Laura Bucher, Regierungsrätin von St. Gallen, hält die Ausstellungen aus zahlreichen Gründen für gelungen, nicht zuletzt, weil sie einen Anfang markieren: Der Bundesrat entschied, dass das Schweizer Memorial, das in den nächsten Jahren für die Opfer des Nationalsozialismus entstehen soll, drei Elemente umfasst: Erinnern, Vermitteln und Vernetzen. Im Rahmen eines Denkmals wird Erinnern in Bern umgesetzt. Ein neu gegründeter gesamtschweizerischer Netzwerkverein, welcher für die Elemente Vermitteln und Vernetzen zuständig ist, plant gemeinsam mit dem Jüdischen Museum Hohenems ein neues Vermittlungszentrum, das in Diepoldsau auch die gesamtschweizerische Flüchtlingsgeschichte behandeln wird. Die Politikerin hielt fest: «So können wir heute besser reflektieren, wie wichtig Demokratie, Grundrechte, Minderheitenschutz und die Prävention von Antisemitismus sind.» Hanno Loewy, Direktor des jüdischen Museums Hohenems sagte in seiner Einführung: «Die Menschen, die hier zu Tausenden über die Grenze flohen, kamen zumeist aus Wien. Sie wurden als Gefahr für die Schweizer Kultur, für die Schweizer Neutralität, für den Schweizer Arbeitsmarkt, für das Schweizer Sozialsystem betrachtet, auch wenn die Kosten, die sie Verursachten, zu 100 Prozent von den, nicht zuletzt jüdischen, Flüchtlingshilfsorganisationen bezahlt werden mussten. Die meisten von ihnen waren das, was man wohl gerne ‹einfache Menschen› nennt. (…) Sie waren Klempner und Installateure, Bäcker, Schneider und Metzger, Schaufensterdekorateure, Lebensmittelhändler und Taxifahrer. Und ihre Familien kamen vor, während oder nach dem Ersten Weltkrieg zumeist aus Osteuropa und hatten Krieg, antisemitische Verfolgung, Flucht und Armutsmigration schon kennengelernt. Sie hatten wenig zu verlieren. Und nach der Einführung der Visumpflicht im März 1938, erst recht nach der Grenzschliessung am 18. August 1938, gab es für sie nur noch illegale Wege in die Schweiz. In den internen Berichten der Schweizer Behörden über sie wimmelt es von rassistischen und antisemitischen Invektiven – und abfälligen Bemerkungen.» Ursula Stadlmüller, Kuratorin, gab einen Einblick in die Ausstellung: «Manchmal brach diese Angst plötzlich herein – etwa im Mai 1940, als das Gerücht eines deutschen Einmarsches eine Massenflucht auslöste. Familien packten ihre Habseligkeiten, nahmen Kinder und Vieh mit und flohen ins Appenzell oder in die lnnerschweiz – so zahlreich, dass die Appenzeller Behörden sogar um finanzielle Unterstützung von St. Gallen nachsuchten. Nicht alle jedoch fürchteten einen Einmarsch. Eine kleine Minderheit, die sogenannten Frontisten, hoffte mit deutscher Hilfe auf einen politischen Umsturz in der Schweiz. Auch im Rheintal war mit der Gruppe ‹Jungrhein› eine solche Bewegung aktiv.»
www.gemeinsam-erinnern.ch
www.ueber-die-grenze.at
Eröffnung
12. Sep 2025
Erinnern, vernetzen, vermitteln
Vivianne Berg