Den Haag 11. Mai 2025

Schwere Vorwürfe gegen Karim Khan

Hat Karim Khan selbst Gesetz und Moral überschritten? 

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs soll eine Mitarbeiterin wiederholt zu Sex gezwungen haben.

Am Samstag hat das «Wall Street Journal» eine ausführliche Recherche zu Hintergründen der im Mai 2024 vom Internationalen Strafgerichtshof (ICC) gegen Binyamin Netanyahu und den damaligen Verteidigungsminister Israels, Yoav Gallant, sowie drei Hamas-Führer wegen mutmasslichen Völkermords erlassenen Haftbefehl publiziert. 

Demnach stand ICC-Chefankläger Karim Khan seinerzeit unter dem Druck einer internen Ermittlung aufgrund von Vorwürfen einer Mitarbeiterin, er habe sie wiederholt zu Sex gezwungen. Die namentlich nicht genannte Juristin stammt angeblich aus Malaysia, ist Muslima und zwischen 30 und 40 Jahre alt. Laut dem Bericht ist sie Frau verheiratet und Mutter. Sie habe ihren Job trotz des Missbrauchs durch Khan behalten, weil sie die Ermittlungen gegen Israel und Hamas für eine wichtige Rolle im Bereich der Menschenrechte halte und zudem wollte sie die medizinische Versorgung ihrer Mutter bezahlen. Ende April 2024 habe die Frau jedoch Kollegen am ICC unter Tränen von dem erzwungenen Sex berichtet. Dies gab Anlass für eine interne Ermittlungen gegen Khan. Er hat davon angeblich wenig später Anfang Mai 2024 erfahren.

Khan erklärte dem Journal durch seine Anwälte, es sei «kategorisch unwahr, dass er sich sexuellen Fehlverhaltens jeglicher Art schuldig gemacht» habe. Laut dem Bericht hat Khan die Haftbefehle gegen Netanyahu, Gallant und drei später von Israel getöteten Hamas-Führer nur zweieinhalb Wochen nachdem er von den Vorwürfen erfahren hatte, erlassen, also am 20. Mai 2024. Tags zuvor hatte Khan eine Informationsmission nach Israel und Gaza abgesagt, zu der ihn der damalige US-Aussenminister Tony Blinken bewegen wollte. Die USA hatten den ICC über Monate gedrängt, von Haftbefehlen gegen Netanyahu und Gallant abzusehen. Laut dem Journal hatte der prominente Anwalt Alan Dershowitz für den Besuch ein Treffen zwischen Khan und Netanyahu organisiert. 

Der Bericht zitiert ungenannte ICC-Mitarbeiter, wonach Khan die Haftbefehle aufgrund von Kalkulationen über die gegen ihn angelaufene, interne Ermittlungen zu den Missbrauchsvorwürfen erlassen habe. Dadurch habe er sich womöglich «die Unterstützung antiisraelischer Länder sichern wollen, falls die Vorwürfe öffentlich würden». Zudem hatte er der von ihm vergewaltigen Frau erklärt: «Denken Sie an die palästinensischen Haftbefehle» – diese seien im Falle eines Skandals um ihn selbst gefährdet. 

Die Juristin soll die Ermittlungen gegen Netanyahu, Gallant und die Hamas unterstützt haben. Angeblich erklärte sie selbst später gegenüber Kollegen, sie wolle das Haftbefehlsverfahren nicht durch eine Beschwerde schädigen. Medienberichte bringen zudem angebliche Aktivitäten des Mossad in Den Haag ins Spiel. Nähere Informationen dazu fehlen indes momentan.  Khan bleibt im Amt und der ICC hat anhin nicht auf eine Anfrage des Journals um eine Stellungnahme reagiert (Link).


 

Andreas Mink