USA – Israel 05. Okt 2025

«Ziemlich viel Optimismus im Weissen Haus»

Khalil al-Hayya
Eine Hamas-Delegation unter Khalil al-Hayya ist im ägyptischen Sharm-el-Sheik eingetroffen.

Steigende Spannung und offene Fragen am Vorabend der Gaza-Verhandlungen auf Sharm-el-Sheik.

Am Sonntagabend Ortszeit war eine Hamas-Delegation unter Khalil al-Hayya im ägyptischen Sharm-el-Sheik auf der Sinai-Halbinsel eingetroffen. Dort sind bereits Vermittler aus Ägypten und Katar für die anstehenden, indirekten Gespräche zwischen Hamas, sowie Israel und den Amerikanern.

Delegationen aus Israel unter dem Netanyahu-Vertrauten Ron Dermer und ein amerikanisches Team geführt von Jared Kushner und Steve Witkoff sollen heute Montag an dem Touristen-Ort eintreffen. Laut dem CNN-Analysten Barak Ravid herrscht zumindest im Weissen Haus «ziemlich viel Optimismus» auf einen Durchbruch auf einen Waffenstillstand am Vorabend des zweiten Jahrestages des Überfalls der Hamas-Terroristen auf Israel. Am Freitag gibt das schwedische Nobel-Komitee zudem den Preisträger des Friedenspreises bekannt – ein grosser Wunschtraum Trumps.

Trumps Zuversicht dürfte auch Verhandlungstaktik sein. Der US-Präsident setzt alle Seiten seit Tagen erheblich unter Druck und hat der Hamas am Samstag in einem Text-Austausch mit dem CNN-Moderator Jake Tapper «völlige Vernichtung» im Falle mangelnder Kompromissbereitschaft angedroht. Trump soll Netanyahu bereits am Freitag am Telefon in Reaktion auf Bedenken des Premiers zu der Hamas-Reaktion auf Trumps Gaza-Konzept angeherrscht haben: «Du bist immer so verdammt negativ!» Netanyahu solle die verhaltene Zustimmung der Islamisten als «seine Chance auf einen Sieg» wahrnehmen und müsse mit Trumps Plan «einverstanden sein. Er hat keine Wahl. Mit mir muss man einverstanden sein», so Trump am Samstag gegenüber «Axios» (https://www.axios.com/2025/10/05/trump-netanyahu-call-gaza-peace-deal-hamas).

Ravid führt den Optimismus Trumps auch auf den internationalen «Aufschrei» über den fehlgeschlagenen, israelischen Angriff auf al-Hayya und weitere Hamas-Führer in Katar im September zurück. Dies sei «für zu viele Menschen einfach zu viel und eine Brücke zu weit» in Richtung einer unkontrollierbaren Eskalation des Gaza-Krieges gewesen. Trump habe darin eine Chance gesehen, seinen Einfluss auf Netanyahu auszuüben und die Kriegsparteien an den Verhandlungstisch zu drängen.

Am Sonntag teilte der israelische Geiselkoordinator deren Familien mit, man werde die Gespräche mit «voller Hingabe und Entschlossenheit führen», um die Geiseln frei zu bekommen, von denen 20 vermutlich noch am Leben seien. Dazu kommen die Leichen von mindestens 25 weiteren Geiseln (https://www.cnn.com/world/live-news/israel-gaza-hamas-trump-10-05-25).

Allerdings bleiben viele Fragen offen. Israel hat am Sonntag das Verlangen Trumps und seines Aussenministers Marco Rubio nach einer Einstellung von Bombardements auf Gaza wenn, dann nur teilweise erfüllt. Die Attacken sollen etwa 20 weitere Todesopfer gefordert haben, darunter erneut Kinder. Rubio sagte am Sonntag im US-TV, die nächste Verhandlungsphase über den Gaza-Plan Trumps würde schwieriger werden. Nun gehe es um heikle Themen wie die Entwaffnung der Hamas und die Bildung einer neuen Regierung für Gaza unter Ausschluss der Terror-Gruppe. Allerdings habe die Hamas «dem Rahmenwerk des Präsidenten zur Freilassung der Geiseln zugestimmt.»

Die Gespräche dürften zunächst den Austausch der verbleibenden Geiseln in Gaza gegen palästinensische Gefangene und einen israelischen Rückzug aus Teilen des Gazastreifens diskutieren. Rubio deutete an, dass grundlegende Fragen wie eine Nachkriegsordnung in Gaza noch deutlich grössere Schwierigkeiten böten und deshalb später aufgegriffen werden sollen.

Allerdings blieb am Sonntag unklar, ob die Hamas der Freilassung der Geiseln zustimmen würde, bevor ein umfassendes Abkommen zur Beendigung des Krieges abgeschlossen ist, da sie die Gefangenen als ihr wichtigstes Druckmittel gegenüber Israel ansieht. Trump hat am Sonntag jedoch erklärt, der Plan könne bei Bedarf «immer noch geändert werden».

Trumps Vorschlag sieht die Rückgabe aller überlebenden Gefangenen und der in ihrem Besitz befindlichen Leichen durch die Hamas innerhalb von 72 Stunden nach der Zustimmung Israels zum Waffenstillstand sowie einen israelischen Rückzug aus Teilen Gazas vor. Der Plan enthält zudem die Schaffung einer palästinensischen Regierung unter der Aufsicht eines internationalen «Friedensrats», dessen Vorsitzender Trump wäre, sowie die Bildung einer aus ausländischen Kräften rekrutierten Nachkriegs-Sicherheitstruppe und die Entwaffnung der Hamas.

Hamas-Vertreter äusserten Vorbehalte gegen die Abgabe ihrer Waffen und die Präsenz einer internationalen Sicherheitstruppe. Doch selbst der erste Schritt, der Austausch von Geiseln gegen palästinensische Gefangene und ein israelischer Rückzug, dürfte laut Analysten Schwierigkeiten bereiten.

Der Plan sieht vor, die Geiseln gegen 250 lebenslänglich inhaftierte Palästinenser und 1.700 während des Krieges von Israel inhaftierte Gaza-Bewohner auszutauschen. Israel würde zudem für jeden toten Israeli die Leichen von 15 Gaza-Bewohnern übergeben.

Sowohl israelische als auch Hamas-Vertreter erklären, dass die Terroristen mehr Zeit zur Bereitstellung der vermutlich in tiefen, unterirdischen Gängen festgehaltenen, lebenden Gefangenen und zur Ausgrabung von Leichen benötigen. Ein weiterer potenzieller Knackpunkt für ein Abkommen könnte das Ausmass des Rückzugs israelischer Streitkräfte aus ihren derzeitigen Stellungen im Gazastreifen sein.

In früheren Gesprächen hatte die Hamas dem Rückzug der israelischen Truppen in eine Pufferzone nahe der Grenze der Enklave zugestimmt. Die von Trump vorgeschlagenen Linien würden die israelischen Streitkräfte jedoch deutlich tiefer im Gazastreifen stationieren, was die Hamas ablehnen könnte. Dazu dürften Kontroversen über freizulassenden Palästinenser kommen. Darunter befinden sich viele, die wegen Angriffen auf israelische Zivilisten inhaftiert sind. Hamas-Vertreter haben in der Vergangenheit angedeutet, sie würden die Freilassung hochrangiger palästinensischer Führer wie Marwan Barghouti fordern – was Israel vermutlich ablehnen würde (https://www.nytimes.com/2025/10/05/world/middleeast/trump-israel-hamas-gaza.html).
 

Andreas Mink