste Chancen

Luzern, September 2019. Feierlichkeiten täuschen oft über Realitäten hinweg und so auch an der dieswöchigen Jubiläumsveranstaltung zu 70 Jahren diplomatischer Beziehungen zwischen der Schweiz und Israel (vgl. Seite 17). Angekündigt waren einst die Präsidenten beider Staaten. Gekommen sind die beiden Aussenminister. Zwei Ansprachen, Stehcocktail und dann Zubin Mehtas Abschiedskonzert im Rahmen des Lucerne Festival bildeten das Programm. Wer vor diesem Anlass erwartet hat, dass nationale und kantonale Parlamentarier oder Vertreter von Exekutiven und gerade auch eine Grosszahl von Mitgliedern der Nahostfokussierten Kommissionen oder Freundeskreise präsent sein würden, wurde von einer Realität belehrt, die generell im Umfeld von Israels Lobbyarbeit anzutreffen ist: Viele Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Gesellschaft fehlen zusehends. Oft wird das Feld gar christlichen bis evangelikalen Freundeskreisen überlassen, auf die alleine sich Israel in der politischen Arbeit nicht verlassen sollte. Dies gilt darüber hinaus für die Vertretung der jüdischen Organisationen und Verbände. Es fehlten viele Vertreter von jüdischen Gemeinden und Organisationen, Jugend war schon gar nicht anzutreffen und ein Phänomen wurde einmal mehr sichtbar, dass für viele in der Arbeit rund um und für Israel negativ evident geworden ist: Die A-Liste politischer, kultureller, jüdischer oder anderer Exponenten ist nicht mehr präsent. Das mag viele Gründe haben, begonnen bei der Einladungsliste. Wer aber mit viel Aufwand Jubiläen aus dem Boden stampft, die nicht mal solche sein müssen, sollte diese nicht zum Selbstzweck, sondern zur Kür erheben. Dann werden sie legitim.

Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.

Yves Kugelmann