Auf Island wird Chanukka zum Lichtblick für Islands kleine jüdische Gemeinschaft.
Es war bereits dämmrig, als am ersten Chanukka-Abend eine handvoll Menschen rund um die grosse Chanukka-Menora im Zentrum von Reykjavík zusammenkam. Der Regen fiel leise, der Wind trug die Kälte mit sich. Doch trotz der Witterung und der Abgeschiedenheit hier am nördlichen Rand Europas leuchteten die Kerzen — ein klares Zeichen: Gemeinschaft kann auch an den entlegensten Orten entstehen.
In Island, wo die Tage im Winter kaum Licht kennen, leben weniger als hundert Menschen, die sich selbst als jüdisch bezeichnen — etwa die Hälfte davon nahmen an der Zeremonie teil. Sicherheitspersonal in zivil, Überwachungsdrohnen und Polizisten in Bereitschaftsstärke begleiteten die Veranstaltung, ein ungewöhnliches Bild in einem Land, das laut weltweiten Friedensrankings zu den sichersten gehört.
Rabbi Avraham Feldman und seine Frau Mushky, die die Gemeinde geistlich und organisatorisch mittragen, begrüssten die Anwesenden mit ruhigen, festen Stimmen. Gefolgt wurde die Zeremonie von Þorgerður Katrín Gunnarsdóttir, Islands Aussenministerin, die selbst eine der Kerzen entzündete. Das gilt vielen als symbolisch starkes Zeichen der Solidarität in einem politisch sensiblen Moment.
«Die Attacke in Sydney erinnert uns daran, dass Dunkelheit nicht nur in Geschichtsbüchern existiert», sagte Feldman mit Blick auf den antisemitisch motivierten Anschlag auf eine Chanukka-Feier in Australien wenige Tage zuvor. «Chanukka lehrt, dass jeder von uns Licht und Positivität schaffen kann.»
Für manche in der isländischen Gemeinde hatte die politische Debatte über den Krieg im Nahen Osten und der breite Diskurs über Religion die Erfahrung des Jüdischseins in diesem Land verändert. Einige erzählten, sie hätten sich früher offener zu ihrem jüdischen Glauben bekannt — heute hingegen seien sie vorsichtiger, etwa wenn es darum geht, einen Chanukka-Leuchter sichtbar im Fenster zu platzieren.
Die Anwesenheit der Aussenministerin ging für viele weit über eine protokollarische Geste hinaus. Gerade in einem Land, dessen Regierung in internationalen Fragen oft kritisch gegenüber Israel auftritt, bedeutete ihr Auftritt eine wichtige Bestätigung: Auch eine kleine, isolierte Minderheit kann hier Raum und Anerkennung finden.
Judäisches Leben in Island hat keine jahrhunderte-alte Tradition. Es gibt keine historischen Synagogen und keine jüdischen Stadtviertel. Feiertage werden in angemieteten Räumen oder privaten Wohnungen begangen. Erst in den letzten Jahren liess sich ein Rabbiner dauerhaft nieder. Dennoch, so sagen viele Gemeindemitglieder, sei genau das Ziel: Selbst in der Peripherie Identität und Gemeinschaft zu schaffen — und gemeinsam Licht in die winterliche Dunkelheit zu bringen.
Jenna Gottlieb