Paris Saint-Germain (PSG) ist nach zahlreichen vergeblichen Anläufen auf dem Gipfel Europas angekommen. Eine 5:0-Abreibung, wie sie das Team von Coach Luis Enrique letztes Wochenende dem FC Internazionale Milano verpasste, gab es noch nie im Finale der Champions League, dem wichtigsten Turnier im europäischen Club-Fussball. Auch neutrale Zuschauer waren begeistert vom spektakulären Auftritt.
Was anschliessend in der französischen Hauptstadt und an anderen Orten des Landes geschah, war dagegen ein Tiefpunkt der nicht gerade wenigen mit Fussball verbundenen Ausschreitungen der letzten Jahre. Nach aus dem Ruder gelaufenen Feiern starben zwei Menschen, Hunderte wurden nach Auseinandersetzungen mit der Polizei und Plünderungen festgenommen. Aus Paris selbst gab es schon vor dem Match Übergriffe zu berichten: drei Synagogen, das Schoah-Monument und ein jüdisches Restaurant wurden mit grüner Farbe beschmiert.
Einen Zusammenhang zwischen den Ausschreitungen und dem Spiel muss es nicht zwangsläufig geben. Ebenso wenig ist erwiesen, dass der Match für die Ausschreitungen mehr als ein zufälliger Auslöser war. Fakt ist zugleich aber, dass gerade die Anhängerschaft von PSG einen eindeutigen Ruf hat, wenn es um den Nahost-Konflikt geht. «Nous sommes tous les enfants de Gaza» skandierten Fan-Gruppen, die vor dem Match mit einer palästinensischen Fahne durch München zogen, wo das Finale stattfand. Auch beim französischen Cup-Finale kurz zuvor ertönte der Ruf aus dem Pariser Block.
In München wurde dort ein Banner mit der Aufschrift «Stop Genocide a Gaza» entrollt. Schon im Herbst, während der Anfangsphase des Turniers, machten PSG-Fans in einem Match gegen Atletico Madrid mit einem riesigen «Free Palestine»-Banner von sich reden, wobei das I von «Palestine» ein Gebiet in der Form Israels bedeckt mit einer Keffiyeh zeigte. Solche Solidaritätsbekundungen sind kein Einzelfall in der Szene. Aktuell fallen etwa auch bei Spielen der just zum belgischen Meister gekürten Union St. Gilloise aus Brüssel zahlreiche Palästina-Flaggen ins Auge.
Brisant ist freilich die Konstellation eines Clubs wie PSG in der Stadt mit der grössten jüdischen Bevölkerung Europas und einer Gesellschaft, in der die Judenfeindlichkeit grassiert und durch antisemitische Morde und Terrorattacken in den letzten Jahren mehrere jüdische Menschen ums Leben kamen. Einem Club, in den die Qatar Sports Investment nach der Übernahme 2011 mehr als zwei Milliarden Euro steckte, um das ultimative Ziel zu erreichen, den Gewinn der Champions League, welches eines der Höhepunkte des Sportswashing-Projekts des autoritären Emirats ist.
Zugleich ist Katar der Ort, an dem mit der letzten Fussball-WM der Männer nicht nur das Modell solcher Mega-Events in undemokratischen Gastgeberländern etabliert wurde; das übernächste Turnier findet 2034 in Saudi-Arabien statt. Während jener Wochen im Winter 2022 erlebte die palästinensische Fahne auf den Rängen der extra errichteten Luxus-Arenen zu «Free Palestine»-Rufen auch ihre popkulturelle Wiedergeburt, während sämtliche andere politische Bekundungen, vor allem natürlich gegen das katarische Regime gerichtete, streng verboten waren und oppositionelle iranische Fans von anwesenden Revolutionsgarden eingeschüchtert wurden.
Popkultur waren die Merchandising-Produkte von PSG auch schon vor dem Finale. Der jüngste Gipfelsturm dürfte diesen Effekt noch verstärken und damit eine Fankultur weiter verbreiten, die sich mit dem vermeintlichen palästinensischen Underdog identifiziert, mit autoritären, stinkreichen Geldgebern allerdings noch nie ein Problem hatte und einen äusserst einseitigen Blick auf den Nahost-Konflikt propagiert.
Tobias Müller ist Benelux-Korrespondent von tachles und lebt in Amsterdam.
standpunkt
06. Jun 2025
PSG, Katar und Gaza
Tobias Müller