zur lage in den USA 21. Nov 2025

Amerikas jüdische Sorgen

Wie besorgt sollten amerikanische Juden sein, während die Alternative für Deutschland (AfD) weiterhin um Trump und seine MAGA-Bewegung wirbt? In den 1930er Jahren suchten amerikanische Nazis Inspiration in Berlin. Der Deutsch-Amerikanische Bund veranstaltete Fackelumzüge in New York, verleumdete Juden, predigte die Vorherrschaft der weissen Rasse und schickte seine Kinder zur Indoktrinierung in Sommerlager im Stil der Hitlerjugend – alles im Dienste der Verbreitung der Vision des Führers auf amerikanischem Boden.

Neun Jahrzehnte später fliesst die Strömung in umgekehrter Richtung, da die rechtsextreme AfD auf Einladung von Vertretern der Trump-Regierung, die die deutsche Partei als zu Unrecht ausgegrenzt betrachten, Pilgerreisen nach Washington D.C. unternimmt. Trumps MAGA-Bewegung und die AfD präsentieren sich beide als Verteidiger einer Zivilisation, die von nicht-weis-sen Aussenstehenden bedroht ist, und beide tolerieren antisemitische Äusserungen von Mitgliedern in ihren eigenen Reihen.

Bei Trumps Amtseinführungsfeier am 20. Januar machte Elon Musk eine Geste, die einem Nazi-Gruss ähnelte, und erklärte: «Mein Herz ist bei euch. Euch ist es zu verdanken, dass die Zukunft der Zivilisation gesichert ist.» Musk bestritt später jegliche Nazi-Absicht. Aber er sorgte erneut für Aufsehen, als er im Februar per Videokonferenz an einer Wahlkampfveranstaltung der AfD in Halle im Süden von Sachsen-Anhalt teilnahm, wo er die Partei als «die beste Hoffnung für Deutschland» lobte und die Bürger aufforderte, die Nazi-Vergangenheit ihres Landes «hinter sich zu lassen».

Auf der jährlichen Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar dieses Jahres verunsicherte US-Vizepräsident John David Vance die europäischen Partner Amerikas mit der Aussage, dass die Demokratie in Europa nicht durch populistische Parteien wie die AfD bedroht sei, sondern durch die Weigerung der Regierungen, diese als legitime politische Akteure zu behandeln. Diese freundschaftliche Beziehung zwischen der Trump-Regierung und einer deutschen Partei, die vom deutschen Geheimdienst als extremistisch eingestuft wurde, ist eine Art umgekehrtes Spiegelbild der Verhältnisse zwischen den beiden Ländern in den 1930er Jahren.

Versetzen wir uns mit einer Zeitmaschine zurück zum 18. Juli 1937 und an einen Ort namens Camp Nordland, ein Sommercamp in New Jersey. Es wurde vom Deutsch-Amerikanischen Bund betrieben und war nicht nur ein Erholungsort, sondern auch eine Bühne für faschistische Prunkveranstaltungen. Hakenkreuzfahnen flankierten den Eingang. Uniformierte Männer marschierten in Formation. Kinder sangen Lieder über den Stolz der Arier. Politiker und Führer des Bundes hielten Reden, in denen sie Hitlers Vision lobten und Roosevelts «jüdische Regierung» verurteilten. Es war Amerikas eigenes Stück «des Reiches», eingebettet in die Wälder von Sussex County. Camp Nordland war kein isolierter Hort des amerikanischen Nationalsozialismus. Es gab etwa 200 weitere ähnliche Lager, die über das ganze Land verteilt waren.

Die Kundgebungen des Bunds waren nahezu perfekte Nachbildungen der Nazi-Spektakel in Deutschland, keine davon war dreister als die am 20. Februar 1939 im Madison Square Garden. Mehr als 20 000 Menschen drängten sich in der Arena, während uniformierte Männer und Frauen in Nazi-Uniformen durch die Gänge marschierten. Hakenkreuze flankierten ein hoch aufragendes Porträt von George Washington. Die Menge erhob den Arm zum Gruss, als Bund-Führer Fritz Kuhn die Bühne betrat und unter tosendem Applaus erklärte, dass «die Juden für uns tausend Mal gefährlicher sind als alle anderen», und dass die Regierung «an das amerikanische Volk zurückgegeben werden muss, das sie gegründet hat».

