Am Sonntag findet der Europäische Tag der jüdischen Kultur unter dem Motto «People of the Book» statt – im Mittelpunkt stehen auch bedeutsame Frauenin der Geschichte des jüdischen Buches.
Das Leitmotiv «People of the Book» könnte passender nicht sein, hebt es doch die zentrale Bedeutung von Text, Schrift und Literatur in der jüdischen Tradition hervor. Der Tanach, die hebräische Bibel, wird dabei als Kulturträger präsentiert, dessen Einfluss weit über Religion hinausgeht – als Symbol für Identität, Dialog, Kreativität und Wissen. Initiatorin und Programmleiterin des Tages ist Nadia Guth Biasini, ausführende Institution das Jüdische Museum der Schweiz in Basel.
Baden, Basel, Bern, Endingen‑Lengnau, Genf, Lausanne, La Chaux‑de‑Fonds und Zürich nehmen am Europäischen Tag der jüdischen Kultur teil und das Programm ist vielseitig. Das Jüdische Museum der Schweiz setzt einen besonderen Akzent: In seinem neuen Gebäude an der Basler Vesalgasse 5 wird am Sonntag das Kunstwerk «Jeziory» von Frank Stella enthüllt – eine Fassadenarbeit, die an die zerstörte Holzsynagoge im Schtetl Jeziory erinnert (vgl. S. 19).
Hinter den Kulissen
In Zürich drehen sich die Veranstaltungen um das «Zürcher Judentum im Spiegel der Literatur». Besonderes Augenmerk wird am Anlass «Jüdische Druckerinnen und Verlegerinnen» auf den Beitrag von Frauen beim Herstellen und Veröffentlichen von Büchern zu jüdischen Themen von der Antike bis in die Moderne gelegt. Sie sind aus der Geschichte des jüdischen Buches kaum wegzudenken, auch wenn bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts der Buchdruck und das Verlagswesen als Bereiche galten, die von Männern dominiert wurden. Der Geschichte dieser Frauen widmet sich Oded Fluss. Der Bibliothekar der Bibliothek der Israelitischen Cultusgemeinde in Zürich sagt zu tachles: «Frauen – in unserem Fall jüdische Frauen – spielten bei der Entstehung und Veröffentlichung von Büchern eine bedeutende Rolle, wenn auch hauptsächlich hinter den Kulissen.» Diese Frauen wären wahrscheinlich unbekannt geblieben, würde nicht der einzigartige Charakter von Büchern, als Träger der Geschichte, es uns heute in einigen Fällen ermöglichen, Spuren der Frauen zu finden.
Seit dem 18. Jahrhundert haben unzählige Frauen in der Buchbranche gearbeitet. «Wir werden uns auf diejenigen konzentrieren, die dem jüdischen Buch einen wichtigen historischen Stempel aufgedrückt haben», so Fluss. Ein Beispiel ist Dvora Romm. Sie war als «die Witwe Romm» bekannt, hatte die Buchdruckerei ihres verstorbenen Mannes geerbt und betrieb mit der Witwe und Gebrüder Romm Druckerei in Wilna eine der erfolgreichsten Druckereien des 19. Jahrhunderts. Sie hat heute bekannte hebräische und jiddische Autoren ihrer Zeit entdeckt und war die Einzige, die sie publiziert und damit einem breiten Publikum bekannt gemacht hat.
Es wird aber auch ein Blick auf neuere und näher liegende Fälle geworfen, zum Beispiel zu den Schwestern Selma und Lili Steinberg. Sie gründeten 1942 den Steinberg-Verlag in Zürich. Der Verlag wurde für seine Übersetzungen und Exilpublikationen weltberühmter Autorinnen und Autoren bekannt.
Zwischen den Zeilen lesen
Fluss sagt: «Wie so oft in der Geschichte ist auch die Rolle der Frauen in der Geschichte des jüdischen Buches kaum bekannt. Einige von ihnen werden wir leider nie kennenlernen, da sie vollständig aus der Geschichte getilgt wurden.» Doch durch aktuelle Forschung und das wortwörtliche «Lesen zwischen den Zeilen» seien einige dieser Frauen (wieder) entdeckt worden und könnten nun – auch durch Anlässe wie den in Zürich – die verdiente Anerkennung erhalten. Der Europäische Tag der jüdischen Kultur 2025 bietet aber auch in den anderen Städten eine Entdeckungsreise über jüdisches Wissen und Schriftkultur – facettenreich umgesetzt in Führungen, Kunst, Musik, Literatur, Workshops und historischen Erzählräumen.
Der Europäische Tag der jüdischen Kultur findet am Sonntag, 7. September, statt. Das Programm für die Veranstaltungen finden Sie unter www.juedischer-kulturtag.ch.