New York 28. Jun 2025

Kontroversen um Mamdani

Der New Yorker Bürgermeisterkandidat Zohran Mamdani begrüßt seine Anhänger während einer Wahlparty in Queens.

Der Gewinner demokratischen Vorwahlen für das Bürgermeisteramt von NewYork City hat einen schweren Weg vor sich. 

Getragen von einer gut aufgestellten Basis-Organisation, dem Frust jüngerer Demokraten mit dem Parteiestablishment und persönlichem Charisma, hat Zohran Mamdani am Dienstag bei demokratischen Vorwahlen für das Bürgermeisteramt von NewYork City den ex-Gouverneur Andrew Cuomo überraschend deutlich aus dem Feld geschlagen. Sein Erfolg löst eine aufgeregte Debatte über die Zukunft der Partei und die Rolle von Antisemitismus und Feindseligkeit gegenüber Israel bei den Linksliberalen und landesweit aus.

Hier ist bedeutsam, das Mamdani aufgrund der für diese Stimmgänge typischen, niedrigen Beteiligung kaum zehn Prozent des Wahlvolks für sich gewinnen konnte. Eine aktuelle Umfrage vom Donnerstag sieht den 33-Jährigen bei den Wahlen im November Kopf an Kopf mit Cuomo bei je 39 Prozent, falls dieser als Unabhängiger antreten sollte. Verzichtet Cuomo darauf, würde Mamdani den amtierenden, enorm unbeliebten Eric Adams deutlich mit 46 zu 31 Prozent schlagen. Bei einem Re-Match mit Cuomo ohne Adams im Rennen sähe Mamdani jedoch mit 44 zu 40 Prozent recht schwach aus (Link).

 

Von einem breiten Mandat für revolutionäre Veränderung ist Mamdani daher weit entfernt. Da die City aufgrund des permanenten Tauziehens zwischen starken Gewerkschaften im öffentlichen Dienst, Unternehmens-Lobbies und weiteren, tief verwurzelten Interessengruppen ohnehin schwer regierbar ist, hätte Mamdani als Bürgermeister angesichts seines Mangels an Erfahrung ohnehin einen steilen Pfad vor sich. Er war daher klug genug, Ideen wie die Gründung städtischer Bodegas – also Eckläden in ärmeren Nachbarschaften, die statt Soda und Snacks auch Gemüse anbieten – als Experimente kleinen Formats anzukündigen. Ob er Sondersteuern für Reiche von zwei Prozent oder massive Investitionen in den öffentlichen Wohnungsbau wird durchsetzen können, ist ebenfalls unklar. Seine Sozialprogramme etwa für Kindertagesstätten sind insgesamt keineswegs radikal und bieten pragmatische, wenn auch teure Antworten auf landesweite Probleme – die in Ballungszentren wie New York noch brennender sind, als anderswo (Link).

Erscheint diese Programmatik Medien wie der «New York Times» und dem Murdoch-Blatt «New York Times» in rarer Übereinstimmung dennoch als extrem und unrealistisch, so wurde Mamdanis Haltung zu Israel zur wichtigsten Zielscheibe der Kritik. Er bezeichnet den Gaza-Krieg der IDF als Genozid und Netanyahu als Kriegsverbrecher. Gleichzeitig aber verspricht Mamdani erhebliche Anstrengungen für den Schutz jüdischer Gemeinschaften oder Institutionen vor Antisemitismus und er hat orthodoxen Gemeinden Unterstützung bei der umstrittenen Autonomie für die säkulare Erziehung an Yeshivas zugesagt. Und in zahllosen Interviews hat er Antisemitismus – fein separiert von Kritik an Israel – rundum verurteilt. Als Gliedstaats-Abgeordneter für Queens war der 33-Jährige indes Wortführer bei einer letztlich erfolglosen Kampagne gegen jüdische Stiftungen in New York State, die Siedlungen auf der Westbank oder die IDF unterstützen und dabei etwa Feuerwaffen für von der Biden-Regierung als Extremisten sanktionierte Siedler finanziert haben (Link).

Jedenfalls legt Mamdanis auf einer schmalen Wähler-Unterstützung fussender Erfolg tiefe Risse in der demokratischen Partei offen – und vertieft diese noch. Zu ideologischen und Generationen-Konflikten – seit Januar haben die Demokraten drei Kongresssitze durch Todesfälle verloren und damit der Trump-Agenda direkt in die Hände gespielt – kommt der Disput um Israel und Antizionismus. Hier erscheint er als erster Politiker, der die wachsende Abwendung von Israel im Zuge des Gaza-Kriegs nicht allein bei Linken und Jüngeren repräsentiert. Diese erreicht bei der demokratischen Basis insgesamt allmählich numerische Mehrheiten. 

Hier kommt ein Zusammenfluss von «antikolonialistischer» Kritik an Israel, Rufen nach sozialer Gerechtigkeit, Sanktionen gegen Reiche und Konzerne, etc, in den Blick, der aus den 1960er und 1970er Jahren in Westeuropa vertraut ist. Dass Wall Street-Grössen wie Peter Orszag, der von der Obama-Regierung in die Chefetage von Lazard gewechselt ist, nun Mamdani als Symbol für eine zunehmend antisemitische und antikapitalistische Orientierung seiner Partei attackieren, dürfte in das Bild der Linken passen (Link). 

Diese Debatten dürften anhalten. Dafür sorgt sicherlich auch die Tatsache, dass Mamdani so neu und frisch zumindest in der landesweiten Wahrnehmung ist. Er gibt sich anscheinend ernsthaft Mühe, auf Bürgerinnen und Bürger einzugehen; nimmt kritische Fragen auf und ernst; kann auf der Klaviatur der Social Media spielen und springt auch mal im dunklen Politiker-Anzug in den Hudson, um «virale Videos» zu produzieren. Aber wer ist Mamdani wirklich? Wo hört sein Pragmatismus auf? 

Während die kommenden Monate zeigen werden, ob sein Stern so schnell wieder verglüht, wie er aufgetaucht ist, so dürfte eines klar sein. Ob von Trump her mit der Unterstützung Israels gegen Iran oder den Sanktionen gegen Harvard und andere Universitäten aufgrund von Antisemitismus – oder von Links durch den Aufstieg Mamdanis: Israel und die Haltung zu Juden sind in einem Ausmass zentrale Themen der amerikanischen Politik geworden, das ganz neu ist. Attacken auf Mamdani allein dürften diesen Trend kaum stoppen.

 

Andreas Mink