JERUSALEM 12. Jun 2025

Akademischer Boykott – oder doch nicht?

Nachdem die Uni Genf ihre Partnerschaft mit der Hebräischen Universität Jerusalem beendet hat, stellt sich die Frage, wie die Situation sich an anderen Schweizer Unis verhält – ein Augenschein.

Das Unverständnis war gross, als die Uni Genf Anfang Juni bekannt gab, ihre strategische Partnerschaft mit der Hebräischen Universität in Jerusalem aufzugeben. Tatsächlich konnte der Schritt wie ein Einknicken der Uni vor den propalästinensischen Stimmen wirken, die seit mehr als einem Jahr einen akademischen Boykott Israels fordern. Ist der Schritt der Uni Genf nun tatsächlich politisch motiviert gewesen? Und wie verhalten sich andere Hochschulen in der Schweiz?

«Kein akademischer Boykott»
Auf Anfrage von tachles sagt Antoine Guenot, Pressesprecher der Uni Genf, bei dem Schritt handle es sich «keinesfalls um einen akademischen Boykott, der sich gegen bestimmte Institutionen richtet». Dies hatte auch die Rektorin Audrey Leuba klargestellt (vgl. tachles 23/25). Die Entscheidung, die sogenannten «strategischen» Partnerschaften zu beenden, sei vielmehr Teil einer «umfassenden und langfristigen Reflexion» über die Kooperationen der Uni, so Guenot. Von den sieben als «strategische Partnerschaften» bezeichneten Vereinbarungen waren fünf bereits abgelaufen, die beiden anderen seien inaktiv gewesen. Guenot betont, dass es bereits seit 2022 keine Projektausschreibung mit der Hebrew University of Jerusalem gegeben habe: «Da diese Art von Vereinbarungen offensichtlich nicht den Bedürfnissen der akademischen Gemeinschaft entspricht, wurde beschlossen, sie aufzugeben.» Und er betont, dass die internationale Zusammenarbeit zwischen Forscherinnen und Forschern in einem multilateralen als auch in einem bilateralen Rahmen «selbstverständlich fortgesetzt und weiterentwickelt» werden könne, sowohl in einem multilateralen als auch in einem bilateralen Rahmen.

Auch anderswo keine Kooperationen
Seit mehr als einem Jahr findet an vielen Unis in der Schweiz eine vehemente Debatte über den Krieg in Gaza statt. Unis wurden besetzt und die Aktivisten fordern eine Beendigung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit Israel. In der Romandie waren und sind die pro-palästinensischen Forderungen deutlich massiver als in der restlichen Schweiz (tachles berichtete). Vor diesem Hintergrund lässt die beendete Kooperation aus Genf erst einmal aufhorchen. Blickt man an die ETH nach Zürich, stellt sich die Situation aber gar nicht so anders dar. Doris Lujanovic, von der Hochschulkommunikation an der ETH Zürich sagt zu tachles, auf institutioneller Ebene habe die ETH Zürich ein Memorandum of Understanding mit einer israelischen Institution, namentlich dem Weizmann Institute of Science: «In diesem Rahmen liefen bis Ende Oktober 2024 drei gemeinsame Projekte. Es gab keine weiteren Ausschreibungen und solche sind im Moment auch nicht geplant.» Grundsätzlich unterliege die Wahl der Forschungsthemen und, bei Kooperationen, der Forschungspartner immer der Forschungsfreiheit der einzelnen Professuren. Es bleibt aber festzuhalten, dass auch die ETH aktuell keine Kooperationen auf institutioneller Ebene mit Israel unterhält.

Auch die Uni Bern unterhält aktuell auf Ebene der Gesamtinstitution keine Forschungszusammenarbeit mit israelischen Universitäten. Die Austauschabkommen im Bereich des Studierendenaustausches seien aber derzeit aktiv. Konkret gebe es ein Programm mit der Hebräischen Universität Jerusalem wie auch mit der palästinensischen Birzeit-Universität. Brigit Bucher, Media Relations Uni Bern, sagt auf Nachfrage: «Eine Beendigung der Zusammenarbeit mit israelischen akademischen Institutionen würde eine massive Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit bedeuten, was jeglichen akademischen Werten widersprechen würde. Einen solchen Ausschluss von Personen oder Institutionen, die Teil der akademischen Gemeinschaft sind, toleriert die Universität Bern nicht.» Dies gelte für sämtliche akademischen Institutionen. Dennoch: Auf institutioneller Ebene gibt es auch hier aktuell keine Kooperationen, ebenso wie an der Uni Freiburg.

Anders kann es – bei allen abgefragten Unis – im Bereich der Forschungskooperationen aussehen, da die Institute und Zentren Verträge selbständig abschliessen. Sie werden zumeist auch nicht zentral erfasst. An der Uni Bern lässt sich aber aufgrund der Finanztransaktionen feststellen, dass auch auf diesem Gebiet aktuell «keine grössere Forschungszusammenarbeit mit israelischen Institutionen besteht».

Die Uni Basel unterhält aktuell ein bilaterales Abkommen mit der Tel-Aviv-Universität. Mediensprecher Matthias Geering sagt zu tachles: «Die Einstellung von Forschungskooperationen und dem Studierendenaustausch mit Israel wird an der Universität Basel aktuell nicht diskutiert.» Falls diese Kooperationen zur Debatte stehen würden, so würde die Universität Basel auf Basis von akademischen und nicht von politischen Argumenten entscheiden.

Gegen akademischen Boykott
Genf ist nicht die einzige Uni, die derzeit keine institutionellen Kooperationen mit Israel pflegt. Es ist aber davon auszugehen, das Forschungsprojekte mit israelischen Unis aktiv sind, die allerdings nicht zentral erfasst werden.

Nachdem bekannt wurde, dass die Uni Genf ihre Kooperation mit der Universität in Jerusalem beendet, schrieb der Verein zur Unterstützung und Förderung jüdischer Hochschulangehöriger in der Schweiz (JUMS): «Gerade die Universitäten Israels gehören seit jeher zu den Kräften, die für Demokratie und Koexistenz einstehen.» Aktuell gibt es keine Belege dafür, dass in der Schweiz institutionelle Kooperationen bewusst aufgrund des Krieges in Gaza beendet wurden und werden. Die JUMS schreibt, im Fall der Uni Genf handele es sich «um einen ausschliesslich politischen Akt und ein Einknicken vor einer übergriffigen antiisraelischen Fraktion von Universitätsmitgliedern». Die Uni weist den Vorwurf von sich.
 

Valerie Wendenburg