Adam Raz 05. Sep 2025

Israels Selbstverständnis mitgestalten

Adam Raz ist Historiker, Aktivist, Menschenrechtsverteidiger und Forscher am Institut für die Erforschung des israelisch-palästinensischen Konflikts. Er ist der Ansicht, dass Historiker nicht nur in der Akademie sitzen und Archive wälzen sollten, sondern auch an der Neugestaltung der Realität selbst mitwirken sollten. Seine Produktivität als Schriftsteller ist geradezu phänomenal. Er hat drei Bücher über Atomwaffen veröffentlicht, Prosa und ein Theaterstück geschrieben, ist jedoch vor allem für sein bahnbrechendes Werk «The Road to October 7th» bekannt, ein Buch von beispielloser Dringlichkeit, das in den zwei Monaten nach diesem dunklen Tag verfasst wurde und in dem er Binyamin Netanyahus Rolle bei der Herbeiführung des schrecklichsten Moments seit der Gründung des Staates Israel offenlegt. In diesem Monat hat Raz zusammen mit Assaf Bondy «The Lexicon of Brutality» veröffentlicht. Das Buch versammelt 150 hebräische Einträge, die aus dem am 7. Oktober begonnenen Krieg hervorgegangen sind und nachzeichnen, wie die Sprache selbst dazu benutzt wird, den Krieg und den Völkermord in Gaza zu normalisieren. Die hebräische Sprache wird seiner Ansicht nach zu einem Instrument der Rechtfertigung. Neben scheinbar banalen Einträgen wie «Hamas», der sowohl erklärt, wer die Terroristen der Hamas sind, als auch, wie Netanyahu ab 2018 mit Geld aus Katar gefüllte Koffer an die Hamas weiterleitete, um die Palästinensische Autonomiebehörde zu schwächen. Man findet Begriffe wie «Demonstration», «Waffenstillstandsabkommen» oder sogar «Bougie Herzog». In diesem Eintrag erklärt das Lexikon, wie Israels Präsident alles in seiner Macht Stehende tat, um Netanyahus Herrschaft zu festigen, den endlosen Krieg fortzusetzen und damit sowohl den Völkermord als auch die Hungersnot in Gaza zu normalisieren. Noch düsterer wird es mit dem Eintrag «Die moralischste Armee der Welt», ein Ausdruck, der von Journalisten, Kommentatoren, Ministern, Knesset-Abgeordneten und normalen Bürgern immer häufiger verwendet wird, gerade jetzt, wo die Zerstörung Gazas immer grösser wird und immer mehr Beweise dafür vorliegen, dass der Völkermord sowohl sinnlos als auch endlos ist. Bereits 16 000 Kinder wurden durch israelische Luftangriffe getötet. Weitere unvermeidliche Einträge sind «humanitäre Hilfe für Gaza», begleitet von Berichten über verzweifelte Palästinenser, die bei dem Versuch, diese Hilfe zu erreichen, getötet oder verletzt wurden, insbesondere in den letzten Monaten.

Redaktion