Nach über 250 Jahren muss das Caffè Greco in Rom, dessen Einnahmen dem Israelitischen Krankenhaus in Rom zuflossen, vorerst schliessen – ein jahrelanger Rechtsstreit endete in der Zwangsräumung.
Wer auf der Spanischen Treppe in Rom sitzt, sieht das geschäftige Treiben am Ende der angrenzenden Via Condotti. Dort befindet sich das legendäre Kaffeehaus «Antico Caffè Greco a. D. 1760». Ein Café, das von aussen nicht imposant, sondern zwischen den glamourösen Boutiquen wie Prada beinahe unscheinbar wirkt. Seine wahre Grösse offenbart es erst, wenn man den Fuss über die Schwelle setzt: Der Geist von über 250 Jahren Geschichte weht durch die traditionsreichen Räume. Als Rom noch zum Kirchenstaat unter Herrschaft des Papstes gehörte und Kaffeegenuss ein neuer, nur wenigen zugänglicher Luxus war, galt das Greco inmitten des päpstlichen Roms als ein gesellschaftlicher Freiraum.
Heute ist das Greco mit seinen eher gehobenen Preisen eine der ältesten Kaffeestuben des Landes, eine Institution, ein Stück Kulturgeschichte. Und manche meinen: eine Goldgrube. In den altehrwürdigen Räumlichkeiten sollen schon Richard Wagner und Johann Wolfgang von Goethe einen Espresso genossen haben. Auch Berlioz, Rossini und Liszt sowie zahlreiche andere Musiker und Schriftsteller, Politiker und gekrönte Häupter, Prominente und Filmstars wie Federico Fellini und Sophia Loren liessen sich in dem geschichtsträchtigen Gemäuer auf dunkelroten Polstern inmitten vieler Kunstwerke nieder. Und natürlich Touristen aus aller Herren Länder. Im Greco, benannt nach seinem griechischen Gründer, wurde Kunst erdacht und geschaffen, auch setzte es selbst Impulse für Kunstwerke. Berühmt sind das 1976 entstandene Gemälde «Caffè Greco» von Renato Guttuso, einem langjährigen Stammgast, und das bereits im 19. Jahrhundert von Ludwig Passini gemalte Bild des Künstlervolkes im Greco. Max Ernst hat mit «Rendezvous der Träume» 1922 ein vergleichbares Genrewerk geschaffen. Nun wurde das Greco, dieser weltweit bekannte, unter dem Schutz des italienischen Kulturministeriums stehende Schauplatz europäischer Lebensart, erst Gegenstand eines zähen Gerichtsverfahrens und dann kürzlich geschlossen und geräumt. Vorangegangen war ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen dem Betreiber und dem Israelitischen Krankenhaus in Rom, dem Besitzer des Cafés.
Kultur vs. Patienten
In dem acht Jahre langen Verfahren ging es unter anderem um die Höhe der Miete. Der Pachtvertrag war ausgelaufen, einer Verlängerung habe der Eigentümer nur zu geänderten Konditionen zustimmen wollen, welche der Pächter und Betreiber aber für überzogen hielt: Die (seitens des Vermieters offiziell nicht genau bezifferte) Höhe der Pacht für die Immobilie sollte fortan beinahe zehnmal so hoch sein, behauptete er. Allerdings marktüblich für die Top-Lage an der Via Condotti: Boutiquen wie Gucci zahlen solche Preise. Die eigentliche Pikanterie ist, dass es sich bei dem Eigner der römischen Immobilie um das Israelitische Krankenhaus handelt, das, wie praktisch alle Spitäler, hohen Kostendruck hat und zuletzt in die roten Zahlen gerutscht sei. Anders gesagt: Die Gastrogelder werden für die Behandlung Kranker benötigt. Die Klinik sah sich in der Pflicht, durch Ansetzen einer marktgerechten Miete ihre Einnahmen zur Stärkung der Gesundheitsversorgung zu optimieren. Die Mieteinkünfte durch die Greco-Immobilie seien dazu da, den Betrieb des Israelitischen Krankenhauses zu sichern. Das Krankenhaus ist Teil des öffentlichen Gesundheitssystems der Stadt und behandelt Menschen aller Konfessionen. Diese Sachlage überzeugte den Pächter nicht, er fühlte sich im Recht. Der Gerichtsprozess durchlief alle Instanzen. Letztes Jahr fällte das Gericht in Rom eine Entscheidung und verfügte die Zwangsräumung des Gastrobetriebs, doch die Umsetzung des Beschlusses zog sich, da der Betreiber gegen die Entscheidung vorging. Sein Standpunkt: Er habe das Unternehmen erworben, entwickelt, gepäppelt und habe die Umsätze verdoppelt. Zuletzt aber, wenngleich es das Greco als eine von jahrhundertelanger Geschichte und künstlerisch-kulturellem Leben der Stadt Rom geprägte Institution würdigte, bestätigte das Oberste Gericht die Rechtmässigkeit der Kündigung.
Ende einer Ära?
Die im Oktober letztlich durchgeführte Schliessung und Zwangsräumung hing auch damit zusammen, dass der Betreiber in den Sommerwochen davor, wohl in einem Akt der Verzweiflung, grosse Teile des Inventars und Mobiliars aus den Räumlichkeiten entfernt und in ein Lager gebracht hatte. Um das kostbare Interieur zu sichern, wie er beteuerte. Doch gab es für diesen Schritt offenbar keine Befugnis. Somit war die Hauruckaktion nicht rechtmässig und Ermittlungen wurden aufgenommen. Schliesslich wurde die Einrichtung gefunden, konfisziert und die Räumung des Kaffeehauses angeordnet. «Adieu, Greco!», verabschiedete sich die Zeitung «Corriere della Sera» von dieser grossen Tradition Italiens.
Interessenten, etwa aus der Modebranche, die die Topimmobilie gern übernehmen und auch eine drastisch erhöhte Miete zahlen würden, gäbe es zuhauf. Doch vielleicht ist das Greco (das via Webshop eine Kaffeemischung «Goethe Blend» in alle Welt versendet) doch nicht für immer untergegangen. Das wäre das Happy End der Geschichte: Könnten sich Kultur und Kommerz für den humanitären medizinischen Zweck doch unter einen Hut bringen lassen? Könnte ein Kompromiss ausgehandelt werden? Würden die Gäste, in Kenntnis gesetzt über den humanitären Zweck der Kaffeebar Greco, künftig womöglich deutlich erhöhte Preise durchaus bereitwillig zahlen? Vedremo. Demnächst sollen erst einmal Instandsetzungs- und Renovierungsarbeiten durchgeführt werden. Die Eigentümerin, heisst es, wolle das Greco (unter neuer Leitung) dann baldmöglichst wiedereröffnen, in neuem, altem Glanz.