Michel Friedman warnt beim Katholischen Medienpreis vor dem Verlust von Demokratie, Freiheit und Menschlichkeit
Im Münchner Künstlerhaus wurde am vergangenen Donnerstagabend (9. Oktober 2025) zum 23. Mal der Katholische Medienpreis verliehen, der gemeinsam von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), der Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten Deutschlands (GKP) sowie dem Katholischen Medienverband (KM.) vergeben wird.
Mit dem Hauptpreis wurde der Regisseur und Dramaturg Volker Heise für seinen ARD-Dokumentarfilm «Masterplan – Das Potsdamer Treffen und seine Folgen» geehrt. Bei dem Treffen hatten «rechtsextreme Aktivisten, gemeinsam mit Politikern und Unternehmern Pläne für eine umfassende Remigration von Migranten, aber auch von deutschen Staatsbürgern» diskutiert, erinnerte die Bischofskonferenz in ihrer Pressemitteilung.
«Hass ist keine Meinung, sondern pure Gewalt»
Die bewegende und appellative Laudatio für Volker Heise hielt Michel Friedman, Jurist, Publizist und Philosoph sowie ehemaliger Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses. Er warnte, dass heute niemand sagen könne, «ob wir in fünf oder zehn Jahren noch in einer Demokratie leben". Nicht nur Wachsamkeit, sondern Widerstand und Widerspruch gegen Hass und Antisemitismus beziehungsweise die Ausgrenzung von Menschen seien gefordert.
«Es wird nicht nur aufgrund dieses Filmes deutlich, dass wir, die wir Zeugen unserer Zeit sind, nicht sagen können, wir hätten es nicht gewusst», so Friedman. Wir wüssten, dass es eine «Partei des Hasses» gebe. «Es wird unmöglich sein, sich die Hände in Unschuld zu waschen.» Hass sei hungrig und werde nie satt. «Hass ist keine Meinung, sondern pure Gewalt», betonte der 69-Jährige.
Die Menschen, bei denen sich Hass wiederfinde, seien keine Monster. «Es waren nie Monster und es werden auch nie Monster sein», die in der Lage seien, solche Dinge – wie die Diskussion um Remigration, Ausgrenzung und die Verbreitung von Hass – «dynamisch fortzusetzen».
Handelsvertreter der Freiheit sein
Die Würde des Menschen sei unantastbar, jeder sei jemand, erinnerte Friedman. Gleichzeitig müsse man zur Kenntnis nehmen, dass es eine Partei und ihre Anhänger gebe, die dazu «Nein» sagten, führte Friedman aus, ohne die AfD konkret zu benennen. «Einige sind niemand (für sie) – und die sagen das mit leuchtenden Augen.» Die 75 Prozent der Bevölkerung «mit ihren leuchtenden Augen für die Demokratie und für die Freiheit» sollten jeden Tag als «Handelsvertreter der Freiheit» unterwegs sein, um in der Familie, im Verein oder im Job, mit Nachbarn und Freunden über das Grundgesetz und die Demokratie zu sprechen – vor allem dann, wenn man merke «hier stimmt etwas nicht».
Die Demokratie werde nicht mehr nur angegriffen, sie sei dabei zu zerbröseln, warnte Friedman und verband dies mit Kritik an Propaganda, mit der Kinder und Jugendliche in Sozialen Medien überschüttet würden. «Sind wir überzeugte Demokratinnen und Demokraten?», fragte Friedman. «Sind wir uns bewusst darüber, dass die Freiheit Verantwortung bedeutet?»
«Es geht nicht nur um Minderheiten»
Friedman verwies auf andere Länder, wie Ungarn und die USA, die zeigten, wie schnell es gehen könne, dass die Demokratie, die Freie Presse und die Kulturinstitutionen abgebaut würden. «Ich sage all das nicht, weil ich jüdischer Mensch bin», betonte Michel Friedman, «sondern, weil ich Mensch bin.» Es gehe bei den Forderungen nach Remigration und der weiteren Politik nicht nur um «schwule Menschen, schwarze Menschen, Roma-Sinti-Menschen» oder Frauen. «Wenn Sie das alles wegnehmen, ist (da) der Hass auf den Menschen. Und damit sind wir alle gemeint. Wann begreifen wir das endlich, dass es nicht um die erkennbaren Minderheiten geht?»