Der Traum des Bundes von einem amerikanischen Reich zerplatzte jedoch bald darauf. Kuhn wurde wegen Unterschlagung verurteilt. Der Zweite Weltkrieg machte die Loyalität gegenüber Hitler politisch toxisch. Das Camp Nordland wurde 1941 durchsucht und geschlossen. Aber die Ideologie starb nicht – sie schlummerte nur und taucht nun auf beiden Seiten des Atlantiks wieder auf.

Im November reiste Trump-Berater Alex Bruesewitz nach Berlin und bezeichnete die AfD-Mitglieder des Bundestages und die Anhänger der Partei als «mutige Visionäre.» In einem Interview mit Politico sagte er: «Wir sitzen alle im selben Boot. Die Kräfte, die sich gegen uns stellen, sind nicht nur ideologische Gegner, sie sind Manifestationen des Bösen, die danach streben, das Licht des Glaubens, der Familie und der Freiheit auszulöschen.»

Einen Monat vor Bruesewitz' Reise nach Berlin wurden zwei AfD-Abgeordnete zu einem privaten Empfang in Manhattan eingeladen, wo ein Operntenor ihnen die erste Strophe von «Deutschland über alles» vorsang, wie Reuters berichtet. Gastgeber der Veranstaltung war der New York Young Republican Club, ein Ortsverband der nationalen Young Republican Federation. Im Herbst berichtete Politico über Telegram-Nachrichten von Leitern der Young Republicans in mehreren Bundesstaaten, in denen Mitglieder Hitler lobten, Witze über Gaskammern machten, Juden und schwarze Amerikaner verleumdeten und von Gewalt gegen politische Gegner fantasierten.

All dies wirft die Frage auf, ob diese transatlantische Kameradschaft zwischen Trumps MAGA-Bewegung und der AfD eine Gefahr birgt. Wahrscheinlich eher für die Deutschen als für die Amerikaner. Die AfD ist seit ihrer Gründung vor nur zwölf Jahren zu einem mächtigen Akteur in der deutschen Politik geworden und hat sich von einer randständigen euroskeptischen Bewegung zu einer dominierenden Kraft entwickelt – insbesondere im ehemaligen Osten, wo wirtschaftliche Verwerfungen und kulturelle Ressentiments ihren Aufstieg beflügelt haben. Von den 630 Sitzen im Bundestag hält die AfD nun 152 und ist damit die zweitgrösste Fraktion im Bundestag. Und doch bleibt die Partei politisch isoliert: Die deutschen Mainstream-Parteien haben sich geweigert, mit der AfD bei der Gesetzgebung oder der Bildung von Koalitionen zusammenzuarbeiten.

Die AfD hofft, dass ihre Annäherung an Trump und seine MAGA-Bewegung den Druck auf die regierende christdemokratisch-sozialdemokratische Koalition in Deutschland erhöht, die «Brandmauer» abzubauen, die sie politisch isoliert hat. Dies würde nicht nur den Einfluss der AfD verstärken, sondern könnte auch den Weg für einen Beitritt der Partei zu einer zukünftigen Regie-rungskoalition ebnen. Für viele Deutsche weckt dieses Szenario erschreckende Erinnerungen daran, wie Hitler an die Macht kam: nicht durch einen klaren Sieg, sondern durch Ausnutzung der Schwäche und Zersplitterung der etablierten Parteien.

Die AfD beharrt darauf, dass sie keine Gefahr für die Demokratie darstellt, obwohl sie im Mai vom deutschen Verfassungsschutz als «bestätigt rechtsextrem» eingestuft wurde. Die Parteiführung bezeichnet diese Einstufung als Verleumdung und Versuch, abweichende Meinungen zum Schweigen zu bringen. Diese Ansicht findet auch jenseits des Atlantiks Befürworter. US-Aussenminister Marco Rubio verurteilte die Einstufung als «versteckte Tyrannei».

Man könnte argumentieren, dass in gewisser Weise das, was viele Deutsche für ihr Land befürchten, hier bereits eingetreten ist. In Deutschland warten rechtsextreme Ideologen noch darauf, in die Regierung zu kommen. In den USA sind sie bereits dabei – sie entwerfen Politik, besetzen Ämter und gestalten aussenpolitische Allianzen. Was in Deutschland noch als rote Linie betrachtet wird, hat sich in Amerika bereits normalisiert.

Terrence Petty ist Autor der Bücher «Nazis At The Watercooler: War Criminals In Postwar German Government Agencies» und «Enemy Of The People: The Munich Post and the Journalists Who Opposed Hitler».

Terrence Petty