Schweiz-Gaza 10. Jun 2025

Cassis macht sich eigenes Bild der Lage im Nahen Osten

Der Vorsteher des Eidgenössischen Departements Ignazio Cassis.

Aussenminister Ignazio Cassis ist am Dienstag in Israel eingetroffen für offizielle Besuche bei den israelischen und palästinensischen Behörden. 

Ignazio Cassis will am Mittwoch in Israel auch die Anliegen der humanitären Helfer im Gazastreifen mit dem israelischen Aussenminister thematisieren.
Zu Beginn seiner Visite in Jerusalem traf der Schweizer Aussenminister am Dienstag Vertreter von drei im Gebiet tätigen Organisationen. «Wir sind mit einem Informationskrieg konfrontiert», sagte der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) zu Beginn der Diskussion.
Am Tisch sassen die provisorische humanitäre Koordinatorin der Uno für die palästinensischen Gebiete, aber auch Verantwortliche des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) und des Uno-Büros für humanitäre Angelegenheiten (OCHA).
Eineinhalb Stunden später schien sich der sehr offene Dialog gelohnt zu haben: «Es war eine gute Diskussion», sagte EDA-Sprecher Nicolas Bideau der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. «Wir wurden detailliert über die Herausforderungen bei der Versorgung der Bevölkerung von Gaza mit humanitärer Hilfe durch Personen, die vor Ort arbeiten, aufgeklärt», sagte er. Diese «sind jeden Tag mit der israelischen Verwaltung konfrontiert».
Der nächste Schritt wird es nun sein, den israelischen Aussenminister Gideon Saar am Mittwochmorgen mit diesen Hinweisen zu konfrontieren.
Auch auf Seiten der humanitären Helfer wurde das Treffen als nützlich erachtet. Es konnte erklärt werden, warum die umstrittene Gaza Humanitarian Foundation (GHF) die humanitären Grundsätze nicht einhält und warum die Schweizer Öffentlichkeit dies wissen muss. Ausserdem gab es Informationen darüber, warum die wenigen internationalen Lastwagen, die am Kerem-Shalom-Übergang ankommen, die Hilfsgüter nicht verteilen können, weil die Sicherheitsbedingungen angesichts der aktuellen Situation nicht mehr gegeben sind.
In der vergangenen Woche erntete Cassis zunehmend Kritik. Dies insbesondere, als er begründen wollte, warum die Schweiz sich nicht einem Brief von 20 europäischen Staaten angeschlossen hatte, in dem gefordert wurde, dass die Hilfe im Gazastreifen von der Uno und humanitären Organisationen gesteuert werden sollte.
Der Tessiner war der Ansicht, dass das Schreiben von Vornherein den israelischen Plan, die Verteilung der Hilfsgüter über die umstrittene Gaza Humanitarian Foundation (GHF) zu kontrollieren, ablehnte. Bei den ersten Verteilungen von Hilfsgütern durch GHF wurden mehrere Dutzend Menschen getötet. GHF ist in den USA ansässig und hatte eine nicht funktionsfähige Filiale in Genf angemeldet.
Während der Beschuss der israelischen Armee zugeschrieben wurde, meinte der Bundesrat, dass man "nie wissen" werde, wer wirklich verantwortlich sei.
Ein weiterer Kritikpunkt von Parlamentsmitgliedern und Nichtregierungsorganisationen war, dass der EDA-Vorsteher seiner Linie treu blieb und weiterhin Israel sowie die Hamas gleich verurteilte. Viele forderten eine stärkere Verurteilung Israels aufgrund der Luftangriffe und der Blockade humanitärer Hilfe.
Kritik an den Bundesrat kam auch aus diplomatischen Kreisen. Dutzende ehemalige Schweizer Botschafter und Hunderte von EDA-Mitarbeitern werfen Cassis vor, dass er keinen ausreichend scharfen Ton gegenüber der israelischen Haltung anschlägt.
Am Mittwochmorgen trifft sich der Bundesrat mit dem palästinensischen Premierminister Mohammad Mustafa und anschliessend mit dem israelischen Chefdiplomaten Gideon Sa'ar. Ein Treffen mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu ist hingegen nicht vorgesehen.
Vor der Uno-Konferenz über die Zwei-Staaten-Lösung, die vom 17. bis 20. Juni in New York stattfindet, muss die Schweiz ihre Position festlegen. Mehrere Länder könnten bei dieser Gelegenheit einen palästinensischen Staat anerkennen. Das Abschlussdokument könnte aber eher zu Bemühungen aufrufen, diesen Schritt zu erreichen. Die Verbündeten Israels lehnen dieses Szenario ab. Sie argumentieren, dass eine solche politische Entscheidung einer Legitimierung der Hamas gleichkomme.

Redaktion