Der Basler Filmproduzent ist heute Freitag in Jerusalem im Alter von 98 Jahren verstorben. Er verantwortete sechs Oscar-Filme. Damit verlieren die Filmwelt und die jüdische Gemeinschaft eine ihrer prägendsten Figuren.
Die Nachricht trifft die Welt des Films, Kultur und zahlreicher jüdischer und nichtjüdischer Gemeinschaften wie ein Schock: Heute Freitag ist Arthur Cohn nach einem erfüllten Leben und kurzer Krankheit im Familienkreis in Jerusalem verstorben, wie die Kinder gegenüber tachles bestätigen.
Lange war Arthur Cohn in der Schweiz nur wenigen ein Begriff. Doch sein filmisches Werk hatte da bereits Weltbedeutung. Sein Leben spielte sich in Italien, Los Angeles oder auf den Plattformen der internationalen Filmwelt ab – und dort oft hinter den Kulissen. Seine cineastische Handschrift war eine der Menschlichkeit. Geprägt von seinem Basler Elternhaus an der Austrasse und den Erfahrungen der Kriegsjahre jenseits der französischen Grenze, wurde er früh sensibilisiert. Der Vater Marcus unterstützte Flüchtlinge, die Mutter Rose engagierte sich mit poetischen und durchaus politischen Texten für das Cabaret Cornichon. Ein Haus, in dem liberaler Zionismus, bewusstes Judentum und weltlicher Humanismus stets hochgehalten wurden – und mit Rabbiner Arthur Cohn, der letztlich prägend war für Theodor Herzls Ruf nach dem Zionistenkongress. Die spätere Hochzeit mit Noemi Shapiro, Tochter des Staatsgründers Chaim Mosche Shapiro, sollte eine noch tiefere Bindung an Israel begründen – eine, die die Kinder Marcus, Nurith und Emanuel mit einem auf Basel zurückgehenden jüdischen Gelehrtentum in die Zukunft tragen.
Arthur Cohn gehörte zu jener seltenen Generation von Produzenten, die den Begriff des unabhängigen Produzierens inhaltlich ernst nahmen. Er verstand sich nicht als Finanzier, sondern als intellektueller Partner der Regisseure – als jemand, der Stoffe entwickelte, Risiken einging und Projekte über Jahre hinweg gegen Widerstände verteidigte. Seine Filme waren oft unbequem, politisch, moralisch herausfordernd – und gerade deshalb von bleibender Wirkung. Cohn glaubte an das Kino als Ort der Erkenntnis: als Medium, das Geschichte nicht illustriert, sondern befragt, und dem Publikum Zumutungen ebenso zutraut wie Verantwortung.
In seiner internationalen Karriere arbeitete Arthur Cohn mit herausragenden Filmschaffenden zusammen und prägte ein Werk, das in seiner thematischen Kohärenz einzigartig ist. Ob historische Traumata, politische Gewalt, Schuld und Erinnerung oder die Zerbrechlichkeit menschlicher Entscheidungen – Cohns Produktionen verbanden formale Präzision mit ethischer Tiefe. Dass seine Filme vielfach ausgezeichnet wurden, darunter mit mehreren Academy Awards, war für ihn nie Selbstzweck, sondern Bestätigung einer Haltung: dass Kino Relevanz haben müsse. Sein Produzententum war leise, beharrlich und von einer seltenen Loyalität gegenüber Stoffen und Menschen getragen – eine Haltung, die ihn zu einer moralischen Instanz der internationalen Filmkultur machte.
Zu Arthur Cohns aussergewöhnlichem Vermächtnis gehört ein in der Filmgeschichte nahezu einzigartiger Oscar-Palmarès. Als Produzent war er an sechs Filmen beteiligt, die mit dem Academy Award ausgezeichnet wurden – in unterschiedlichen Jahrzehnten, Ländern und Kategorien. Bereits früh produzierte er The Garden of the Finzi-Continis (1970, Regie: Vittorio De Sica), der 1972 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film gewann. Es folgten Journey of Hope (1990, Regie: Xavier Koller), ausgezeichnet 1991 als bester fremdsprachiger Film, sowie Dangerous Moves (1984, Regie: Richard Dembo), der 1985 ebenfalls den Oscar in dieser Kategorie erhielt. Mit Central Station (1998, Regie: Walter Salles) setzte Cohn seine Linie des humanistischen Kinos fort; der Film gewann 1999 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film und wurde zusätzlich für die beste Hauptdarstellerin nominiert. Den fünften Oscar erhielt Cohn für American Dream (1990) und den sechtsen Oscar schliesslich für den Dokumentarfilm One Day in September (1999, Regie: Kevin Macdonald), der 2000 als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde. Sein Film über die Schoa, The Final Solution, bewirkte nach der Arbeit von Claude Lanzmann erneut ein Bewusstsein für die Schrecken und die Aufarbeitung der Vergangenheit.
Abseits von Show und Glamour engagierte sich Cohn für viele Menschen und Hilfsprojekte, als Vermittler auch in politischen Fragen rund um Nahost. Über Jahrzehnte hinweg prägte er das jüdische Leben in der Schweiz wie kaum ein anderer – indem er sich einmischte. Die Delegiertenversammlungen des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes gewannen durch seine Interventionen an Brisanz und wurden über Jahrzehnte durch Cohns Intervention zu einem relevanten Diskussions- und Debattierort.
Die Beerdigung von Arthur Cohn findet am Samstagabend im engsten Familien- und Freundeskreis in Jerusalem statt.