Hans von Greyerz 30. Mai 2025

Verteidiger der liberalen Staatsidee

In einem wissenschaftlichen Beitrag in der «Berner Zeitschrift für Geschichte» erinnert der Historiker Jacques Picard an den Berner Universitätsprofessor Hans von Greyerz. Dieser stammte aus einem alten Berner Geschlecht und nahm als junger Historiker in der Zeit des Zweiten Weltkrieges eine besondere, bis anhin nicht bekannte Rolle im zeitgeschichtlichen Geschehen ein. Durch die Darstellung seiner Person kommt die damals klandestine «Eidgenössische Gemeinschaft» ans Tageslicht; sie war 1940, als die Wehrmacht sich anschickte, Europa zu überrennen, aus der sogenannten Offiziersverschwörung hervorgegangen, welche sich gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland zu Widerstand verpflichtet hatte und das Gedankengut der antisemitischen Fronten scharf ablehnte. Die geheimbündische Gemeinschaft als ziviler Arm wollte den Widerstandsgeist im Sinne des liberalen Staatsgedankens demokratie- und sozialpolitisch stärken und wandte sich gegen jeglichen «kollektiven Totalitarismus». Von Greyerz trug mitten im Krieg und während der Schoah als noch junger Historiker mit seinen – nur als Manuskript und in Protokollen erhaltenen – Vorträgen zur Verteidigung der Emanzipation der Juden bei. Er analysierte die «Judenfrage» von der Antike bis in seine Gegenwart scharfsichtig als falsches und für die Schweiz gefährliches antisemitisches Konstrukt. Bereits früh nach Ende des Krieges fiel auch in seiner Festschrift zum 600. Jahrestag des Beitritts Berns zur Eidgenossenschaft die Flüchtlingspolitik von Bundesrat Eduard von Steiger kritisch aus. Als sich 1953 deswegen Bundesrat Markus Feldmann auf Seiten von Steigers einmischte, widerstand von Greyerz allen Druckversuchen. In seiner standfesten Haltung war von Greyerz überdies durch die Verwandtschaft seiner Ehefrau Heidi mit der Familie von Augustin Keller, dem einstigen Kämpfer für die Gleichstellung der Juden, familiär disponiert. Als späterer Rektor der Universität nannte er Moritz Lazarus, der als jüdische Geistesgrösse gilt und um 1870 der Berner Universität als Rektor vorgestanden hatte, als Vorbild für die Reform dieser Hochschule. Die Rolle des 1970 früh verstorbenen Hans von Greyerz ergänzt das historische Bild jener seltenen Verteidiger des Schweizer Judentums und der Flüchtlinge, in Bern etwa Carl Albert Loosli oder Hermann Böschenstein, um eine gewichtige sozialliberale Stimme im zeitgeschichtlichen Geschehen. Das Bild zeigt den jungen Historiker Hans von Greyerz in der Zeit des Zweiten Weltkrieges.

«Hans von Greyerz» von Jacques Picard in der «Berner Zeitschrift» für Geschichte Nummer 01/2025.

Redaktion