Sidra Schemini 25. Apr 2025

Zweimal gesagt

«Muss ich eigentlich immer alles zweimal sagen?» Zweimal! Welche Eltern, Lehrer, Vorgesetzten kennen die Situation nicht, in welcher sie zunächst nicht gehört werden, und deshalb wiederholen müssen, was sie beim ersten Mal angeordnet haben wollten? Bald liegt Ärger in der Luft, der Ton verschärft sich, die Aussage bekommt einen Unterton der Dringlichkeit. Damit es beim zweiten Mal wirksam wird, sollte der Wortlaut genau gleich wie in der Ausgangsforderung bleiben, keine Zusatzwörter, keine Füllwörter, ja nicht einmal die Reihenfolge der Wörter sollte geändert werden. Der Fokus ist immer auf der Person, die etwas anordnet, also beim «Sender», nie beim Empfänger.

Diesem häufigen Szenario steht ein anderes Sprichwort gegenüber, das in ähnlicher Manier die Kraft der Wiederholung betont: «Doppelt genäht hält besser!» Eine simple Naht, ein einfacher Saum würden genügen, doch das Sicherheitsbedürfnis will auch bedient werden, weshalb eben doppelt «genäht» wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens eine der beiden Botschaften ankommt, steigt steil an. Wir kennen das heute zum Beispiel von Arztterminen, die telefonisch abgesprochen und dann per SMS noch bestätigt werden, vielleicht sogar per Brief. Hier spielt es keine Rolle, wer der «Sender» und wer der Empfänger ist, denn doppelt genäht hält halt wirklich besser.

Kennt die Thora auch solche Situationen? Der Wochenabschnitt Schemini schildert die hochdramatische Einweihungsfeier des Stiftszeltes und damit verbunden die Amtseinsetzung der Priester. Jedes Detail ist nicht nur vorbestimmt, sondern auch vorbereitet, spontane Momente sind nicht vorgesehen. Doch es gibt einen solchen Augenblick (Lev 9:24-10:2): «Ein Feuer fuhr von dem Ewigen aus und verzehrte» das, was für die Feier vorgesehen war, sodass das Volk in Freudengeschrei ausbrach, dabei aber auf das Angesicht fiel – und somit nichts sah! Dann treten zwei der Söhne Aharons auf, Nadaw und Awihu, bringen eigenes, somit «fremdes» und so nicht vorgesehenes Feuer dar, worauf noch einmal göttliches Feuer herausfuhr und verzehrte. Genau gleicher Wortlaut, nur dass die beiden Verse sehr unterschiedlich weitergehen. Im ersten Vers verbrennen die Einweihungsgaben, im zweiten die beiden Priestersöhne. Sie starben nicht nur vor Gott, sondern vor der ganzen Gemeinde, und natürlich auch vor ihrem Vater Aharon. Das ist nicht ein Beispiel von «doppelt-genäht», sondern ganz im Gegenteil von drastischem Eingriff vonseiten des Senders der Botschaft. Es ging keine Warnung voraus, die göttliche Reaktion folgte sofort und war fatal.

An einer anderen Stelle sieht es etwas anders aus. Interessanterweise geht es auch bei jener Episode um das Stiftszelt. Dem Abschluss der Arbeiten zur Errichtung des Stiftszeltes folgt ein äusserst knappes Berichtlein über die göttliche Ankunft: Gerade mal fünf Verse braucht die Thora dafür (Ex 40:34–38). Mosche legt zum letzten Mal Hand an, und dann bezieht Gott die Wohnung. Fertig, fast. Hier kommt es jetzt zu einer Textwiederholung, die es in sich hat, wenn es heisst, dass die Wolke das Stiftszelt bedeckte. Von der göttlichen Wohnsitznahme ist deshalb rein gar nichts zu sehen. Die bedeckende Wolke steht im Text sogar vor dem göttlichen Einzug in das Zelt, sodass wirklich niemand wahrnehmen konnte, dass die Herrlichkeit Gottes das Zelt vollkommen ausfüllte. Auch Mosche nicht, weshalb er eben nicht in das Zelt hineinkommen konnte. Wollte er das denn? Vielleicht plante er einen Willkommensgruss, schliesslich ist das «ohel moed» nach S. R. Hirsch als Zusammenkunftsbestimmungszelt gedacht. Doch ist es nicht irgendwie logisch, dass ein volles Gebäude nicht betreten werden kann? Lakonisch stellt der biblische Text fest, dass Mosche nicht in das Zelt eintreten konnte, weil Gott das Zelt vollkommen ausfüllte. Und wegen der Wolke.

Rabbiner Bea Wyler