das jüdische logbuch 19. Jun 2020

Lynchmorde und Magnolien

Basel, Juni 2020. Im Jahre 1937 schrieb der jüdische Songwriter und Schrifsteller Abel Meeropol «Strange Fruit», den Text der Stunde, und komponierte eine Melodie dazu. 1939 sang Billie Hollidday das Lied über Lynchmorde an Afroamerikanern erstmals im New Yorker Café Society und wurde mit ihrer eindringlichen Interpretation weltberühmt.

«Die Südstaaten-Bäume tragen merkwürdige Früchte,
Blut auf den Blättern und Blut an der Wurzel.
Schwarzer Körper baumelt im Südstaaten-Wind;
Merkwürdige Früchte hängen von den Pappeln.

Idyllische Szene im prächtigen Süden
Die hervorgetretenen Augen und der entstellte Mund.
Magnolienduft, süss und frisch,
Und plötzlich der Geruch von verbranntem Fleisch.

Dies ist eine Frucht, die von Krähen zerrissen,
Vom Regen benetzt, vom Winde verweht,
Von der Sonne versengt, vom Baume fallen wird,
Dies ist eine merkwürdige und bittere Frucht.»

Offiziell beendete der Sezessionskrieg 1965 die Sklaverei in den USA, doch Stigmatisierung, Ausgrenzung, Ungleichheit ist nie verschwunden und in grossen Teilen Amerikas tief verankert geblieben. Die Bürgerrechtsbewegungen der 1960er-Jahre kämpften dagegen an wie heute die Protestbewegungen auf Amerikas Strassen. In diesen Tagen berichteten US-Zeitungen von zwei Lynchmorden. Die Hintergründe sind noch nicht geklärt. Der Magnolienduft wird noch lange auf sich warten lassen.

Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM JüdischenMedien AG.

Yves Kugelmann