die literarische Kolumne 24. Okt 2025

Wo bleibt der Mensch?

«Die Märkte mögen keine Demokratien.»
Larry Fink


Die Märkte. Welch netter Begriff, mit dem man den Geruch von Gewürzen und nassem Kopfsteinpflaster, netten Bäuerinnen und Katzen verbindet.

Die Märkte, die Larry Fink meint, haben leider nichts mit Fairness, Kaufspass des Normalbürgers und irgendetwas zu tun, was sinnvoll für viele wäre. Sie sind getrieben von High-Speed-Trading-KI, unterdessen Ausgeburt von Irrsinn, Profitoptimierung, kurzfristigen Entscheidungen, feindlicher Übernahme, Monopolen und Raserei. Wo bleibt die immer wieder zitierte Freiheit des Konsumentenwillens, wenn alle Auswahlmöglichkeiten von einem Monopolisten stammen oder Waren sich durch den Handel so verteuern, dass der Konsument keiner mehr ist, sondern nur noch Mensch?

Wo bleibt der Mensch, wenn der Wohnungsmarkt entscheidet, nur noch Wohnraum für Menschen mit einem Einkommen ab CHF 40 000 monatlich bereitzustellen. Oder dass ihm in der grossartigen freien Welt des World Wide Web nichts mehr gehört. Der Mensch kann Abos lösen, zum Beheizen des Autositzes, für Podcasts, Schreibprogramme, die Nutzung von Domains, Musik, Filme, Wartung und Pflege, das Leben als Abofalle – gut für die Märkte. Und nun kommt die Demokratie ins Spiel, die Macht, die vom Volk ausgeht. Oder genauer, von einem kleinen Teil des Volkes, also jenen, die über Kapital verfügen, die Gesetze zum Schutz des Kapitals formulieren. Demokratisch kann der Rest der Nichtkapitalinhaber wählen, Referenden imitieren, an Abstimmungen teilnehmen. Das ist schon mal was. Im Zweifel nichts, was die Märkte stören würde in ihrem unermüdlichen Einsatz für Kapitalakkumulation. Erstaunlicherweise stimmen die meisten Berechtigten im Sinne der Märkte ab. Sie entscheiden sich gegen Steuererhöhungen für Firmen, Firmeninhaber, Kapitalisten, denn sie glauben, irgendwann dazugehören zu können, zu dem 1 Prozent der Supervermögenden. Wenn sie sich nur recht anstrengen wollten.

Larry Fink ist unterdessen provisorischer Leiter des Weltwirtschaftsforums – dem Swingerfest der Kapitalelite, das bei seinem «Meet and Greet» auch immer ein paar Menschen einlädt, Schauspieler und Schauspielerinnen oder Klimaaktivisten für das Unterhaltungsprogramm. – Die Märkte mögen Menschen nicht. Sie sind ihnen egal.

Sibylle Berg