Und weiter: «Wir haben uns versprochen, dass in diesem Land nie mehr Menschen Macht haben sollen, die bestimmen wollen, wer Menschen sind.» Der Film von Volker Heise beweise, «dass es in diesem Land wieder Menschen gibt, die das sagen und Macht erreichen wollen», so Friedman. «Können Sie mir garantieren, dass in fünf bis zehn Jahren unser Land demokratisch ist?»
Zum Abschluss des Abends ergriff Friedman noch einmal das Wort und berichtete von einer Rede, die er im hessischen Landtag gehalten hatte. Zur AfD-Fraktion habe er damals gesagt: «Ich weiss, dass ich für Sie ein Niemand bin, aber Sie bleiben für mich ein Jemand.» Das unterscheide Demokraten von «den anderen», dass diese Menschen, «egal was sie machen oder sagen», ihre Würde behalten.
«Guter Journalismus ist wichtig für die Demokratie»
Ausgezeichnet wurden des Weiteren in der Kategorie Print die beiden Autoren Nico Schnurr und Dominik Stawski, die gemeinsam mit dem Fotografen Patrick Slesion im Magazin «Stern» die Reportage «Station 67» über die Kinderintensivstation der Medizinischen Hochschule Hannover veröffentlicht haben.
In der Kategorie Audio erhielt Nadine Thielen den Preis für ihren Podcast «Im Fall Stefanie – Eine von 155», erschienen in der ARD-Audiothek, über einen Femizid, bei dem die Ehe des vermeintlichen «Traumpaares» Stefanie und Stefan mit dem Mord an Stefanie endete.
Den Sonderpreis der Jury erhielt Sascha Gröhl für seine auf VOX erschienene Doku-Serie «Herbstresidenz» mit Tim Mälzer und André Dietz. In dem TV-Experiment übernimmt ein 170-köpfiges TV-Team mit den Promis sowie jungen Auszubildenden mit Behinderung drei Monate lang ein Caritas-Pflegeheim in Bernkastel-Kues. Gröhl berichtete bei dieser Gelegenheit, dass die Leitung des Hauses mittlerweile von vielen Caritas-Einrichtungen über ihre Erfahrungen befragt werde und dass das Beispiel Schule machen würde. Zudem kündigte er eine fünfte Folge der Serie an, in der Zuschauerinnen und Zuschauer sehen werden, wie es heute um die Protagonisten der Serie steht.
Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Publizistischen Kommission der DBK, nahm mit dem Juryvorsitzenden, Weihbischof Matthäus Karrer, die Ehrungen vor und würdigte die ausgezeichneten Beiträge für ihre kritische Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Angesichts nicht nur politischer Krisen, sondern auch des zunehmenden Drucks auf die Pressefreiheit betonte Marx die Bedeutung und den Wert eines unabhängigen, kritischen Journalismus.
Die Preisträger des Jahres 2025 hätten diesen Anspruch auf unterschiedliche Weise eindrucksvoll eingelöst: «Sie haben dort Aufmerksamkeit geschaffen, wo Missstände übersehen, verdrängt oder als gegeben hingenommen werden. Sie haben den Blick auf die Schwächsten und Hilfsbedürftigen gerichtet und zugleich Hoffnung gemacht: Hoffnung darauf, dass positive Veränderung möglich ist.» Gerade das sei bedeutsam in einer oft eher von negativen Schlagzeilen geprägten Medienarbeit, denn, so Kardinal Marx weiter: «Guter Journalismus fördert oft unbequeme Erkenntnisse zutage. Doch gerade die Tatsache, dass er Missstände aufdecken kann und Lebensgeschichten in den Mittelpunkt stellt, die sonst oft weniger beachtet werden, ist für unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung und unseren Zusammenhalt wichtig. Das zeigt auch die Verantwortung auf, die Journalistinnen und Journalisten tragen.»
Hildegard Mathies